Herr der Welt hat geschrieben: ↑15.08.2017 08:23Man spürt sehr gut, dass er eine Plattform suchte, die seinem Ärger Raum bieten kann, wofür er eine differenzierte Kritik ablehnte. Und selbstverständlich verhöhnt er Grass mit dieser Art der Kritik, kaschiert das auch kaum, geschweige denn, dass er es durch die Absichtserklärung, Häme vermeiden zu wollen oder durch die Hochachtungserweise wettmachen würde. Der dargebotene Verriss ist als Rezension auch nicht besonders gut, sondern mehr emotional aufgeladene essayistische Plauderei, nur erwähnenswert, weil ein großer Name einen großen Namen kritisiert.
Da sind wir wohl unterschiedlicher Meinung. Zumal ich eben sehr vorsichtig bin mit Äußerungen wie "man spürt sehr gut", denn diese Verallgemeinerung ist schon dann nicht zutreffend, wenn ein anderer genau das nicht spürt. Ich z.B. empfinde den Text eben nicht als hämisch. Er ist spitz, er ist bissig, er ist spekulativ, aber hämisch oder höhnisch, dafür lobt er viel zu oft was er an dem Autor mag, wo er die Stärken sieht und was speziell ihn an diesem Teil enttäuschte. Du sagst, er ist nicht gut gemacht, nur große Namen und daher große Aufmerksamkeit. Ich sage, er ist gut gemacht, unterhaltsam für den Leser, pointiert und gewitzt.
Herr der Welt hat geschrieben: ↑15.08.2017 08:23Ich hatte bislang selten das Gefühl, dass ein Verriss Grundlage für eine fruchtbare Auseinandersetzung ist. Das kann man natürlich immer einseitig dem Künstler vorwerfen. Eine einseitige Schuldzuweisung entspricht aber selten der Wahrheit.
Engor hat geschrieben: ↑14.08.2017 19:09Aber ist dir das denn bei DSA ernsthaft mal passiert, dass du dich persönlich von einem Autor und seinem Werk angegriffen gefühlt hast? Das klingt ehrlich gesagt etwas merkwürdig und arg theoretisch.
Nehmen wir einmal an, ein DSA-Buch beschreibt den großen Haffax, magnificent bastard, jetzt in einem Rutsch als plumpen Vergewaltiger, der in der Nase bohrend, mehr durch Glück als durch Verstand seine Leben geführt hat und eigentlich stets und immer überschätzt wurde. Dies ist ein Bild welches der Autor von der Figur hatte, seine Geschichte, die er gerne erzählen möchte. Nun erzählt er eben jene Geschichte und verletzt auf diese Weise natürlich die Vorstellung all derer, die genau die Rolle von Haffax in ihrem Aventurien nach bisherigen Quellen gänzlich anders besetzten. Auf welcher Seite liegt nun die Verantwortung dafür?
Anderes Beispiel, real passiert, eine Handvoll Autoren beschließt, in einem Moment großer Erkenntnis, dass es Nandus als Gott eigentlich gar nicht mehr gibt und alles, was bisher zu ihm existiert an Material, zum Fake zu erklären, ein großer kosmischer Irrtum. Eigentlich sind diese Nanduspriester nichts anderes als sentimentale Anhängsel von Hesinde, die in Erinnerung an Nandus eben auch diesen noch Karma gewährt. Eine Handvoll Spieler, die Nandusgeweihte gespielt hat, ist nun vor den Kopf gestoßen, denn plötzlich bricht ihre gesamte Geschichte zusammen, ihr Hintergrund setzt sie auf den Status von Narren, die in ihren Graden der Erkenntnis nicht mal erahnen können, dass sie keinem existenten Gott mehr dienen, sondern nur einem Nachhall aus Äonen. Kann man hier nachvollziehen, dass sich ein solcher Spieler verletzt vorkommen mag, ja es sogar ist, weil von außerhalb, mit der Autorität des Autoren, sein Charakter verändert wurde bzw. sein Kontext? Wer hat denn die Verantwortung dafür?
Und nun soll "man" nett sein, während einfach ohne Rücksicht, ohne Rückfrage, jemand anderes mein Konzept torpediert hat?
Ich sehe nämlich auch keine Einseitigkeit beim Verriss. Um so einen zu provozieren, hat der Autor sich bereits vorher etwas erlaubt. Er hat ihn ausgelöst und vielleicht durch ebensolche Verletzung oder ebensolche Rüpelhaftigkeit, der man nun mit Höflichkeit begegnen sollte. Der Verriss hat einen Anlass, es ist niemals nur einseitig. Nur so wie man sich eines Werkes nicht "erwehren" kann, der Autor fragt im Regelfall ja auch nicht seinen Leser, was man nun lesen möchte, so hat er dennoch viel Anteil am Verriss selbst. Er ist eine Reaktion auf einen Mangel, einen Makel, ein Eindringen des Autors in meine Lebenswelt und Vorstellung, eine Kritik an einem Werk, dem man eben nichts positives abgewinnen kann oder nur wenig.
Ich kann nachvollziehen, wieso man Autoren, die dies hobbymäßig machen und deren Bezahlung nicht sonderlich gut ist, unter einen schützenden Schirm stellen will (aus der Sorge heraus, es würde sonst niemanden mehr geben, der schreibt, sobald man erst einmal alle zu harsch angegangen ist). Aber ich teile diese Ansicht nicht. Ja, sie verdienen nicht gut. Ja, sie sind vielleicht "näher" am Kunden, weil sie selbst nur schlecht bezahlte Kunden sind. Ja, sie haben viel Arbeit investiert. Das ist sicherlich wahr, das trifft sicherlich auch auf viele andere Bereiche zu. Aber wenn sie einen Bock geschossen haben, wenn sie sich im Ton vergreifen, wenn sie es an Qualität merklich mangeln lassen, dann kann man ihnen das auch sagen und zwar ohne die schonende Haltung, die man gegenüber einem Kleinkind anschlägt, bei dessen gemaltem Gesicht in der Sonne, der Erwachsene begeistert zustimmt, welch Leistung erbracht wurde und dass es ja jetzt solange gebraucht hat das ganze Blatt blau auszumalen, weil überall sonst Himmel ist.
Für mich hat der Verriss eine Berechtigung, sogar eine notwendige Funktion, für den Fall, dass es Dinge gibt, an denen einfach wenig gutes zu finden ist oder vom Verfasser gefunden wird. An so einem Verriss kann man sich reiben, man kann sich an ihm messen und man kann ihn diskutieren. Aber ich sage, man sollte ihn niemals zensieren oder als unangemessene Form im generellen Beschreiben. Ein Denkverbot wie "Ein Verriss gegen DSA-Autoren ist ein Unding und sollte nicht geschehen, sie sind schützenswert wenige, sie verdienen den Respekt auf Basis ihres geringen Einkommens und christlich halte die andere Wange hin, wenn sie deine Spielwelt erschüttern, denn sie sind eben nur Laien" (so will ich es niemandem in den Mund legen, aber so eine Befürchtung habe ich im letzten Ende, wenn ich lese, wie viel Zustimmung die Nettiquette vor der Kritik, auch der dekonstruierenden, bekommt und mit welcher Selbstverständlichkeit ein Sonderstatus vergeben wird für Personen, die man gleichzeitig eben weder Experten noch Talente, sondern bemühte Laien nennen will) ist für mich ein fataler, falscher Schritt. Und gegen eine solche Vorverurteilung des Verrisses diskutiere ich an.