Die Suche ergab 29 Treffer

von Sumaro
04.01.2021 22:00
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Sumaros kleine Schreibstube

Hier noch einmal ein kleines Update aus meiner Schreibstube, die Einstiegsszene des DSA-Klassikers aus Löwe und Rabe (Die Schlacht am Szinto) in kurzen Episoden aus der Perspektive einzelner SC-Konzepte. Vielleicht hilft es jemandem als Inspiration.

Kampfmagier/in:

Schreie, Kreischen, Flammen! Die Welt ist Chaos! In deiner Hand brennt eine Klinge aus Feuer. Du lässt sie fallen, erschrocken zurückfahrend, als dich die Hitze beinahe versengt. Noch während sie fällt schwindet sie. Aus Flammen und Stahl wird runengeziertes Holz. Was passiert hier? Jemand stößt dich an, schleudert dich zurück. Nicht jemand, etwas. Ein gewaltiges Tier hat dich umgeworfen und der Aufprall auf lehmigem Boden treibt dir die Luft aus den Lungen. Hufe trampeln über aufgeworfene, blutige Erde. Dein Blick huscht gehetzt über die Szenerie, die keinen Sinn ergibt. Da sind Männer und Frauen, viele in schwarzer Rüstung, sie marschieren. Da sind Pferde, die kreischend davonlaufen. Da sind Tote, die blicklos ins Leere starren. Es ist ein Alptraum, muss ein Alptraum sein. Etwas in dir ist hohl und leer, als würde ein Stück fehlen. Einen Moment starrst du auf deine Hände, dann fügt sich etwas im Chaos.
Eine Frau blickt dich an, grimmig und grausam. Sie trägt schwarz, sie hebt eine Armbrust, deren Bolzen sich auf dich richtet. Von allen, die sie anstarren könnte, hat sie dich ausgesucht und du weißt nicht wieso? Wieso hasst sie dich so? Du hebst die Hände, abwehrend, beschwichtigend, glaubst du. Aber da ist mehr als das. Du hebst sie als würdest du etwas wegwischen wollen? Ihren Bolzen? Etwas in dir zieht und schwindet, als würdest du bluten, aber ohne Schmerz. Und dann… bist du nicht mehr allein. Die stählerne Sehne schnalzt, der Bolzen fährt durch das angstgezeichnete Gesicht eines kahlköpfigen Mannes an deiner Seite. Er… verschwindet… Da ist noch ein anderer, er gleitet an deine Seite, der Zwilling des Verschwundenen. Die Frau schreit wütend auf und beginnt erneut zu kurbeln. Du verstehst nicht! Die Schützin hat Antworten in ihrem Hass, aber alles in dir schreit zu laufen. Fort vom Lärm und Tod und Bolzen. Was tust du?

Mechaniker/in /Armbrustschützin:

Hitze brennt auf deinen Wangen und ein dumpfes Rauschen füllt deinen Kopf. Du starrst hinauf in blauen Himmel und schwarzen Rauch. Dein Körper zuckt und bebt, er fühlt sich fremd an. Er will etwas von dir und du begreifst nicht was es ist. Enge in deiner Brust, wie Eisenbänder, die sich immer fester um dich schlingen und dann… ein würgendes Husten, das nur taub in deinem eigenen Schädel widerhallt, bevor du atmest. Wieder atmest! Luft, du brauchst Luft! Hektisch füllt sich deine Brust mit jedem gierigen Atemzug und zur Erleichterung jetzt zu wissen was du brauchst, mischt sich stechender Schmerz. Deine Finger graben sich in lehmigen Boden, der unter dir bebt und zittert. Du riechst Metall und Feuer und Säure im Wind, der über dein Gesicht streift. Ein Gesicht das heiß ist von Schmerz. Deine Arme drücken dich nach oben und dein Blickfeld kippt. Das Blau weicht gelbem Lehm und rotem Blut und Männern in schwarzer Rüstung. Du siehst sie marschieren, riechst die Flammen, die über den Boden kriechen, schillernde Pfützen von Öl entlang, aber alles ist still… Nur Rauschen.
Deine Gedanken rasen, versuchen einen Sinn zu erfassen, die Stücke der Wirklichkeit zusammenzusetzen, doch nichts will passen. Du erinnerst dich an Geräusche, doch du kannst nichts hören. Du erinnerst dich zu stehen, aber du liegst auf dem aufgeworfenen Boden, du erinnerst dich an… nichts. Der Boden erzittert erneut, wild und bockig wie ein Tier, das sich schüttelt. Dreck und Blut und Feuer fliegt in die Luft und spritzt auf dich herunter. Ein Klingeln dröhnt durch das Rauschen in deinem Kopf und die Welt kippt zur Seite, als du herumgeworfen wirst. Dein Blick verfängt sich an einem seltsamen Gebilde im Lehm, nur eine Armeslänge von dir entfernt. Eine Konstruktion aus Holz und Eisen, ein Griff und Abzug, der sich anfühlt, als würde er in deine Hand gehören. Du greifst danach und spürst ein weiteres Beben unter deinen Händen, als du auf alle Viere kommst. Dein Blick schwenkt herum. Dort sind Reiter, schwarz und stählern und sie kommen auf dich zu. Sie haben ein Ziel, als wüssten sie was geschieht, als wüssten sie, wohin sie wollen. Sie haben Antworten, aber auch Hämmer aus dunklem Stahl. Du kommst auf deine Beine und die Welt schwankt erneut, doch dieses Mal nur in deinem Kopf. Wohin? Zu den Reitern? Fort von den Reitern? Du musst dich entscheiden…

Rondrianer/in:

Blut spritzt auf dein Gesicht. Das Knirschen von Metall auf Stahl dringt durch das Getöse des Chaos. Du bohrst die Klinge in den zusammensackenden Leib der Frau, deren Blick sich an deinem bricht, ehe sie zur Seite kippt. Ein Schrei, wild und urtümlich übertönt den Lärm und erst als du den Mund schließt, bemerkst du, dass es deine Stimme gewesen sein muss. Heiße Wut fließt durch dich und du weißt nicht woher sie kommt oder wem sie gilt. Aber sie ist da. Um dich herum tosen Panik und Kampf und der Gesang einer Schlacht und deine Klinge ist vertraut in deiner Hand, wie ein Anker inmitten eines wirbelnden Sturmes. Du bleckst deine Zähne und schmeckst Metall auf deiner Zunge, deine Augen wandern über gebrochene Körper, die dich umgeben wie Ären, niedergemäht von einer Sense. Schwarzgepanzerte Gestalten und Männer in Tuch mit gekrümmten Klingen liegen ausgestreckt und blicklos starrend verteilt. Der Himmel ist voller Rauch und das Tal voller Schreie und Sterben. Dein Geist kann keinen Sinn erkennen in all dem, doch du kennst keine Furcht. Wer du bist, wo du bist, warum du bist? Du hast keine Antworten. Doch was du bist, die Klinge in deiner Hand singt zu dir und das ist alles, was du brauchst, zu brauchen glaubst.
In dir ist eine Hitze aus Zorn und Schmerz, dein Leib brennt und du heißt es willkommen, als gäbe es nichts anderes, nichts Vertrauteres als dies. Da ist eine Nähe, die du nicht erklären kannst. Eine Verbundenheit, die in dir liegt, obwohl du mitten in Tod stehst. Und dann siehst du sie, die Männer und Frauen in Schwarz, hinter Schilden mit gekrönten Raben. Sie versprechen dir Tod und Glorie und etwas in dir singt voller Freude. Und dann siehst du die verstörten Gestalten, verstreut und hilflos, manche am Boden windend, manche heillos fliehend. Und du weißt, wenn du nichts anderes weißt, dass du ihr Fels sein kannst, inmitten des Sturms. Das Gebrüll einer Löwin hallt über das Schlachtfeld. Entscheide! Märtyrer oder Retter?

Streuner/in, Geheimagent/in:

Der Schnabel des schwarzen, stählernen Raben fällt an deinem Gesicht vorbei. Der Ausfallschritt des bärtigen Hünen trägt ihn an dir vorüber und öffnet seine Deckung. Die Klinge in deiner Hand folgt einem Gedanken, an den du dich nicht erinnern kannst. Sie stößt von unten nach oben, gleitet an dem Plattenpanzer entlang über die Seite bis unter die Achsel, wo sie sich mit einem feuchten Schmatzen versenkt. Die gepanzerte Gestalt stolpert weiter, taumelt, fällt und zuckt auf dem aufgerissenen Gelb des lehmigen Bodens. Du starrst auf deinen Arm, die Waffe, die deine Finger halten, getränkt von Blut, das nicht deines ist. Ein wildes Pochen und Rauschen erfüllt deine Ohren, dein Blick hebt sich von der Klinge und versenkt sich im schreienden Chaos eines Gemetzels, dessen Bedeutung dir verborgen bleibt. Schwarze Gestalten marschieren durch Rauch und über Lehm und Hämmer fahren nieder auf kreischende Tiere und Menschen, zerschmettern Knochen und Körper mit unbarmherzigem Schmatzen. Hämmer, wie jener, der eben an deinem Gesicht vorbeizog. Gestalten, wie die, die deine Klinge gefällt hat. Sie sind überall um dich herum und wenn sie sehen, was du getan hast, dann…?!
Du willst die Hände heben, vor dein Gesicht schlagen, wie ein Kind, dass die Wirklichkeit verbannen kann, wenn es sie nicht mehr sieht. Doch deine blutgetränkte Klinge ist noch immer ein Gewicht in deiner Linken und dein rechter Arm gehorcht nicht, hängt leblos an deinem Körper, fremd und schwer, als habe er vergessen, dass er ein Teil von dir ist. Panik drückt in deine Kehle, als du deine Augen aufreißt, in Erwartungen, dass jemand sich zu dir wendet und Hämmer auch deinen Leib zerschlagen. Doch niemand beachtet dich. Sie ziehen an dir vorbei, als gäbe es dich nicht, als hättest du nicht einen von ihnen erstochen. Sie morden ohne Achtung. Und du blickst auf die Klinge in deiner Hand, voller Blut. Auch du kannst morden, vermutlich mehr als einen von ihnen. Oder du läufst… nur wohin? Es ist deine Wahl…

Phexgeweihte/Ritter:

Holz splittert und spritzt in alle Richtungen davon. Die Welt dreht sich einmal um sich selbst, der Himmel ist voller schwarzer Wolken, der Boden gelb und aufgeworfen, dann kommt er dir entgegen und der Aufprall raubt dir den Atem. Etwas in dir knackt hässlich, über das Getöse und Getrampel und die Schreie eines sterbenden Tieres hinweg. Hufe stampfen auf den Lehm, nur wenige Finger von deinem Gesicht entfernt. Dein hektischer Atem zieht stinkenden Staub in deine Lungen und du würgst ihn hustend wieder hervor. Heißer Schmerz jagt durch deine Brust und deinen Hals, Schwärze drückt gegen den Rand deines Sichtfeldes. Dennoch stemmen sich deine Arme nach oben, weg vom Boden, dem rauchgetränkten Himmel entgegen. Du ziehst deine Beine unter dich, drückst deine Fäuste gegen den Lehm, der staubig und rissig, aber hart wie Stein ist. Du kommst auf ein Knie und hebst den Blick, zunächst auf das sperrige Gewicht starrend, das deinen linken Arm zurück in Richtung Erde zieht. Die Überreste eines Schildes, lederne Riemen, verbogener Stahl und geborstenes Holz. So sollte es nicht sein, oder?
Dann siehst du den Rest der Welt. Eine gelbe Ebene, orangene Feuer, Bäche aus rot-braunem Blut und Tod. So viel Tod. Schwarze Krieger unter Bannern mit gekrönten Raben schreiten aus Schwaden von Rauch und Flammen, wie Monster aus einem Alptraum. Die Luft ist erfüllt von einem Lärm, der Jaulen und Brechen und Donnern zugleich ist. Auf deiner Zunge schmeckst du den sauren Lehm, auf den du gestürzt bist. Nichts ist dir vertraut, nicht das Rabenwappen, nicht die Toten und Sterbenden, nicht der Lärm oder der Schmerz. Nur eines erkennst du, nicht aus Erinnerung, sondern aus Instinkt: Gelegenheit. Stell dich den rabengekrönten Monstern aus dem Alptraum oder schleiche davon, jetzt, schnell und ungesehen und kämpfe an einem neuen Tag. Die Würfel fallen…
von Sumaro
25.01.2019 11:56
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Sumaros kleine Schreibstube

Der Festsaal @Rasputin

Der Duft von gebratenen und gesottenen Speisen hängt mit verlockender Köstlichkeit in der Luft und überdeckt auch fast die rauchige Note des glosenden Kaminfeuers, welches die große Halle mit Wärme und einem orangeroten, heimeligen Schein erfüllt. Die lange, wuchtige Tafel aus dunklem Eichenholz scheint sich beinahe unter der Last des aufgetragenen Festmahls zu biegen. Es ist für fast zwei Dutzend Männer und Frauen gedeckt, doch wo Teller und Krüge, Gabeln und Messer von eher schlichter Qualität sind und nur der Baron und seine Familie von feinerem Besteck kosten, ist die schiere Menge an Braten und Pasteten, Töpfen voller dampfender Suppe und Pfannen gefüllt mit in Butter gebratenem Gemüse sowie Schalen mit honigglasierten oder in scharfem Weinbrand eingelegten Früchten, genug um sicherlich die doppelte Menge an Menschen mit edlen Speisen zu sättigen.

Durch die hohen Bleiglasfenster, die eingefasst sind von schweren dunklen Vorhängen, fällt das neblige Licht des schwindenden Wintertages herein, über der Tafel verstärkt durch den wärmeren Schein der entzündeten Kerzen, die den Kronleuchter zieren. Zwischen Sahnetorte und Wildschweinbraten, tönernen Schnapskrügen und edlen Weinflaschen, finden sich weitere Kerzenständer, manche wuchtig, dunkel und eisern, andere filigraner und aus goldschimmerndem Messing, um den langen Tisch ordentlich zu erleuchten. An der Kopfseite der Halle, dort wo die hohe Familie ihre Plätze hat, liegt ein schweres Bärenfell vor dem Kamin, neben dem gusseisernes Schürwerkzeug und fetttriefende Bratenspieße aufgestellt sind.

An den Wänden abseits der Fensterfront, prangen die Trophäen der erfolgreichen Jagdhistorie der Familie. Ein Eberkopf mit beeindruckenden Hauern, das imposante Geweih eines Vierzehnenders und sogar zwei seltsame Meerestiere, beide großen Fischen ähnelnd, jedoch das eine mit einer langen und sehr spitzen Schnauze, einem Rapier gleich, das andere mit einem seltsamen Knochenverwuchs, der wie ein Sägeblatt den Kopf verlängert. Zwischen eben jenen Trophäen, die von edel bis skurril zu reichen scheinen, sind Bilder bedeutender Ahnen zu finden, deren Blicke düster und deren Gewänder rauchig wirken, so als habe sich ein Schleier aus Ruß über die Jahre und Jahrzehnte ihres Wachens auf die bemalten Leinwände gelegt.

Nur ein großes Portal führt in den Raum hinein, eine doppelflügelige, wuchtige Tür mit eisenern Beschlägen, neben der ein hölzerner, stumme Diener die Mäntel und Überwürfe der geladenen Gäste trägt und eiserne Haken aus der Wand ragen, an denen man Umhänge aufhängen kann. Verwaist steht, auf der anderen Seite des Portals, die mit Leder bespannte Trommel des Hofmusikers, ein weiteres Opfer der tragischen, letzten Tage, deren Dunkelheit man mit dem heutigen Festmahl abschütteln möchte.

Ein Traum der Geisterspinne @Phoenix1987

Nächtliche Dunkelheit hat sich über das Land gelegt. Fahl und silbrig steht das Madamal am Himmel und sein bleicher Schein taucht alles in farblose Schattierungen von Grau. Die Sterne, nur vereinzelt zwischen den Bändern aus schwarzen Wolkenfetzen hervorblitzend, verblassen neben der beinahe vollen Gestalt des Gestirns der Mondgöttin.

Ein vertrautes Gefühl der treibenden Leere füllt dein Inneres, eine Ruhe, die alles Weltliche fern und unbedeutend erscheinen lässt. Schemenhafte Gestalten bewegen sich über die weiten Felder und im Schatten der Bäume des nahen Hains. Ebenso durchscheinend und und bleich wie das Mondlicht und ebenso unberührt von dem Geschehen der Welt, wie du selbst. Sie sind dir vertraut, auf eine Art, wie es kaum ein Mensch jemals gewesen ist. Sie haben diese Welt hinter sich gelassen, sind nicht mehr als Schatten, nicht mehr als Erinnerung und Träume und doch liegt etwas in ihnen, etwas Ästhetisches und Erhabenes, das dein Herz berührt. Es sind Schicksale, zu früh aus dem Lauf des Lebens genommen, zurückgelassen von den Fängen des Totenraben, den die Diener Borons als Boten ihres Gottes ehren und der die Seelen über das weite Nirgendmeer tragen soll. Doch zu oft hast du sie beobachtet, um noch daran zu glauben, dass ihm keine Seele entgeht. Zu viele der geisterhaften Gestalten, manche nicht mehr als ein Glimmen von Licht über morastigen Teichen und sumpfigen Wiesen, hast du bereits gesehen in Nächten wie diesen, in denen dein Geist wandert, der Welt enthoben, ihnen so nahe.

Vielleicht hat er sie hier vergessen, vielleicht hat er sie zurückgelassen, schon oft haben dich diese Gedanken geplagt, was sie dazu bewegt hier zu verweilen und warum sie stets stumm über das Land streifen, an den Orten ihres Todes hängend und doch niemals diesem ganz nah. In dieser Nacht ist etwas anders. Zunächst will es dir nicht gelingen den Unterschied zu erkennen, deine Gedanken treiben wie Nebelschweife dahin, wann immer der Madaschein dich erleuchtet. Doch selbst durch dieses Gefühl des schwerelosen Schwebens drängt sich letztlich ein Erkenntnis, die dir Klarheit verspricht. Sie schauen dich an. Nicht einer, nicht eine Handvoll, nicht nur die nahen oder die fernen, nein sie alle betrachten nur dich. Selbst die flackernden Irrlichter scheinen in ihrem silbrigen Leuchten deine Präsenz zu berühren. In die schweigenden Ruhe deiner Seele mischt sich ein neues Gefühl, zunächst dumpf, doch vertraut genug, um es in seinen Wurzeln zu erkennen. Es legt sich wie ein fester Knoten in deinen Magen und zieht sich langsam zu. Furcht. Was wollen sie von dir? Was verlangen ihre leblosen, kalten Blicke?
Du erhebst dich und spürst das taufeuchte Gras unter deinen nackten Füßen. Du erinnerst dich nicht, wie du auf den Hügel heraufgestiegen bist, doch scheint es in diesem Moment auch gleichgültig zu sein. Deine Lippen teilen sich, die Frage klingt in deiner Kehle, die eng ist vom aufsteigenden Trotz, der sich der Furcht entgegenwerfen will.

„Was wollt ihr?“ willst du ihnen zurufen, doch kein Laut verlässt deinen stumm geöffneten Mund. Deine Zunge rollt keinen Ton, dein Atem ist nur wie ein Seufzen im Wind. Und dann erkennst du mehr. Es ist als würde die Angst dir Festigkeit verleihen, wo vorher entrückte Leichte dein Sein erfüllte. Sie ballt etwas in dir zusammen, verknotet es in dir und hält dich hier und jetzt. Und sie öffnet deine Augen. Zwischen den Schemen, all jenen Gestalten, nah und fern, groß und klein, gestaltlos und menschengleich, spinnen sich silbrige Fäden, beinahe unsichtbar, aber glänzend im Mondlicht. Fäden und Fäden, die sie umspannen, die dich umspannen, die alle Welt umspannen. Feinste Spinnenseide bindet sie schimmernd aneinander, verwebt Mondschein und Geisterwelt, Seele und Wirklichkeit. Ein Netz so fein, dass es jeder Beute entgehen muss bis... ja bis man sich darin verfängt. Ein Netz so groß, dass es vom Horizont bis zu deinen Füßen reicht.

Der Knoten Furcht in deinem Inneren verdichtet sich zu einer drückenden Schwere, als dein Blick sich hebt, sich hebt zum Madamal und zu den Wolkenfetzen und dem Funkeln der Sterne am Himmelszelt und der Schwärze dazwischen. Du siehst sie. Sie erfüllt den Horizont und den Himmel, ihre Beine sind die Fetzen von Wolken, ihre Augen die wenigen glänzenden Sterne in der schwarzen Leere und der strahlende Mond ist die Zeichnung ihres Leibes. Eine Scheibe aus Licht, von der alle feinen Fäden aus Seide sich klebrig mit der Welt und den Gestalten verfangen. Sie war die ganze Zeit da. Sie war über dir und um dich, es ist ihr Blick, der auf dich starrt, ihr Blick, der dich gefangenhält, ihre seidenen Fäden, die deine Stimme verschnüren. Dein Herz schlägt in hartem Stakkato gegen deine Brust, Ekel und Furcht vermischen sich zu der einem glühend heißen Klumpen flüssigen Bleis in deinem Magen.

Die Spinne, größer als alles, was du jemals erahnen konntest, betrachtet dich, in ihr liegt eine Erwartung und in dem Glanz ihrer fahlen Sternenaugen eine Gier, die dich schaudern lässt. Die leeren Blicke der geisterhaften Hüllen folgen dir, ein Flehen in ihrer traurigen Schweigsamkeit, für das du keine Worte findest. Doch du kannst dich nicht rühren. Du bist so schwer wie ein Berg, deine Furcht ist wie ein Anker, der selbst aus dem Mondlicht jede Leichtigkeit nimmt und jeden Atemzug zur erstickenden Qual macht.
Schweißgebadet ist dein Leib, als du aus dem Traum erwachst, die Nacht ist dunkel und das Licht des Mondes nur eine schmale Sichel. Tau glänzt silbrig auf dem Spinnennetz in der Ecke des Fensters. Es war ein Traum! Nur ein Traum. Nur ein Traum?
von Sumaro
24.09.2018 15:42
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Sumaros kleine Schreibstube

Die Zeit der Ritter (cinematische Einspielung zum Fund des blauen Buches in Zeit der Ritter, der letzte Tag der Theaterritter im Bornland)

„Der Marschall ist gefallen!“ Ihre Finger gruben sich mit einem knirschenden Laut in das brüchige Pergament, auf das mit eiliger Hand die Nachricht geschrieben worden war. Es war nur die erste Zeile von einem halben Dutzend, doch alles was sie wissen musste, stand an dieser Stelle. Natürlich konnte es eine Finte sein und sie würde niemals nur einem Schreiben trauen, auch wenn es die Spuren von Blut und Schweiß trug, mitsamt dem Siegel des Ordens, unsauber und scheinbar eilig in noch heißes Wachs gedrückt. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es die Wahrheit war. Es gab nichts was sie daran hätte deuten können, es war eine Gewissheit, die sie ergriffen hatte, kaum dass sie das Siegel gebrochen und das Schreiben ausgerollt hatte. Und mit dieser Gewissheit klomm eine dumpfe Kälte die Finger hinauf und eine Schwere legte sich auf ihre Brust, die ihr den Atem raubte. Ein gequälter, schluchzender Laut drang aus ihrer Kehle und ihre Schultern zuckten. Sie bekam keine Luft, ihre Augen brannten und die Welt drehte sich. Schwer schlug ihre Faust auf den hölzernen Tisch und suchte Halt in dem Anfall von Schwindel.

„Der Marschall ist gefallen!“ Die Worte hallten wie ein fernes Donnergrollen durch die enge Stube der Ordensburg, in der sie auf Kunde gewartet hatte. Sie hatte den Burschen, ein halbes Kind war er noch, einer der jüngsten Rekruten, hinausgeschickt, kaum dass er ihr die Nachricht überbracht hatte. Etwas in ihr hatte gewusst, dass es keine frohe Kunde sein würde. Keine Kunde über den Sieg und keine Kunde von Glorie in der Schlacht. Sie schluchzte erneut auf. Die Herrin im Gewitter hatte sie geprüft. Sie hatten versagt. Die stolze Göttin hatte sie geprüft und sie hatten versagt! Ein gurgelndes Grollen mischte sich in das nächste Schluchzen, während ihr Blick verschwamm. Tränen rannen mit ungewohnter Hitze ihre Wangen hinab. Dies war das Ende. Es war der letzte aller Tage. Der Orden, seit ihrer Geburt Heimat und Stolz, seit Jahrhunderten Fels in der Brandung wilder Gezeiten, Bollwerk gegen das goblineske Geschmeiß und gegen Unrecht und Dunkelheit, war gefallen.

„Der Marschall ist gefallen!“ Sie zwang sich die Zeilen erneut zu lesen und dann mehr als nur diese ersten Worte. Sie schluchzte ein viertes Mal, doch jetzt straffte sie die Schultern und spürte wie ihre Muskeln verkrampften, als sie sich aufrichtete. Der Schmerz war willkommen, er war ein vertrauter Freund für jeden Diener Rondras und er passte zu dem zerreißenden Gefühl in ihrer Brust. Sie verdiente diesen Schmerz und selbst in der Dunkelheit, die sich in den Raum gesenkt hatte und durch die sie nur mühsam die Buchstaben auf dem Pergament entziffern konnte, verschaffte es ihr einen Hauch von Genugtuung. Nicht jedoch die Zeilen, die sie las. Das Gefühl von endloser Hoffnungslosigkeit wurde mit jedem Wort bedrängender und schwerer. Sie erlaubte sich keinen klagenden Laut mehr.

„Der Marschall ist gefallen!“ Und mit ihm fast das gesamte Heer des Ordens. Nicht jeder Mann, eine Handvoll mochten es geschafft haben, so wie dieser Botenreiter, dessen Brief auf verschlungenen Pfaden seinen Weg in die Burg gefunden haben musste. Doch von dem was sie gewesen waren, eine Streitmacht, ein Fanal Rondras, ihre Speerspitze und ihre Klinge, davon war nichts mehr übrig. Sie waren geborsten und alles was verblieben war, waren diese Rekruten und ein paar Alte und eine Handvoll anderer, die für Frieden und Ordnung sorgen sollten, wo der Marschall seinen heiligen Krieg gegen die Priesterkaiser focht. Doch Rondra hatte sie verlassen. Sie hatte ihnen den Rücken gekehrt, in dem Moment als sie ihren Segen am dringendsten brauchten.

„Der Marschall ist gefallen!“ Was nun? Die Priesterkaiser und ihre Armee, sie würden kommen. Die Goblins, jene hinterhältigen und boshaften Kreaturen, sie würden kommen. Ihre Feinde, in Jahrzehnten und Jahrhunderten zurückgeschlagen, sie alle würden kommen. Sie würden jetzt aus ihren Löchern kriechen, feige und grausam und es würde nichts von ihnen, den Rittern des Theaters von Arivor, bleiben, wenn ihre Feinde fertig waren. Nicht einmal Geschichte würde man finden, denn auch das würde getilgt, wenn ein jeder Mann und eine jede Frau, die heute noch ein Schwert im Namen der wilden Göttin trug und sich Ritter nannte, morgen in den Tod gehen müsste. Wer würde Rondras Gunst erneut gewinnen? Ja, sie hatten Fehler gemacht. Ja, sie wusste selbst um die Dunkelheit, die in manchem Herzen schlummerte und um die Verdammnis die manch einem drohen sollte. Sie hatte es nie ausgesprochen und sie würde es auch jetzt nicht tun, sie würde keine Namen benennen und sie würde es auch niemals ihren Feinden in die Hand geben, jenes Wissen um die eigenen Verwerflichkeiten. Doch war dies Grund genug alles was gut und richtig gewesen war auszulöschen?

„Der Marschall ist gefallen!“ Die Kunde würde sich verbreiten und Sieger schrieben die Geschichte. Eine Lektion, die sie auf eine harte Weise gelernt hatte. Sie warf das Schreiben achtlos auf den Tisch vor sich und blickte dann auf die Chronik ihres Ordens, ein Buch in ledernem Band, geziert mit ihrem Wappen. Konnte alles, was sie jemals gewusst hatten, alles was sie jemals erfahren hatten, alles was sie jemals gewesen waren, verloren gehen? Konnte sie dabei zusehen, um in einem letzten, aussichtslosen Gefecht ihren Platz an Rondras Tafel zu erstreiten? Die Entscheidung lag auf ihren Schultern, sie war die letzte, die geblieben war. Erneut straffte sie ihre Gestalt, dieses Mal richtete sie sich ganz auf. So würden sie nicht untergehen. Dies konnte nicht das Ende sein und auch nicht der Erbe, das ihr Orden, ihre Marschalle, ihre Ritter hinterließen.

„Der Marschall ist gefallen!“ Lang lebe die Marschallin! Der Titel fühlte sich falsch an. Sie würde ihn nicht tragen. Aber sie würde das Erbe ihres Ordens tragen. Sie würde es retten, an einen Ort, den keiner ihrer Häscher und Feinde würde erreichen können. Erneut blickte sie auf das Buch und ein grimmiger Zug umspielte ihren Mund, Entschlossenheit, die ihre Furcht und ihre Trauer niederrang. Sie würde dies bewahren, in den alten Ritualen, für eine ferne Zukunft, in der ihr Orden wiederkehren würde. Und zurückkehren würden sie, triumphal und mit neuer Hoffnung, gewachsen und in Rondras Gunst strahlend. Dies war keine feige Flucht, es war ein Rückzug und ein Vorstoß in das Unbekannte, es war die parierende Klinge, die Platz schaffte zwischen sich und dem Feind, um erneut zuzustoßen und den befreienden Schlag zu führen. Sie würden zurückkehren und mit ihnen auch die Zeit der Ritter.

Drachentraum in der Klamm der gorischen Wüste (Echo des erwachenden Geistes des Drachen Xyxyx, auch bekannt als Rhazzazzor)

Der beharrliche Wind mit seinem düsteren Heulen ist ein dauernder Begleiter gewesen. Sein Jaulen bricht sich an den Wänden der Klamm und manchmal klingt er wie ein waidwundes Tier, das verendend in der Ferne sein Leid klagt, so als würden die scharfkantigen schwarzen Felsen selbst die Flanken des Windes aufreißen. Doch noch unheimlicher als diese Laute, deren An- und Abschwellen nur von göttlicher Willkür getrieben scheint, ist die atemlose Stille, die folgt wenn der Wind sein klagendes Lied unterbricht. Manchmal nur für einige Herzschläge, manchmal für mehr als ein halbes Stundenglas, bevor er ebenso unverhofft, aber nicht weniger winselnd erneut einsetzt.

Diese stillen Momente jedoch sind es, die eines besonders hervorheben: Einsamkeit. Kein Surren oder Zwitschern, ja nicht einmal das bedrohliche Krächzen der sonst stets die Steppe umkreisenden Diener der Umm Ghulsach - wie man in den Landen der ersten Sonne die aasfressenden, krummschnabligen Geier nennt - ist zu vernehmen. Nicht einmal die gefräßigen Totendiener der sanften Tochter Borons wollen in diesen Winden gleiten und so ist es beinahe eine schaurige Gewissheit, dass ein jeder Leib, der hier fällt, nicht zur Erde Sumus zurückkehren wird, sondern vertrocknet und schließlich vom rieselnden Sand begraben und blankgeschliffen, Teil der Gor werden muss. Ob Golgaris Schwingen bis hierher reichen mögen? Oder wird auch der Totenvogel, dessen Krallen nach der Seele, aber nicht dem Leib langen, diesen Ort meiden? Wer vermag es zu sagen...

In die Stille hinein klingen schon die eigenen Gedanken oder auch das Murmeln der Gefährten wie ein Donnerschlag und so ist es nicht wirklich ein Wunder, dass erst nach kurzer Zeit auffällt, dass die Worte, die unverständlich in der Leere schweben, gar nicht nur im eigenen Kopf sind oder aus den Mündern eurer Kameraden kommen. Sie erklingen schon eine Weile, wie lange genau vermag niemand zu sagen und noch mysteriöser ist ihr Laut, denn auch wenn man erkennen kann, dass es eine Sprache sein muss, bleiben Silben und Bedeutung unverständlich. Ein Gefühl von Bestimmtheit liegt in ihnen und ein unbeugsamer Wille durchzieht ihren Klang. Den Blick hebend, weg von dem roten Sand, der den Boden bedeckt und den kantigen Felsen, welche die Klamm einrahmen, erkennt man Wetterleuchten am Himmel, doch nicht weiß und bläulich wie Rondras drohender Ausritt vor einem Gewitter, sondern rötlich und purpurn, wie hungrige Flammen und herrschaftlicher Schein. Es ist nur ein Ablicht dessen was man von der Kante der Schlucht erkennen können muss, doch schon dies sorgt für unbehagliche Schauer, die den Rücken hinablaufen.
Ein seltsamer, aber langsam steigender Druck liegt auf euren Ohren, die Worte in der Ferne werden dadurch dumpfer, aber auch seltsam klarer und für den Bruchteil eines Herzschlages ist dort ein gewaltiger Schatten am Himmel, der seine Dunkelheit auf euch wirft, bevor er hinweggezogen ist und nur ein vager Eindruck bleibt. Schwarze Schuppen und das Rauschen von segelgroßen Schwingen, in denen sich der nun wieder klagende Wind, verfängt. Mit einem Mal scheinen die Wände so eng und der klaffende Riss im Fels, dessen stetiger Aufstieg euch schon viel Kraft abverlangt hat, wie eine tödliche Falle, Kiefer einer Bestie, die euch in jedem Moment zermalmen könnte. Bei den Göttern... was geschieht hier?
von Sumaro
28.04.2018 23:11
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Sumaros kleine Schreibstube

HIer mal ein paar Arbeiten aus dem letzten und diesem Jahr. Die Schreibstube ist ja noch immer geöffnet, auch wenn ich nicht mehr so viel Zeit für sie habe wie früher.

