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von Sibylla
26.07.2015 20:47
Forum: Romanbewertungen
Thema: R116: Verrat
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Re: R116: Verrat

Auch von mir erhält der Roman „Verrat“ 5 Punkte, wobei auch ich nun am Ender meiner Nerven angekommen bin – sowohl aufgrund dessen, dass sich die Spannung zum Ende hin immens aufgebaut hat, der Ereignisse sich überschlugen, ich nicht wusste, was alles passieren wird (ok, als „Alter Hase“ weiß man ja, welche Chars wann warum sterben... Daran lag es nicht ;)), als auch aufgrund der Tatsache, dass es keinen dritten Roman aus der Reihe gibt.

WAS ZUM HENKER SOLL DIESE SCHWACHSINNSENTSCHEIDUNG VON ULISSES????

Wie auch in meiner Rezension von „Macht“ muss ich Michelle Schwefel für diese wunderbar gelungene Umsetzung dieses umfassenden und schwierigen Stoffs danken. Meiner Ansicht nach sind die beiden Romane mit die besten, die es zu DSA gibt.
Doch nun zu den Details meiner Bewertung 
Ich finde, der Roman „Verrat“ liest sich etwas flüssiger als sein Vorgänger, da er wesentlich mehr ein „Roman“ im klassischen Sinn und weniger eine romanhafte Biographie oder ein Geschichtsepos ist. Umfasste sein Vorgänger knapp zwanzig Jahre, werden hier lediglich die Geschehnisse von 995 bis 998 geschildert, wobei insbesondere das letzte Jahr wesentlich Raum einnimmt. Dabei haben wir folglich häufiger die Möglichkeit, durch das Stilmittel des auktorialen, allwissenden Erzählers in die Gedanken der Charaktere zu blicken oder durch sehr stimmungsvolle Schilderungen die entsprechenden Episoden eindrucksvoll mitzuerleben.
In Bezug auf Hal gelingt Michelle Schwefel das meiner Ansicht nach sehr gut. Meisterinformationen zu: "": Hal wird in meinen Augen eine immer mehr vom Schicksal gebeutelte, in sich zerrissene und teilweise recht fragwürdig agierende Person, bei der es für mich aber absolut nachvollziehbar ist, warum sie so…. zerrissen, fragwürdig und größenwahnsinnig handelt. Faszinierend finde ich, dass man nur am Anfang direkt vor Augen geführt bekommt, dass Hal eine Frau ist (S. 46-52), dass Hal sich aber im Rest des Buches ziemlich verzärtelt, schüchtern, weich usw. verhält – eben wie eine Frau. Denkt man alleine nur daran, welchen Tonfall Answin teilweise mit Hal anschlägt (z.B. S. 157-161) oder auch Hildelind (S. 341-343). Eigentlich hätte es da schon von einem resoluten Kaiser „Ab mit dem Kopf für diese Respektlosigkeit“ heißen müssen.
Alara Paligan wird nimmt zu Anfang des Romans etwas mehr Raum ein und wird stärker charakterisiert, natürlich insbesondere in Bezug auf ihr Verhalten Answin gegenüber. Lanore nimmt in ihrer Rolle als Answins Ehefrau auch eine gewichtigere Rolle im Roman ein und wird meiner Ansicht nach deutlich resoluter. Sie ist Answin eine aufrichtige und loyale Ehefrau, die den Traviabund über alles achtet und dessen Bedeutung sie wie ein beinernes Korsett trägt. Ihre Loyalität geht extrem weit, fast bis zur Selbstaufgabe, wenngleich sie Answin auch mehrmals mehr als deutlich die Meinung sagt. Sehr bewegend empfand ich ihr Auftreten am Ende des Romans, Meisterinformationen zu: "": als Answin im Kerker sitzt und auf die Verurteilung wartet. Mir tat Lanore unglaublich Leid. Sie zieht Fredegard um ihres unschuldigen Lebens willen selbstlos auf, deckt Answins Affäre über Jahre und begeht nun vor Gericht den übelsten Meineid, um Fredegards Unschuld sowie die Ehre ihrer Kinder und ihrer selbst zu schützen. Ihre Worte „Wie soll ich Euch jemals wieder vertrauen? Einem Eidbrecher und Frevler“ (S. 322) empfand ich als sehr bewegend, immerhin spricht da die Ehefrau zum ihrem Mann.
Sehr spannend fand ich die Stellung der Praioskirche zu Hal und Answins Offenbarungen am Ende des Romans. Ich persönlich habe mich reichlich gewundert, dass Meisterinformationen zu: "": der Heliodan Hal zum Auserwählten Praios und damit Gott erklärt hat (S. 166-167). Erst am Ende, ab S. 349-356, als Answin dem Heliodan schreibt und Hals Geheimnis aufdeckt, erfährt man mehr über die Beweggründe der Praioskirche in diesem Hinblick. Es sind simpel zusammengefasst schnöde Geldspenden, Haschen nach mehr Einfluss, Macht und damit politische Gründe, wegen der sich die Praioskirche bereit erklärt hat, Hal in den Rang eines Gottes zu erheben. Dass sie sich damit im Endeffekt selber in die Bredouille geritten hat und nun, mit Answins Offenbarung, vor einem ganz gewaltigen Dilemma steht, erscheint fast wie ein zynischer Schlag des Schicksals selber
Auf Answin selber möchte ich nur grob eingehen, möge sich jeder Leser selber eine Meinung zu seinem Tun und Denken bilden ;) In Answins politischer Karriere gemessen umfasst der Roman die Ereignisse von Meisterinformationen zu: "": seiner Erhebung als Reichsregenten und Vormund für Brin (S. 100), der Stärkung seiner Person durch Hal – unter anderem mit dem Bruderkuss (S. 100 + 121) und letztendlich dem absoluten Vertrauensverlust des Kaisers, bis sich dieser selbst über das Praiosurteil durch die Geweihten des Götterfürsten hinweg setzt und Answin jeglicher Titel enthebt und ihn vom Kaiserhof verbannt (S. 333-334)

Als letzte Szene möchte ich das vorletzte Kapitel hervorheben, das mich fast zu Tränen gerührt hat. Answin verlässt dort Werheim und bekommt sein Geleit von den Werheimern (S. 358-364). Die Loyalität, welche die Werheimer ihrem Grafen entgegen bringen, hat sich mir fest ins Bewusstsein gegraben und wird künftig für mich sinnbildlich für die Darpatische sein.
Um mit dem letzten Worten dieser Szene zu enden: „…Hier ritt ein einflussreicher Mann des Reiches aus dem alten Adel. Gestrauchelt, aber immer noch eine Person von Respekt…“ (S. 360)