Eine Textpassage zum Erwachen eines Ea'Myrs:

Das Erwachen des Ea'Myr

Der pochende Schmerz ist ein steter Begleiter geworden. Sein Drängen hinter der Stirn gleicht dem Wellengang des Meeres, welches sich an das feste Land wirft, in dem scheinbar steten Bemühen, es unter sich zu zwingen. Auch in dem Schmerz liegt ein Zwang, der die Gedanken, welche in Meditation und Stille geordnet werden sollen, immer wieder zu ihm zurück bringt. Er folgt keinem Rhythmus des Körpers, nicht dem Herzschlag oder dem eigenen Atem, nicht der Bewegung oder der Haltung, so wie es Schmerzen eigentlich zu tun pflegen, denn sind sie nicht Teil des Leibes, den sie quälen? Dieser jedoch ist losgelöst und hungrig, verlangend und fordernd, in einer Weise gegen die selbst ein gestählter Geist kaum einen Rat kennt. Wie ein flammender Stern pulsiert er zwischen den Gedanken, die sich weigern dem Mantra zu folgen, welches seit den frühesten Tagen in den Studierstuben der Meisterin geholfen hat den Geist zu reinigen und zu beruhigen. Selbst die aufrechte Haltung des Lotossitzes wird unter dem Gewicht gebeugt, welches mit aller Macht von innen gegen den Schädel drückt. Jeder Atemzug ist ein Kampf, ein Ringen mit dem eigenen Verstand und Willen, denn die pochende Qual will den Körper dazu zwingen sich zusammen zu rollen und so laut zu schreien, wie es die Kehle noch hergeben kann.
Niemals zuvor ist es so grausam gewesen, jeder verstreichende Augenblick macht die Pein noch unerträglicher. Ein und aus, ein und aus, nur eiserner Wille zwingt die Atmung zur Ruhe, während der Herzschlag in der Brust hektisch pocht. Die Augen fest zusammengekniffen rinnen Tränen in feuchten Rinnsalen über die Wangen hinab, keine Disziplin kann sie aufhalten. Es wird vorbeigehen, dieser Gedanke ist der einzige Trost, zumindest für einige Momente, bevor er zerspringt und jedes andere Mittel recht erscheint, nur damit die Schmerzen enden mögen. Jedes Mal aufs Neue werden sie stärker, so als würde langsam etwas im Inneren zerreißen und noch mehr Qual in Geist und Körper hineinschütten.
Zugleich pulsiert die astrale Kraft durch den, vom Schmerz gebeugten, Leib als würde sie jeden Zauber, der jemals gesprochen wurde, erneut vollbringen wollen. Zwischen die rasenden Gedanken springen Matricen und magische Muster, die unvollständig und sinnlos erscheinen. Ausgefranste Ränder zerfasern ihre perfekte Geometrie, als würde immer ein Stück fehlen, ein Anker und ein Gegenstand des Zaubers ungenannt bleiben. Wahnsinn, was anderes kann es sein, was nun dem von Pein gezeichneten Leib und Geist das Letzte abverlangt? Was bricht zuletzt im Ansturm der Qual? Der Verstand, der mit stählerner Härte erzogen wurde, der sich konditionierte, um keine Moral und keine Schranken zu kennen. Doch vielleicht ist das die Grenze, vielleicht ist dies der Moment des siechenden Todes, in dem sich die Götter und alle Mächte, die jemals glaubten Hand an die Sterblichkeit legen zu müssen, rächen. Von der eigenen Magie zerrissen, von dem tosenden Sturm im Inneren in den Wahnsinn getrieben, bevor auch der Körper vollkommen zerfetzt wird und niemand jemals verstehen wird, was geschah, denn der einzige Geist, der es erfassen konnte, vergeht unter dem glühenden Stich heißer Marter, die sich wie ein Dolch durch die Stirn direkt in den astralen Leib treibt.
Ein letzter Gedanke, bevor ein Laut, der so aus keiner Kehle kommen kann, die Wirklichkeit zerreißt. Doch es ist nicht das letzte Röcheln des Todes eines Wesens am Ende seines Weges. Es ist der Geburtsschrei einer Existenz, wie sie unter Millionen nur eine Handvoll finden. Es ist der Moment des Erwachens einer Erkenntnis, die hinter dem Schleier von Zeit und unter der Last von uraltem Erbe begraben wurde. Etwas im Inneren zerreißt, blutige Tränen rinnen über die Stirn und mischen sich mit der Feuchtigkeit der Wangen, doch all diese Körperlichkeit bleibt zurück hinter den Eindrücken, die den Geist überfluten. Die Augen geschlossen, sieht er die Welt auf eine Weise, wie sie nie zuvor möglich gewesen schien. Jedes Handeln, Kausalität und Wirklichkeit, Gedanke und Tat, Matrix und Zauber, Aktion und Reaktion, Name und Bedeutung, der Kosmos öffnet sich dem Verstand durch eine neue Pforte und all die Qual vergeht in brennender Erkenntnis, als sich das Echo einer erwachten Existenz in der Wirklichkeit manifestiert: Ea'Myr!
Sinn ergießt sich in den Verstand, der mit Gewalt aufgerissen wurde und nun durch das schwarze Auge in die Welt starrt. Das Blut der Linie, gegeben vom ersten Horas selbst, pulsierend durch die Jahrhunderte, nur ein Tropfen noch und doch so machtvoll aus einem Menschen einen Erwachten zu machen, aus einer sterblichen Existenz ein Wesen der Transzendenz. Vom goldenen Thron herab blickt der Ahn durch die Zeit und das Buch in seinem Schoß, voller Formeln und Geheimnisse der Welt, liegt offen in leuchtenden Lettern. Blicke begegnen sich, in dem Wissen, dass es nur Vision ist und doch Wahrheit, denn was ist Vision anderes als ein Blick hinter die scheinbar unerschütterliche Fließrichtung der Zeit, welche die Wahrnehmung eines Sterblichen begrenzt? Eine Barriere, geschaffen von den Göttern in dem schieren Verlangen die Welt zu ordnen. Eine Ordnung, die nicht natürlicher ist, als jeder Zauber oder jedes Gesetz der Welten, welches ein Globulenschöpfer ausgehoben hat. Doch ein erwachter Geist durchstößt die Grenzen und überwindet selbst die unversöhnliche Zeit. Über die Schulter des Horas hinweg reicht der Blick noch weiter zurück.
Hin zu drachischen Leibern, die von Sturm und Feuer umtost, die Welt in Brand setzen.
Hin zu Dschungeln die durch das Reißen an der Wirklichkeit zu Wüsten werden.
Hin zu einem goldenen Drachen auf einer Pyramide aus Licht, deren Schein bis in die letzten Winkel der Welt zu dringen scheint.
Hin zu einem Bollwerk aus Blitz und Gewitter, hinter dem sich Zauberer mit leichenblassem Haar verbergen.
Hin zu einem tosenden Rauschen als Fluten ohne Ende Landmassen verschlingen und die Welt ertrinkt.
Hin zu zwei Brüdern, die über glosenden Tiefenfeuern Zeuge einer fallenden Göttin werden und deren pulsierende Macht das Meer selbst erbeben lässt, ehe sie Zeitenfluch und Götterzorn in Kerker wirft, während ihr Land und ihr Volk untergehen im Ringen der Gottheiten, um die Hoheit der Meere.
Hin zu einem Zirkel aus sieben Erwachten, deren schwarze Augen die Form einer Krone erfassen, die jeder Beschreibung spottet, denn sie beherrscht das unbeherrschbare, sie ordnet das ungeordnete, sie vereint Schöpfung und Nicht-Schöpfung, sie ist Göttermacht über Höllenlegionen, mit eigenem Geist so hungrig und verschlingend, dass nur die Macht der Sieben, in all ihrer Weitsicht, unter aller Anstrengung ihrer vereinten Brillanz, sie zum Schlaf zwingt, zur Ruhe zwischen den Sphären, bis ein größerer Geist noch als diese sieben, zurückkehren wird und einfordert, was ihm Werkzeug sein soll.
Zurück zu einem Leib, der mit blutigen Tränen, von Schweiß und Schmerz gezeichnet, zusammengesunken, aber mit einem seligen Lächeln auf den Lippen, die Rückkehr eines Geistes erwartet. Schwarz, unlesbar, ewig blickend, starrt auf seiner Stirn das geöffnete Auge in die Welt hinaus. Auf dem Nachhall des Geburtsschreis flüstern die von Blut benetzten Lippen die Silben, die Wahrheit und Name sind für den Blick hinter die Schleier und Regeln der Welt, den unverstellten, ungetrübten Blick in die Wirklichkeit: Ea'Myr.
Du bist erwacht.

EIn Ingame-Text zu einem bisher unbekannten Dämon aus dem Reich der Alpträume:

Der Dämon Tharguroth

Vielfältig sind die Gaben der Götter und vielfältig ist ihr Wirken im gesamten Dererund. Zu Beginn der Zeiten, als die Welt bar jeder Göttergabe war, da war ein jedes Wesen, dass geboren wart unsterblich und ewiglich und es kannte weder Rast noch Ruhe. Getrieben von der Kraft des Lebens, das ewig währte, gab es kein Innehalten und kein Ende und jede Tat schien im Antlitz einer schieren Ewigkeit bedeutungslos zu werden. Dies sah Boron, der die Welt als geflügelter Schatten des Raben bereiste und er wusste, dass Leben nur Bedeutung hatte, wenn ihm etwas entgegen stand und Taten und Mühen Erholung folgen musste, sollte das Leben nicht Leiden werden. So gab er seine Gaben den Wesen der Welt und es kam der Tod in die Welt, um das Leben zu beenden und Platz für neues zu schaffen, und der Schlaf, um die Mühsal zu lindern und Körper zu erholen. Und weil Borons Gnade groß war, gab er dem Schlaf noch eine weitere Gabe hinzu, die dem Geist Freiheit und Frieden schenken sollte. Sie nennen wir Traum.

So war es wohlgetan und der Gott von Schlaf und Tod und Traum war zufrieden mit seinen Gaben und stellte seine Raben auf, damit sie wachten. Golgari über den Tod, Bishdariel über den Traum und einem Dritten, dessen Name vergessen wurde, über den Schlaf.

Doch in der Finsternis jenseits des Sternenwalles regte sich eine dunkle Macht, die das Spiegelbild des gnädigen Boron war, doch verzerrt und verdorben. Die Herrin von heulender Finsternis verachtete die Gaben des milden Gottes und sie zürnte so sehr an den Grenzen ihres Reiches, dass aus dieser Wut eine Macht entstieg, die selbst Kreatur wurde, doch nicht geboren, sondern gezürnt. Und weil diese Macht der Verderberin des Todes so nahe war, wurde ihr Name Tharguroth und ihre Kraft war grausam und zerstörend. Tharguroth war so vom Zorn seiner Gebärerin getragen, dass er sich in Gestalt eines finsteren Krähenvogels durch die Ritzen des Sternenwalls zwängte und mit tosendem Gekrächze auf die Sterblichen stürzte, die in der Gnade Borons badeten. Wo er kreiste, da wurde aus Tod ewige Sklaverei, aus Schlaf wurde müde Wachsamkeit und aus Traum wurde Alptraum.

Als die Raben Borons das Kreischen des finsteren Wesens vernahmen und seinen Frevel sahen, da stürzten sie sich auf ihn, voller stiller Wut und ganz im Geiste ihres Herren und ihre Klauen schlugen in sein Wesen, wieder und wieder, als sie ihn über den Himmel jagten. Golgari entriss ihm die Macht über den Nicht-Tod, der Dritte zerstieb seine Herrschaft über den Nichtschlaf, doch Bishdariel vermochte ihn nicht mehr zu erreichen, bevor er die Schöpfung krächzend verließ und so blieb der finsteren Kreatur noch der Alptraum, als er zurückstürzte in die heulende Finsternis. Der Dritte Rabe jedoch wollte ihn nicht entkommen lassen und so folgte er ihm in die tiefen Schlünde und wart seitdem vergessen. Doch Tharguroth lauert noch immer, voll der Wut seiner Herrin und mit allen Alpträumen der niederen Höllen in seinem struppigen Gefieder und nur noch zwei Raben des sanften Boron halten Wacht.

Ein paar Prophezeiungen zur Quanionsqueste:
Spoiler
Prophezeiung zum Abenteuer „Der göttliche Funke“

„Das Licht ist nicht mehr und nicht weniger als das Bemühen der Seele zu scheinen. Wer diesem Bemühen Nahrung gibt, der wird sehen das Leuchten und es wird über die Grenzen hinausgehen. Darum erinnert euch, wenn das Licht schwindet, dass Seelen einander zum Leuchten bringen und einem jedem, der dient dem Licht, ist es wohlgetan den Glanz der Seelen anderes zu erleuchten.“
- Merksatz der heiligen Joliana von Angbar

„Irrt im Licht … leuchtend Gold … Lebensfeuer … gerechter Stahl … Stimmenklang im Lobgesang … Triumph … Rein im Geiste … ohne Zeit … ein Werk dem Götterfürsten … Glückseligkeit“
- illuminierte Schriftzüge bei einer Sitzung der heiligen Bibliographie in den Tempelkammern der Stadt des Lichts

Prophezeiung zum Abenteuer „Berg und Propheten“

Die majestätische Gestalt des Falkenkönigs ist ein Schattenriss im Licht des Tages, seine Schwingen sind weit wie die Welt und sein Haupt umkränzt vom Schein der Sonne, sein Blick, der gülden selbst im Schatten brennt ruht auf euch und prüft euch, mehr als eure Taten, die seine Aufmerksamkeit errungen haben. Alt wie die Welt ist jene Seele, die euch gegenüber steht und unerschütterlich wie die Höhen der Berge, denn all dem ist er fern und doch entgeht nichts seinen wachsamen Augen.
„Älter als die Berge sind die Pfade denen die Pilger des Lichts folgen. Ewigkeiten umfasst sein göttlicher Schein und jenseits von allem was gesehen werden kann, am Rande jedes Blickes harrt es den tapferen Seelen, die es erneut finden und erringen müssen. Es ist Gabe des Höchsten in Alveran doch auch Prüfung und auch Lehre. Durch die Zeiten geleitet euch SEIN Weg, durch die Weiten geleitet euch SEIN Pfad, zum Rande aller Welten begleitet euch SEIN Glaube.
Doch nie war das Licht ohne Feinde. In seinem Glanz erblühen Schatten, an seinem Herzen wuchert Finsternis und in jenem Widerstreit flackert Zwielicht in purpurnem Feuer. Hütet euch, Pilger auf der fernen Reise, denn die Welt kennt eure Suche und SEIN Urteil ist nicht das einzige, welches euch erwarten wird.“
Schwingen rauschen im Wind, Licht blendet euren Blick, Sonnenschein erfüllt den Himmel und der Bergwind peitscht über das steinerne Plateau. Der König aller Falken, ein Spross der Saat Ucuris würdig, ist schon fort, getragen vom Licht selbst in die Weiten des Himmels, dessen endlosen Horizont er bewacht, für Äon Äonen.

Prophezeiung zum Abenteuer „Durch die Finsternis zum Licht“

Die Anstrengung des Tage liegt wie eine bleierne Last auf deinen Schultern und dankbar bist du um den Moment, in dem nichts mehr zwischen dir und deiner Schlafstatt weilt. Selten genug sind die Augenblicke, in denen man Ruhe und Frieden findet in diesen Zeiten der Unrast und so ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass du, sobald du die Augen geschlossen hast, schon in die Tiefen von Borons Armen versinkst.
Du sitzt am Tisch mit einem alten Freund. Auf dem Tisch vor dir dampft ein hölzerner Becher mit Tee und in seinen Händen dreht er das Gegenstück. Durch das Fenster hinter ihm blitzt das Licht der Sonne hinein und blendet deinen Blick, so dass du ihn kaum ansehen kannst, geschweige denn sein Gesicht erkennen. Doch seine Stimme, die er hebt, um zu sprechen, ist so klar und vertraut, als hätte sie dir schon ein Leben lang Geschichten erzählt.
„Schatten ist nicht gleich Schatten, wusstest du das? In den Schatten verstecken sich die Diener des Fuchses, aber es ist ein Schatten, der nicht ohne Licht sein kann, denn er ist nur ein Spiegelbild der Dinge, die bereits existieren. Wie das Abbild auf der glatten Oberfläche eines Sees. So soll Schatten auch sein, denn jeder braucht ihn, seinen Schatten. Aber dies ist nicht die einzige Art davon. Es gibt Schatten, die sind ohne das sie einen Spiegel bilden. Diese Schatten sind verdorbene, ungeborene Dinge, die nichts anderes im Sinn haben als das Licht zu verschlingen, denn sie brauchen es nicht, ja sie fürchten es gar. Diese Schatten nämlich sind Finsternis und Finsternis fürchtet und hasst das Licht. Dabei sollten Dunkelheit und Licht Wechselspiele sein, dass eine mit dem anderen, wie es immer gewesen ist. Menschen sind fasziniert von der Dualität der Dinge. Leben und Tod, Feuer und Wasser, Licht und Dunkelheit. Doch manchmal wissen sie nicht, dass die Dunkelheit nicht Finsternis ist und dann gehen sie einen Pfad, der zu düster ist, der sie in die Irre leitet.
Du solltest diesen Ort finden, denn nur im Licht kann man Dunkelheit von Finsternis trennen. Du solltest jetzt gehen. Aber vergiss nicht, die Finsternis fürchtet das Licht so sehr, weil es nur einen Funken braucht, um sie zu brechen. Ein Funke ist genug.“
Es ist noch finstre Nacht, als du erwachst. Doch schon bei diesem Gedanken schüttelst du leicht den Kopf. Es ist eine dunkle Nacht, denn im Licht der Sterne liegen Schatten. Und du bist so wach wie selten zuvor, mit den vertrauten Worten im Ohr. Licht und Dunkelheit... nur ein Funke ist genug...
Ein kleiner Ausflug zur göttlichen Erwählung nach Uthuria:

Der Ruf der Götter

Drückend und schwül liegt die Luft wie ein zu warmer Mantel auf euren Schultern, die diesigen Nebelschwaden trüben das Licht und lassen den Himmel niedrig und nah wirken. Vor euch ruht der Blutstein von Makal, eine verschlungene gefiederte Schlange, deren Windungen keinen Anfang und kein Ende zu haben scheinen. Der Felsen, aus dem sie geschlagen oder gewachsen ist – kein Zeichen von Bearbeitung ist an dem wunderschönen Kunstwerk zu finden – gibt kaum Licht zurück, so als würden die Schuppen, in ihren Tönen aus schwarz und grau fast alles davon verschlucken und trotz der schimmernden Durchsichtigkeit keine andere Farbe kennen als die von dichtem Rauch.
Ewas majestätisches haftet dem Stein an, etwas urtümliches und kunstvolles, aber ebenso düster und verschlingend, ja beinahe vernichtend. Vielleicht ist es der Blick der geflügelten Schlange, der euch zu verfolgen scheint und der, trotz eigentlich ausdrucksloser Mimik, etwas urteilendes, bewertendes in sich trägt. Der Gedanke, einem Aventurier so fremd, dass die Götter, jene machtvollen Wesen in den höheren Sphären, einen Teil ihrer Präsenz in jenen Steinen gebunden haben, ist noch immer verstörend und berauschend gleichermaßen. Bedeutet es nicht, diesem Stein nahe zu sein, einem Gott nahe zu sein? Ist er nicht mehr als ein Tempel oder ein Heiligtum? Ist er nicht ein Teil eines Gottes oder gleich mehrerer? Viele faszinierende und ungewohnte Gedanken können einem Sterblichen beim Anblick dieses Felsens kommen, doch alle werden für einen Moment beiseite gewischt, als der Stein sich ändert.
Als würde die Schlange sich häuten, läuft ein Glanz aus schimmerndem Gold und hellem Licht über ihr Schuppenkleid, die Federn glänzen auf in allen Farben des Regenbogens, wie die ausgebreiteten Schwingen eines Paradiesvogels! Es ist nur ein Herzschlag, in dem das rauchige Grau der Gestalt schwindet, in dem mehr als ein Schimmer von Blutrot den Stein erhellt, aber er war dort, selbst wenn er nun wieder geschwunden ist, von einem Wimpernschlag zum anderen.

Osarax steht auf der anderen Seite der Schlange, sein Blick haftet an dem Stein, seine Lippen formen lautlose Worte, seine schönen Züge zeigen Erstaunen und Faszination. Er hebt den Blick, zu euch hinüber, in seinem Lächeln liegen Erlösung und Stolz, Mut und Freude. „Es ist der Ruf der Götter“, seine Worte klingen beinahe wie Jubel, obwohl sie leise gesprochen sind und seine Hand streicht beinahe andächtig über die angelegte Schwinge der geflügelten Schlange.

Bevor Fragen eure Lippen verlassen können, entflammt die Statue erneut. Goldenes Licht, so hell wie der strahlendste Tag, hüllt den Blutstein ein, mit einem Rauschen wie Sturmwind entfalten sich die leuchtend bunten Schwingen der Schlange, ihr Haupt erhebt sich mit Stolz und Macht. Gleißend sticht das Licht in eure Augen und doch ist es schier unmöglich den Blick abzuwenden, ja nicht einmal geblendet wird man, denn mit einer Klarheit, die nicht anders als göttlich sein kann, erkennt ihr, dass dem Licht nachtschwarze Schatten folgen, dass jeder eurer Schatten eine Dunkelheit in sich trägt, die nicht gekannt war. Und auch Osarax steht in flammendem Licht, seinen Blick auf das Haupt der Schlange gerichtet, seine Silhouette in Gleißen und Gold getaucht, doch sein Schatten undurchdringlich und dunkel wie die Stunde der Mittnacht. Gestochen scharf sind die Konturen, denn Licht und Dunkelheit kennen keine Gnade, weder in ihrer Pracht, noch in ihrem Urteil.

Nepolcualli, dieser Laut, dieses Wort, dieser Name bricht sich Bahn in euren Verstand, findet seinen Weg in eure Herzen und wird zur Gewissheit. Der Ruf der Götter, der Ruf eines Gottes, sein Ruf, wurde erhört. Und Osarax, gebadet in Licht, getauft in Gold, umfangen vom finsteren Schatten, hat ihn beantwortet.

Der Augenblick, der Ewigkeiten währt, endet. Als würde man einen Schleier fortreißen, verblasst das Licht und Strahlen, schwindet die majestätische Pose des Blutsteinschlange, hat die Trübe des Nebeltages euch wieder. Nur die Tränen in euren Augen, vom gleißenden Schein geblendet und der Klarheit der Schatten bestürzt, sind Zeugnis, dass ihr wahrlich einem Akt Göttlichkeit ansichtig geworden seid. Eure Tränen und das schimmernde Stück Blutstein in der Hand eures Gefährten, dessen Gesicht von Freude, Entsetzen und Bestimmung gezeichnet ist, über das noch immer klare Tränen rinnen und der dennoch mit sich im Einklang scheint, wie niemals zuvor.
von Sumaro
04.07.2017 16:31
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier eine kleine Szene für die Phileasson-Saga zum Einschwören der Gemeinschaft. Musikstück für den Hintergrund "Arrival to Earth":

Der Schwur des Foggwulf

Der Wind peitscht den eisigen Regen über die graue See. Die Seeadler wiegt vertäut am Steg mit den rollenden Wellen und der Drachenkopf des Schiffes scheint unruhig auf und ab zu nicken, so als wolle das Gefährt Foggwulfs sich befreien und sich dem wilden, freien Meer stellen. Pechfackeln flackern in der steifen Brise, die den Geruch von Salz und Meer bis weit ins innere der wilden Thorwaler-Lande trägt.

Versammelt am Hafen stehen jene Ausgewählten, denen es Bestimmung und Pflicht, Ehre und Aufgabe ist, an der Seite eines der größten Seefahrers Aventuriens den Kontinent zu bereisen, auf abenteuerlichen Pfaden, die nur die Götter vorhersehen können. Phileassons helles Haar flattert im Wind, als er den Blick der sturmgrauen Augen über die versammelten Männer und Frauen gleiten lässt, die er selbst ausgesucht hat, an seiner Seite zu fahren. In der einen Hand trägt er ein schweres Trinkhorn mit Met, in der anderen den stählernen Schneidzahn, die traditionelle Waffe, die ein jeder Thorwaler zu führen lernt. Obwohl der Wind heult und das Rauschen der Wogen gegen die Hafenanlagen braust, übertönt seine Stimme die Laute der See geübt und kraftvoll, entschlossen wie man es von einem Hetmann erwartet.

"Die See ist ein tückisches Biest und eine wilde Geliebte. Sie lockt uns mit Abenteuer, Reichtum und Geheimnissen hinter jedem neuen Horizont. Sie plagt uns mit Stürmen und Flauten, mit Monstern und den Hranngar selbst! Bruder Swafnir, der weiße Wal, führte uns über die Meere, von Hjaldingard bis Olport segelten unsere Ahnen und weiter noch werden wir reisen. Die See und Swafnir lehrten uns Thorwaler, dass es nur eine Sache gibt, die stärker ist, als die Launen des Meeres und die Tücken der Hranngar! Und das ist eine Gemeinschaft aus treuen Seelen. Eine Gemeinschaft, auf deren Hand und Herz Verlass ist, selbst in den stürmischsten Stunden und den blutigsten Kämpfen. Eine solche Gemeinschaft nennen wir Otta und sie trägt den gleichen Namen wie unsere Drachenschiffe, denn ein Schiff ist nichts ohne seine Mannschaft und eine Mannschaft ist nichts ohne ihr Herz! Ich habe jedem von euch in die Augen geblickt und einem jedem von euch ins Herz geschaut. Ich sehe Feuer und ich sehe Stärke, ich sehe Treue und ich sehe Glauben! All das ist in euch und auf all das werden wir heute gemeinsam schwören.
So wahr ich Asleif Phileasson heiße, so wahr ich der Hetmann der Glutströhm-Ottajasko bin, so wahr ich Foggwulf gerufen werde, ich schwöre euch Treue, ich schwöre euch Gemeinschaft, ich schwöre euch Führung. Swafnir sei mein Zeuge, Hranngar erzittere vor meinen Worten!"


Den Schneidzahn gen Meer gereckt, das große Horn mit Met gehoben, trinkt er einen tiefen Schluck und reicht es dann an seinen nächsten Kameraden weiter, auf das ein jeder, vor Swafnir, der Otta und dem Meer seine eigenen Worte findet, seinen Anteil an der Gemeinschaft zu beschwören.
von Sumaro
28.11.2016 23:48
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier eine Vision zu einer perainegefälligen Karmalqueste, bei der bestimmte Örtlichkeiten eingebaut werden sollten. Mal sehen, ob man alle errät ;-)

Visionen von Frühling

Ein Hauch von winterlicher Kälte durchzieht den Wind, dessen Spiel ein sanftes Säuseln, um die Zinnen des unsichtbaren Turms erklingen lässt. Sonnenlicht tanzt über das zaghafte Grün der Bergwiese, aus der sich die ersten Blumen dem Schein der Praiosscheibe entgegen recken. So hoch in den Bergen, deren graue Schultern von weißen Wolken umspielt werden, weicht Firuns eisiger Griff erst spät und wo im Tal im Mond der jungen Göttin Tsa bereits die ersten Felder frei von Eis sind, braucht es hier bis zum Ende des Nebelmondes, um den letzten Schnee von den Wiesen zu schmelzen.

Es ist der erste Tag der gütigen Herrin Peraine, der Saatmond, in dem ihr zum Wohlgefallen und Mensch und Tier zum Leben, die Äcker bestellt und die Ernten ausgesät werden. Weit reicht der Blick von Rohals Zinne aus, schweift in die Ferne, in die tiefen Täler, wo bereits der Frühling in voller Blüte steht. Es ist ein besinnlicher, stiller Ort, fern des Trubels der Handelsstraßen und der großen Städte. Nur ein einfaches Beet, beinahe unscheinbar in seiner Schlichtheit, neben dem magischen Bauwerk, welches mit seiner, nur im Lichtschimmer zu erahnenden Spitze, den Himmel selbst zu berühren scheint.

Doch wie eine aufrechte Dienerin der Herrin Peraine wohl besser weiß, als viele andere, sind es auch die kleinen Handgriffe, ja vielleicht gerade jene, die bedeutend sind. Es ist die Arbeit der eigenen Hände, das Kratzen der Harke durch den dunklen Mutterboden, das Rascheln der Samen in dem einfachen Jutebeutel, das schwappende Plätschern des Wassers in dem ledernen Eimer, den man am eisigen Bachlauf befüllt und über glatte Steine und rutschige Moose hierher getragen hat, die wichtig sind. Es sind Dinge, die man an jedem Tag tut, alltägliche Kleinigkeiten, welche die Hände beschäftigt und den Geist gerichtet halten. Heute wird der Boden bestellt und die Saat ausgebracht. Ein jeder Samen, der in die Erde gelegt und mit Wasser begossen wird, gerade genug, um ihn aus seinem Schlaf zu wecken, ist ein neues Leben, ein neues Geschenk der göttlichen Herrin. Ein Geschenk, dem niemals sorglos und leichtfertig begegnet werden darf, denn es ist nicht weniger als ein Wunder, welches vor allen Augen Tag um Tag, Mond um Mond, Jahr um Jahr, getan wird, wenn aus jenem kleinen Korn eine neue Pflanze erwächst. Aus diesem Grund ist ein jeder, der ihre Gaben liebt, angehalten, sie zu achten und zu ehren. Dies ist die Arbeit, die kleinen Handgriffe, dies ist die Lobpreisung der gütigen Göttin, der alles Leben in dieser Welt ein Wunder und ein Geschenk ist.

Wo andere Choräle anstimmen oder sich in meditativer Versenkung üben, Schwerttänze unter dem stürmischen Himmel vollführen oder in den Wassern auf den Willen ihres alveranischen Herren lauschen, da ist es diese einfache und ehrliche Arbeit, die eine Dienerin der Herrin Peraine, der göttlichen Schirmherrin von Heilkunst und Ernte, nahebringt. Es braucht keine Gesänge und keine Gebete, die in alten Sprachen rezitiert werden. Es braucht nicht Duftöle und Räucherwerk noch Prunk und Protz an heiligen Orten. Denn ein jeder Ort, an dem Ernte ausgebracht wird, ein jeder Ort, an dem ein aufrechter Mann oder eine fleißige Frau, die schwieligen Hände mit dem Dreck der Muttererde befleckt, sich den Schweiß von der Stirn wischend, mit verdientem Stolz auf das Tagwerk blickt, ist der Herrin gefällig. Mag es der Acker eines Bauern in den hügeligen Weiten Tobriens sein oder auch das Kräuter- und Gemüsebeet eines mächtigen Magiers, der weit oben, über dem hektischen Stadtleben, Zuflucht in den Bergen gesucht hat.

Es ist die Arbeit und die Ehrfurcht, welche die Herrin schätzt, die Bescheidenheit des Menschen im Angesicht der Schöpfung und seinen unermüdlichen Fleiß, ebenso wie seine Bereitschaft zu helfen, wenn seiner Hände Werk gebraucht wird. Es ist ein beruhigender Gedanke, dass es in den Gefilden des Fernen Alveran, dort wo hohe Götter wie der goldene Herr Praios und gerissene Götter, wie der diebische Phex, Werke wie den Sonnengreifen und den Sternenhimmel erschaffen, auch die gütige Peraine ist, deren wohlwollendem Blick, nicht die Arbeit und die Mühe entgeht, die so viele Menschen jeden Tag tun.

Klar und rein fließt das Wasser über die aufgeworfene Erde und tränkt sie dunkel, während Spritzer davon, eisig und kalt, deine nackten Arme benetzen. Es ist ein wohliges Gefühl der Gänsehaut, die sich bis zu den hochgekrempelten Ärmeln zieht, während irgendwo in der Weite der Berge, das Lied eines Vogels erklingt. Es ist ein zartes Zwitschern, getragen vom Wind.
Mit einem Seufzen setzt du den Eimer ab, den Handrücken über die schweißnasse Stirn führend und den Blick schweifen lassend. Kinder spielen in goldenen Feldern, deren Ähren schwer und reich im Wind geneigt werden. Lachen und die raue Sprache deiner Heimat dringt an dein Ohr, während die hochstehende Praiosscheibe sommerliche Wärme verbreitet. Das dunkle Tannicht am Rande der Felder, schimmert bläulich, wo das Licht der Sonne über das Nadelwerk streift. Fast schon zu lange ist es her, dass du deine Schritte hierher geführt hast, zum Gut deiner Eltern, umgeben von goldenen Feldern und grünen Weiden, grenzend an den verzauberten Wald, um den sich Sagen ranken, die kein Ende kennen. Der Blautann im Sommer, Erinnerungen an Spiele im Gehölz, an Mutproben und nächtliche Wanderungen, nur vom Licht der Glühwürmchen und dem silbernen Schimmer der lächelnden Mada begleitet, steigen auf und vergehen, ebenso wie das Bild von weizengelben Feldern und das Lachen von Kindern im Wind.

Wo die Hände beschäftigt sind, ist der Geist frei, sagen manche und in diesen Stunden, in deinem innigen Gebet an die Herrin Peraine, deren Werk du erbittest und deren Nähe du spürst, wie selten zuvor, glaubst du dies ganz zu verstehen. Deine Hände schieben den feuchten Mutterboden über die Furche, in der die Samen gebettet sind. Der Duft von Erde, reich und schwer, lässt dich lächeln. Er ist so vertraut, wie der Geruch der heilenden Salben, doch weit weniger behaftet mit schweren Erinnerungen. Viel mehr beschwingt er dich, trägt dich fort zu anderen Äckern, die aufgeworfen werden, von stämmigen Zugtieren, die eiserne Pflugscharen hinter sich herziehen und den Boden bereiten für die Saat, die ausgebracht werden muss. Die duftenden Krumen zwischen den Fingern zerreibend richtest du dich auf. Das blaue Band eines Flusses schiebt sich durch fruchtbare Auen, in denen Reiher waten und Libellen mit schillernden Flügeln im Licht des Tages tanzen. Wolken ziehen wie eine Herde getriebener Schafe über den blauen Himmel, gegen den sich die Mauern einer Stadt erheben. Tore aus schwerem Holz, beschlagen mit Stahl und Eisen, sind einladend geöffnet und gewähren den Blick auf gepflasterte Straßen, in denen Menschen wandeln, einig und Seite an Seite mit lachenden Elfen und brummelnden Zwergen. Brücken ziehen sich über die Inseln der Stadt, überschatten die blauen Arme des Flusses, der die Mauern umspült und diesen Ort aufteilt. Ein Bauernbursche mit seinem Karren folgt der Straße den Fluss hinauf, winkt grüßend einem Fischer, der seine Angel ausgeworfen hat und ruft Worte, die mit einem Lachen beantwortet werden. Heute scheint der Svellt sich selbst gegen den geduldigen Angler gewandt zu haben, denn sein Eimer bleibt leer.

Dein Blick fällt auf deine eigenen Hände, benetzt mit der dunklen Erde und die sanfte Brise, mit dem letzten Hauch Winterkälte, bringt dich zurück zu dem kleinen Beet, das nun wohl bestellt ist. Die letzten Handgriffe sind getan und das Tagwerk für heute vollbracht. Das Wohlwollen der gütigen Herrin wärmt ebenso wie die letzten rotgoldenen Strahlen der untergehenden Sonne, deren Licht noch über die Schultern der Berge fällt. Heimat... und die Stadt am Svellt, dort wo die Menschen auf Inseln, gemeinsam mit den alten Völkern, bauten. Erinnerungen, die nicht die deinen sind und doch nicht weniger als wahr. Vielleicht ein Fingerzeig der Göttlichen, die weiß, wo deine fleißigen Hände noch gebraucht werden... vielleicht nur ein Sehnen, nach der vertrauten Umarmung der Familie... und ein Bild geschaffen aus Vorstellung und Phantasie. Deine Herrin ist mit dir und ihre Nähe erfüllt dich. Ihre Hand leitet dich...
von Sumaro
14.11.2016 08:19
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier die entsprechende Szene zur Boroninsel in Havena. :-)

Die Boroninsel

Gurgelnd tauchen die Ruder in das pechschwarze Wasser des Hafenbeckens. Der keuchende Atem des Fischers, der sich die Kapuze des geölten Mantels tief ins Gesicht gezogen hat, rasselt vor Anstrengung und trägt weit in den still wabernden Nebel hinein. Klamme Kälte zieht mit jedem Herzschlag mehr in Kleidung und Knochen, während die Rufe der Schauerleute an der Hafeneinfahrt, in dumpfes Gemurmel übergehen und sich nach einigen weiteren Zügen der Ruder ganz verloren haben. Was zurückbleibt ist eine wattige Stille, in der selbst das hölzerne Knarzen des Bootes wie ein dröhnender Laut klingt, nur um Herzschläge später im eisigen Dunkel des Nebels erstickt zu werden.

Der Blick reicht nicht weit, so dicht ist der graue Schleier, der sich über die Stadt gelegt und schon bald den Steg verschluckt hat. Umgeben vom Raunen des Wassers, das sich am Bug des Fischerbootes reibt und eingehüllt von eisigen Schwaden, die zunehmend das spärliche Licht des Wintertages dämpfen, scheint es beinahe so, als würde man über das Nirgendmeer selbst reisen. Die letzte große Fahrt auf dem Weg in das schweigsame Dunkel des Totengottes. Nur ein paar Dutzend Schritte trennen die Boroninsel vom Festland, doch in diesem Nebel mögen es auch tausende Meilen sein, denn bis auf das Ächzen des Fischers und den Schlag der Ruder, gibt es nichts im blicklosen Dunkel, was anzeigen würde, dass Zeit vergeht.

So fühlt es sich wie eine kleine Ewigkeit an, bis schließlich die schärfsten Augen Schemen im Nebel ausmachen können. Eine dunkle Linie im diffusen Grau, dann Konturen, die sich heraus schälen und Umrisse preisgeben. Kein Steg erwartet die Ankunft des Bootes, nur dunkler Schlamm über den schwarzes Wasser schwappt und gräulicher Bewuchs, der kaum mehr Leben zu tragen scheint. Ein knarzendes Schaben kündet von felsigem Untergrund, der wenig mehr als eine Handbreit unter der Wasseroberfläche liegt und doch nicht zu erahnen ist.

Herzschläge später schiebt sich der Bug des Bootes in den Uferschlamm und mit zittriger Hast schlägt der Fischer das Symbol des Boronsrades und des bannenden Auge des Herren Praios, so als müssten ihn die beiden Götter vor dem Unheil bewahren, welches allein schon die Reise zur Insel über ihn bringen könnte. Er zieht die Ruder ins Boot hinein und erhebt sich, den schwankenden Untergrund mit jahrelanger Übung ausbalancierend, doch keinen Fuß in das tintenschwarze Wasser oder den gräulichen Schlamm des flachen Ufers setzend. „Warte hier, Herrschaften. Keinen Schritt setze ich auf die Insel...“, brummt er und in seiner Stimme liegt, trotz der kratzigen Heiserkeit, eine entschiedene Entschlossenheit, die keinen Zweifel daran lässt, dass diese Worte endgültig sind.

So bleibt wenig anderes zu tun, als selbst die Schritte an Land zu machen, die wohl keinem Bürger Havenas, der sich klaren Verstandes nennt, in den Sinn kommen würden. Noch immer ist die Stille beinahe unerträglich dicht und alles, was an Lauten durch den Nebel dringt, ist ein Echo der Geräusche, die man selbst gemacht hat. Das feuchte Schmatzen der Stiefel im Schlamm, das knarzende Ächzen der Ruderbänke, als man sich erhebt, das leise Klimpern zurechtgerückter Ausrüstung. Die Kälte ist so durchdringend, dass man wohl den eigenen Atem aufsteigen sehen könnte, wäre er nicht eins mit dem Nebel. Das Licht scheint den Kampf gegen die diffuse Dunkelheit ebenso zu verlieren, wie die Geräusche sich der Stille unterwerfen müssen. Wer die ersten Schritte auf dem rutschigen Boden gemacht hat, kann seinen Blick über die Schattenrissen von behauenen Grabsteinen und das gähnende Dunkel eines aufragenden Bauwerks schweifen lassen.

Eine Gänsehaut zieht sich mit eisigem Frösteln über Unterarme und Nacken. Als würde man in den Schlund von Borons Hallen steigen, aus dessen Tiefen Schweigen und Dunkelheit, wie Wasser aus einem Quell, aufsteigt, so beschleicht vielleicht einen Gläubigen der unteilbaren Zwölfe ein unwohles, wie auch ehrfürchtiges Gefühl, je weiter man sich dem Tempel nähert. Zweifellos ist dieser Bau, dessen Konturen nur Schwarz gegen das Grau des Nebels sind, der ohne Zierrat und Prunk auskommt, ein Haus des schweigsamen Gottes. Die Gräber, die den kurzen Weg vom Uferschlamm zum schwarzen Basalt der Tempelmauern säumen, sind alt und von farblosem Moos bewachsen, welches ebenso ausgeblichen scheint, wie die Schriftzüge auf den Grabsteinen verwittert. Die unerbittliche Zeit hat ihren Tribut selbst von den letzten Ruhestätten gefordert, nicht jedoch von dem unerschütterlichen Bauwerk, welches jetzt so nahe ist, dass man es beinahe mit der ausgestreckten Hand berühren kann.

Bevor jedoch die von Kälte steifen Finger nach dem Klopfer, geformt im Bild eines Rabenkopfes aus schwarzem Gusseisen, greifen können, um an der breiten Pforte Einlass zu erbitten, schwingt ein Flügel der Doppeltüre bereits auf. Ein Schwall von eisiger Luft, durchtränkt mit dem intensiven Duft von Weihrauch und der scharfen Essenz von Leichenbalsam, drängt an einer hochgewachsenen Gestalt vorbei nach draußen. Lange, bleiche Finger an jugendlichen Händen haben sich zur Gebetshaltung unter der Brust der blassen Dienerin des Schweigsamen gefaltet. Dunkle Augen blicken aus einem schmalen Gesicht, dessen Züge keine Schönheit tragen und dennoch jede Aufmerksamkeit verlangen. Unausweichlich scheint es diese Frau zu betrachten, deren Präsenz in absolutem Einklang mit Stille und Dunkelheit zu sein scheint. Kein Frösteln zeigt sich auf den bloßen Unterarmen, dort wo die weite Kutte der Tempeldiener des Totengottes hinaufgerutscht ist. Sie bemüht keine Worte, um das Begehren der Besucher zu ergründen, nur ihre Blicke sprechen und dringen dabei tiefer, als es das Geplänkel von Geschwätz jemals zu tun vermag. Der Schritt zur Seite, mit dem sie den Weg freigibt in das atmende Dunkel der Tempelhalle, gleicht mehr einem schwerelosen Gleiten, so als würden ihren nackten Füße den Boden nicht berühren und ihre gesamte Anwesenheit nicht mehr von dieser Welt stammen.

Keine einladende Geste, keine Begrüßung in Wort oder Mimik, nur dieser eine Schritt, der den Weg über die Schwelle freigibt. Erneut ist da dieses Gefühl, einsickernd wie die Stille in einem Raum voller Lärm, beruhigend und aufkratzend zugleich. Geschichten, verwoben zu Legenden, ranken sich um die Insel, um den Tempel und die Diener des Gottes von Traum und Vergessen. Flügelschlag verfängt sich in der Stille, das Rauschen von Schwingen durchteilt den Nebel. Ein Schemen in der Schattenwelt gleitet zu dem Umriss von kahlen Bäumen und entschwindet dem Blick. Über das Nirgendmeer, dem Rauschen der Schwingen folgend, hinein in Schweigen und Dunkelheit, Vergessen und Stille. Noch kann man sich umwenden, die Schritte zum Ufer hasten, den wartenden Fischer packen und ihn anfahren überzusetzen, nicht zurückblickend.

Oder man schreitet über die Schwelle des Tempels und blickt mit eigenen Augen, was so viele Menschen mit Furcht erfüllt, erhält Antworten auf Fragen, die nicht umsonst dem Vergessen übergeben wurde und kehrt nicht zurück. Nicht so, wie man die Hallen Borons betreten hat...
von Sumaro
11.11.2016 12:37
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Ja, ich bin noch aktiv :)
von Sumaro
26.09.2016 20:26
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier ein paar Dokumente, die ich für einen SL ausstaffiert hatte. Sie gehören zum Abenteuer "Schwarzer Wein" in der Anthologie "Leicht verdientes Gold".

Einsatzbericht ISC – Sondereinsatz zur Festnahme und Sicherstellung:

Neunter Tag des Rondramondes, 1022 nach Bosparans Fall

Der Zugriff auf den Zirkel BLK erfolgte zur morgendlichen Boronsstunde, in der Maurergasse in Alt-Gareth. Zugriffszeit und Örtlichkeit wurden durch vorherige Observationen ausgekundschaftet (siehe Anhang A, Einsatzberichte Observation) und als die beste Option einer erfolgreichen Überführung und Zerschlagung des gesamten Kultes evaluiert. Der Zugriff selbst verlief absolut erfolgreich.
Gegen Ende der Feierlichkeiten innerhalb des Bürgerhauses, stürmten J, P und H die entsprechenden Zugänge. Die Unterstützung durch eigens ausgesuchte Truppen der Garether Garde erwies sich als vorausschauend, aber unnötig. Der Widerstand war minimal, die meisten Subjekte waren zum Zeitpunkt des Zugriffs nicht ansprechbar, geschweige denn wehrfähig. Binnen einer Viertelstunde wurde das gesamte Haus gesichert und vierzehn Personen unterschiedlichen Standes und Alters, allesamt berauscht und teilweise in exponierter Situation, sichergestellt und in Verwahrung gegeben (siehe Anhang B, Personenverzeichnis). Ebenfalls konnten bei dem Zugriff diverse Alchemika und Rauschmittel mit bewusstseinserweiternden Wirkung sichergestellt werden (Auflistung siehe Anhang C, Lagerverweis).
Wie geplant konnte die öffentliche Aufmerksamkeit vollends vermieden werden, Zeugen außerhalb des Kreises der Gardisten und der beteiligten Agenten gibt es keine. Weitere Maßnahmen zur Lenkung der öffentlichen Wahrnehmung sind aus diesem Grund nicht initiiert worden.
Nach Abschluss des Zugriffs und der Überstellung aller festgenommenen Delinquenten an zuständige Stellen wurde die Auflösung der Sondercommission begonnen, der abschließende Bericht folgt an entsprechender Stelle. Alle Unterlagen und Akten werden im entsprechenden Archiv eingelagert (siehe Anhang D, Archiv-Registratur). Es handelt sich bei diesem Schreiben um ein gesiegeltes Original. Der Besitz dieser Dokumente außerhalb freigegebener Kreise ist strafbar und wird als Hochverrat erachtet. Für das Reich!

Gesiegelt und Gezeichnet
H.v.S.


Einsatzbericht des Zugriffs auf den Belkel-Zirkel in Garether-Maurergasse, 09. Rondra 1022 BF

Der Zugriff erfolgte wie geplant zur frühen Boronsstunde. Die Anweisung die Feierlichkeiten abzuwarten und die Kultisten in einem geschwächten, vielleicht sogar wehrlosen Zustand anzutreffen war taktisch klug, doch die Bilder der Obszönitäten, die wir ihnen damit gestatteten, verfolgen mich noch immer. Das Eindringen in das Haus von drei Seiten war leicht, Wachen waren keine abgestellt. Wir konnten so mit dem kleinen Trupp Gardisten direkt über die Diele in den Wohnbereich des Hauses vordringen. Dort allerdings erwartete uns bereits ein Anblick, den ich lieber vergessen würde. Vollkommen weggetreten lagen sowohl eine weibliche als auch eine männliche Person auf einen Tisch, mit ledernen Riemen gefesselt und offenbar unter der Wirkung diverser Drogen stehend. Ihre Körper waren mit Schnitten und Striemen versehrt, mehr aber noch schockierte mich der leere Blick ihrer Augen, hinter denen kein Funken Verstand mehr zu erkennen war.
Der Gestank im Inneren der Zimmer war übelkeitserregend. Eine Mischung aus schmierige Süße, blutigem Kupfer, beißenden Fäkalien und kaltem Schweiß. Ich gab Anweisung der Gardisten die Personen loszuschneiden und habe selbst den Raum auf weitere Spuren hin untersucht. Drei weitere Personen waren hinter einer Sitzgarnitur bewusstlos geworden, sie waren halbnackt, manche trugen Kostüme, die dazu angetan waren in obszöner Weise ihre Geschlechtsteile zu betonen oder hervorzuquetschen. Auch diese Personen ließ ich festnehmen und abführen. Der Gedanke an ihr seliges Grinsen bereitet mir noch immer Übelkeit. Bei den guten Göttern, hätten wir diese dreckigen Ketzer doch nur eher gefasst und hochgenommen...

Gezeichnet
J.


Anmerkung: Der Einsatzbericht von J. weist maßgebliche Mängel hinsichtlich der nüchternen Zusammenfassung der Faktenlage auf. Eine Disziplinarstrafe sollte angedacht werden.
H.v.S.

Anhang A – Observationsbericht (Kopie):

23. Praios 1022 BF; Maurergasse:

Heute sind drei Mitglieder des mutmaßlichen Zirkels eingetroffen und über Nacht geblieben. Drei weitere waren bereits von der letzten Nacht noch im Haus. Von außen waren keine besonderen Aktivitäten feststellbar, von Seiten der mutmaßlichen Kultisten, dafür allerdings konnte auch heute eine weitere Weinlieferung mit dem gefälschten Siegel des Weinguts „di Stronzi“ beobachtet werden. Eine Überprüfung des Weinzulieferers ist dringend anzuraten. Im Rahmen der Observation war es möglich einen kurzen Blick auf den Lieferschein zu werfen, bevor dieser ebenfalls ins Haus gebracht wurde. Die Lieferung umfasst fünf Fässer Praiofelder-Weißen, drei Fässer Raschtulswaller-Roten und ein Fass Wehrheimer-Rebensaft. Letztere Sorte ist fiktiv, was nahelegt, dass es sich um das gesuchte Schmuggelgut handelt. Die Lieferung eines Fasses legt jedoch nahe, dass man sich bewusst ist, dass eine umfassende Lagerung im eigenen Umfeld Risiken birgt (Anm.: Verfolgung der Zulieferer in Erwägung ziehen). Die Führerin des Fuhrwerks ist erneut eine andere Person als die letzten beiden Male. Zweifelhaft, dass sie wissen, was transportiert wird (Anm.: Spekulation, Überprüfung der Fuhrknechte des Weinzulieferers einleiten). Gesichert ist, dass die Maurergasse ihr Treffpunkt ist. Mittlerweile konnten alle Mitglieder des Zirkels beim Betreten des Hauses beobachtet werden und jedes einzelne blieb über Nacht. Ein Zufall ist unwahrscheinlich (Anm.: Zustimmung, Zugriff vorbereiten).

Gezeichnet
P.

Anhang B – Personenverzeichnis

Vittel Berlsbrück (zur Anklage)
Alessa Schartenau (zur Anklage)
Jeffre Hirzacker (zur Anklage)
getilgt
Hagenbrecht Seidelkein (Noioniten)
Lene Schürenschenk (zur Anklage)
getilgt
getilgt
getilgt
exekutiert
Raskir Weizmann (verurteilt)
Nadjenko Burljeff (zur Anklage)
Freitod
Breda Winksflam



Anhang C – Lagerverweis

Sichergestellt wurden:

3 Fässer Praiosfelder Weißer (Weißwein aus Almada)
4 Fässer Raschtulswaller Roter (Rotwein aus Aranien)
2 Fässer Wehrheimer Reben => Schwarzer Wein (2 weitere Fässer geleert)
7 Unzen Samthauch
19 Unzen Trockenpilze
21 Unzen Cheriaka-Kraut
10 Skrupel Traumstaub
6 Schank Boronswein
18 Unzen Ilmenblatt
1 Skrupel unbekannter kristalliner Substanz


Anhang D – Archiv-Registratur

Archiv-Nummer 22BF902ZBLK

Notizen Parinors:

Etwas stimmt nicht. Zugriff beim Zulieferer des Weines erfolglos im Sand verlaufen. v.S. besteht auf Einstellung der Untersuchung, mit dem Argument, dass es keine Abnehmer mehr gibt und es keine weiteren Hinweise auf den Ursprung des Weines gab. Nachhaken zum Wehrheimer Reben führte in eine Sackgasse. Besagtes Lagerhaus, wo der Wein abgeholt wurde, war nach Zugriff leer. Der Wein ist nicht einfach verschwunden. Werde weiter recherchieren.

J. hat Kontakt aufgenommen. Sie teilt meine Ansicht, dass etwas nicht stimmt und hat Hinweise auf Wehrheimer Reben gefunden. Zollverzeichnis der Eingangsware in der Registratur der Stadttore. Guter Gedanke, wenn auch aufwendig sich durch die ungeordnete Zettelwirtschaft der Garde zu wühlen. Habe zwei Quellen reaktiviert, um dort suchen zu lassen. Vielleicht findet sich die Spur.

Der Wein wird weiterhin bezogen, ich weiß nur nicht von wem. Wehrheimer Reben tauchen in diversen Zolleinträgen auf, allerdings nur bis zum Rondra. Danach gibt es keine Hinweise mehr auf Verzollung. Die Befragung der Wachhabenden hat keinerlei Ergebnisse gebracht. Sie erinnern sich nicht. J. hat eine andere Möglichkeit ins Spiel gebracht und gräbt tiefer. Vielleicht sind wir nur paranoid. Es scheint sie mitgenommen zu haben, wirkt persönlich. Ich habe nichts gesagt, aber vielleicht sollten wir v. S. Recht geben und aufhören...

„Weidener Wiesenblüte“, J. hat den Namen ausgegraben nachdem ich mit ihr gemeinsam über die Sache gesprochen habe. Sie wirkt verbissen, übermüdet, schläft schlecht. Aber sie wollte nicht ablassen. Jetzt hat sie etwas gefunden. „Weidener Wein? Hast du schon mal was davon gehört? Und dann welcher, der jede Woche geliefert wird?“ Sie hat dabei diesen Blick gehabt und ich glaube dass etwas dran ist. Wir gehen der Sache auf den Grund. Jetzt auf jeden Fall.

Jemand verbirgt seine Spuren gut. Die Weidener Wiesenblüte scheint nirgendwo nach Gareth geliefert zu werden, selbst wenn sie regelmäßig die Stadttore passiert. J. Wirkt in diesen Tagen immer verbissener, beinahe als wäre es für sie eine persönliche Beleidigung. Sie meinte, dass sie nie wieder jemanden mit diesem Blick sehen möchte. Glückselig gebrochen, hat sie es genannt. Ich befürchte, es tut ihr nicht gut, auch wenn die Sache wirklich immer seltsamer wird.

Habe überlegt v. S. in die Sache hinein zu bringen. Er ist ein kluger Kopf und J. hat immer mehr Schwierigkeiten bei der Sache zu bleiben, ohne aus der Haut zu fahren. Die Umstände werden nicht besser, sie erzählt mittlerweile davon, wie viel von dem verfluchten Wein bereits irgendwer getrunken haben könnte und hat auch zwei meiner Quellen verschreckt mit ihrer bissigen Art. Ich versuche sie einzufangen, aber vielleicht braucht es v. S.. Er hatte sie besser unter Kontrolle.

War bei v. S. und wollte ihn ansprechen, auf unsere Schwierigkeiten und Ermittlungen. Bevor ich dazu kam wurde er kurz raus gerufen und meinte, ich solle kurz warten. Im Bücherregal stand ein Herbariums-Band, der äußere Umschlag war abgenutzt, die Schrift verkratzt und blass, aber noch zu lesen „Von der Albenhuser Aster bis zur Weidener Wiesenblüte“. Ich habe mich danach entschuldigen lassen. Kann es sein? Natürlich kann es sein. Doch es ist nur ein Indiz. Vielleicht wenn wir in diese Richtung graben...?

J. hat Beweise. Ich sage, es sind Indizien, aber sie sind gewichtig. v. S. hat einige Zolleinträge abändern lassen. Es ist sein Siegel. Das wäre nichts ungewöhnliches, die Agentur tut solche Dinge, ab und zu, um etwas zu besorgen. Aber sie betreffen Weinlieferungen. Sie betreffen Wehrheimer Reben und Weidener Wiesenblüte. J. sagt, dass wir ihn haben. Ich habe sie gewarnt. v. S. ist unglaublich gefährlich. Wir müssen vorsichtig sein.

Sie ist tot. J. ist gefunden worden, in einer Seitengasse, abgestochen. Sowas kann passieren. Auch uns, gerade uns. Aber ich habe ein mieses Gefühl und ich glaube nicht an einen Zufall. Wir wussten zu viel. v. S. hat es gewusst, irgendwie ist er uns auf die Schliche gekommen und das war vermutlich nicht einmal sonderlich schwer. Wir haben uns nicht unauffällig verhalten. Nicht in der ersten Zeit. Und J. Hatte ohnehin ihren eigenen Schwertzug, der sie führte. Jetzt ist sie tot. Erstochen, wie ein Schwein ausgeblutet. Es gibt keine Zeugen, niemand hat was gesehen. Tragisch. Ich bin vielleicht der nächste? Muss untertauchen. Auf dich, Jobane. Hoffentlich hast du jetzt Frieden.

Ich habe eine Spur, sie ist so sicher, dass ich bereit bin mein Leben drauf zu setzen. Aber sie ist eben auch riskant. Kann es nicht alleine machen. v. S. Hat einen kleinen Fehler gemacht. Er hat seinen eigenen Namen benutzt. Sicherlich geht es so schneller und schnelles Gold ist immer willkommen. Aber jetzt hängt er drin. Auf seinen Namen läuft „Bautzkis und Söhne“, ein Fuhrunternehmen, das rote Zahlen geschrieben hat und jetzt in seinem Namen wieder anläuft. Dorthin geht der Weidener Wiesenblüte. Mittlerweile verwischt er die Spuren nicht mehr so. Vielleicht ist er nachlässig? Vielleicht will er mich rauslocken? Wenn es eine Falle ist... aber wenn nicht, dann habe ich ihn. Ich muss es versuchen. Wenn der schwarze Wein da ist, dann hilft ihm keine Ausflucht mehr und ich hab ihn bei den Eiern. Für dich Jobane.
von Sumaro
16.09.2016 00:41
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier eine kleine Auftrags-Arbeit rund um den Nachlass des Abdul el Mazar. Da er als Philosoph und Kenner der Namenlosen Mythologie beschrieben wird (ein paar Leute werden wissen, dass er auch deswegen in die Fänge dunkler Machenschaften geriert), habe ich mich vor allem daran orientiert, mit ein paar kleinen "Plothooks" für eine andere Kampagne. :)

Schriftstücke des Abdul el Mazar

Von der Unteilbarkeit der Zwölfe:

„Zwölf Götzen haben das himmlische Zelt Rastullahs erobert. Zwölf Diener ihren Herren verraten und die Macht an sich gerissen. Zwölf Himmelszeichen haben sie an den Sternenwall geheftet, ihre eigene Hybris für alle Sterblichen zu offenbaren. Dies sind Wahrheiten, sie sind ebenso wenig zu leugnen wie das goldene Zelt selbst oder der Wind über der Wüste. Doch eine andere Wahrheit, aus den Mündern der eifrigen Prediger der zwölf Götzen kommend, muss sich an Vernunft und an Verstand messen lassen und dabei scheitern. Denn offenkundig ist es eine Täuschung, wenn sie davon sprechen, dass „die Zwölfe unteilbar sind“.
Ihre Gelehrten sagen den Lauf der Sterne vorher, sie blicken auf die Weiten des Meeres und lehren eine Kunst, die sie 'Navigation' nennen und die nicht weniger ist, als das Geistesspiel mit Zahlen und Winkeln, dem Teilen von Strecken und dem Berechnen von Distanzen. So ist es nicht gegeben mit Nachsicht von Unwissen zu sprechen, wie ein Vater geduldig dem Sohne manchen Fehler verzeiht, den er mit wahrem Wissen nicht getan hätte, welches eben jener aber noch zu lernen hat.
Wenn sie aber um die Kunst der Zahlen, wenn auch ohne das Spiel der verschlungenen Mystik, wissen, warum sprechen die Ungläubigen dann immer noch von den „unteilbaren Zwölfen“?
Zwölf ist, wie jeder Kundige des Al'Gebra weiß, durch 2, 3, 4 und 6 teilbar! Waren die 'Götter' einstmals unteilbar, also Dreizehn oder Elf? Rastullah erleuchte mich, denn ich bin verwirrt.“

Vom Namen des Namenlosen:

„Kaum etwas erfüllt die Ungläubigen mit mehr Furcht, als jenes Wesen, welches keinen Namen mehr trägt. Ihre ganze Fülle von Sagen und Mythen haben sie um diesen Gott gebildet, welchen sie nicht mehr benennen wollen und daher zum „Namenlosen“ machen. Wann immer ein Schrecken sich in ihren Geschichten auftut, die von den Dienern der Götzen erzählt werden, ist es immer jener machtvolle Gott, dessen Hinterlist und Tücke die unteilbaren Zwölfe dazu zwingt zu handeln. Seine Worte verderben die ersten Menschen, seine Macht reißt eine Lücke in den Wall der Sterne, seine Ränke fürchten selbst die Mächtigsten mehr als noch die dämonische Verdammnis.
Vieles gibt es über die Zwölfe und den Namenlosen zu sagen, genug um mehr Papyrus zu beschreiben, als die Felder am Mhanadi in einem Mond hervorbringen, doch will ich mich zunächst an dem versuchen, was einem jedem Wesen stets so wertvoll ist, dass es uns bereits gegeben wird, bevor wir unseren ersten Schrei getan haben und welches uns ein Leben lang und darüber hinaus, begleitet: Den Name.
Keinen Namen soll die Gestalt haben, die den Zwölfkreis sprengte. Geraubt haben ihn die Diener Rastullahs und versteckt auf der Welt und darüber hinaus. Und dennoch trägt jenes Wesen weit mehr Namen als jeder andere Götze, den sie verehren. Er wird Namenloser gerufen, Iblis, Rattenkind, Goldener und Güldener, Gesichtsloser, Ältester, drei Dreizehnte und der Erste, Herrscher der Herrscher, Purpurner, Verheißener und auf viele Weisen mehr. Es heißt, sie nahmen ihm den Namen und damit seine Macht. Wie jeder Schüler der altehrwürdigen Al'Pandjashtra weiß, ist ein Name eine Macht in sich. Mit ihm kann gerufen, aber ebenso gebannt werden. Wieso also nahmen die unteilbaren Zwölfe dem Übel, welches sie so sehr plagte, den Namen, jenes Werkzeug, mit dem ein Meister der Kunst, Macht erlangt über ein Wesen, gleich ob Djinni oder Ifriit. Wollten sie verhindern, dass er gerufen wird? Oder wussten sie nicht darum, dass ein Ruf ohne den Namen, nur gefährlicher, aber nicht weniger wirkungsvoll sein mag? Und wieso trägt jener, der verbannt und gehasst sein sollte, mehr ehrenvollen Beinamen, als jeder andere der Zwölfe für sich beanspruchen kann? Rastullah erleuchte mich, denn ich bin verwirrt.“


Vom Wesen des Verrats:

„Verräter und Hinterlistigen, so nennen die Diener der Zwölfe jene Entität der sie den Namen raubten. Verrat, so weiß ein jeder aufrichtiger Mann, dessen Ehre unbefleckt ist von Schande, ist die giftigste und tückischste Klinge. Selbst Rastullah, in seiner Weisheit und seinem Glanz, hat die bittere Frucht des Verrats gekostet, durch eben jene, denen er seine Macht anvertraute. Die Mawdli berichten von den zwölf Dienern, die er in sein Zelt ließ, vertrauend, sie würden seinen Schlaf bewachen. Doch sie wurden verführt von der Macht über die Welt und so verrieten sie ihren Herren, weckten ihn nicht in der Stunde des Erwachens, sondern warfen sogar noch den göttlichen Schlaf über ihn, eine Gabe, erst durch die Hand des Alleinen empfangen. Ist es daher ein Wunder, dass die Diener der Zwölfe den Verrat des Ungenannten so sehr fürchten, dass sie ihn für immer verdammen und Eide und Schwüre sprechen lassen, gesegnet mit dem Zauber ihrer Götzen, auf dass niemand sie hintergehen mag? Nein, der Sohn der Einsicht vermag sich nicht dem Wissen zu verschließen, dass es oftmals jene sind, die verraten, die in jedem anderen den Verräter erkennen. Jene, die Vertrauen missbrauchen, Söhne der Ehrlosigkeit, sind ebenso jene, die kein Vertrauen mehr schenken können.
Doch wie mag es zusammenhängen, dass die Zwölfe selbst Verräter sind und in ihrer Geschichte vom großen Verräter warnen? Welche größere Befleckung mag es geben, als einen der Ihren im Verrat zu beschuldigen und ihn aus der Mitte auszustoßen. Niemand vermag heute zu sagen, wer den ersten Verrat begangen hat. Liegt es im Wesen der Zwölfe zu verraten und ist derjenige, dem sie den Namen raubten ebenso Opfer ihrer unsterblichen Listen, wie der schlafende Rastullah? Schreiben Sieger die Geschichte, so wie es die bosparanischen Legionäre taten, als sie gen Khunchom marschierten und das Sultanat der Diamanten unterwarfen? Oder mag die Wurzel allen Übels wahrlich jener sein, der keinen Namen mehr trägt. Mag es sein, dass jener es war, der die vorher unteilbaren Dreizehn aufbrachte gegen den Alleinen, der ihm seinen Platz im goldenen Zelt streitig machte und sie zum Verrat anleitete, nur um die Diener folgend selbst zu verraten? Wem ist zu trauen, wenn ein jeder fähig ist Verrat zu üben und welche Weisheit muss man besitzen, dieses Gespinst zu durchschauen, um die Wahrheit zu unterscheiden von der Fata Morgana über dem Wüstensand? Rastullah erleuchte mich, denn ich bin verwirrt.“

Von den Zeugen der Vergangenheit:

„Begraben unter Sand und Zeit, so sagt ein geflügeltes Wort, welches von Mund zu Mund reist und sich verbreitet hat, wie der Samen der Wüstenrosen, die vom Khomwind getragen selbst am Laufe des Mhanadi erblühen. Auf der Suche nach den Dingen, die keinen Namen haben und auf den Pfaden einer Vergangenheit, die ebenso vergessen sein mag, wie jener Name des machtvollsten Gottes in der Lehre der Zwölfe, graben wir im Sand und in der Zeit. Wir suchen nach Zeugen, die geblieben sind, wo Fleisch und Knochen, Pergament und Schrift, sogar Stein und gekerbte Keile verfallen und abgeschliffen sind.
Ein jeder vom Blute Zulhamids kennt die Geschichte seines Werdens. Vom Rakhshaza Adawadt, der den Leib aus Lehm vom Gadang und seinem Blut formte und vom Geiste Rashtuls, der sich dieser Form bemächtigte, um Mensch werden zu lassen. Wer seinen Blick zurück richtet auf jene Zeiten, in denen die ersten vom Blute Zulhamids unter dem Himmel wanderten, der wird erfahren von den Echsen, die noch immer der Erbfeind sind. Denn sie waren es, die in den Tälern die ersten Menschen erwarteten, bereit sie zu versklaven oder. schlimmer noch, zu verschlingen. Ein jeder Sohn der Lehren Rastullahs weiß um die Verderbtheit der Echsen, um ihren dunklen Zauber und um ihre Boshaftigkeit. Und unter Sand und Zeit sind die Zeugen ihres Schaffens und Wirkens vergraben und Legenden wurden Geschichte, die heute einen Jeden lehren und ein Kind zum Mann formen.
Der Geist jedoch, der voller Neugierde gräbt nach dem was gewesen ist, der Wahrheiten sucht in der Vergangenheit, was mag er finden, wenn er zu tief schürft?
Was mag er erkennen, wenn er sich den Schriftzeichen zuwendet, die davon künden, dass Glatthäutige und Geschuppte gemeinsam an einem dunklen Zauber woben? Was wird er verstehen, wenn er Gebeine freilegt, dort wo treue Seelen siedeln, im Herzen der Khom, fernab jeder Echsenstadt, die heute noch bekannt ist? Sind jene Knochen, die man in Yiyimris fand und die voller Stolz ausgestellt werden, wahrlich Zeugnis des Triumphs alter Tage? Haimmamudim weben Legenden um sie, doch was sagen uns drachenhafte Wesen und Schlangenkörper, größer als jeder Mann, über das was einst geschehen ist? Wenig und nichts und vieles. Doch darf ein Geist, von Rastullah berührt, die Fragen stellen, die ihn quälen? Darf er sich zum goldenen Zelt wenden, das Gesicht demütig gesenkt, aber die Hände bittend erhoben und seine Gedanken vortragen? Darf er aufschreiben, dass er glaubt, hier keinen Beweis einer Schlacht zu sehen, welche ruhmreich geschlagen wurde, sondern Zeugen einer Zeit, als die vom Blute Zulhamids noch nicht auf den Spuren der Geschuppten wandelten? Darf er seine Stimme erheben und klagen, dass wir den Feind vielleicht nie überwunden, sondern mehr wie er geworden sind, da wir seine Stätten nutzen und seine Zauber lehren und im Zwölfkreis gar seine Götzen in geschuppter Gestalt Einzug hielten? Oder sollte er schweigen und hinnehmen, dass manche Dinge wohl verborgen sind unter Sand und Zeit und niemals von ihnen gesprochen werden sollte, da sie vergessen sein müssen?
Rastullah erleuchte mich, denn ich bin verwirrt!“

Von der Gestalt des Namenlosen:

„Was unterscheidet den Mann von Entschlossenheit von dem Mann ohne Willen? Der Erste ist gleich dem stolzen Hengst, zugeritten aber ungebrochen pariert er, die Weisung seines Herren verstehend und dem Wort seines Gottes folgend, doch würde er keinen anderen Herren dulden, als denjenigen, der ihm seine Gaben zuteil werden ließ und der ihn in Weisheit erleuchtete. Der Zweite hingegen ist ein gebrochenes Tier, kaum mehr würdig mit dem stolzen Hengst gemeinsam als Pferd bezeichnet zu werden. Er tut jeden Dienst und lässt sich für jeden herab, seine Kraft und seine Stärke zu nutzen, für die er selbst keinen Sinn mehr hat. Stumpfsinnig und träge stapft er vor dem Pflug dahin und unterscheidet sich nur noch in einem Teil der Gestalt vom tumben Ochsen.
Doch abseits von jenen beiden mag es auch noch eine dritte Art der Entschlossenheit geben und diese ist bei weitem gefährlicher und grausamer noch als die genannten. Ein Mann, dessen Entschluss zum Wahnsinn wurde, ist gleich dem unzähmbaren Hengst, dessen Wut und Mordlust in den aufgerissenen Augen blitzt und dessen Hufe jeden zerstampfen, den er abwerfen kann. In solch einem Wahnsinn gefangen, vermögen selbst Ketten und Seile nicht zu bändigen, was gegen ihren Griff tobt und auch den eigenen Leib zu verstümmeln, sich selbst an den Ketten zu erwürgen oder sich ein Glied auszureißen, ist einer solchen Bestie nicht fremd.
Von der letzten Art der Entschlossenheit, so berichten es die Legenden der unteilbaren Zwölfe, ist der Gott ohne Namen. Der Verheißene und Gefallene ist gekettet an den Rand der Welt, in den Wall der Sterne und seine Macht ist gebunden mit ihm. Doch wo Entschlossenheit dem Wahnsinn gleicht, dort halten weder Ketten noch Richtspruch einen Leib gefangen. Voller Schrecken berichten die verbotenen Schriften der Kirchen der Götzen von den Untaten, die sich der Purpurne selbst antut, um seinem Gefängnis zu entkommen.
Sein Auge hat er herausgerissen und auf die Welt geschleudert wo es zersprungen ist in unteilbare Dreizehn. Jene Augen rasen über die Schöpfung und blicken alles was ihr Herr blickt und er alles, was sie blicken und sie bringen Unheil, so groß, dass jeder sie fürchtet.
Seinen Schatten trennte er vom Leib und warf ihn auf die Welt und aus ihm wurde das Rattenkind, die Essenz des Verrats und der Hinterlist und wo man von ihm spricht, da weiß man, dass seine Ränke nahe sind. Seine Hand trennte er sich ab und schleuderte sie zwischen Schöpfung und Chaos und dort wurde sie Maruk-Methai, der in jene einfährt, die der Güldene selbst führt. Als letztes, so schreiben sie und verbotenes Wispern scheint in mancher dieser Schriften widerzuhallen, biss er sich die Zunge ab und spuckte sie auf die Welt, auf dass sie seine Lügen verbreiten möge, bis jedes Reich untergegangen sei, welches nicht ihm huldigt.
Grausam klingt es, und ein Sohn Rastullahs würde eher den Tod wählen, als ein Leben in der Knechtschaft von Ketten, doch sieht man hinter die Lehren, dann fragt sich der gelehrte Geist, was wohl geschehen mag, wenn man gebunden und gequält, nicht mehr hat als seinen eigenen Willen und seinen Leib? Wie lange braucht es, bis aus Entschlossenheit Wahn wird und wie viel Wahnsinn kann ein Mann erdulden, bevor er sich selbst zerreißt? War derjenige ohne Namen schon immer von entschlossenem Wahn oder machten ihn erst die Ketten derjenigen, die er verriet und die ihn verraten haben, zu einem Geschöpf, das nicht einmal in der Qual der eigenen Verstümmelung eine Grenze erkennt? Und wenn seine Diener seinem Beispiel folgen, sind dann auch sie versehrte Gestalten, wie sich ihr Gott versehrt hat? Oder wandeln sie vielleicht in der glänzenden Schönheit, in die er sich einstmals kleidete, bevor ihn die unteilbaren Zwölfe gebunden haben?
Rastullah erleuchte mich, denn ich bin verwirrt!“
von Sumaro
01.07.2016 16:51
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier ein Text für einen kleinen Schrein unheiliger Kräfte. Eine besondere Herausforderung, da die Seuchenbringerin doch nicht so umfassend beschrieben wurde bisher.^^

Die Keimzelle der schwarzen Wut

Es ist nicht mehr als ein Bretterverschlag, am Rande eines ausgetretenen Stegs. Im Nebel des Moores verlieren sich die Geräusche der Stadt, nur das Knarzen der hölzernen Planken und das gluckernde Schmatzen des Moores unterhalb des Stegs begleiten die Schritte hin zu dem geduckten Bau. Modriger Dunst tränkt die aufsteigenden Schwaden, die aus den Sumpflöchern hervorgewürgt werden.
Das letzte Stück des Weges zum Verschlag hin ist rutschig, die mit Moos bewachsenen Planken sind glitschig von der steten Feuchtigkeit, die den Stoff der Kleidung klamm werden lässt und den Körper auskühlt. Man vermeint beinahe zu spüren, wie sich die geschwollene Gicht in den eigenen Gelenken niederlässt. So manche krumme und gebeugte Gestalt, die man auf den Pfahlwegen gesehen hat, ist sicherlich ein Opfer der Sümpfe, die einen Menschen nicht nur verschlingen, sondern auch langsam dahinsiechen lassen können.
Fette, schimmernde Fliegen kleben an den Wänden des niedrigen Bretterbaus, kein aufgeregtes Summen begleitet die trägen Bewegungen der Tiere, die nur gemächlich über die schmierige Oberfläche krabbeln. Eine niedrige Tür ist mit rostigen Scharnieren in die Seite des Verschlags eingelassen, der sicherlich nicht mehr als drei auf vier Schritt misst und dessen Höhe mit weniger als zwei Schritt nicht dazu angetan ist, einem ausgewachsenen Nordmann den Luxus des aufrechten Gangs zu gewähren. Ölig-würzige Schwere schiebt sich über den erdigen Torfgeruch des Moores und drängt dem Verstand Bilder von kränklich-mageren Gestalten mit blassen Gesichtern und rotbräunlich benässten Beinkleidern auf. Es stinkt nach Siechtum und Verfall.
Kein Riegel versperrt den Verschlag, dessen Tür und Wände wohl auch keiner ernsthaften Gewalt würden standhalten können. Durch die Ritzen zwischen den grob gezimmerten Brettern vermag man das schummrige Dunkel im Inneren zu erahnen, doch kaum mehr als Schatten und Schemen auszumachen.
Schwerfälliges Kratzen und gezogenes Quietschen durchbrechen die diesige Stille, als die Tür aufgezogen wird und einiges an Kraft verlangt, um die rostigen Scharniere in Bewegung zu versetzen. Ein träges Brummen begleitet den Kraftakt, während einzelne Fliegen die schillernden Flügel schlagen lassen, nur um danach wieder in ihre gemächliche, schläfrige Ruhe zu verfallen. Ein Stoß herb-metallischen Gestanks wabert aus dem Inneren der Kammer entgegen, der Geruch von Schimmel, Erbrochenem und Blut schwängert die Luft.

Spärlich fällt Licht durch die Ritzen der Bretterwände hinein. Die Bodendielen schimmern ölig und jeder Schritt hinein wird von feuchtem Schnalzen begleitet, so klebrig ist der Untergrund, der sicherlich noch nie Bekanntschaft mit Scheuerbürste oder Besen gemacht hat. Der nahe Sumpf, der ringsherum gluckst und gluckert, hat seine feuchtkalten Finger auch ins Innere des Verschlags gestreckt. Unter der niedrigen Decke, dort wo Sommerwärme die schwitzende Schwüle hintreibt und Nachtkälte sie als schmierige Feuchtigkeit kondensieren lässt, hat sich ein filziger, schwarzer Schimmelteppich gebildet. Direkt bei der Tür liegen einige tote Nagetiere, zwei davon aufgedunsen fette Ratten mit krustigem Blutschaum vor dem Maul, das andere Wühl- und Feldmäuse, die offenbar von hungrigen Zähnen zerbissen, aber nicht gefressen wurden. Dafür wimmeln in den aufgerissenen Körpern gelbliche Maden träge übereinander. Ein Bettgestell mit feucht-fauligem Stroh gestopft, nimmt eine Seite des Raumes vollkommen ein, ein Tisch, aus modrigem Treibholz gezimmert, versperrt wuchtig den Weg gerade durch den Raum. Zerlaufene Talglichter stehen in seiner Mitte, darum drapiert Schüsseln und Schalen, das meiste einfacher Ton, nicht mal ordentlich gebrannt, anderes geöltes Holz, das dem feuchten Verfall des Sumpfes ein wenig länger zu trotzen vermag. In den Gefäßen ist verkrusteter oder pelzig überwucherter Inhalt. Dort vorne mögen Früchte gewesen sein, jetzt nur noch gräulich verschrumpelter Schimmel, die Flüssigkeit, die einmal in dem Becher war, ist jetzt überwuchert von Pilzen und durchsetzt mit Fliegeneiern, die an der Oberfläche treiben. Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben hier habe jemand Essen aufgetischt, nicht für einen, sondern für zwei. Und es dann vergessen. Doch wer auch immer die Mahlzeit bereitet hat, hat dies erst kürzlich getan. Denn die beiden Teller, Keramik von der besseren Sorte, sogar bemalt mit blauer Zierden, sind sauber poliert, ebenso wie das gusseiserne Besteck daneben. Ein zweiter Blick über die, für so einen erbärmlichen Verschlag, reich gedeckte Tafel offenbart noch weit mehr verstörende Umstände, die sich zu dem schwelenden Gestank von Fäulnis gesellen. Ein Stück aus dem Apfel in der Schale wurde abgebissen, das Innenleben glänzt braun und faulig-feucht hervor, doch die Bissspur hat den gräulichen Schimmelpelz gebrochen. Jemand hat hiervon gegessen, vor kurzem, als es bereits verdorben und verrottet war.

Rechter Hand des Tisches nimmt ein Regal fast die gesamte Länge des Raumes ein. Es ist unaufgeräumt und ebenso mit Dreck und Algenbewuchs verkrustet, wie die meisten hölzernen Möbel im niedrigen Verschlag, aber vollgestopft mit Unrat. Hier wurden Lebensmittel gelagert und offenbar verrotten lassen, ohne das sich jemand gekümmert hat. Einige Stücke wie das grünlich durchzogene Brot auf dem unteren Regalbrett vermag man noch zu erkennen, andere Dinge sind bereits so mit dem Holzgestell verwachsen, dass man kaum mehr als pelzige Erhebungen ausmachen kann. Hinter dem Regal, in einer Ecke an der Wand, kaum einzusehen von der Türe aus, ist ein kleiner Schrein aufgebaut. Er steht im Schatten des Regals und ist nicht mehr als ein niedriges Tischchen mit einer einfachen Statuette von vielleicht einem halben Schritt Höhe darauf. Genaueres kann man jedoch erst erkennen, wenn man selbst den gesamten fauligen Raum durchquert hat.

Der Gestank scheint die schmierige Penetranz eines trunksüchtigen Straßenbettlers zu haben, er heftet sich an den Stoff der Kleidung, drängt bei jedem Atemzug wieder ins Bewusstsein und scheint so viele wechselhaft-widerliche Nuancen zu besitzen, dass man sich gar nicht daran gewöhnen kann. Von erdig-faulig über süßlich-schwer hin zu beißend-sauer schwankt er von Schritt zu Schritt, lässt selbst hartgesottene Gestalten die Tränen wegblinzeln und gegen den Würgereiz ankämpfen.

Dort, auf der ölig schimmernden Tischplatte steht die Statuette einer Frau. Sie ist der kunstfertigste Gegenstand in all dieser faulenden Ödnis und von faszinierender Sinnlichkeit. Wie Käferpanzer schimmert das dunkle Holz aus dem sie geschnitzt wurde und ebenso glatt poliert wie ein solcher sind alle Ecken und Kanten, beinahe als wäre sie gar nicht wirklich mit Messer und Meißel bearbeitet worden, sondern von kundiger Hand aus dem Holz gezogen worden. Eine nackte, weibliche Schönheit, mit ausgebreiteten Armen und gebender Gestik stellt sie dar und auch wenn ihr Gesicht gesenkt ist, wie jemand der in Demut gibt, so drückt doch alles in ihrer Haltung Stolz und Stärke aus. In gehämmerten Metallschalen sind feuchte Kohlenreste verblieben, die noch einen Hauch lockender Süße verströmen, wie der Schatten eines Duftes, der von huldigendem Weihrauch aufsteigt, sich aber nun in die grausige Kulisse des Gestanks einfügt.

Ein zweiter Blick jedoch konterkariert die berauschende Verführung der beinahe lebendigen Statuette, denn dort wo ihr Gesicht geneigt ist, erkennt man Bewegung. Ein aufblitzen von knochigem Gelb in dem sonst so schillernden Schwarz... und dann kriecht die Made aus ihrem Gesicht hervor, aus dem aufgesperrten Mund krabbelt sie träge heraus und fällt fast lautlos auf die das ölige schimmernde Tischchen. Sie wälzt sich hin und her, bis ihre stummelhaften Beinchen wieder Halt finden und in grausender Faszination kann man kaum den Blick abwenden. Sie streckt das schwarze Köpfchen in die Luft, euch entgegen, da fällt auch schon die zweite aus der zerfressenen Fratze der sinnlich-schönen Statuette. Der bestialische Gestank von Eiter, Blut und Fäkalien drängt sich erneut in das Bewusstsein, Bilder schorfkrustiger, schwärender Wunden flackern auf. Schmierig-gelbe Maden fressen sich durch fauliges Fleisch, das Raspeln ihrer kleinen Zähnchen dröhnt in den Ohren. Eine dritte Made fällt heraus und ringsum beginnt Bewegung. Unter dem Pelz aus Schimmel und Dreck wuchert und wimmelt es. Der nächste Atemzug schmeckt nach dem Inneren einer Eiterblase und würgt sich die Kehle hinunter, drückt den Hals zu in kratzender Enge. Flackernd verstellt den Blick, ein Pulsieren hinter den Augen, wie ein Zucken der Muskeln, lässt für Momente das Sichtfeld verengen. Etwas bewegt sich im Inneren, es kriecht weiter, mit ratschenden, knisternden Zähnchen die sich durch lebendes Fleisch graben. Heiß wallt Wut und Gewalt auf, wie ein Fieberschub dem der Schüttelfrost folgt. Es ebbt ab, doch mit jedem Pulsschlag, mit jedem Moment im diffusen Zwielicht des Verschlags, mit jedem Atemzug der verpesteten Luft drängt es weiter hinein. Die nackte Göttin verschenkt mit vollen Händen, in Demut vor ihrer eigenen Schöpfung und mit Stolz auf die schwarze Pestilenz, die aus ihrem Gesicht kriecht.
von Sumaro
03.06.2016 16:06
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier einige Traumsequenzen, die ich für eine boronische Karmalqueste gestaltet habe und die auf einen bestimmten Ort und ein bestimmtes Werkzeug, sowie gewisse Umstände Hinweise liefern sollen. Vielleicht findet ja jemand der Leser heraus, wo es ist, was dort passiert ist und welches Artefakt des Herren Boron dort verborgen wurde. ;)

Träume vom Tod – Im Schatten des Untergangs

Gedenken an den Tod

Knisternd schrumpfen die honiggoldenen Bröckchen harzigen Weihrauchs auf den glühenden Kohlen in sich zusammen, brutzeln mit einem kaum vernehmbaren Zischen, während der schwere, süße Duft die Luft schwängert. Dunkelheit umfängt das glimmende Licht der Glutschalen und Stille deckt die Laute der zeremoniellen Handlung zu, bis auch sie fast völlig geschwunden sind. Was bleibt ist die stumme Pracht schwarzen Basalts, Vulkangestein aufgetürmt zu Mauern für die Ewigkeit, düster und unnahbar, von majestätischer Getragenheit. Säulen mit dem Zierbild des Raben, von kunstfertiger Hand aus dem Stein gehämmert, säumen die lange Halle, in der Gesichter voller Demut und bedrückter Ehrfurcht zum geflügelten Altar blicken. Männer und Frauen, gekleidet in sanfte, fließend düstere Stoffe, blicken zu dir auf, in ihren Augen kein Schimmer von der Freude des Lebens, doch die angemessene Bescheidenheit im Angesicht des unausweichlichen Todes. Deine Hand umschreibt eine Geste, die sie alle einfasst, deine Lippen formen Worte in einer dir unbekannten Sprache, die niemals gehört werden, denn in der Stille ist kein Platz für sie. Schattenhafte Diener, gewandet in Roben aus schwarzer Seide, barfuß und mit schwieligen Händen, von der Arbeit mit den Toten und den Sterbenden, fügen der Glut in den silbernen Schalen weitere kostbare Würze hinzu. Herb und bitter verschmilzt der Duft der Kräuter mit der Süße des Rauchs und spiegelt die sinnliche Seite, der bittersüßen Wahrheit des Lebens wieder: Es endet immer mit dem Tod. Deine Lippen ziert ein Lächeln, als die Stille vom Grollen der Welt selbst erschüttert, aber nicht gebrochen, wird. Hitze spült in die heiligen Hallen, flimmernde Luft walzt in stiller Erhabenheit über die Reihen der Gläubigen hinweg, deren Gesichter von Ehrfurcht zu grausiger Agonie kehren, als die glühende Luft ihre Haut Blasen werfen und ihre Augen verdorren lässt. Der dünne Stoff entzündet sich flammend, ringt in seinem grausamen Licht mit der sanften Dunkelheit der Tempelhallen, nur um Herzschläge später als gräuliche Asche herabzurieseln von den verkohlten Leibern, die sich in den letzten Zuckungen hilfloser Agonie winden. Du selbst loderst hell wie ein fallender Stern am Nachthimmel, die schweren, so teuren Gewänder verwehen nicht leicht im Aufflammen der Hitze, sondern lassen deinen Leib nicht nur verdorren, sondern verbrennen. Deine Haut kräuselt sich wie heißes Pergament und platzt auf, gibt den Blick frei auf kochendes Fett, das Momente später ebenso entflammt, wie die Welt rings herum. Du siehst es zusammenschrumpfen, saftig und rot, dann braun und brutzelnd, dann schwarz und leer, wie der harzige Weihrauch auf der glühenden Kohle. Der Schmerz muss unerträglich sein, mehr als ein Leib, ein Mensch, irgendein Wesen aushalten kann, doch du bist umgeben von Stille und Dunkelheit, nichts anderes hat Raum in dir. Du stirbst, verbrannt bis auf die rußgeschwärzten Knochen, gebeugt über den geflügelten Altar des Raben. Das Leben endet stets mit dem Tod.

Die Gefesselten

Weich und geschmeidig verteilt sich der Balsam zwischen den massierenden Fingern. Der Duft von schweren Kräutern, herb und träge, erfüllt die Luft, mischt sich mit den Nuancen von Kupfer. Leichenblasse Haut wird im Schein flackernd-rußiger Öllampen eingerieben. Feuchtes Schmatzen begleitet jede Bewegung, der Boden ist glitschig vom ausgelassenen Blut, welches die Schalen aus gegossenem Gold nicht mehr fassen konnten. Deine Hände sind müde, verkrampfen immer wieder, während sie die ölige Paste auf den frischen Leichen auftragen. Seit Stunden, bevor die Sonne aufgegangen ist, ist dies deine Aufgabe gewesen, für Stunden noch, lange nachdem das letzte Licht des Tages gewichen ist, wird sie es auch weiter sein. Hier unten, zwischen Basalt und Gold ist der Tag so unbedeutend wie die Nacht. Jeder hat seine Aufgabe erhalten, jeder einzelne tut sie mit Hingabe und Stolz. Du massierst den Balsam in die Toten, die kahlgeschorenen Diener rechts von dir wickeln sie in straffe Verbände aus Leinen, die Totensänger links von dir, begleiten die letzten Herzschläge der ausblutenden Opfer. Keiner von ihnen geht für nichts, jeder von ihnen stirbt für eine Aufgabe, denn der Tod ist nur ein Schritt weiter und ihre Pflicht ist noch weit ehrenvoller und größer als die deine. Du reibst den Leichenbalsam in die noch warme, blasse Haut, wann immer ein Toter auf deinen Tisch getragen wird. Hinter dir sind einfache Diener dabei das Blut in den Schalen zu sammeln, sie tragen es fort, es schwappt über den Rand, doch heute ist es so reichlich, dass sie niemand bestrafen wird. Blut, es ist die Grenze von Leben und Tod, die Essenz des Seins und der Sterblichkeit. Einen Moment lang hältst du inne, die Frau zu deiner Linken ist kräftig und stirbt nur träge, es gibt dir Zeit den Geist wandern zu lassen. Die Propheten sprechen von dem Tag, der kommen wird, an dem die Toten sich für die Lebenden erheben. Es werden die goldenen Zeiten sein, in denen es keinen Hunger und kein Leid mehr gibt, in dem ein jeder frei ist von der Pflicht des Tagwerks, denn die Toten werden es tun. Der Tag an dem es keinen Krieg mehr gibt, denn die Toten werden ihn führen. An dem es keinen Tod mehr geben wird, denn der Gott wird unter ihnen sein und für die Ewigkeit die Endlichkeit beenden. So sind die Worte der Propheten, die jene Toten, die blutlos und balsamiert, bandagiert und mit ledernen Fesseln gebunden, mit der Kralle des Gottes zeichnen, für den Tag, da sie ihre Fesseln abstreifen, die tönernen Gräber sprengen und ihren Dienst im Reich der Ewigkeit antreten. Schwer landet der Körper der Frau vor dir. Ein Hauch von Rosigkeit ist noch auf ihren Wangen, ihr Fleisch ist noch warm, deine wunden Finger tauchen in den herben Balsam und beginnen den nackten Leib zu massieren. Dienen für die Ewigkeit.

Die Kinder des Untergangs

Trockene Hitze flimmert über den sandfarbenen Pflastersteinen der Straße. Verschwommen erkennst du die Gestalten spielender Kinder am Straßenrand. Ihre Rufe dringen zu dir herüber, werden aber vom Knarzen und Knirschen des vorbeifahrenden Karrens übertönt. Schweiß brennt in deinen Augen, lässt sie tränen, doch der schwere Sack aus grober Jute braucht beide Hände, um nicht von deinem gebeugten Rücken zu rutschen. Also erträgst du das beißende Gefühl, blinzelst hektisch gegen die Sonne des Mittags und versuchst dich so weit es geht in den viel zu schmalen Schatten entlang der Häuser zu halten. Du kennst deinen Weg auch ohne klar zu sehen gut genug, um nicht über die Rinnsteine zu stolpern oder auf dem Inhalt eines ausgeleerten Nachttopfes, der hier in der brütenden Hitze langsam eintrocknet, auszurutschen. Die scharfe Fäule mischt sich mit dem Geruch des Ochsens, der den Karren an dir vorbeigeschleppt hat und dem süßlichen Dunst, der von den Tempelgebäuden aufsteigt und von den wenigen, trägen Luftzügen zu dir hinüber geweht wird. Schmerzhaft protestieren deine angespannten Schultern, die hochgezogen immer wieder die Last auf deinem Rücken zu verteilen suchen. Ungnädig bohrt sich der verholzte Strunk einer Rübe in dein Kreuz, eine garstige Spitze, die weder vom Stoff deiner Tunika noch von der groben Jute gedämpft wird. Ächzend machst du ein paar weitere Schritte, immer die steile Gasse bergan, während Rinnsale von Schweiß den Stoff deiner Kleidung durchtränken. Zornig scheint der Sonnengott die Welt zu betrachten, denn schon seit Tagen hält er mit starrem Blick allen Regen aus den Himmeln fern und selbst der Wind vom Meer, unten bei den Schiffen eine kühlende Brise, verliert sich in den Gassen als kaum spürbarer Hauch. Kinderlachen reißt dich aus deinen Gedanken, ganz nah an dir. Erneut blinzelst du gegen den Schweiß in deinen Augen, blickst zur Seite, wo ein Bursche oder ein Mädchen steht, das verschwommene Gesicht in deine Richtung gewandt. „Schau mal, Großvater!“ ruft die klare, kindliche Stimme, gefärbt mit Aufregung. Das Kind wendet sich ab von dir und deutet hinauf zum Himmel. Dein Blick ist noch immer unscharf und mit einem Seufzen und dem Wissen, wie schwer es sein wird, den Sack wieder hochzustemmen, setzt du jetzt deine Last ab. Endlich kann der Ärmel der Tunika den Schweiß auf der Stirn wegwischen, ehe du dir die Augen reibst und gegen das nun noch greller scheinende Licht blinzelst. Vorbei an der Säule des göttlichen Willens, einem schwarzen Koloss aus dunklem Basalt, geziert mit goldenen Runen und Symbolen, die im Sonnenlicht funkeln, siehst du die dichten Wolken dunklen Rauchs über dem hohen Berg. „Das sind die Götter des Feuerberges, mein Kind. Sie sind ebenso zornig wie der Sonnengott, aber ihr Zorn wird auch wieder vergehen“, sagst du mit der Weisheit des Alters, doch als du den Blick wieder senkst, bist du alleine. Irgendwo hinter der Säule spielen die Kinder ein neues Spiel und haben den alten Mann vergessen. So wie alle den alten Mann vergessen, mit seinem Sack voller Rüben.

Meeresrauschen

Weiße Gischt rollt gegen den Bug des Bootes, launische Windböen lassen das Segel immer wieder umschlagen und treiben den Kahn tiefer in die tückischen Strömungen hinein. Wellen, manche mannshoch, lassen die hölzernen Planken trügerisch bocken, ziehen das Gefährt mal tiefer, heben es dann wieder empor. Ungnädig ist auch die flirrende Hitze der prallen Sonne, die heute keine Wolke unter sich duldet. Schweißnass sind die Hände, die nach Ruder und Seilen greifen, manche schon aufgeschürft von den rauen Fasern oder mit Splittern gespickt, wo eine schnelle Kehrtwende, hartes schnelles zugreifen forderte. Keinen Fang habt ihr heute gemacht, die unruhige See gibt nichts von sich preis und jetzt scheint sie euch nicht einmal mehr zurück in die sicheren Buchten der Insel treiben lassen zu wollen. Tückisch, nennt es der älteste Fischer, launisch wie die immer streitenden Meeresgötter, von denen ein jeder alles beansprucht, obwohl die See doch so groß und weit ist, dass gar Platz für hundert Götter sein könnte. Beinahe bist du dir gewiss, dass es solche frevlerischen Gedanken sind, die die Götter erzürnen. Doch vielleicht ist es auch nur eine Laune der Natur, die euch in die Strömungen nahe dem offenen Meer gezogen hat, hier wo Untiefen und Riffe, aber keinerlei reiche Fischgründe warten. Ohnehin ist der Tag bereits zu alt geworden und die Sonne hat ihren Kreis schon weit vollendet. Erneut knarzt das gespannte Segeltuch, als es umschlägt und das gesamte Boot dem Ruck der Winde folgend, abbremst. Ein Grollen legt sich über das Ächzen von Holz und das Stöhnen der Männer. Von der Insel her rollt es heran und dröhnt weit hinaus über die aufbäumenden Wogen. Schwarz, wie schon seit Tagen, erfüllt Rauch den Himmel über dem Berg. Schwarz und ölig breitet sich der Zorn des Berges über der Küste aus. Oft hat er in den letzten Tagen gesprochen, doch selten so laut, dass man es selbst hier draußen vernehmen konnte. Auch die anderen haben es gehört und jetzt wenden sie ihre Köpfe, als der Kahn aus einem Tal aufsteigt und eine Welle hinaufstampft. Der Blick reicht jetzt weit. Doch unfassbar erscheint was er sieht. Dem Grollen folgt Donner und dem Donner folgt Staub. Aus der tintigen Schwärze des Feuerberges herab fallen Schweife von Flammen und eine Woge von Staub und Asche braust an seinen Hängen hinab. Rotes Wetterleuchten glüht darin auf und die Silhouette der Stadt verschwindet im Dunst des Berges. Die ersten Männer rufen aus, Flüche und Gebete, dann fällt auch das Boot wieder in das Tal der Wellen hinab. Über eure Köpfe hinweg fliehen die Vögel der Küste, krächzend sind es ganze Schwärme der Raben, deren Rufen wie Totenschreie klingen. Mehr flehen und fluchen folgt. Der älteste Fischer schreit Ordnung herbei, Männer an die Leinen und an die Ruder. Du denkst an den Tod. An den Zorn des Berges und an die dunklen Worte der Priester. Tod bedeutet dienen in der Ewigkeit. Der Feuerschweif vom zornigen Berg zerschmettert zuerst dich und dann das Boot.

Durch die Augen des Raben

Sie fürchten dich. Sie verehren dich. Sie jagen dich. Sie verbannen dich. Sie haben es immer getan, sie werden es immer tun. Sie sind fasziniert vom Ende des Lebens, umso mehr, je weiter es von ihnen entfernt scheint. Es sind die Jungen, die das Leben in sich tragen, die furchtlos vom Tod sprechen und doch nicht begreifen, dass es ebenso ein Geschenk ist zu leben wie zu sterben. Es sind die Alten, die ihm nahe sind, die ihn fürchten, weil die Ungewissheit sie plagt und lange Jahre des Lebens sie geprägt haben, denen es unverständlich ist, wie die Jungen das Leben so wenig schätzen, aber dem Sterben so viel Wert geben können. Es sind die Kranken, denen das Leben zur Qual wird, die Hoffnung finden im Tod, doch nicht aus Glauben, sondern aus Notwendigkeit, aus dem Antrieb weiterzuleben, auch wenn es sterben bedeutet. Du hast den Tod geschaut, so wie er ist, so viel und so wenig er wahrlich ist. Er ist die letzte Antwort auf das Leben und seine eigene Frage. Er ist nicht das Ende eines Spiels, sondern ein weiteres Spielfeld. Er ist nichts was dir Angst macht, aber auch nichts was dir Hoffnung bringt. Er ist das, was du verstehst. Daher fürchten sie dich. Daher verehren sie dich. Daher jagen sie dich. Daher verbannen sie dich. Du siehst den Tod und du siehst die Flammen. Du siehst das Sterben der Jungen und der Alten, der Kranken und Gesunden, du siehst das Sterben von Tausenden und die Asche, die ihr Leichentuch ist. Du siehst das Meer und Feuer. Du siehst es und lässt es gehen. Es betrifft dich nicht, denn du sprichst vom Tod. Und er ist dein Schicksal, so wie er eines jedes Menschen Schicksal ist. Sie fürchten dich, weil du den Tod kennst. Sie verehren dich, weil du siehst, was kommen wird. Sie jagen dich, weil deine Wahrheit die Endlichkeit ist. Sie verbannen dich, weil sie dich nicht töten können. Du bist der Teiler der Wahrheit. Du teilst die Wahrheit. Mit anderen und in sich selbst. Du teilst die Wahrheit über Feuer und Tod.
von Sumaro
26.05.2016 19:05
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

So, hier ein gewünschter Charakterhintergrund zu einem Angroscho, der eine besondere Rolle im Rahmen der G7 spielen soll und dessen Geschichte hier in Form einer xorloscher Stele festgehalten werden sollte. Ich hoffe, es hat den Flair der aventurischen Zwerge gut getroffen. :)

Die Stelen von Xorlosch – Geschichten der Ewigkeit

Schwielige Finger streichen andächtig über die Furchen und Kerben, die von kundiger und geschickter Hand in die Oberfläche des schwarzen Basalt getrieben wurden. Rötliches Licht, stetig und warm, erhellt kaum die rauchige Schwärze der tiefsten Halle. Glutschalen, gefüllt mit kostbarerer Kohle aus den Tiefen der Erde, glimmen beständig und andauernd. Eine flirrende, klare Hitze tanzt über den Becken, die an den Wänden entlang in den Felsen getrieben wurden. Nichts hier, im Herzen des Berges, ist nicht aus den Gaben des Allväterchens Angrosch, Erz und Feuer, erschaffen worden.

Die halbblinden Augen brauchen nicht das Licht der kunstfertig gehämmerten Laterne, in der die ewige Flamme des Schöpfers brennt, um die uralten Runen und Symbole zu deuten. Jede Kante, jede Scharte, jede Tiefe und jede Senkung im beständigen Felsen hat eine Bedeutung. Angram, die Runenschrift der Vorväter, ist von solch komplexer Beschaffenheit, dass ein ungewohntes Auge nicht einmal seine Bedeutung wahrlich zu verstehen vermag, wenn es auch die Formen der Zeichen zu erkennen glaubt. Nur die ältesten Väterchen, jene, deren Bärte weiß und grau, deren Augen trüb s von den Jahrhunderten des Halbdunkel und deren Stimmen in der rauchigen Luft der tiefsten Hallen verstummt sind, können sie vollständig meistern, ohne dem Wahnsinn nachzugeben, der in den Runen schlummert.

Denn wo die Tiefe und der Wurf der Schatten eines Symbols seine Bedeutung verzerren und umdeuten, dort wandern die Gedanken auf gefährlichen Pfaden. Hier unten, im Herzen des Berges, nahe an den ersten Kammern der Urväter, bewahren die Angroschim ein Vermächtnis, kostbarer als Toschkrilstahl und Adamant, ja selbst wertvoller als das niemals matte Mythril. Auf Stelen aus ewigem Basalt, unerschütterlich für die Jahrtausende, unberührt von den Elementen, die nicht Gabe des Göttervaters sind, bewahren sie die Geschichte der Kinder Angroschs.

Seinen Namen hat seit zwei Generationen kein Angroscho mehr gesprochen, aus den Chroniken der Häuser ist er gestrichen, aus den Tafeln der Ahnen hat man ihn herausgeschlagen, doch hier unten, in der Dunkelheit der tiefen Halle, ist er eingekerbt. Ein Hüter der Schriften, ein Bewahrer der Lehre, ein Wächter der Geschichte. Seine Pflicht wiegt so schwer wie der Berg auf den Schultern der hohen Kuppel und ist eine Ehre, die keine vergleichbare kennt. Vertraut ist ihm jeder Schriftzug, jede Rune, in ihrer absoluten Gestalt, jede Wahrheit aus zehntausend Wintern, die kaum ein Wesen selbst erblickt hat. Weisheit liegt eingegraben in den zerklüfteten Zügen des uralten Angroscho, dessen Wort selbst das eines Bergkönigs überwältigen kann, wenn es laut und deutlich gesprochen würde. An manchen Tagen ist er Berater, an anderen Archivar, doch heute ist er das, was die größte Ehre und die größte Last in sich birgt: Schreiber.

Dumpf hallen seine Schritte im Herzen des Berges wieder. Niemals herrscht Stille in der Tiefe, denn der Berg, Bollwerk und Schutz, Heimat und Erbrecht, schweigt niemals. Er knackt und knirscht, wenn sich die Zahnräder des Allvaters im Inneren der Welt rühren, er seufzt und knarzt, wenn die Stürme wütender Riesen und Gigantenkinder über ihn hinwegfegen, er ächzt und raunt, wenn die Feuer aus der Tiefe aufbrausen oder der Atem eines Drachen, die Hitze aus dem Himmel bringt. In jene Laute des Berges fügt sich das Hämmern von feinstem Silberstahl auf dunklen Basalt. Andächtig und feierlich, setzt das Väterchen eine neue Rune in die Stele, nahe dem Eingang, eine junge Geschichte, die bewahrt werden will. Schwielig und rau, gebräunt und stets vom Ruß und Staub gezeichnet, zeigen seine Hände doch kein zittern, als er sein Werk beginnt. Angrosch ist mit ihm und eine jede Wahrheit beginnt mit einem Namen. In Angram-Runen, auf den tiefen Stelen für die Ewigkeit bewahrt, schreibt er ihn nieder: Durin, Khazârxolgortosch - Glutherz - Sohn von Balim.


Es war der fünfundzwanzigste Morgen im Feuermond des Jahres 3999 nach dem Tag des Zorns, als Durin, Sohn des Balim, Sohn des Thurosch, aus der Sippe des Gurthar, aus dem Volke der Groschamortarim, Bruder des Kurtax und Spross der Silberhallen, geboren wurde. Zorngeboren, wie die Weisen und Mystiker erkennen, denn die Zahlen sprechen wahr und wo Feuer und drei mal drei und drei mal drei mal drei zusammentreffen, da ist der Zorn des Schöpfervaters greifbar und nah. Den Omen zum Trotz waren seine Jahre der Kindheit, vom Werden aus dem Erz und Flammen seiner Eltern bis zur Taufe in den Feuern Angroschs, eine Zeit des Lernens und des Werkens. Denn in den Silberhallen rechnete man nicht nach dem Tage des Zorns und so verkannten Vater, Brudervater und Vatersvater das Schicksal, welches bereits in Stein gemeißelt war, lange bevor der Zorngeborene die Welt betrat. So kam es, dass man für Durin, Sohn des Balim, Sohn des Thurosch nach einem Weg suchte, auf dem er sein Leben würde beschreiten können. In den Hallen von Silber unterwiesen ihn Oheim und Brudervater in der Lehre von Esse und Stahl, doch dies war nicht der Weg des Durin. Sie trugen ihm das Wissen um Stollen und Stein an, doch dies war nicht der Weg des Durin. Sie lehrten ihn von Hebel und Kraft, doch dies war nicht der Weg des Durin.

Winter zogen über den Berg hinweg, Schmelzen von Schnee und Stürme des Himmels, und Durin Sohn des Balim suchte nach seinem Weg. So kam der Brudervater, der ehrwürdiges Väterchen vor Angrosch war, zu ihm und blickte mit ihm in die Flammen, die ewig brennen unter dem Berg und im Herzen der Welt. Er erkannte die Wahrheit in den Zahlen der Geburt, sah die Bestimmung in dem Omen des Zorns und ahnte den Willen des Schöpfervaters, der diesen Angroscho in seine Dienste stellen wollte. Noch aber war auch der Weg eines ehrwürdigen Väterchens nicht Durins Weg, denn seine Lebensflamme war getrübt von der Kälte des Wassers, welches ihn fortgerissen hatte, in Tagen der Jugend, dort wo der Strom reißend unter dem Berg war.

Nun hat ein jeder Angroscho seinen Platz im Plan des Allvaters und seine Hand leitete den Brudervater, der ehrwürdiges Väterchen war, zur Erkenntnis, dass wenn die Zeit nicht bereit war, den Weg des Weltenbaumeisters zu gehen, so doch eine andere Lehre gelernt werden musste. Auf sein Wort hin brachte der Vater Durin eine Axt aus gutem Stahl und einen Schild gestärkt mit Eisen und ließ ihn in die Stollen ziehen, wo Wühlschrat und Gruftassel nisteten. Wie es Angrosch gefügt hat, ist keine Seele eines Angroschim einsam, denn gemeinsam werden sie geschaffen aus Erz und Feuer und gemeinsam ist ihr Schicksal, in Feuer und Erz. Dem Zorngeborenen folgte sein Bruder, in der Hand den Streitkolben des Brudervaters und die Laterne des Väterchens, ihnen Licht zu spenden in dunkler Tiefe. Gemeinsam zogen sie in die Finsternis und so fanden sie ihre Bestimmung im Plan des Weltenbaumeisters, denn keine Kreatur der Stollen erlebte den nächsten Wechsel der Wacht, um die Silberhallen zu plagen. Das Väterchen aber sah mehr in den beiden Angroschim, die zurückkehrten aus dem Kampf. Er hatte in die heilige Esse geblickt und nun sah er, was die Lebensflamme Durins erneut entfachen würde. Denn der Allvater hatte ihm gezeigt, dass eines Tages, die Last großer Verantwortung auf diesen Schultern ruhen würde. So nahm er selbst die Tafeln aus Marmorstein und setzte Hammer und Meißel an, um in Blei gesiegelt, den heiligen Hallen von Xorlosch und der größten Schule des angroschgefälligen Kampfes, die beiden Brüder anzuempfehlen.

Die Feuertaufe, heilig seit den Tagen der Vorväter, wurde gehalten in den Silberhallen und Durin, Sohn des Balim, Sohn des Thurosch aus der Sippe des Gurthar, aus dem Volke der Groschamortarim, Spross der Hallen von Silber, ging als Mann, gekleidet in Stahl aus der Esse des Brudervaters und mit der Klinge aus der Hand des Vaters und mit einer Bruderseele, geschenkt vom Allvater in seiner Weisheit, zu den heiligsten Hallen von Xorlosch. In der Schule des Kampfes wider den Drachen und all seine Flüche, verbrachte er eisige Winter und brütende Sommer und während die Jahre über dem Berg verstrichen, reiften die Brüder unter dem Berge zu Kriegern heran, wie es in den Flammen der heilige Esse gesehen ward. Sie zogen aus, ihre Stärke zu beweisen, ihre Kraft zu prüfen, wie es der Wille des Schöpfervaters ist. Gegen drachisches Gezücht bewehrten sie sich im Kampf, erschlugen gemeinsam und untrennbar verbunden Baumdrachen und Tatzelwurm, Kreaturen von niederer Verdorbenheit, aber eine Plage für die aufrechten Angroschim. Wie sie den Kampf zu ihren Feinden trugen, loderte die Lebensflamme des Zorngeborenen neu auf, leuchtete bald wieder so hell wie zu Tagen seiner Geburt und ließ die Kälte des Wassers hinter sich, welches dem Angroscho fremd war und immer bleiben wird.

Seit den Tagen der Altvorderen sucht der goldene Drache das Werk des Allvaters zu verderben. Sein Fluch liegt, selbst wenn seine Gestalt zerschmettert wurde, noch immer in der Welt und jedes helle Licht, jede Lebensflamme, die besonders zum Wohlgefallen des Weltenbaumeisters geschürt wurde, lenkt unweigerlich den Hass des Drachen auf sich. Manches Mal sind seine Flüche grausam und vernichtend, andere Male sind sie leise und siechend. Und auch auf dem Zorngeborenen lag ein Fluch, der sich nicht durch alle Taten, nicht durch brennendes Feuer, nicht durch Schwüre und Eide, nicht durch Handwerk und Erdkraft, ja nicht einmal durch den Segen des Schöpfervaters bannen ließ. Denn so perfide war die Drachenkraft, dass sie Angroschs eigenes Geschenk an seine Kinder dem Zorngeborenen zum Verderben machte. Während er wuchs, an Feuer und Erz, seine Klinge tauchte in das Blut des drachischen und entflammte, um zu werden, was ihm zorngeboren bestimmt war zu werden, wucherte in seinem Herzen, nahe dem Sinn der Familie, verbotene Lust. Einem Angroscho von vieren ist es bestimmt eine Angroschna zu finden, denn sie sind der kostbarste Schatz unter dem Berge, wertvoller als Gold und Silber, um ihre Aufmerksamkeit zu ringen, ist das Lebenswerk eines Angroscho, denn nur so wird er Vater und Vatersvater. Und Väterchen zu sein, ist eine Ehre.

Die Familie des Thurosch war gesegnet von Angrosch, mit dem Zorngeborenen und einer Tochter, die Dagna, Tochter der Ragna und Schwester des Durin war. Solch Segen für die Familie weckte den Fluch des Drachen und sein Fluch war grausam und herzlos, verboten und verdorben. Denn dort wo das Werben von Angroscho und Angroschna ein Streben im Plan des Baumeisters der Welt ist, dort ist solches Werben zwischen Bruder und Schwester ein Makel, der Heim und Familie, Verbund und Stärke, schwächt. Wie er machtvoller wurde, der Zorngeborene Durin, Sohn des Balim und seine Lebensflamme heller leuchtete, da wurde auch der Schatten des Drachen tiefer, nahe bei seinem Herzen, und ein verbotenes Begehren, ein Werben im Stillen, um die Liebe seiner Schwester, nahm Platz ein, wo Sitte und Brüderlichkeit sein sollten. Und weil die Dunkelheit des Drachen verführerisch ist, und der güldene Drache eine Bestie von Grausamkeit, pflanzte sein Fluch auch eben jene Begierde, die nicht Gold noch Geschmeide stillen können, in das Herz der Ragna-Tochter. Es war dort, was nicht sein durfte, noch verborgen vor den Augen der Sippe und des Clans, aber nicht verborgen in ihren Blicken, die sich heimlich trafen, wann immer der Zorngeborene heimkehrte, von einer Tat zu berichten, von einem drachischen Getier, dessen Ende er gewesen war oder einem Schwarzpelz, dessen Schädel er gespalten hatte.

In Xorlosch, der ersten und letzten der großen Bingen, machte sich der Zorngeborene einen Namen unter den Streitern der Angroschim. Und auch wenn er jung war und es ihm an Erfahrung mangelte, so sah doch nun das ehrwürdige Väterchen jene Flammen in ihm züngeln, die bereits der Brudervater, der ehrwürdiges Väterchen der Silberhallen war, dereinst in Marmor geschlagen hatte. Die Zeit dem Schöpfervater zu dienen rückte näher, doch es war Artox „Zweiklinge“, Sohn des Arborax, Meister eines alten Clans, der sich aus jenen rekrutierte, die Zorngeboren waren, der in Durin, Sohn des Balim die Flamme erkannte, die es brauchte, um selbst den dunkelsten und hellsten Stahl zu schmieden. Nicht in der Esse, sondern in den Feuern des Krieges, der kommen würde. Hüter des Zorns, Bewahrer alter Erinnerungen, Erkenner des Makels, Feuerbringer und Wutträger, sie dienen dem Schöpfervater auf ihre eigene Weise und sind sein Arm, der nicht den Hammer über der Esse, sondern die Axt über dem Feinde schwingt. Ein Clan der Mahnung an alle Angroschim ist, nicht zu vergessen den Tag des Zorns und nicht zu vergessen, welches Leid und welche Kraft in der Wut eines Angroscho liegen mag. Er erkannte Makel und Gabe in dem Zorngeborenen und berief sich auf das alte Recht, welches nur den Hütern des Zorns gegeben wurde, alle Bande, alle Schwüre, alle Eide, gleich ob Familie oder Sippe, ob Königstreue oder Waffenbruder, selbst zu tragen. So wurde der Zorngeborene, der Erstgeborene, der Fluchbeladene, Durin, Sohn des Balim, Sohn des Thurosch, aus der Sippe des Gurthar, aus dem Volke der Groschamortarim, Bruder des Kurtax und Spross der Silberhallen, Hüter des Zorns.

In den Lehren eines ehrwürdigen Väterchens wurde er unterwiesen, im Umgang mit Axt und Stahl wurde er geschult und das Wissen um Drachenkraft und Hüterzorn wurde ihm gelehrt, denn dies war nun der Weg des Durin. Aus den Rüstkammern von Xorlosch, gefüllt mit den Meisterwerken der Altvorderen, gab man ihm Waffen aus Toschkril und Kette aus dem gleichen Silberstahl. Nicht zum Geschenk, zur Bürde und Verantwortung waren sie gemacht und zum Kampf unter dem freien Himmel, der mehr Schrecken birgt, als alle Tiefe der Stollen. Denn einem Hüter des Zorns ist es nicht gegeben zu verweilen in den Hallen der Heimat oder den Stollen der Sippe. Es ist ihm angetragen den Zorn, der in ihm ist von Geburt an und der Angroschs Feuer in seiner wildesten Kraft wiedergibt, in die Welt zu bringen, dorthin wo Himmelslicht und Drachenfluch warten.

Durin, Sohn des Balim, Träger des Drachenfluchs und Hüter des Zorns, kam in die Welt außerhalb des Berges in einer Zeit, da sich alle Flüche eines Zeitalters sammelten. Denn der Baumeister der Welt hat es gefügt, dass einmal in hundert Generationen von Angroschim, sein Plan selbst von all den fluchbeladenen Makeln gereinigt werden soll. Das Wirken des goldenen Drachen vermag er nicht auszumerzen, denn zu tief hat sich das gleißende Feuer in den Leib des Weltenapparats gefressen und niemals, bis er zerschlagen und neu gebaut wird, kann man dieses Glosen löschen. Doch einmal, alle hundert Generationen, kommt eine Zeit, die Heldenzeit heißt und bevor sie eingeläutet wird, sammeln sich die dunkelsten Zauber und die größte Drachenkraft und geben Wesenheiten und Gezücht Gestalt, welches vorher nicht war und nicht sein durfte. In diese Zeit wurde der Sohn des Balim und seine Bruderseele geboren und der schwarze Borbarad, der Meister des grausamen und von drachischer Macht zerfressenem Zulipan, der sein Ende fand, sollte der erste und größte aller Makel der Weltenschöpfung werden, der in den Flammen des Zorns brennen musste, bevor das Heldenzeitalter der goldenen Zeit weichen kann.

Von dieser Last wusste Durin, Sohn des Balim nichts, als er auszog. Die ehrwürdigen Väterchen entlang seines Weges hatten es im Plan des Schöpfervaters erahnt, doch die Wahrheit, die schwer und dunkel ist, die mit Fluch und Segen vereint wird, die Schwüre und Eide auf sich bringt, kannte niemand unter dem Berg und niemand darüber. So beginnt die Geschichte, die Wahrheit über Durin Khazârxolgortosch, die niedergeschrieben wird in den ewigen Stelen und die künden soll von seinem Aufstieg und seinem Fall, seinem Fluch und seinem Segen, seiner treuen Seele und seinem lodernden Zorn, seinem Anfang und seinem Ende...


Schwielige Finger streichen andächtig über die frischen Kerben im dunklen Basalt. Noch so viel mehr Runen und Zeichen warten darauf in die Stele getrieben zu werden und das ehrwürdige Väterchen, das keinen Namen mehr hat, seit den Tagen des Rufes in diese Hallen, wird sie alle niederschreiben. Mit halbblinden Augen, die nur mehr Schatten und Licht, aber nicht mehr Form oder Gestalt wahrnehmen, blickt er auf das Dunkel des Basalts und setzt dann Hammer und Meißel erneut an, zu vollenden, was geschrieben werden will, das Schicksal eines Angroscho, vom Anfang zum Ende...
von Sumaro
14.05.2016 21:32
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

So, hier zwei weitere Arbeiten, die ich jetzt veröffentlichen kann, nachdem die Szenen in der jeweiligen Runde abgehandelt wurden. Die erste ist eine Beschreibung der Erweckung des Humusdrachen (Erben des Zorns) unter gewissen, für die Gruppe spezifische Umstände. Das zweite Werk sind die Verse für den wandernden Armbruster von morgoth, der damit sein Setzschild und seine Spruchbänder beschriften kann (der gute Mann kommt aus dem horasischen Silbertal, daher die regionalen Bezüge auf Heilige und Gebräuche). :)

Die Erweckung des Erben des Zorns – Geburtsstunde des Humusdrachen

Vor der Stadt

Erdige Schwere liegt in der schwül-feuchten Luft. Jeder Atemzug ist gesättigt vom Geschmack nach Moosen und Schlamm. In schmieriger Dichte legen sich Wolken von Blütenstaub und Sporen auf Haut und Kleidung, machen das Luftholen schwer und reizen die Kehle. Die drückende Hitze der Sümpfe zehrt an den Kräften, treibt den Schweiß aus den Poren. Schwärme von Stechmücken und Moskitos tanzen in schillernden Formationen über trüben Wasserlöchern, der schlammige, schwarzbraune Untergrund scheint vor wimmelnder Bewegung zu vibrieren, so als würden hunderte von Würmern im Erdreich wühlen. Der Blick in den Himmel offenbart, dass nicht nur die Erde von einer seltsamen Kraft durchdrungen wird. Der Zug der Wolken hat sich in einer kreiselnden Spirale irgendwo vor euch verdichtet und die aufsteigenden Schwaden aus Nebeldunst ziehen in diesen Strudel hinauf.

Eine knisternde Woge, in der Luft nicht mehr als ein Hitzeflimmern, aber auf der Haut derjenigen mit arkaner Begabung wie ein brennendes Kribbeln, fegt über euch hinweg. Die glänzenden Schwärme von Käfern und surrenden Mücken führen einen unbändigen Tanz auf, in dem keinerlei Muster zu liegen scheint, zucken jedoch wie pulsierende Herzen zusammen, als die Magie sie durchdringt. Über den grünen Blätterdächern der Mangrovenbäume kommen die Spitzen gräulicher Bauten in den Blick, echsische Pyramiden, die Dutzende Schritte in die Höhe ragen und den äußeren Rand der Siedlung des ewigen Volkes markieren. Noch einmal müssen die brennenden Muskeln bemüht werden, denn was auch immer geschieht, das Beben der astralen Kräfte ist sicherlich nicht der Auftakt, sondern viel mehr der Höhepunkt eines so machtvollen Zaubers, dass dieser sogar hier noch zu spüren ist...

In der Stadt

Zikkurate säumen den eingefassten Platz, dessen Mitte von einem gewaltigen Hexagramm gezeichnet ist. Fast hundert Schritt muss allein das Zeichen im Durchmesser groß sein, doch noch viel weitläufiger ist der Hof zwischen den pyramidenhaften Tempelbauten des echsischen Volkes, an dessen Rand ihr nun steht. Obwohl der Sumpf hinter euch zurückgeblieben ist, ist die Luft voller glitzernder Sporen und Pollen, die selbst im diffusen Halblicht des diesig zugezogenen Himmels noch einen fast goldenen Glanz bewahren. Direkt über euch dreht sich der Wirbel aus Wolken, ohne dass man hier unten irgendeinen Wind spüren würde.
Mehr als zwei Dutzend Gestalten sind in der Mitte des Platzes versammelt, durchwegs Achaz, gekleidet mit goldenem Kopfschmuck und funkelnden, juwelenbesetzten Zierden. Sie stehen verteilt, scheinbar in Unordnung, entlang der Linien des Hexagramms, Hände und Klauen in den Himmel gereckt oder zur Erde deutend. Andere Diener, ohne prächtigen Schmuck, aber eilfertig und flink, tragen Sorge, dass die aufragende Berge von bunten Früchten, lebendigem Grünfarn, schwarzbraunem Erdreich und trüb schimmernden Halbedelsteinen nicht in sich zusammenbrechen, wann immer der Boden erbebt.

In der Mitte erhellt grünliches Licht die Konturen einer Gestalt, deren Haut weder vom schmutzigen braungrün der Dienerechsen ist, noch von dem schillernden Smaragd der machtvollen Zauberpriester, sondern blutrot und nachtschwarz miteinander vereint. Glyphenhafte Symbole scheinen sich in dem Muster der Farben zu finden, während die knochigen Höcker, die aus dem kahlen Schädel brechen, der Gestalt etwas beinahe dämonisches verleihen. Für einen Moment ist es fast so als würde der flammend rote Blick dem der hellsichtigen Elfenaugen begegnen, dann aber verfliegt der Augenblick, als eine neue Woge von Macht entfesselt wird. Es gibt keine rituellen Gesänge, keine zeremoniellen Hymen, keinen Rhythmus den hastiger Trommelschlag vorgibt. Die einzigen Laute sind ein brummendes Surren und ein Klang, der, wie ein klagender Ton vibrierend, immer weiter anschwillt, bis er sich in der Höhe zu verlieren scheint. Fünffingrige Klauen beschreiben in perfekter Harmonie Gesten der Macht, Edelsteine glänzen in den fremdartigen Händen wie Sterne am Firmament, von einem inneren Leuchten erfüllt.

Im Zentrum des Rituals schreitet die schwarz-rote Gestalt raumgreifende Schritte, breitet die Arme in einer Geste aus, die majestätisch und ehrfurchtgebietend, hoheitliche Macht deklariert, während das grüne Leuchten zu sich zu einem pulsierenden Blitzen ausweitet. Der helle Laut kehrt zurück aus der Höhe des Unhörbaren. Erst beinahe schrill, aber unglaublich klar, dann immer dunkler werdend, mit jedem vergehenden Herzschlag an dröhnender Gewalt gewinnend. Er bebt in eurer Brust, wie ein hämmernder Druck, der euch den Atem raubt und euren Herzen einen neuen Rhythmus aufzwingen will, dehnt er sich mit jeder neuen hitzigen Woge von Magie aus. Kristalle verglühen, berührt von violett-schillerndem Elmsfeuer, in den Krallen die sie halten. Zauberpriester biegen sich im Ansturm astraler Gewalt, als die Mächte die sie beschwören, von oben herabsinken und sich aus der Tiefe erheben.

Der Blütenstaub, der jeden Atemzug zur reizvollen Qual machte, beginnt sich drehend zu verwirbeln, ohne das auch nur ein Lufthauch sich rühren würde. Goldene Schlieren umwehen das Hexagramm in einer perfekten Spirale, den Zug der Wolken imitierend, während die Schwaden von Sporen hinauf streben. Der Boden erbebt, als sich in der Mitte des Hexagramms das Erdreich aufwirft und eine Säule aus wimmelndem Humus in die Höhe wächst. Wie ein pulsierender Stern leuchtet darauf ein Kristall, so perfekt geschliffen, dass man beinahe glauben will, es sei ein makelloses Ei, größer als das eines jeden bekannten Drachens. Dies ist das Zentrum des grünlichen Lichts, des pulsierenden Blitzens, des surrenden und jetzt dröhnenden Lautes, der alle anderen Geräusche auslöscht.

Risse ziehen sich über die Oberfläche aus Edelstein, smaragdenes Gleißen bricht daraus hervor, während es den Nebel aus Pollen und Blütenstaub zu sich zieht, als würde es ihn verschlingen. Es sind Augenblicke, in denen aus feinen Bruchstellen klaffende Schnitte im makellosen Schein des Kristalls werden. Jedes Aufbrechen begleitet von einer Welle aus Macht, die zugleich wie der Zug einer Meereswoge, die zurück ins Meer flieht, alles was lebt zu sich hinzieht. Ihr spürt wie es an euch zu zerren beginnt, spürt wie es nicht nach Blut, sondern nach Leben verlangt, nach dem Geschenk, welches dem Element entsprungen ist, das Wachstum und Vielfalt verspricht wie kein anderes.

Im Herzen des elementaren Sturmes, gebietet der Mann, der nicht Mensch und nicht Echse ist, mit gespreizten Fingern, der Magie seinem Willen zu folgen. Man muss nicht von Madas Gabe berührt worden sein, um es zu erkennen, denn es spiegelt sich in den Wolken aus Blütenstaub, die sichtbar machen, was im astralen sonst unsichtbar geschehen würde. Kraftspeicher, die über Jahrhunderte bewahrt wurden, erfüllen ihren Zweck, als sie, Sternschnuppen gleich, aufgleißen und ausbrennen, sich der Magie einfügen, die es braucht, um das Sechstel einer schier göttlichen Macht zu erwecken.

Es sind nur Momente, nur Herzschläge, doch sie dehnen sich zu Ewigkeiten, denn anders vermag ein sterblicher Geist nicht zu begreifen, wessen er ansichtig wird. Das Ei zerspringt, ein Licht, golden und grün begleitet den Geburtsschrei einer Entität, die voller Zorn ihren Weg in die Welt kämpft. Wuchernd beginnt es zu wachsen, sich auszudehnen, den Platz zu erfüllen, der viel zu eng scheint für eine solche Präsenz. Ranken brechen hervor, Blattwerk und Dornen, Blüten und Wurzeln, graben sich in die aufgetürmten Berge von Opfergaben, während das Wesen Gestalt annimmt. Klauen bohren sich in den Boden, bersten den Stein durch ihr schieres Gewicht und die passive Kraft. Schwingen, groß wie die Segel eines stolzen Dreimasters zusammengenäht, werfen ihren Schatten über den das Hexagramm. Der gewaltige Leib, der noch im pulsierenden Wachstum begriffen ist, spottet bereits jetzt jedem Vergleich und ließe selbst ausgewachsene Drachen daneben wie puppenhafte Gestalten wirken.

Der entfesselte Humus, der Erbe des Zorns, der Sohn des Pyrdacor, die Kreatur aus dem Willen und der Macht des Wächters der Elemente geschaffen, schwenkt seinen riesigen Kopf, grünliches Leuchten in den Augenhöhlen, die von lebendigen Ranken eingefasst und von wachsendem Holz geschaffen sind.

Jeder eurer Sinne schreit gequält auf, unter der Last der Eindrücke. Kein Auge vermag den Leib des Drachenartigen zu beschreiben, der in steter Veränderung, wuchert und wächst. Kein Ohr vermag die Klänge zu trennen, die aus steinernem Bersten, lebhaften Summen, tosenden Rascheln und hungrigem Grollen hervordringen. Keine Nase vermag Duft und Gestank zu teilen, wo süßer Nektar, gärende Fäulnis, verwesendes Fleisch und brünstiger Moschus sich mischen. Keine Zunge vermag den Geschmack zu erkennen, der in erdiger Schwere, klebriger Süße, blutiger Wärme und fruchtiger Säure verborgen liegt.

Kein Maß kennt das wuchernde Leben, keinen Halt und keine Grenze. Die Kreatur wächst weiter, schon ihre Bewegungen lassen den Boden erbeben. Der peitschende Schwanz fegt mit der Gewalt eines stürzenden Urwaldriesen über den steinernen Platz, zerschmettert Ritualhelfer und Opfergaben. Ranken erfassen einen der Diener-Achaz, zerren seinen widerstrebenden Leib zum monströsen Drachen und überwuchern ihn. Die Linien des Hexagramms werden von berstenden Rissen durchzogen, als sich das kolossale Wesen aufbäumt und wieder zurück auf die steinernen Platten stampft. Surrende Schwärme ziehen über euch hinweg, dem hungrigen Ruf einer verschlingenden Entität des Lebens folgend. Kriechgetier krabbelt zwischen den geborstenen Steinplatten hervor, strebt dem massigen Leib entgegen, in dem ungezielten Bestreben Teil zu werden von der neu geborenen, uralten Kreatur. Sie wird verschlingen, die Stadt, die Sümpfe, vielleicht die Welt, wenn ihrem Zorn keine Fesseln angelegt werden.

Zwischen den säulenhaften Beinen des Erben des Zorns steht der Meister des Rituales, in seinen Händen Kristallscherben von smaragdenem Glanz. Über das Dröhnen des entfesselten Humus erklingt seine Stimme, doch nicht in euren Ohren, sondern in euren Gedanken. Sie spricht keine Sprache, die eure Kehle formen könnte, doch es sind Worte der Macht, Bilder voller Gewalt und Dominanz, ein Wille, alt wie Äonen, der sich ausdehnt und den gesamten Platz füllt. Der gewaltige Drache schwenkt sein Haupt, das Maul voller Fänge, die lang sind wie ein ganzer Mann. Grün und leuchtend starrt er auf die winzige Gestalt zu seinen Füßen, in deren Händen die gesplitterten Reste des kristallenen Eis gleißen.

Druck schwillt an, so als würde sich die Luft auf dem Platz verdichten, als der Wille eines uralten Wesens, mit dem grenzenlosen Wuchern des befreiten Humus ringt. Eure Augen schmerzen, eure Ohren dröhnen, eure Muskeln drohen zu verkrampfen unter dem Ansturm der kollidierenden Mächte. Als die Spannung beginnt knisternd die Gefüge der Realität zu brechen, bohrt sich ein scharfer, brennender Schmerz in euren Geist. Flammende Entschlossenheit schmilzt sich in euren Verstand, als die rot-schwarze Gestalt ihr Bewusstsein mit einem Aufschrei purer Willenskraft in die Masse aus brodelndem Leben bohrt. Der Drache brüllt und der Schlag seiner Schwingen entfesselt den Sturm, der euch von den Beinen weht, der Zauberpriester und Dienerechsen hinfort fegt. Der Druck zerbirst mit einem Schlag, heilende Humusmacht flutet ungezielt über den Platz, als der Erbe des Zorns das Haupt senkt, vor seinem neuen Herren.

----------------------------------------------------------

Schildverse:

Gediegen und standhaft,
im Herzen voll der Ehr',
weicht niemals dem Feinde,
die Silbertaler Wehr.

Mit der Götter Segen
auf steilsten Wegen,
dem Feind entgegen,
mit Schild und Degen.

Sankt Agreppo zu Ehren,
Sankt Palladio im Herz,
Urbasi's Ruhm zu mehren,
schreckt uns weder Leid noch Schmerz.

Der Silbertaler Wehr,
die stolz und stark und frei,
steh'n zur unserer Ehr,
die guten Götter bei.

Sankt Horas erschloss das weite Land,
Sankt Palladio hielt dem Feinde stand,
Sankt Agreppo brachte Handwerkskunst,
Silbertals Heilige schenkt eure Gunst.

Wachsam in den dunklen Stunden,
furchtlos vor dem Feindesbann,
herzlich in des Freundes Runden,
ist der Silberwachter Mann.

Sankt Palladio gibt den Mut,
Sankt Agreppo führt uns die Hand,
Sankt Horas schenkte uns sein Blut,
treu ist die Seel' aus Sikrams Land.

Standhaft im Streite,
die Götter zur Seite,
in Stolz und in Ehr',
ist Silbertalers Wehr.

Bandverse:

Wer schmieden will, muss hämmern lernen.

Meisters Werke sind nie aus einem Guss.

Was es wert ist geschaffen zu werden, fertigen Hände.

Handwerk ist das Tor vom Traum zur Wirklichkeit.

Eine Silberzunge braucht, wessen Taten nicht sprechen.

Bist du stur wie ein Esel, sei ebenso fleißig.

Der Silbertaler ist in allen Reichen, seine Tugend folgt.
von Sumaro
04.05.2016 13:04
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Du hast eine PN (aber noch nicht mit einem Vers) :wink:
von Sumaro
14.04.2016 22:17
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Prinz Brin auf den Silkwiesen vor Gareth

Düstere Wolken zeichnen den Horizont, schlucken das Licht des Morgens in dichtem Grau und wälzen sich, dem auffrischenden Wind folgend, von Nordosten kommend heran. Knatternd peitschen Banner und Wimpel in der steifen Brise, die durchtränkt von der Unruhe des Heerhaufens Pferdeschnauben, Gemurmel, metallisches Scharren und hölzernes Knacken mit sich trägt. Der Geruch von regenschweren Gewitterwolken, schwitzenden Körpern, gefettetem Leder und Waffenöl vermischt sich in dem Luftzug. Die Veteranen wissen, dass sich bald der metallisch-erdige Geschmack von Blut hinzugesellen wird. Doch viele der Männer und Frauen, die hier Aufstellung bezogen haben, die in Haufen von Bannerstärke zusammen stehen und mit unsicherem Blick den gekeiften Befehlen der Hauptleute folgen, sind keine Veteranen. Es sind einfach Leute, Handwerker und Händler, Büttel und Tagelöhner, sogar Bettler und Diebe finden sich unter ihnen. Werber und Ausrufer der Armee haben sie zusammengebracht, haben in den Straßen verkündet, dass der Ork kommt und dass er nicht Halt machen wird. Nicht vor Kindern, nicht vor Alten, nicht vor Tempeln und Villen und auch nicht vor Bretterbuden und Mietskasernen.

Die Angst hat die Menschen auf die Silkwiesen gebracht, hat sie dazu getrieben Hauswehr und Knüppel, Spieß und Dolch zu packen, in der Hoffnung ihr Leben und das ihrer Lieben teuer zu verkaufen. Bitter und kalt liegt die Furcht um ihre Herzen, spiegelt sich in ihren Blicken, in dem unsteten Wanken der Banner und Wimpel, die von zitternden, nervösen Händen umklammert werden. Haffax' kalter Blick misst die Männer und Frauen, an der Seite seines Prinzen betrachtet er die Menge und in der unbewegten Miene spiegelt sich all das wieder, was die Veteranen der ersten Schlachten schon wissen. Die Orks kommen und sie haben keine Furcht. Sie kennen keine Angst, nur wilden Zorn, nur Raserei und Tod. Sie sterben mit Freuden für ihre blutigen Götzen. Sie werden wie Falken in einen Taubenschlag unter die Garether fahren, wie ein Wolf in die Herde Schafe brechen und sie auseinander treiben. Wenn das Grauen schon jetzt in ihren Gesichtern steht, dann gibt es keine Hoffnung für die Stunden, in denen sie dem Schwarzpelz begegnen werden.

Kurz legt er seine Hand auf die Schulter des Prinzen, seine Finger drücken zu, knautschen den Stoff des purpurnen Mantels, der als Zeichen der Herrschaft getragen wird. Brin von Gareth, Sohn des Kaisers und Thronfolger des raulschen Reiches, strafft sich und tritt vor. Die Priesterin der Rondra, nickt ihm zu und bittet die Sturmherrin um Beistand, ihren Segen herabrufend in einem stillen Gebet, so dass die Worte des Prinzen nicht ungehört verhallen sondern bis an das Ohr des letzten Mannes in den Reihen der Garether zu dringen vermag. Gefasst tritt er die Stufen des eilig gezimmerten Hochstandes hinauf, dessen Bretter unter dem Schritt seiner beschlagenen Stiefel knarzen. Weithin muss er zu sehen sein, jeder soll den Blick auf ihn richten können und als er Silpion, das Schwert der Kaiser, aus der Scheide zieht, begleitet von einem melodischen Klang, der hell und klar weithin über die Wiesen hallt, kehrt für einen Moment erwartungsvolle Stille ein.

„Soldaten des Reiches! Männer und Frauen Gareths! Hört Uns an! Wir sehen die Furcht in Euren Herzen. Wir sehen die Angst in euren Blicken. Und Wir sagen euch, dass euch zurecht besorgt, was dort kommt, denn der Ork ist eine Bestie und seine Kraft ist grausam und seine Wildheit erschreckend. Er kommt mit geifernden Kriegshunden! Er kommt mit menschenfressenden Ogern! Er kommt mit der Zauberei seiner dunklen Götzen! Er kommt um euer Heim zu plündern und eure Leben zu nehmen! Er kommt voller Gier und Zorn!

Wir sehen eure Furcht und Wir sagen euch: Erinnert euch wer ihr seid! Erinnert euch wo ihr steht! Erinnert euch für was ihr kämpft!

Wir sind der Thronfolger Unseres Vaters Hal! Wir sind der Erbprinz des Reiche Rauls! Wir sind Krieger und Ritter von Weiden und Albernia! Aber heute sind Wir vor allem eines: Brin von Gareth! Mit Stolz tragen Wir diesen Namen und stolz soll ein jeder von euch sein! Denn von Gareth zu sein, das hat Bedeutung!

Dies ist das Herz unseres Reiches! Dies ist der Ort seiner Geburt! Tausend Jahre lang hat Gareth Bestand! Tausend Jahre lang trotzten wir der Unbill und allen Feinden! Niemand kann Gareth brechen! Was Raul geeint hat, kann der Ork nicht niederringen! Denn jeder von euch ist Teil von Gareth und Gareth ist stark!

Wenn euch der Ork entgegenblickt, dann seht in seine grausige Fratze! Dann seht ihn an und erinnert euch, wer ihr seid! Wer wir sind! Wir sind Gareth! Wir sind das Reich! Wir können nicht gebrochen werden! Nicht von einer Hela Horas, die mit tausend Dämonen kam! Nicht von dem Zug von tausend Ogern! Nicht von wilden Schwarzpelzen!

Heute treiben wir ihn zurück! Heute zeigen wir, bis hierher und nicht weiter! Denn wir sind Garether und wir kennen keine Furcht! Wir sind die Erben Rauls! Wir sind das Herz des Reiches und das Reich kennt keine Angst! Erhebt eure Waffen, eure Klingen und Spieße! Lasst die Götter wissen, lasst den Ork wissen, dass wir standhalten! Das wir niemals weichen! Heute ist der Tag, an dem wir der Welt ein weiteres Mal beweisen, was es heißt von Gareth zu sein!

Für die Götter! Für das Reich! Für Gareth!“


Die nachtschwarze Klinge Silpions fährt in die Höhe und Donnergrollen mischt sich unter den tosenden Jubel, als Blitze zwischen den Wolken tanzen. Die ersten schweren Tropfen des Regens beginnen zu fallen, waschen die Luft rein vom Gestank der Furcht und machen Platz für etwas neues, etwas Großes. So groß wie Gareth und die vereinte Kraft aller Menschen, die es verteidigen.

Ein feines Lächeln umspielt Haffax' Lippen.
von Sumaro
07.04.2016 15:35
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Ich befürchte allerdings, dass ich mit diesen Vorgaben dann auch nichts mehr reißen könnte. :ijw:

Und Brin hat ja den Vorteil, dass er nicht gewählt werden muss. :wink:
von Sumaro
06.04.2016 18:54
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Kann ich gerne machen. Bis wann brauchst du sie?
von Sumaro
03.04.2016 11:46
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier auch der Link zu meinen G7-Texten. Sowas schreibe ich natürlich auch gerne für Leute, wenn Interesse besteht. :)

Sumaros gesammelte G7-Texte
von Sumaro
31.03.2016 01:43
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier eine Geschichte zum Hintergrund eines Charakters um die ich von "Gottkönig" gebeten wurde, dargereicht als Erzählung eines Haimamud. Ich hoffe sie gefällt. :)


Hintergrundgeschichte einer aranischen Balayanim Shilaldara saba Sybia


„Nur keine Scheu, Effendi. Kommt herbei, setzt euch auf die Kisten, heute Mittag meint es der Herr Praios gut mit uns und hier im Schatten lässt es sich weit besser ruhen. Hört zu und lauscht, denn ebenda wollte ich eine Geschichte beginnen, euch und allen hier zur Unterhaltung bestimmt, so die Worte eines alten Haimamud euch zu erfreuen vermögen. Es ist eine Geschichte, die ihren Anfang nimmt im schönen Elburum, der weißen Stadt am Meer der Perlen.

Es war der zweimal siebte Tag im Mond des listigen Feqz, im Jahre 988 nach dem Fall des stolzen Bosparan durch den mutigen Kaiser Raul. An jenem Tag erblickte ein Kind das Licht der Welt, Shilaldara, Tochter der anmutigen Sharisad Sybia saba Fadime und des gerissenen Teppichhändlers Rukeyef ibn Izmaban, die von den beiden Gaben ihrer Eltern gleichermaßen beglückt und von den Göttern mit einem strebsamen und treibenden Wesen gesegnet wurde. Das Mädchen, Zweitgeborene in den Landen Araniens, war ein Segen für die Familie, die den milden Göttinnen Rahja und Tsa, Peraine und Travia, Dank aussprachen und es waren freudige Tage im Haus der Sybia saba Fadime, die voller Stolz auf ihr Kind blickte, welches die Welt mit dunklen Augen und fröhlichem Glucksen betrachtete und so das Herz der Eltern im Sturm eroberte.

Einzig und allein ihr Bruder, der Erstgeborene und jetzt um seinen Platz betrogene Jüngling Faruk Nazir ibn Rukeyef, besah sich seine Schwester mit Argwohn und der beginnenden Eifersucht eines Burschen, der mit einem solch kleinen Wesen kaum etwas anzufangen vermochte. Denn Faruk war bereits vierzehn Götterläufe alt und damit auf dem besten Weg zum Manne. Sogar bis zur Lehre in der Klingenschule der ehrenwerte Fürstenfamilie hatte er es gebracht und wurde ausgebildet an Körper und Geist den Khunchomer zu führen und die Ehre seiner Heimat Aranien zu verteidigen. Und weil er stolz war auf diese Taten, da wusste er, dass er nun, wo seine Schwester geboren war, noch weit mehr würde tun müssen, um seinen Eltern Ehre und Freude zu bringen. Denn wisst ihr, werte Effendi, dass in Aranien das Wort einer Frau mehr Gewicht trägt, als das Wort eines Mannes, und dass die Tochter stets das Erbe erhält, nicht der Sohn, wie es anderswo in den Landen der Kinder Tulams Brauch ist.

Reichlich gesegnet war die junge Shilaldara, mit der Geschmeidigkeit ihrer Mutter und dem wachen Geist des Vaters, kaum ein Tag verging, an dem sie nicht mit Neugierde die Welt ein Stück weit mehr erkundete. Jene Tage der Jugend waren glücklich und beinahe unbeschwert, denn Wohlstand und Glück waren bei der Familie. Mit dem Ungestüm der Kindheit erkundete die Tochter des wilden Windes die Gassen ihrer Heimat. Sogar ihr Bruder, der in den Jahren der Mannbarkeit zum Wächter der fürstlichen Familie berufen wurde und gen Zorgan zog, zum Spiegelpalast, konnte sich ihrem jugendlichen Charme und Zauber nicht entziehen, wenn auch stets nicht nur die Jahre des Lebens sondern auch der Kampf um die Anerkennung ihrer Eltern zwischen ihnen standen.

Doch die Unbeschwertheit und die Leichtigkeit schwand aus dem Leben des jungen Mädchens, die vom Wunsche ihrer Mutter her Sharisad hätte werden sollen, so wie diese dereinst gewesen war. Shilaldara war gerade im siebten Jahr ihres Lebens angelangt, und wie wir alle wissen gaben die Götter nicht umsonst jener Zahl die größte Macht in der Kunst der Magie, denn schicksalhaft erweist sich oft die Sieben, in Zauberei und in Astrologie. Auch für die ungestüme Tochter der Sybia brachte das siebte Jahr ihres Lebens Wandel. Wandel im Großen wie im Kleinen und es sollte alles verändern was gewesen war und was sein sollte.

Im Jahre 995 nach dem Falle Bosparans, rief die weise Mhaharani Sybia al'Naba, Herrin Araniens, die Unabhängigkeit aus vom Reiche Rauls und trennte alle Bande zu dem fernen Gareth, wo Kaiser Hal herrschte. Es kam eine Zeit der großen Unruhe, denn das Geflüster von Krieg zog durch das Land, fürchtete man doch den Zorn der Garether und die Wut des Kaisers, der erst im zweiten Jahr der Regentschaft seines Vater nachfolgte. Wenn die Furcht in die Herzen der Menschen Einzug hält, dann verändert sie diese und so war es auch bei Shilaldaras Eltern, die mehr von der Welt verstanden als ihre kleine Tochter. Mit der Sorge um ihren Sohn auf dem Gemüt und der Liebe für ihre Heimat im Herzen blickten sie nun auf das kleine Mädchen, dessen wildes Temperament und deren geschmeidige Anmut bereits jetzt einen großen Weg vorherzusagen schien.

Was also sollten sie tun mit ihrer Tochter, die reichlich beschenkt war von den milden Göttinnen mit ihrer Geburt und in der doch auch der Segen der wilden Sturmgöttin brauste, wie sich mit immer mehr Jahren, die ins Land strichen, deutlich zeigte. Weil sie keinen Rat wussten, wandte sich schließlich Sybia saba Fadime an eine vertraute Freundin aus den alten Tagen, als sie noch tanzte und die Herzen der Männer und Frauen mit Grazie erfreute. Eine Schwester der Sterne nannte sich die weise Freundin, eine Seherin von Heute und Morgen, so hieß man sie, und Sybia war bereit ihrem hellsichtigen Blick das Schicksal ihrer Tochter anzuvertrauen. Denn allzu unsicher schien die Zukunft und allzu sorgenvoll war die Mutter, dass sie die Gaben ihres Mädchens verschwendet sehen könnte, wenn sie den falschen Weg wählte. Rukeyef ibn Izmaban jedoch wollte die Zukunft seiner kostbaren Tochter und Erbin nicht dem Blick einer Wahrsagerin anvertrauen und haderte mit der Entscheidung seiner Frau. Doch als die Jahre ins Land zogen und sich allerorten seltsame Dinge ereigneten – wer kennt nicht die Geschichte wie der zaubermächtige Sultan Hasrabal die Tochter des Kalifen durch Dschinnenmacht aus dessen Palast entführen ließ – gab er dem Wunsch seiner Frau doch nach.

Im neunten Jahr ihres Lebens, welches fast ebenso bedeutsam sein sollte wie das siebte, denn neun ist drei mal drei und damit eine sehr machtvolle Zahl, reiste Shilaldara mit ihrer Mutter gemeinsam nach Zorgan, um dort die weise Frau zu treffen, aber auch um zu sehen zu was für einem prächtigen Mann ihr Bruder gereift war. Denn mittlerweile hatte er große Erfahrung gesammelt und meisterte die Klinge des Khunchomers mit einem Talent, das man selten sah. Freudig war er über den Besuch und doch wurde eben jene Freude getrübt, als seine Mutter zu ihm sprach, dass sie hierher gekommen war, um die Zukunft seiner Schwester beraten zu lassen. Denn noch immer war dort die Saat von Eifersucht und niemals hatte seine Mutter um seinetwillen den Weg von Elburums Küste zu den Toren des Spiegelpalasts auf sich genommen, geschweige denn ihre weise Freundin um Rat gebeten, seine Zukunft zu sehen. Doch er war ein erwachsener Mann und aufgewachsen unter den Augen der weisen Mhaharani, die eine starke Frau war und ist, so war sein Groll nur kurz, wenn auch der Stich im Herzen blieb. Er schloss seine kleine Schwester in die Arme und bot an gemeinsam den Weg zur weisen Frau zu finden. Sybia saba Fadime allerdings lehnte ab, denn dies war etwas, was nur zwischen ihr und Shilaldara sein sollte und so blieb Nazir erneut ausgeschlossen, wie seit den Jahren, seit denen er Elburum verlassen hatte.

Ihre Tochter an der Hand begab sie sich zum Haus der Seherin, die in Wohlstand und Ansehen lebte, denn anders als in vielen Reichen ehrt man in Aranien auch die Zauberinnen der Hexen und bringt ihrer Weitsicht und ihrer Leidenschaft Respekt entgegen. Zu dieser Zeit aber war die Freundin und Sternentochter nicht alleine in ihrem Heim, sondern hatte Besuch einer Schwester. Sie folgte nicht dem Weg der Seherinnen, sondern war eine Schönheit aus der Nacht, mit blauschwarzem Haar und Augen so dunkel und glutvoll wie angeheizte Kohlen. Während Sybia mit ihrer Freundin sprach, besah sich die Nachtschöne das Mädchen und lächelte ihr zu, fröhlich und neckisch, beinahe grinsend, wie es Katzen tun können, wenn sie mit einem Mäuschen spielen. Sie steckte dem Mädchen sogar Lakritze zu, legte dann aber einen Finger auf die roten Lippen und beschwor sie mit verschmitztem Zwinkern zu schweigen. Es war jener Tag im neunten Jahr des Lebens der Tochter des Teppichhändlers, da sich viele Dinge entscheiden sollten.

„Die Welt wird sich ändern. Am Horizont droht der Drache und wenn er sein Haupt erhebt wird es Krieg sein, der aufzieht. Das Schwert der Rondra ist erhoben und steht in den Sternen deiner Tochter, während die Stute sich nicht abgewandt, aber auch nicht zugewandt hat. Ich lese aus den Sternen, Vertraute Freundin, dass deine Tochter einen Weg gehen wird, der sie lehrt sich zu verteidigen und zu beschützen, was ihr am Herzen anvertraut ist.“ So las es die Sternenschwester aus den Horoskopen, die teures Silber gekostet hatten und die nun ausgebreitet waren. Sybias Herz wurde schwer bei diesen Worten, denn sie hatte die Furcht gehabt, so etwas zu hören und wünschte sich nichts mehr, als dass ihre Tochter mit Leidenschaft und Freude das Leben würde bestreiten können und nicht dem Handwerk der Waffen und das Kriegs anheim fiele, wie es schon ihrem Bruder geschehen war.

Die Nachtschöne hatte geschwiegen und zugesehen, jetzt aber hob sie eine Hand in anmutiger Geste und klimpernd machte der silberne Schmuck daran einen melodischen Klang, bevor sie sich vorbeugte und vertraulich sprach: „Schwester, ich bin keine Seherin der Sterne und das Morgen ist mir verborgen wie jedem anderen auch. Aber ich vermag zu erkennen, dass hier der Wunsch des Herzens und der Wunsch der Sterne sich vereinen lassen, wenn man nur das rechte Maß findet.“
Da horchte die Mutter auf, die den weiten Weg gekommen war, um die Zukunft ihrer Tochter zu sehen und blickte die schöne Frau an, die Frage in den Augen und auf der Zunge: „Aber wie soll dies gelingen, Freundin meiner Vertrauten? Ehrenvoll ist Barburin, die Schule hat Rondras Segen und doch will ich ihr meine Tochter nicht geben. Der Heimat treu sind die Wachen des Spiegelpalastes, doch schon meinen Sohn haben sie bekommen und zwei meiner Kinder ist selbst für die Mhaharani zu viel des Tributs! Was also wäre der Weg?“

Da lächelte die Schöne der Nacht in katzenhafter Weise und legte den Kopf zur Seite, so dass ihr Haar in nachtschwarzer Flut über die gebräunte Schulter fiel. „Wahr sprichst du und doch gibt es einen Weg. Denn den Weg der Rondra und der Rahja zu lehren gibt es eine, die es vermag und die ich Freundin nenne. Ishannah al'Kira ist ihr Name und sie tanzt mit dem Säbel und dem Fächer den Tanz des Flammenreihers. Ihr Name mag noch nicht allen bekannt sein, doch sie ist eine Meisterin in Elburum und du könntest deine Tochter nah der Heimat haben und zugleich den Sternen genüge tun.“ Wo zunächst noch Unglaube war, da hellte sich nun das Gesicht der Mutter auf, denn ihre Sorgen schienen fort gewischt. Elburum war die Heimat und so ihre Tochter keine Sharisad werden mochte, so war sie doch zumindest eine Tänzerin. So wurde es beschlossen an diesem Tag, dass der Weg der Shilaldara saba Sybia sie zu den fähigen Händen der Schwertmeisterin führen sollte.
Lediglich die weise Sternenschwester war misstrauisch, wollte aber die Freude ihrer Freundin nicht trüben und so wartete sie bis diese gegangen war, bevor sie ihre Schwester streng anblickte.
„Du hast doch etwas anderes vor, Nachtschöne. Sonst würdest du nicht diesen Rat gegeben haben.“
- „Liebste Seherin, die du das Heute und Morgen kennst, welche Absicht könnte ich vor dir und deinem Blick wohl verbergen?“ Auf diese Frage wusste sie keine Antwort, denn in der Tat sprachen die Horoskope nicht über die Nachtschöne und so blieb die Vermutung ungeprüft an diesem Tage.

Shilaldara aber begann mit dem zehnten Jahr ihres Lebens die Ausbildung in der Hand der Tänzerin des Flammenreihers und bald schon war es vorbei mit all der Unbeschwertheit, denn ihre Meisterin war ebenso streng wie anmutig und ebenso fordernd wie entschlossen. Teures Gold kostet die Ausbildung ihren Vater und obwohl er ein wohlhabender Mann war, war es kein leichtes all dies aufzubringen. Wie die Lehrjahre so sind, scheinen sie ewig zu sein, wenn man sie durchlebt, doch fliegen nur so dahin, wenn man zurückblickt. Denn die Tage waren erfüllt mit Anmut und Schweiß, die Nächte mit dem Lernen von Etikette und Haltung, sowie traumreichen Schlaf, in denen eine Zukunft Gestalt annahm, die von Abenteuern und holden Prinzen gefüllt war, letztere wartend auf die Rettung durch eine anmutige Maid, wie sie in Shilaldara heranwuchs.

Manche Weisen sagen, dass unsere Träume die Zukunft nicht nur zeigen, sondern sie sogar erdenken, dass sie die weißen Seiten Fatas', der Tochter Satinavs, des Führers des Zeitenschiffes, füllen und aus all den Hoffnungen, Wünschen und Fantasien das Morgen gewoben wird. Ob nun Wahrheit in diesen Sagen ist, vermag ein einfacher Haimamud, Vater der farbigen Worte, nicht einmal zu ahnen, doch für unsere heranwachsende Tochter der Sharisad und des Teppichhändlers, sollte es so sein.

Denn eines Tages begab es sich, dass ein solcher Prinz in ihr Leben trat, ein Jüngling von feinem, schneidigen Wuchs, mit Lockenhaar ganz wie aus tausend und einem Rausch geschrieben. Zwar war er kein wahrhaftiger Prinz, lediglich ein junger Edelmann, aber für Shilaldara hatte er all den Edelmut, den es brauchte, auch ohne von königlichem Blute zu sein.

Doch sooft sie auch einen Blick auf ihn warf, so wenig schien er sie selbst zu sehen und all ihrer Anmut und ihrer wendigen Kraft zum Trotz bemerkte er sie nicht. Nun war sie eine zweitgeborene Tochter, Augenstern ihres Vaters und Stolz ihrer Mutter, in ihrem Bestreben mit dem Ehrgeiz beseelt eines Tages ihren Bruder, den wehrhaften Palastwächter fordern zu können, doch über Prinzen wusste sie nichts. Vielleicht hätte sie diesen Prinzen auch vergessen, wäre nicht in diesen Tagen eine Freundin zu Besuch bei der Tänzerin des Flammenreihers gewesen. Eine Nachtschöne mit Haar so seidig wie der feinste Stoff und Lippen so rot wie die Sünde der rahjanischen Schleier. Eines Abends, als sie schweißgebadet von den Übungen kam, sah sie die Freundin der weisen Frau dort sitzen, ihr Lächeln noch immer so schön und verschmitzt wie dereinst. Da erinnerte sie sich an die Lakritze und das verschwiegene Schmunzeln und setzte sich zu der Nachtschönen. Obwohl diese nur lächelte und kein Wort sprach, klagte ihr Shilaldara das Leid, welches sie umtrieb. Sie erzählte von dem Prinzen und wie wenig er sie beachtete, davon wie sehr sie sich bemühte und wie geachtet sie war für ihren Anmut und ihre Eleganz.

„Mein Kind, willst du wahrlich, dass er dich sieht?“ fragte die Nachtschöne da mit sanfter Stimme, aus der nichts anderes als Fürsorge zu sprechen schien. „Dann vermag ich dir vielleicht zu helfen, denn wenn ich mich auf eines verstehe, so sind es die Prinzen und das was ihr Aufsehen erregt.“ Glück erfasste die junge Tänzerin des Flammenreihers in diesem Moment und sie vergaß ihre Sorgen. Eilig fragte sie was dies sein würde und ob die Nachtschöne sie dies lehren könne, so wie sie bereits den Tanz mit Fächer und Säbel gelernt habe.
„Sicherlich vermag ich es dich zu lehren, mehr aber noch vermag ich es dir zu schenken. Nichts anderes musst du tun, als mir zu folgen, um Mitternacht unter dem Madamond, dann werde ich dich lehren und beschenken. Denn ich habe dich auf diesen Pfad empfohlen und nicht gerne will ich sehen, wie dich unerwiderte Liebe in Trauer treibt.“ Shilaldara zögerte nur einen Moment, denn von Liebe hatte sie nicht sprechen wollen, aber von ihrem Prinzen ungesehen zu sein, dies wollte sie auch nicht bleiben und so willigte sie ein, die Freundin der Sternenschwester unter dem Madamond zu treffen.

Unter eben jenem silbernen Licht fanden sich die beiden Frauen ein. Wahrlich war ihre Helferin eine Schöne der Nacht, denn erst im feinen Licht von Sternen und Madaschein sah die junge Kämpferin, wie bezaubernd die Frau war und wünschte sich in diesem Moment nichts mehr als ebenso betörend sein zu können. Als sie dies aussprach, gänzlich unbefangen von ihren eigenen Worten, da lachte die Nachtschöne und nickte dann. Sie hob die Hände ins Mondlicht, dann legt sie diese nieder auf das Antlitz der Tochter der Anmut. Erneut wiederholte sie die Geste, wieder und wieder, als würde sie Wasser aus einer Quelle schöpfen und über das Gesicht der jungen Frau rinnen lassen. Und mit jeder Geste fühlte sie sich schöner und strahlender, bis ihr ganzes Wesen davon erfüllt war und sie sich drehte im Mondlicht, mit einem Lächeln auf den Lippen voll der Freude an ihrer eigenen Schönheit. In diesem Moment hob die Nachtschöne einen Spiegel aus poliertem Silber und hielt ihn vor die Augen des tänzelnden Mädchens. Entgegen blickte ihr Anmut und Schönheit, betörender Liebreiz und verlockende Sinnlichkeit. Dann aber erschrak sie, denn wie jeder große Zauber hatte auch dieser einen Preis und hätte sie in diesen Tagen mehr den Geschichten eines Haimamud gelauscht, vielleicht hätte sie es gewusst. Denn auch wenn sie schön war, wie eine Dienerin der lieblichen Rahja, so hatte ihr der Zauber doch die Augen einer Katze verliehen, grün und geschlitzt und fremdartig anzusehen. Wie sollte ihr Prinz sie auf diese Weise begehren?

„Sieh an, sieh an, meine kleine Tänzerin. Naiv verlangst du nach Schönheit, sprichst davon abgewiesen zu sein und doch ist es nicht mehr als Eitelkeit und verletzter Stolz, die dich treiben. Nun mit diesem Blick wird dein Prinz dich sicherlich sehen, in all deiner katzenhaften Anmut“, lachte da die Nachtschöne auf und drehte sich um sich selbst, den Spiegel im Mondlicht badend. „Reich haben dich die Göttinnen beschenkt und doch willst du mehr. Also gebe ich dir eine Lektion auf den Weg und eine Erinnerung, dass du sie niemals vergisst. Eitel bist du, eingenommen von deiner eigenen Anmut und auf jetzt an, solange es dich umtreibt, soll dir stets der Blick aus einem Katzenauge bleiben, dich erinnern, dass du deinen Prinzen schon längst betört hättest, wärst du nicht so verliebt in dich selbst gewesen und hättest zu ihm gesprochen, anstatt seine Bewunderung still zu erwarten!“

Und von einem Moment auf den nächsten war sie gegangen, verschwunden wie ein Strahl aus Mondlicht oder vielleicht auch auf Katzenpfoten eilig davon geeilt. Shilaldara wusste es nicht zu sagen, denn ihr Blick war verschleiert von Tränen aus Wut und Trauer. So lernte sie in jener Nacht, vor ihrem achtzehnten Lebensjahr, welches das zwei mal neunte war, wie tückisch die Zauberei zu sein vermag, denn den Gefallen an Schönheit konnte sie nicht ablegen und so blieb auch das Katzenauge bestehen, smaragdgrün und wachsam, doch meist verborgen...

Ah... seht nur, die Stände werden wieder geöffnet, der Markt wird bald wieder beginnen und dieser alte Erzähler von Geschichten braucht einige Stunden der Rast, sowie einen kühlen Tee die wunde Kehle zu befeuchten. Nein, nein, ich weiß, dass noch viel zu erzählen bleibt und ich will es euch nicht schuldig sein, Effendi. Doch vielleicht mögt ihr erst euer Wohlgefallen an der kleinen Geschichte in Münzen Ausdruck verleihen... Habt Dank, habt Dank...
Wie es nun weitergeht? Nun, meine werten Freunde, gerne werde ich es euch berichten, nur nicht heute, denn dieses Abenteuer muss erst noch geschrieben werden...“

- gehört irgendwann auf dem Basar von Fasar, von Bukhar, einem Haimamud
von Sumaro
29.03.2016 11:16
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Schau mal in deine PNs :)
von Sumaro
17.03.2016 09:45
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Ritual des Khelevathan

Trommelschlag erklingt aus der Tiefe. Hektisch und dumpf,untermalt vom kehligen Gesang vereinzelter Stimmen. Diffuses Licht, rötlich und flackernd schimmert auf den ausgetretenen und, von unzähligen Schritten glattpolierten, Stufen der engen Treppe. Ein Geruch von Moschus, Schweiß und glühender Kohle liegt in der Luft, macht sie schwer und stickig. Feuchtes Klatschen, wie Fleisch auf Fleisch mischt sich unter die Geräusche, den Gesang und den Rhythmus der Trommeln. Stöhnende Laute voller brünstiger Lust, abgehakt und teilweise halb erstickt, fügen dem Klang ihre eigene Melodie hinzu, nur ab und an unterbrochen von einem spitzen Schrei in dem Schmerz und Wollust gleichermaßen zu liegen scheint.

Die letzten Schritte führen durch einen Bogen aus dunklem Stein,in den Symbole alter Zeit eingekerbt sind, Zeichen die nicht dem alten Tulamidya sondern dem verrufenen Zelemja zu entspringen scheinen. Der Blick bleibt jedoch kaum zwei Herzschläge auf diesen Zeichen ruhen, denn was am anderen Ende der großen Grotte geschieht,weckt eine perverse Art von Faszination und Abscheu, in jedem wohl in anderem Maße. Nackte, schweißglänzende Leiber biegen sich im Fackelschein im Takt der Trommeln, reiben sich, drängen sich aneinander, übereinander, ineinander. Verzerrte Gesichter voller schmerzhafter Lust werden vom flackernden Licht der Fackeln und Glutschalen beschienen. Schwere, erdige Süße mischt sich unter Moschus und Rauch. Ein Geschmack von kupfernem Blut und salzigem Schweiß legt sich auf die Zunge und prickelt verlockend im Rachen. Kaum scheint es möglich den Blick abzuwenden von dem Schauspiel der miteinander verflochtenen Körper, deren Zahl nur zu schätzen ist,sind es doch sicherlich ein Dutzend, die sich dort um einen steinernen Altar drängen.

Inmitten der sich windenden Körper biegt sich eine dunkelhaarige Frau, der geschmeidige Leib glänzend und funkelnd wie seidige Bronze, das schwarze Haar mit jedem wild-ekstatischen Beben um ihre Schultern und das Gesicht tanzend. Perlen von Schweiß rinnen über die wohlgeformten Brüste, den flachen Bauch hinab, tropfen auf den Leib der unter ihr liegenden Gestalt. Kupfern blitzt etwas in ihrer Hand auf, als sie den Arm in anmutiger Geste hebt und gleich darauf niederfahren lässt. Ekstatisch schreit die Menge, gepeinigt die Gestalt, deren Haut gerade von der funkelnden Klinge des archaischen Dolches durchstoßen wurde. Erneut bäumt sich die Führerin der Menge auf, wirft das Haar zurück und lässt einen Tropfen Blut von der Klinge auf ihre Lippen fallen. Dieses Gesicht, im Halbschatten der Glutschalen nur im Profil zu sehen, weckt Erinnerungen. Doch beinahe scheint es als wolle der Geist sich nicht fügen, der Verstand nicht die Kontrolle übernehmen, sondern viel mehr der Körper selbst in den Reigen hineingetrieben werden.

Hinter dem Altar, Teil des Kreises und ihn doch schattenhaft überragend, steht eine Statue. Es ist weniger ein Mensch als vielmehr eine gehörnte Bestie, ein Wesen halb Widder, halb Mann, die gewundenen Hörner angriffslustig gesenkt, die Muskeln unter dem borstigen Fell angespannt und hervortretend, die Augen grünlich blitzend, der mächtige Phallus als Symbol der Dominanz aufragend. Im rötlichen Schein der Glutschalen wirkt es beinahe auf monströse Art lebendig. Seitlich von ihm, nicht Teil des Reigens von bebenden Körpern, aber ebenso nackt, stehen sehnige Männer. Rhythmisch schlagen sie die bauchigen Trommeln und werfen Bündel von Kräutern in die glühenden Kohlen, während ihre haarigen Leiber vom glänzendem Schweiß überzogen sind und ihre wilden Blicke sich hungrig auf das Treiben vor ihnen richten.

Zu den Füßen des Mannwidders, dessen Pranke einen Stab hält, ähnlich dem behütenden Stock eines Hirten, winden sich zwei Frauen. Ihre Körper, bloß und verletzlich, überzogen von Striemen und Schnitten, gekettet an die Hufe der Statue. Eine hebt den Blick euch entgegen. Fatjona! Noch während die Erkenntnis sich ausbreitet, klatscht erneut Leder durchzogen von metallischen Splittern auf gebräunte Haut. Mit einem Laut voller Qual wirft die Gekettete den Kopf in den Nacken, während die Gerte der nackten Reiterin auf dem Altar, zärtlich ihren Rücken kost. Den blitzenden Dolch in der einen, die dunkle Gerte in der anderen Hand, wendet sie nun ihren Blick zu der Gestalt zwischen ihren Schenkeln. Die Kultführerin lächelt mit der lüsternen Boshaftigkeit einer verdorbenen Seele. Durch den flirrenden Rauch der Glutschalen wirkt es fast so als würde die Statue hinter ihr wollüstig beben, bereit ihre steinerne Existenz abzuwerfen.
Abseits der sich windenden Leiber, der bebenden Körper und der qualvollen Ekstase, dort wo das Licht von glühenden Kohlen und flackernden Fackeln kaum mehr hinreicht, erahnt man Schemen in der Dunkelheit der Grotte. Verdrehte Gestalten, die leblos und gebrochen zur Seite geschafft wurden, wenn sie ihren Zweck getan haben und das blutige Schauspiel den Höhepunkt gefunden hat. Nackte Tote, geziert mit Peitschenmalen, Bissen und Kratzern, die nur allzu deutlich beweisen, wie diese verbotene Orgie für jene enden wird die zu Füßen der Bestie gekettet wurden...


Konzept:

Gewünscht war eine Stimmungstext zu einem belkelelaffinen Ritual zu Ehren eines mehrgehörnten Dämons unterhalb von Fasar, in dem sich die blutige Ekstase und die Rücksichtslosigkeit der Herrin der verdorbenen Gelüste zeigt. Es sollte vor allem die Stimmung und Atmosphäre des bedrückenden Ortes und des Rituals eingefangen werden, während dem man Menschenopfer bringt, um einen Dämon zu befreien. Dabei habe ich versucht durchaus die Fantasie der Spieler selbst anzuregen, ohne viel davon wirklich "explizit" zu formulieren.

Ich freue mich immer über Feedback und Kritik. :)
von Sumaro
17.02.2016 17:30
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier ein weiterer "Schrein", um den ich gebeten wurde und den ich mit sehr viel Freude gestaltet habe. Wer solche Anliegen hat, kann gerne jederzeit an mich herantreten :-)

Schrein der Thargunitoth – Der Heiler des Todes

Fahle Strahlen blassen Lichts, gräulich und leer, fallen durch die Ritzen zwischen Brettern und hölzernen Ziegeln. Staub tanzt glanzlos in der modrig-feuchten Luft, die schwer vom Geruch gammelnden Fisches und feuchten Teers ist. Ächzend seufzen die Balken, die aus der gähnenden Dunkelheit des Dachstuhls ragen, beim Zerren des auffrischenden Windes. Die Lagerhalle, eingebettet zwischen unzähligen anderen, im nebligen Halbschatten der mondbeschienenen Nacht liegend, ist gefüllt mit Kisten und Fässern, die gestapelt und mit Seilen aneinander gebunden, vergebens darauf warten an irgendeinem Morgen von kräftigen Händen auf eines der unzähligen Flussschiffe geladen zu werden. Enge Pfade führen zwischen den Lagerständen hindurch, finstere Gassen im schattigen Dunkel der Halle, in denen kaum zwei Männer nebeneinander gehen können. Schritte hallen dumpf auf dem hölzernen Boden, überzogen mit dem Schlamm von hunderten und tausenden Stiefeln, Schuhen und Gamaschen, die ihn festgetreten und zum verkrusteten Belag der Halle gestampft haben. Ein Irrgarten aus schmalen Wegen verläuft sich zwischen Inventar und Altware, die seit Monden, vielleicht gar Jahren nicht mehr berührt wurde. Halbfingerdick und klebrig hat sich Dreck und Staub als modrige Schmiere auf die ungeschützten Kisten gelegt und reibt sich an der Kleidung allzu unvorsichtiger Besucher ab.
Düsternis liegt ebenso erstickend wie der zunehmend erdigere Geruch auf den Sinnen. Von den hölzernen Wänden aus gewachstem Leder und teergedichteten Hölzern gedämpft, bleiben die Geräusche des Draußen zurück und zunehmend breitet sich eine drückende Beklommenheit aus. Diffus flackert das Licht von Laternen, wo Fackelfeuer eine Gefahr für Leib und Leben bedeutet, sollte es auf die zundertrockenen geflochtenen Stricke übergreifen, mit denen hier alles verbunden und verknotet ist. Beinahe unvermittelt erreicht man eine Tür, nicht verborgen, aber leicht zu übersehen, zwischen gestapelten Planen aus Segeltuch und Bündeln von Rudern und Stakstöcken. Ein gusseiserner Riegel, glänzend vom Schmierfett sorgfältiger Pflege, lässt sich lautlos zurückschieben, um die von stabilen Beschlägen gestärkte Tür, im rückwärtigen Bereich der Halle, aufzudrücken. Mit dem Luftzug der nach innen schwingende Pforte treibt ein scharfer Geruch von beißendem Alkohol hinaus, unterlegt mit einer süßlich-klebrigen Note, die an ein Stück überreifes, saftig gärendes Fleisch erinnert, welches in feuchter Wärme dumpf brütend gelagert wurde.

Der Lichtschein fällt auf einen Raum, kaum zwei Schritte hoch, die Decke niederdrückend und zudem behangen mit zahlreichen baumelnden Laternen, in denen bleigraue Kerzen darauf warten ein ebensolches Licht zu spenden. Der schweifende Schein des eigenen Lichts enthüllt in ungnädiger Offenheit die grausige Enge des Raumes. Mit akribischer Sorgsamkeit wurden die Tische drapiert und Schränke ausstaffiert, eiserne Wannen warten unter jedem der Tische darauf gefüllt zu werden. Blitzend poliertes Schlachterwerkzeug ist an Haken über den Arbeitsflächen aufgehangen, schnell zu greifen, ebenso wie die in sortierten Bündeln gefassten Utensilien eines chirurgisch tätigen Medicus, die in ledernen Mappen aufgeklappt und einsatzbereit scheinen. Flecken von dunklem, sattem Rostbraun sind tief in die glatte Oberfläche der Tische eingezogen. In den Wannen sind auf den geschrubbten Rändern noch immer Spritzer von braun und schwarz zu finden, die offenkundig auch mit sorgfältigem Bürsten nicht mehr zu entfernen sind. Jeder einzelne Tisch trägt seine eigenen Werkzeuge. Dort Knochensäge und Hackbeil, hier Wetzstein und feinste Rasierklingen, drüben feine, langstielige Nadeln, sorgsam geschliffene Kürschnermesser und kleine metallene Hämmerchen.
Tiegel und Phiolen stehen griffbereit, in ihrem Inneren milchige und klare Flüssigkeiten, sämige Pasten und wächserne Schmiere, deren Duft an Bienenwachs und das stechende Aroma gereiften Sauerteigs erinnert. Im Schatten der Tür liegend, erwarten Pergamente und Bögen von Papier, mit Kohlestift und Schreibfeder beschriftet und gezeichnet den des Lesens kundigen Betrachter. Was beim Anblick der Tische Ahnung war, wird bei den engen Zeilen und den säuberlichen Zeichnungen, vom Innersten eines Menschenleibes, schaurige Gewissheit. Ein wacher und unglaublich präziser Verstand hat hier festgehalten, welche Werke er mit kundiger Hand vollbringen kann. Muskelstränge, Knochensitze, Skizzen von Hirn und Herz, allem was den Menschen zusammenhält, ist in wissenschaftlicher Genauigkeit festgehalten und an den Rändern mit schmuckvollen Zierrunen versehen, die ebenso wie die Tusche mit geschrieben wurde, im trägen Bleigrau gehalten sind, ausgeschmückt worden. Eisige Schauer rieseln den Rücken hinab, als das Zeichen ein ums andere Mal wiederholt und dann offenbar wird, dass jedes noch so kleine Stück von der Werkbank des Menschenfleischers bis hin zu den filigranen Schnittmessern des ärztlichen Bestecks ähnliche Glyphen trägt. Nur dem kundigen Auge mag die Bedeutung wahrlich bewusst sein, doch wer ein solches Symbol einmal erkennt, der vergisst es nicht: Aroqa, Fanal des Nicht-Todes.
Für einen Moment drängt sich, mit der Erkenntnis, der Schrecken in den Verstand. Klatschend landen Eingeweide, gewogen und gemessen, dann mit scharfen Messer herausgetrennt, in der eisernen Wanne. Filigrane Hände wühlen im Leib einer stattlichen Weiblichkeit, greifen blutverschmiert zur Knochensäge, setzen mit routinierter Überlegung an den unteren Rippenbögen an und beginnen ratschend den Brustkorb aufzutrennen, nach dem Herzen strebend, das so voller Güte und stark schlagend, gesund und ohne Verwachsung war. Geisterhaftes Seufzen begleitet den Eindruck, der ebenso verfliegt wie der Gestank nach Innereien und gärendem Fleisch. Nur penible Sauberkeit bleibt zurück und ein brennendes Licht, ätherisch flackernd, in einer der Laternen. Nicht von Menschenhand entzündet und so blassgrau wie die wächserne Haut eines Verstorbenen.
Aroqa, das Symbol des Nicht-Sterben. Sorgsam trennt das Kürschnermesser Haut von Muskelfleisch und Fettgewebe. Kaum noch Blut benetzt die samtige Hülle, die einstmals eine zierliche Bürgerstochter kleidete. Schlanke Finger massieren eine fädenziehende Paste ein, bewahren was nicht verfallen darf, begleitet von einem schmallippigem Lächeln, während der restliche Leib sorgsam zertrennt und ausgeschlachtet, seinen Weg in die eiserne Wanne findet.
Bilder verblassen, doch eine zweite Kerze brennt in unheiligem Schein. Wispernde Gewissheit bahnt sich den Weg in das Bewusstsein der Wissenden. Die Tür ächzt im Luftzug, fällt in gemächlicher Trägheit zu.
Aroqa, Gebot des Nicht-Vergessens. Die Nadel glänzt blassbunt im fahlen Kerzenschein. Der Faden ist nicht mehr als eine Ahnung in der Luft, so dünn gezogen in Stunden und Stunden der Nacht über geisterhaften Flammen aus dem Klumpen Knochenblei. Nur so wenig braucht es, nur so wenig. Stich um Stich, in das weiche Fleisch, in die akribisch gesammelten Sehnen, in die Stränge von Muskeln und die milchig-samtige Haut. Stich um Stich, fügt es zusammen. Stich um Stich, während die starren Augen von herrlichem taubenblau in klarer Flüssigkeit treibend, beobachten bis ihre Zeit gekommen ist. Stich um Stich, Naht um Naht, die Wannen voll vom Blut, die Wannen voll vom Körper, der nichts wert war, außer die taubenblauen Augen. Sie schauen und warten. Flackernd erwacht eine Kerze zum Leben. Zum Nicht-Leben, zum Nicht-Tod, zum Nicht-Sterben, zum Nicht-Vergessen. Aroqa...


Konzept:

Dieser Ort, an dem der Herrin des Untodes eine besonderer Art der Verehrung zuteil wird, zeichnet sich nicht durch das banale Grauen der wandelnden Toten oder die vernichtende Finsternis von Alptraumwelten aus, sondern ist mehr auf den Aspekt des Drängenden Verlangens des Menschen nach Unsterblichkeit und nach Überwindung des Todes ausgerichtet. Wissenschaft und Dämonenmacht verweben sich zu einer beinahe untrennbaren Einheit, in der sich verbotenes, aber nicht verdorbenes Wissen, mit der Essenz des Nicht-Sterbens beschäftigt.

Überlegungen hinter den Beschreibungen werde ich im folgenden kurz erläutern. Der Raum selbst birgt keinen direkten Schrecken sondern viel mehr wird die Vorstellung der Spieler/SC befeuert, in dem sie im ersten Teil quasi Zeit haben sich selbst auszumalen, was hier passiert sein könnte, was diese „Werkzeuge“ und Arrangements bedeuten. Der Grundgedanke soll sich langsam auf Basis der Beschreibungen der Handwerkzeugs des Bösen manifestieren und zunächst etwas sehr profan-schreckliches haben.
Jedoch kommt kein Kultraum wirklich ohne einen Funken dämonischer Kraft aus. Auch hier habe ich mich vor allem von dem Gedanken an die Kraft der Aroqa-Rune (einer nekromantischen Rune aus den dunklen Zeiten, die vom schwarzen Drachen für sehr machtvolle Banner etc. genutzt wurde) inspirieren lassen, ebenso wie vom subtilen Einfluss der Unmetalle der Erzdämonen, in diesem Fall dem Knochenblei. Dieses dient in der weiteren Beschreibung unter anderem als Zusatz der Tusche/Tinte mit der die Aufzeichnungen des Kultisten vorgenommen wurden, wie auch als Bestandteil der Laternen und nicht zuletzt als verknüpfendes Element für seine „Großtat“ in Form eines feingezogenen Garns.
Das Knochenblei gemeinsam mit den latenten dämonischen Kräften des Kultisten sowie der besonders qualvollen Umstände zum Tod der Opfer führt dann auch letztlich zu dem, was den letzten Teil der Beschreibung prägt, die aufflammenden Kerzen aus bleigrauem Wachs und den „Visionen“, die quasi Momentaufnahmen und Erinnerungen aus der Zeit direkt nach dem Tod der Opfer sind. Hier ist der Hintergrund folgender. Bei der Aufgabe des Kultisten, einen neuen Körper zu schaffen, kann er die Seelen, die vielleicht an einem solch bedeutsamen Teil des Leibes hängen würden (und damit sein Werk beseelen wollen könnten) nicht gebrauchen. Stattdessen hat er mittels Aroqa-Rune und Knochenblei exakt für diesen Zweck die Kerzengefängnisse geschaffen. In diesen verfangen sich die gemarteten Seelen der Opfer und bleiben als eine Form von Irrlicht hängen. Hier soll auch der sonst so oft übersehene Aspekt der Herrschaft über Geister zum Tragen kommen, der Thargunitoth zu eigen ist und die Marter der Opfer noch über den Tod hinaus besonders grausam macht. Nicht nur werden sie auf bestialische Weise missbraucht und getötet, das Trauma und die dämonischen Kräfte halten auch ihre Seele im Diesseits und binden sie zugleich als Zeugen in die Laternen, wo sie nicht mehr tun können als Licht zu sein für den Kultisten und sein finsteres Machwerk, der daraus vielleicht sogar noch einen speziellen Gewinn zieht (z.B. dass er sein Ritual nur im Schein eines Irrlichts durchführen kann oder das bestimmte Passagen von TGT-Affinen Schriftrollen etc. sich nur im Geisterlicht offenbaren, als „dämonische“ Geheimtinte).
Die blassbunte Nadel des Kultisten ist dabei natürlich das Geistermetall Mindorium und vielleicht ebenso Paktgabe wie Geisterkerker für was auch immer später das endgültige Kunstwerk beseelen mag.
Wen Musik inspiriert, dies waren die Stücke, die ich beim Schreiben gehört habe:
von Sumaro
15.02.2016 11:37
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier eine Szene die ich zum Bankett vor dem Beginn des Donnersturm-Rennens in Aranien (AB Donner und Sturm) geschrieben habe. Der Sultan von Barburin empfängt seine Gäste. Einer davon ist natürlich ein SC (der werte Herr Rodiak), aber vielleicht kann diese Szene auch von anderen Runden adaptiert oder als Inspiration genutzt werden. Das Abenteuer hat dazu nur einen Outgame-Text den ich hier freizügig ausstaffiert habe. Danke für den Auftrag, der hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Das Bankett im Palast der Sterne – Ansprache des Sultans

Die seidenen Vorhänge bauschen im sanften Abendwind, dessen warme Brise den Duft von Pfirsich und Arange aus den umliegenden Gärten mit sich trägt. Süß und lockend mischt sich dieser fruchtige Hauch mit dem Aroma des aranischen Tees, der in kostbaren Schalen aus Porzellan den erlesenen Gästen dargereicht wird. Auf niedrigen Tischen sind Köstlichkeiten aus dem Land der ersten Sonne und von den fruchtbaren Feldern Araniens aufgedeckt. Straußeneier, aufgeschlagen und in der eigenen Schale nahe dem Herdfeuer stocken gelassen, gewürzt mit Meersalz und Paprika, Fleisch von Hammel, Lamm und Kamel, gesotten, gebraten und über dem offenen Feuer gegrillt, mariniert in pikanten Gewürzen, karamellisierte Fruchtscheiben, gewendet in Splittern von Mandel und Nuss, salzig-geschäumter Weichkäse aus Ziegen- und Schafsmilch, duftendes helles Fladenbrot, bestreut mit Sesam und Mohn und noch viele andere Gaumenfreuden bietet der Sultan von Barburin seinen Gästen, die vom edelsten Stand, Geblüt und Berufung sind.
Seit dem Morgen angefacht und zu einer beständigen Glut geschürt erhellt die Feuerstelle mitten im Raum den Saray al'Namji, den Palast der Sterne, denn jetzt im Schein des Feuers glänzen die unzähligen Halbedelsteine, die in Wände und Decke eingefasst wurden, wie das Himmelszelt bei Nacht und über dem Feuer selbst, im Zentrum des Saales, leuchtet das Schwert der Rondra, ihrem Sternbild im Zwölfkreis nachempfunden. Eilfertige Diener geben sich jede Mühe Wünsche von den Augen abzulesen und ansonsten so wenig präsent zu sein, dass man beinahe glauben könnte, eifrige Dschinne würden die Schalen und Krüge mit Speis und Trank nachfüllen. Nahe den geöffneten, mannshohen Fenstern, die mit seidenen Schleiern verhangen sind, sitzen auf samtenen Kissen Künstler und Barden, deren Spiel mit Khabas-Flöte, Trommel und Zither, sanfte Musik in den Raum fließen lässt.
Bevor sich die geladenen Gäste jedoch einander zuwenden, zieht ein Klatschen die Aufmerksamkeit der Menge auf sich. Der Sultan selbst, Merkan von Revennis, Vater der Mhaharani Shahi Eleonora, Gastgeber und Herr des Palasts der Sterne, tritt vor. Würdig haben die Jahre der Regentschaft den Sultan altern lassen, der bald siebzig Götterläufe auf Dere weilt. Das einstmals schwarze Haar ist noch so voll wie in den Tagen der Jugend, doch nun von einem fast durchgängigen silbergrau. Die Augen, eingefasst von unzähligen kleinen Fältchen, blicken ungetrübt und scharfsinnig wie eh und je in die Runde. Eine Geste, einladend und großmütig lässt die Edelsteine auf den weiten Ärmel seines aus Brokat gewebten Kaftans, im Licht funkeln. Seine Lippen, umrahmt von dem säuberlich gestutzten Bart, formen ein einnehmendes, gastfreundliches Lächeln, bevor er zu sprechen anhebt.
„Mharhaba, willkommen, meine Gäste, meine Freunde, stolze Söhne und Töchter der Rondra, Wettstreiter ihrer heiligen Queste, Suchende auf dem Pfad der Einsicht. Geehrt und gerührt fühle ich mich, dass so viele meiner Einladung folgten und so große Männer und Frauen mein bescheidenes Heim mit Glanz und Freude erfüllen.“ Sein Blick schweift über die versammelten Gäste hinweg, unter denen sich solche befinden, deren Namen man in beinahe jedem Winkel Aventuriens kennt.
„Marharan Arkos Sha, mein Sohn im Blut und im Geiste, euch mein König, gilt mein erster Gruß und mein großer Respekt, denn eure Kühnheit hat uns durch dunkle Tage geführt und euren Mut erneut zu beweisen unter den prüfenden Augen der Herrin Rondra, ist eine Tat, die selbst Platz in den Legenden finden wird.“ Der Sultan neigt den Kopf in tiefer Ehrerbietung vor dem Herrscher Araniens, dem all die fruchtbaren Lande von den Küsten Elburums bis zu den Gipfeln Raschtulswalls untertan sind. Mit einem Lächeln erwidert der gekrönte König den Gruß, neigt das Haupt leicht, so dass die schwarzen Locken, die unter dem golddurchwirkten Turban hervorlugen, um die breiten Schultern tanzen.
„Möge die Herrin im Sturm mir verzeihen, doch selbst ein Vater der vielen Jahre, hat nicht die Weisheit zu erkennen, welcher der Streiterinnen der Schildlöwin Alverans die Ehre des zweiten Grußes gebührt. Darum erbitte ich mir Nachsicht, dass ich beide zugleich in meinem zweiten Gruß bedenke, denn gleichermaßen sehe ich Kampfgeist, Ehre und Weisheit in dem Schwert der Schwerter, Ayla vom Schattengrund, als auch in der Königin der stolzen Amazonen, Gilia von Kurkum und Yeshinna. Niemals war ich mehr berührt und geehrt von der Aufmerksamkeit der göttlichen Leuin, denn in diesen Tagen, da dieser alte Sultan die Ehre hat, euch als seine Gäste zu begrüßen zu dürfen.“ Überschwänglich scheinen die Worte des Herren von Barburin, doch der Sitte der Kinder Tulams gemäß, die auch in Aranien stets hochgehalten wurde, spricht er als Gastgeber die Worte mit Wahrheit im Herzen und mit einer ehrlichen Verehrung für die beiden genannten Streiterinnen. Das Schwert der Schwerter, gekleidet in Ornat und Würden, mit der heiligen Klinge Armalion gewappnet und einem Spiegelpanzer als Rüstung, lächelt warmherzig und nickt dem Sultan zu, während die Hochkönigin der Amazonen dem höfischen Zeremoniell mit einer gewissen distanzierten Kühle begegnet und lediglich den Kopf einen Hauch neigt, gerade weit genug, um es als Akzeptanz und Wohlwollen der Worte des schmeichelnden Sultans auszulegen.
„Den Friedensgruß salem aleikum entbietet dieser Vater der Gastfreundschaft, dem ehrenwerten und strebsamen Sohn des Sultans von Gorien, Emir Harayan ben Hasrabal. Einen weiten Weg seid ihr gekommen, teilzunehmen an einer Fahrt, die eine der heiligsten Zeremonien unserer Göttin von Ehre und Kampf ist. Möget ihr dies in eurem Herzen finden, wenn ihr gemeinsam mit den Streitern fahrt und möget ihr den euren berichten, dass Gastfreundschaft und Ehre Tugenden sind, die uns alle einen.“ Der gläubige Novadi, dessen Anwesenheit im Palast der Sterne sicherlich politischem Kalkül entspringt, führt die Faust zur Brust hin und zeigt ein wölfisches Lächeln auf den vernarbten Gesichtszügen, in dem beinahe eine Herausforderung zu liegen scheint. Die Ahnung von Krieg, die Scharmützel entlang der gorischen Grenzen und nicht zuletzt die Eroberung von Anchopal haben die Beziehungen zwischen Aranien und dem Sultanat des Hasrabal ben Yakuban zu einer sensiblen Thematik gemacht. Doch aus den Worten des Sultans ist vor allem eines ersichtlich, dass er dieses Rennen nicht mit der schnöden Anrüchigkeit politischen Geplänkels beflecken will, auch wenn dies vielleicht nicht alle in diesem Saal mit der gleichen spirituellen Gelassenheit sehen werden.
„Welch Freude und Stolz mein Herz erfüllt, kann selbst ein Mann mit Silberzunge kaum in Worte fassen, denn nun entbiete ich meine Grüße jenen Streitern und Fahrern, die aus der Heimat entstammen und die ihren Sultan mit dieser mutigen Tat und Herausforderung beweisen, wie wohl daran getan ist, die alten Traditionen der Keshal Hashinnah zu bewahren. Rondrina ay Bakrachal und Vitus Rodiak, eine Tochter und ein Sohn Barburins, euer Sultan könnte nicht stolzer als ein Vater sein, dass ihr euch der größten Queste stellt, die hier in Barburin durch Rondras Hand und Wort selbst ihren Anfang nahm.“ Die Achtung in den Worten des Sultans scheint zumindest Rondrina eine Last auf die Schultern zu legen, denn welche Erwartung man auch hegen mag, hier vertritt man die Ehre einer gesamten Stadt und eine Tradition, die fast zweitausend Götterläufe zurückreicht.
„Nicht vergessen und auch nicht ungenannt und ungegrüßt jedoch sollen jene bleiben, die aus fernen Landen angereist sind, der großen Tradition und dem Ruf der Herausforderung folgend. Willkommen heiße ich Yppolita von Gareth, deren Name im Hippodrom zu Gareth von tausenden Kehle in Begeisterung gerufen wurde. Willkommen Praia vom Großen Fluss, tapfere Schwertlöwin der Herrin Rondra, euch vor allen anderen wünsche ich Erkenntnis und Weisheit aus dieser Wettfahrt, die unserer Göttin so heilig ist, wie die höchsten Feiertage ihres Kirchenjahres gemeinsam. Willkommen Gerborod der Weiße, der selbst diesen Sultan der Jahre beschämt, denn dies ist das dritte Rennen des heiligen Donnersturms, zu dem er aufbricht und obwohl weißbärtig und reich an Götterläufen der Erfahrung, voller Kraft und Ausdauer, die meine Verehrung und, wie ich gestehen muss, meinen Neid wecken.“ Das herzlichen Lächeln auf den Lippen des Sultans nimmt den Worten jede Schärfe und sein Blick, der über die Gestalten gleitet verharrt in der Tat am längsten an jenem Fahrer, der bereits die achtzig Götterläufe auf seine Schultern geladen haben muss und dennoch rüstig, den Blick des Sultans klar und offen erwidert.
„Doch lange genug haben wir nun gesprochen, lange genug habt ihr den Worten eines alten Sultans gelauscht. Söhne, Töchter, Väter, Mütter von Stolz und Stärke, möge die Herrin Rondra, die göttliche Löwin euch alle segnen und möge die Herrin Radscha ihre Freude mit uns teilen. Seid meine Gäste. Speist und trinkt, tanzt und lacht, denn heute Nacht feiern wird zur Ehre der Götter.“ Erneut klatscht er in die Hände und die Musik, die leise im Hintergrund seiner Worte plätscherte, spielt lauter auf. Ungenannt bleiben einige Namen von Herausforderern, die sich dieser Fahrt stellen wollen, doch eingeladen hat er sie alle nach gutem, alten Recht. Das Bankett hat begonnen.
[/quote]
von Sumaro
13.02.2016 13:02
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

Hier ein weiterer Kultplatz eines Erzdämonen, der per Anfrage über meine Schreibstube gestaltet wurde. Einmal Beschreibung und einmal das Konzept dahinter :)

Die Stele des verbotenen Wissens – Kultplatz des Amazeroth im Dschungel Uthurias

Heiße Schwüle macht die Luft drückend und schwer. Kreischen, Summen, Knistern und Krachen, fern und nah, brechen durch den Dschungel hindurch, der das Licht des Tages in grünes Schattenspiel wandelt, gelangt doch kaum ein Strahl des Götterauges durch das dichte Blätterdach auf den laubbedeckten Boden. Jeden Schritt begleitet feuchtes Knirschen, heiseres Rascheln oder saugendes Schmatzen, während der erdige Geruch von faulem Holz die hitzige, unbewegte Luft zwischen den hohen Bäumen und dem verflochtenen Dickicht, beinahe unerträglich intensiv schwängert. Wer keinem Wildwechsel folgt, der von großem Getier – manches mit Klauen, manches mit Hufen und anderes mit stammartigen Auswüchsen – ausgetreten wurde, muss sich einen jeden Schritt voran mit Machete und Hackmesser erkämpfen.
Eine Erleichterung ist es als der Dschungel für wenige Schritte weichen muss, die Riesen des Waldes zurückbleiben und das undurchdringliche Grün den Blick freigibt auf eine Lichtung, die von schillerndem Lichtschein bedacht wird. Einer der gestürzten Bäume, Titanen, die sonst mehr denn fünfzig Schritt in die Höhe ragen, hat hier in seinem Fall eine Bresche geschlagen und so ein Loch in den grünen Himmel aus wucherndem Blattwerk gerissen. Folgt der Blick dem mächtigen Stamm, auf dem bunte Pilze und hungrig umschlingende Rankpflanzen sprießen, den einstigen Giganten des Dschungels nun als ihren Mutterboden nutzend und sich an seinem verfallenden Leib labend, erkennt man die Stele aus dunklem Basalt, die im Zentrum der Lichtung steht. Schwarzer Stein und morsches Dschungelholz berühren sich beinahe und doch nicht ganz, es scheint als habe der Dschungelriese in seinem Sturz - als der gewaltige Wurzelteller, der noch immer so hoch wie drei Mann aufragt und voller Verflechtungen und Brocken dunklen Mutterbodens klebt, der Last eines Sturmes nicht mehr trotzen konnte - das steinerne Monument nur um die Breite einiger Finger verfehlt. Funkelnd tanzen, im schräg einfallenden Sonnenlicht, Wolken von Sporen und Pollen in der Luft, die hier weniger drückend und von süßlicher Leichtigkeit durchdrungen scheint. Nur wenige Ranken haben Halt an dem glatten Stein gefunden, umschlingen den dunklen Basalt der Stele, in den Vertiefungen gekerbt wurden. Vom Rand der Lichtung aus, sind die Zeichen nicht kenntlich, auch wenn sie etwas vertrautes an sich haben, so wie der Schwung einer Handschrift, deren Verfasser man erkennt, bevor man weiß, was auf den Zeilen des Papiers geschrieben steht.
Das Summen der schwirrenden Käfer und Dschungelmücken, der zahllose Insekten, die sich im Strauchwerk tummeln, weicht mit jedem Schritt auf die Lichtung ein Stück weiter zurück, ohne jedoch gänzlich zu verklingen. Mehr scheint sich ein silbriger Klang darunter zu legen, wie ein Rhythmus der dem Puls des Lebens Gestalt verleiht und ihn zu einem Stück lebendiger Musik formt.

Die Stele ragt auf, ihre Größe ist kaum zu ermessen. Eben noch war man der Meinung, dass sie kaum so hoch sein könnte, wie der Durchmesser des gefallenen Baumes, doch jetzt, hinausgetreten aus dem Dickicht des Dschungels, wirkt sie deutlich monumentaler. Dem Prachtbau einer Kathedrale gleich, nimmt sie in schwarzer Vollkommenheit die Lichtung in Besitz und ist dabei keineswegs vollkommen unberührt vom Licht. In den geritzten Vertiefungen, den so bekannten Zeichen und Symbolen, die vertraulich den Blick auf sich ziehen, schimmert buntes Leuchten. Chitinschillernde Käfer surren in kreisender Stetigkeit durch die süßlich, helle Luft, werfen den Sonnenschein in perlmuttfarbenen Facetten zurück und erzeugen den Eindruck schwebender Edelsteine um das Schwarz des Felsens. Bedeutung tropft von den schimmernden Symbolen, die in einer alten Sprache vor allen Sprachen, in einer alten Schrift vor allem Schriften, einer alten Deutung vor allen Deutungen, verfasst wurden. Sie bergen Geheimnisse, düster und verboten, Wissen, bürdenbeladen und schwer, Macht, lockend und verhängnisvoll. Je näher man tritt – und der neugierige Geist kann sich kaum entziehen, bei all der versprochenen Weisheit – desto deutlicher sind die Zeichen, desto größer ragt die Stele auf. Nur dem Tapfersten offenbart sie ihre wahre Pracht, nur wer den letzten Schritt herangeht, darf erblicken, wie sie die Himmel selbst durchstößt, die letzten Mysterien ergründend und in buntglänzenden Zeichen für den mutigen Wanderer, der so weit gekommen ist, auf dem schwarzen Basalt, feucht funkelnd von der schwülen Hitze der Dschungelluft, niederlegt.
Fast unmerklich – für den zögerlichen Verstand, den feigen Zauderer, jedoch in übelkeiterregender Deutlichkeit – bricht die Stele das Licht um sich herum. Zerteilt die Facetten aus reinem goldgelb in kränklich-buntes Schillern und Schimmern von hypnotischer Geschmeidigkeit.
Der sich verweigernde Geist, hört in dem silbrigen Klang und dem gleichmäßig ab- und anschwellenden Summen, das hungrige Knirschen von blassen Larven und wurmartigen Maden, deren raspelnde Zähnchen sich in lebendes Fleisch bohren, um dort ebenso zu gedeihen wie die Ideen des verbotenen Wissens in einem aufgeschlossenen Verstand.

Honigsüße Erkenntnis dringt aus den lilienhaften Blütenkelchen, den zarten Blumen voller anmutiger Schönheit, die in verheißungsvollem Leuchten ihre Farbenpracht als sinnliche Kontrapunkt zum unerbittlichen Dunkel des schwarzen Steins setzen. Sie umkränzen die Stele und baden im Licht eines erleuchteten Geistes. Langsam, sich ausbreitend wie ein Tropfen Tinte, der in klares Wasser fällt und dann mit den sachten Strömen beharrlichen Fließens dem vorher durchscheinenden Nass einen bläulichen Glanz gibt, klärt sich der wache Verstand. Der aufmerksame Geist erkennt in der Stele das Wissen, welches in mehr als nur einer Dimension der kantigen Zeichen festgehalten wurde, begreift, dass hier Licht und Duft, Symbol und Schimmern, Ausdruck von Ereignissen und Einsichten sind, die auf so vielfältige Weise festgehalten wurden, dass sie einem jeden Volk offenbar werden können. Verborgen in den Tiefen des Dschungels, bewahrt von einer Hölle grüner Grausamkeit, wurde hier die Saat des Wissens gepflanzt, von einem Geist, der die Grenzen einer jeden Vorstellung übersteigt.

Erneut stößt der unwillige Verstand, der beharrlich-ängstliche, der zurückhaltend-dumme, an seine Grenzen und nimmt durch den Schleier von Symbol und Duft eine Nuance in der Süße der Blüten war, die an verrottendes Fleisch gemahnt. Schattenbilder von verdrehten Leibern springen zwischen die Herrlichkeit der Stele und ihren schillernden Schein. Die Lilien sprießen, Leichengaben gleich, aus den leeren Höhlen von Totenschädeln, graben ihr feines Wurzelgeflecht in Kadaver von Tier und Menschenähnlichen. Feinste Perlen geronnen Blutes folgen dem genüsslichen Sog der unfassbar schönen Lilien, in deren Traumgespinst die Wirklichkeit sich zu verfangen scheint. Nicht Maden und Gewürm sind es, die knirschend unter dem Schutz von Silberklang, ihre Fänge in Fleisch treiben, sondern das Wurzelwerk selbst, welches sich durch die Kadaver verendeter Wesen zu Füßen des Monolithen spinnt.
Doch wo der unwillige Verstand eine Landschaft aus Leichen erblickt, in schillerndes Zwielicht blinzelt, seine Ohren vor raspelndem Schmatzen und kakophonischem Schrillen bedecken will, erkennt der Erleuchtete die flüsternde Stimme der Weisheit im Stein, vermag er Hand an die spiegelglatte Oberfläche der Stele zu legen, mit den Finger die scharfkantigen Formen von Symbolen nachzufahren und ihre Bedeutung zu erahnen, während feine Schnitte seine Haut ritzen und perlende Tröpfchen von Blut in den Zeichen die letzten Geheimnisse lösen. Hastig aufgelegte Pergamente, abgerieben mit schwarzer Kohle, erlauben es Wissen der ältesten Tage in kryptischen Runen festzuhalten, ihnen so nahe zu kommen, wie kaum ein anderes Wesen es kann. Im schwarzen Stein spiegelt sich, nun glattem Marmor gleich, das eigene Antlitz umgeben vom hellen Kranz wahrer Erleuchtung. Noch ein wenig länger Lauschen, noch ein wenig länger Blicken, noch ein wenig tiefer den süßen Duft der Erkenntnis atmen, dann wird jedes Geheimnis der Welt preisgegeben.

Konzept:

Amazeroths Macht liegt darin, dem stets nach neuem strebenden Geist der Sterblichen, Geheimnisse versprechen zu können, die sonst niemand mit diesen teilen würde. Über Äonen hat er mit Einsicht gelockt, dem verbotenen, verdorbenem Wissen, das aus seiner Hand, von seinen kindlich-unschuldigen Lippen geflüstert, Erkenntnis bringen kann. Die Stele im Urwald Uthurias ist ein Überbleibsel einer alten Kultur, die ihm als Gott der geheimen Wahrheiten huldigte und, ähnlich den Blutaltären der Xo'Artal, Blut gegen göttliches Wohlwollen eintauschten.
So wie die Göttersteine der Blutaltäre zieht auch der Monolith seine Kraft aus dem Blut, dass in seiner Nähe vergossen wird. Doch selbst als sein Volk untergegangen ist, zugrunde gerichtet von einer Katastrophe, die es selbst anstrebte, konnte der Stein überstehen. Denn zu seinen Füßen wurzeln und wuchern die Lilien des Erzdämonen der Täuschung, die mit Duft, Klang und lockendem Trugbild Wanderer, aber auch halbintelligente Wildtiere in ihren Bann ziehen und mit deren Blut die Kraft des Monolithen stärken.
Die dämonischen Kräfte von Gewächs und Altar verstärken sich hierbei wechselseitig, ohne auf den ersten Blick ersichtlich zu sein. Mittels subtiler Illusionsmagie wird der Geist des Beobachters von der Tatsache abgelenkt, dass um die Stele herum Knochen und Leichen liegen, der Blick hingegen wird auf die Symbole selbst gelenkt, die in der Tat Geheimnisse bergen, die ein sterblicher Geist mit viel Mühe und Zeit entschlüsseln könnte, jedoch ohne dabei wirklich auf den Gehalt der Wahrheit in diesen Zeichen schließen zu können. Neugierde und Wissbegierde, für manche Tugenden, die sie antreiben, verkehren sich hier ins Gegenteil. Denn der gierige Geist, der hungrig auf Erkenntnis ist, erliegt dem lockenden Zauber der Stele deutlich eher als einer, der sich nicht um Wissen schert. Solche Geister, die sich nicht verlocken lassen, aber dennoch nicht stark genug sind, um sich willentlich der Einflussnahme zu entziehen, werden daher subtil diskreditiert, als feige, tumbe, zögerlich, schwach u.ä. Bezeichnet, um ihn dennoch zu provozieren näher zu kommen.
Wer die Illusion und Geistesspiele vollkommen durchschauen kann (hier sollte eine geistige MR von 20+ Voraussetzung sein, Neugierde und ähnliche Nachteile werden voll von diesem Wert abgezogen), der blickt auf die Stele als aufgerichteten Blutstein, beschrieben mit Symbolen die in jedem Licht anders schillern, mit einer spiegelnden Oberfläche, in der sich dennoch nichts erkennen lässt, außer der vagen Reflexion von Licht. Um die Stele herum wuchern knollige Gewächse mit armdicken Ranken, an denen mit hungrigen Zähnchen besetzte Mäuler nur darauf zu warten scheinen sich in blutdurchtränktes Fleisch zu bohren (die eigentlichen Wurzeln der Iribaarslilie liegen tief im Erdbogen eingegraben, so dass selbst ein abbrennen der gesamten Lichtung nur vorübergehend Abhilfe schafft; um den Monolithen auszuhebeln müsste man im Einflussbereich der dämonischen Magie die gesamte Lichtung aufwühlen und jede einzelne Knolle ans Tageslicht tragen und einzeln vernichten, ohne dem Zauber der Lilien oder der Stele zu erliegen). Zwischen den Ranken liegen frische, halbverweste und skelettierte Leichname, sowohl von Tieren als auch von einigen Kulturschaffenden, allerdings werden die wenigsten davon auch hier im Dschungel sonderlich alt, denn die Verrottung geht schnell vonstatten.

Perfide ist, dass die Stele durchaus Geheimnisse preisgeben kann und mit einem realen Wissen lockt und das auf vielfältige Weise. Nicht nur in Schrift, sondern auch in Ton und Duft gibt sie Erkenntnisse preis – unter anderem ein Hinweis auf das Alter der Stele, die wohl auch fähig war und ist Geschuppte, Insektoide oder gänzlich andersartige Wesen, die sich nicht auf die übliche Form schriftlicher/verbaler Kommunikation verlassen, zu ködern – die jedoch nur dem offenbar werden, der seinen Geist dem Einfluss öffnet. Viele Wissende mögen also durchaus sehenden Auges den Blutzoll bezahlt haben, den es braucht, um an die unzähligen Geheimnisse zu gelangen – die dann noch in Lug und Wahrheit geteilt werden müssen, aber auf andere Weise gar nicht zu erfahren wären – wenn auch vermutlich deutlich mehr dem Locken durch Zufall oder Hybris zum Opfer gefallen sind und nun als verdammte Seelen, in den Spiegelhallen Amazeroths, zu seinem Kabinett der Trugbilder gehören.
von Sumaro
06.02.2016 09:48
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

So, hier in Absprache mit einem meiner "Auftraggeber" eine Beschreibung und Szenerie, die bereits im Einsatz gewesen ist. :)

Gewünscht war der Einstieg in eine Karmalqueste von einem SC (Jacopo) im Phextempel zu Punin, bei der er sich mit den vier (für ihn definierten) Aspekten des Phex beschäftigen und gleichzeitig in einer Vision/belauschtem Gespräch Informationen für zukünftige Plots erhalten sollte.

Ich habe den Text aufgeteilt in eine allgemeine Beschreibung des Puniner öffentlichen Phextempels und in den Text zum SC selbst. Ersteres kann man vielleicht auch für seine eigene Runde verwenden.

Konzept der Beschreibung:

Es sollten sowohl die tulamidischen Wurzeln des Kultes als auch dessen besondere Situation als öffentlicher Tempel (einer der wenigen) dargestellt werden. Für die Karmalqueste waren recht viele Grundpfeiler gesetzt (Aspekte des Phex, Erscheinungsbild dieser Aspekte, Personen die vorkommen), dort sollte dann vor allem der fließende Übergang von Vision zu Wirklichkeit und die Darstellung charakteristischer Verhaltensweisen phexaffiner Personen sowie die unterschiedlichen Aspekte des Phex mit knappen Beschreibungen herausgestellt werden. Die Szene sollte danach von den Spielern der Runde weitergestaltet werden, weswegen ich nur den Auftakt zur Interaktion geschrieben habe.

Beschreibung Phextempel und Alkoven:

Staubig und ausgetreten sind die Stufen zur Tempeltüre hinauf, der Sandstein aus dem sie geschlagen wurde von so vielen Schritten abgeschliffen und eingelaufen, dass sie sich zur Mitte hin senken und die Kanten abgerundet und weich den unachtsamen Tritt leicht fehlgehen lassen. Wer den Tempel des listigen Gottes von Händlern und Dieben besuchen will wird bereits beim Aufstieg daran gemahnt, dass Phex den Achtsamen und Aufmerksamen mit besonderem Wohlwollen bedenkt. Die Doppeltür aus Eschenholz zieren Symbole von Fuchs und Mungo, dem Schlangenjäger aus den Ländern der ersten Sonne, während die eingeprägten Zierknöpfe und Nieten an den metallenen Beschlägen nur in der Nacht den Glanz von Sternen nachahmen, am Tag jedoch mehr wie blasses Blei wirken. In den Schatten der Metropole Almadas flüstert man, dass in den Ziernieten und den Symbolen des listigen Gottes schon alleine Rätsel stehen sollen, die den Weg zu geheimen Schätzen weisen, wenn man sie nur zu deuten vermag. Ein albernes Gerücht, welches an manchen Tagen die Straßenkinder von Unterpunin dazu veranlasst in kleinen Gruppen bis zum späten Abend vor den Tempelstufen zu spielen, nur um beim ersten Mondlicht einen Blick auf das Leuchten der Silbersterne werfen zu können.
Ein schwerer Eisenring, abgegriffen und matt, lässt sich nur mit einem vernehmlichen Quietschen und Knarzen drehen, bevor man dann, entgegen der eigenen Intuition nicht ziehen, sondern gegen das schwerfällige Holz drücken muss, damit sich der Eingang auftut. Der Dieb der Götter mit der silbernen Zunge liebt es kleine Herausforderungen zu stellen und allzu leicht brüskiert man doch den unbedachten Besucher, ganz gleich ob Bettler oder Handelsherr, der das Portal nicht zu bewegen vermag, nur weil er seine Kraft in die falsche Richtung wendet. Beinahe lautlos jedoch schwingt die Türe für den Gewitzten auf, sobald man sich gegen sie lehnt. An der Schwelle bleiben die Geräusche der Straße zurück, das Lärmen der Stadt, die keine Ruhe kennt und auch die Hitze der almadanischen Sonne, welche dieses Land so reich und fruchtbar gemacht hat. In der Luft liegt der Geruch von frisch geschöpftem Papier und dunkler Tusche, nur das leise Rascheln der samtenen Vorhänge, die wie ein silberner Schleier - gleich den Nebelschwaden Phexens - vor dem Eingang herabhängen und durchschritten werden müssen, folgt dem Eintretenden hinein in die Tempelhalle. Das Gemurmel von Stimmen erfüllt die Luft, gedämpft aus den Nischen und Alkoven abseits der Halle dringend, deren wenige Fenster aus Butzenglas getrübt und verhangen sind, so dass selbst das Tageslicht keinen goldenen Schimmern, sondern mehr die Farbe silbernen Graus mit in den Raum trägt. Hinter Gebetsbänken und Opferstock, welcher der geöffneten Schnauze eines zwinkernden Fuchses nachempfunden ist, steht die Statue des Händlergottes, eine der wenigen Darstellungen in menschlicher Form, als schlanker Mann, gekleidet in kostbare Gewänder, der ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen trägt, hinter denen ein Hauch von Silber blitzt, während er die Hand erhoben hat und einen Finger frech gegen die Seite der Nase tippt. Die türkisblitzenden Augen scheinen niemanden im Raum aus dem Blick zu lassen und begleiten jeden Bittsteller auf seinem Weg zum Altar, zu den Alkoven und Nischen. Ein Geheimnis bleibt ob es wahrlich ein Zauber ist, wie manch vorwitziger Phexensjünger zu wissen glaubt oder ob nicht doch ab und an der Listige selbst einen Blick durch sein Abbild in sein Haus wirft.
Zur inneren Einkehr wie auch zur Verhandlung gedacht sind jene Nischen links und rechts der Bethalle, für all jene die in trauter Zweisamkeit zum Handelsschluss kommen oder Zwiesprache mit dem silberzüngigen Handelsgott führen wollen. Ganz der südländischen Sitte folgend sind hier keine Bänke und Stühle aufgestellt, sondern Kissen ausgebreitet, dazwischen ein niedriger Tisch, auf dem die Statuette eines Wüstenfuchses sich aufgerichtet dem Betenden entgegen streckt. Schwere Vorhänge aus dem silbergrauen Samtstoff, die schon am Eingang die Geräusche der Stadt ferngehalten haben, lassen sich auch hier vor die Zugänge der Nischen ziehen, um ungestört von allen anderen Dingen seine Angelegenheit, gleich ob Gebet oder Vertrag, zu beschließen.


Einstieg Karmalqueste:

Es sind nur wenige Herzschläge vergangen seit deine Knie die weichen Kissen berührt haben und dein Blick über den neugierig zur Seite geneigten Kopf des Fennek gestreift ist. Zwei Atemzüge, in denen nur die ersten lautlosen Silben eines Gebets geformt werden konnten, bevor der Klang von silbernen Münzen im Opferstock dich mit dem hellen Klingeln aus der Trance zu ziehen scheint. Dein Blick schweift zur Seite hin, zu dem schmalen Spalt zwischen Wand und Vorhang, der nicht ganz geschlossen ist und so den Lauten und Worten aus der Tempelhalle erlaubt sich bis an dein Ohr zu schleichen. Für einen Moment streift ein Gedanke dein Bewusstsein, eine Frage nach dem Wissen um den Klang von Silber und das Schleichen von Stimmen, doch versinkt er im gleichen Moment wieder hinter dem nebulösen Schleier, der silbrigem Rauch gleich den Blick auf die Erkenntnis hinter diesem Gedanken verbirgt. Die Statuette auf dem Tisch scheint den Blick aus den dunklen Äuglein, die beinahe lebendig scheinen, neugierig zum Zugang des Alkoven gewendet zu haben. Beinahe erwartest du, dass die spitzen Öhrchen des Wüstenfuchses in aufmerksamer Habachtstellung zucken und so verraten, dass es sich bei dem Abbild des Göttertieres nicht um totes Holz, sondern um ein listiges Kleintier handelt, das auf diese Weise versucht die Gebete an seinen Schöpfer zu erlauschen. Doch bevor es sich mit einer solchen Bewegung verraten kann, vernimmst du Worte, die sicherlich nicht an dich gerichtet waren, aber trotz des Flüstertons klar und vernehmlich in deinen Alkoven hineinkriechen.
„Orelio, es ist ein absolutes Desaster.“ Die Stimme ist weiblich, und läge nicht schon in ihren Worten Verzweiflung, allein ihr Klang würde es preisgeben. „Sie lassen nicht locker, wie bissige Wehrheimer Bluthunde. Das ist Räuberei!“ Mit sachter Hand schiebst du den Vorhang ein kleines Stück zur Seite, darauf bedacht nicht mit einem Rascheln zu verraten, dass du gerade ein Gespräch belauschst, welches nicht für deine Ohren bestimmt gewesen ist. Die junge Frau, die sich erbost und vielleicht auch ein wenig zu laut aufregt, steht bei einer der Gebetsbänke nahe an dem Alkoven in den du dich zurückgezogen hast. Sie ist hübsch, selbst im grauen Licht der Bethalle mit der sonst allzu spärlichen Beleuchtung fällt dir die Rötung ihrer Wangen auf, während die glutvollen Augen dunkel und verhängnisvoll aufblitzen, ihr südländisches Erbe ebenso verratend wie die gebräunte Haut. Die Kapuze ihres Mantels hält die schwarzen Locken gerade so gebändigt, während der graue Stoff sonst nicht viel Auskunft über ihre Figur gibt.
„Bitte, Domnita von Aspberg. Bedenkt wo ihr hier seid!“ Die letzten Worte einer männlichen Stimme werden mit einem mahnenden Nachdruck gesprochen. Halb im Schatten ihrer Person sitzt eine hagere Gestalt, das Gesicht nur ihr nur halb zugewandt, scheinbar ein wenig unangenehm berührt darüber, dass der eigentlich verbindliche Flüsterton in ihrer Aufregung allzu weite Kreise ziehen könnte. Viel kannst du von ihm nicht erkennen, nur die langen, dünnen Finger seiner rechten Hand, geziert mit drei silbernen Ringen, die nervös auf die Rückenlehne der Gebetsbank trommeln, fallen dir direkt auf.
„Was nun, Orelio? Auf einmal so förmlich?“ Die Wut, die eben noch in der Stimme geklungen hat, scheint jetzt einer leiseren Resignation zu weichen, ihre Schultern sinken ein Stück nach vorne, als sie mit gedämpfter Lautstärke fortfährt, schuldbewusst den Blick senkend. „Bitte verzeiht, aber es macht mich so wütend. Sie werden es vor ein Gericht bringen, fünfzehntausend Goldstücke. Das ist Erpressung, das ist Wucher...“
„Jasemina.“ Die Stimme des Mannes klingt sanfter, doch schon allein daran wie er spricht, wie er den Kopf neigt und jetzt ein wenig graumeliertes Haar aufblitzt, ohne dass du jedoch die Gesichtszüge erkennen könntest, sagt dir schon, dass er keine Hoffnung hat ihr zu helfen. „Ich habe alles getan was ich konnte... ich kann nichts mehr für dich tun, meine Liebe.“ Herzschläge vergehen in denen du wartest und sie nicht antwortet, dann jedoch straffen sich ihre Schultern und sie hebt beinahe schon trotzig ihr Kinn. Ohne ein Wort eilt sie hinaus, die Schritte auf dem steinernen Boden des Tempels widerhallend. Einen Moment lang folgt dein Blick ihrer Gestalt, dann stieben die Nebelschwaden auseinander und verschlucken ihre Silhouette. Nebelschwaden...?
Bevor diese Seltsamkeit deinen Geist allzu sehr in Beschlag nehmen kann, lenkt ein Rascheln deine Aufmerksamkeit in den Alkoven zurück.

Die Statuette des Fennek schaut dich aufmerksam an, kratzt sich dann mit einem Pfötchen das spitze Ohr, bevor sie vom Tisch auf die Kissen springt und an deinen Füßen vorbei durch die schmale Lücke zwischen Vorhang und Wand schlüpft.
„Ach, sind wir endlich fertig mit lauschen?“ fragt eine Stimme aus der Halle heraus, dein Blick durch den Spalt offenbart, dass sie vollkommen leer ist. Leer und verlassen bis auf die vier Gestalten, die dort unter dem türkisgrünen Blick des Abbilds des Glücksgottes um einen Tisch versammelt sitzen. Ein Mann mit Schnauzbart und Federhut, gekleidet in teuren Zwirn und Zobel gibt Karten aus, deren Rückseite ein Fuchskopf ziert. Klirrend landen silberne Münzen aus der Bettelschale eines abgehalfterten Vagabunden auf dem Tisch, der mit einem Lächeln voller Zahnlücken und Händen, die dreckig und faltig vom Leben auf der Straße sind, sein Blatt aufnimmt. Nur den Rücken der dunkel gekleideten dritten Person am Tisch erkennst du von hier aus, denn sie sitzt direkt vor dem Gott der Händler und Diebe und rutscht unruhig auf dem Kissen herum. Am ledernen Gürtel klimpert ein Bund voller Schlüssel, die in jedes Schloss passen, wenn die Hand, die sie führt nur geschickt genug ist. Der letzte Spieler am Tisch hat den Wüstenfuchs auf dem Schoß, der eben aus deiner Kammer gehuscht ist. Es ist ein Junge, sicherlich kein Dutzend Götterläufe alt, in abgewetzter Kleidung aus einfachem Leinen, an den Ellenbogen und Knien geflickt, mit bloßen Füßen, die vor Dreck starren und so dunkel sind, wie der Nachthimmel zwischen den Sternen, streichelt den Kopf des neckischen Tierchens, während er dir entgegenblickt, aus Augen mit türkisgrünem schalkhaftem Schimmern. Er hebt die Hand in deine Richtung und winkt dich heran, ganz so als wäre es das natürlichste Ding der Welt, unter den Augen des Diebs von Alveran eine Partie Boltan zu spielen. „Komm Jacopo! Auch für dich wurde ausgeteilt!“, ruft er dich an und deutet auf den Platz, der nicht besetzt wurde, direkt mit dem Rücken zum Altar, zu den Füßen Phexens. Man sagt ein guter Diener des Fuchses erkennt eine Gelegenheit, die besten jedoch schaffen diese. Irgendwo in der Ferne rollen klackernd Würfel und ein verschmitztes Lächeln blitzt zwischen den Sternen auf. Das Spiel beginnt...
von Sumaro
30.01.2016 13:25
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

@ Bluthandel

Danke :)

Die Texte sind sowohl zum vortragen als auch als Inspirationsquelle gedacht. Allerdings ist der Informationsgehalt, an reinen Dingen, die dort "passieren" auch objektiv betrachtet eher gering gehalten. Es geht mir mehr darum das "Flair" der Situationen einzufangen, weniger darum konkrete Spielhinweise und Plothooks zu platzieren. Wäre das der Fall, würde ich das vermutlich auch deutlich prominenter machen.

Es gibt ja auch stark unterschiedliche Geschmäcker was Beschreibungen betrifft. Ich bin ein Fan davon ein Bild mit Worten zu zeichnen und in dieser Form auch "akrobatisch" die Beschreibungen mit zur Szenerie passenden Attribute und Adjektiven auszustatten. Es gibt aber auch nicht wenige Leute, die haben es gerne spartanisch und offenkundig, klare Linien, knappe Sätze etc.. Hier würde ich auch auf den Sinn des Textes entsprechend zurückgreifen. Wenn ich einen harten, schnellen Kampfablauf beschreibe sind Schlagworte und kurze, prägnante Sätze auch das Stilmittel meiner Wahl.

Es freut mich jedenfalls, wenn ich dich inspirieren kann. :) In den nächsten Tagen folgen ein paar Beschreibungen, sobald sie von ihren jeweiligen "Auftraggebern" freigegeben wurden, die vielleicht ein bisschen anderen Stil haben werden. :)
von Sumaro
26.01.2016 10:33
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Re: Sumaros kleine Schreibstube

@ Lokwai

Vielen Dank :)

Ich freue mich wenn ich helfen kann und meine eigene Schreibpraxis verbessere. :)
von Sumaro
25.01.2016 12:13
Forum: Projekte & Entwürfe
Thema: Sumaros kleine Schreibstube
Antworten: 49
Zugriffe: 27265

Sumaros kleine Schreibstube

Ihr benötigt einen stimmungsvollen Vorlesetext für eine bestimmte Szene in eurem Abenteuer oder eine ausgefeilte Beschreibung einer Person oder einer Örtlichkeit und habt selbst keine kreativen Kapazitäten um euch dieser Sache zu widmen?

Kein Problem, ich würde mich freuen für euch zu schreiben. Für mich bringt es wertvolle Übung und ebenso wichtiges Feedback und für euch vielleicht eine kleine oder große Bereicherung am eigenen Spieltisch.

Ich schreibe für alle Systeme und Anlässe, heimisch bin ich natürlich am meisten bei DSA, aber ich lerne auch gerne neues kennen und werde dann entsprechend nachfragen, um das bestmögliche Ergebnis zu liefern.

Also wer mitmachen möchte einfach in diesen Thread Posten oder mir eine Pn schreiben, ich freue mich auf dieses Experiment. :)

Hier ein paar kleine Leseproben:
Leseprobe 1
Leseprobe 2

Nachricht der Moderation

Dieser Thread ist mit einem Glanzlicht ausgezeichnet worden! Neue Auszeichnung: Glanzlicht