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von sagista
21.03.2017 22:53
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Man muss ja davon ausgehen, dass alle, die mit "nein" stimmen, in den Augen Erdogans mindestens Verräter wenn nicht gar Terroristen sind. Geht das Referendum aus seiner Sicht schief, wird er wahrscheinlich eine ganz große Verschwörung gegen sich und die Türkei wittern. Ich glaube zwar nicht, dass er versuchen wird, mittels eines Wahlbetrugs das Referendum zu gewinnen, aber vielleicht versucht er es nach eine weiteren Säuberungs- und Propagandawelle in einem Jahr erneut. Das ist aber tatsächlich alles Spekulation.

Zumindest bleiben wir von weiteren unerwünschten Besuchen verschont. Vielleicht kann man ja dann irgendwann mal wieder zu vernünftigen Beziehungen kommen. Gleichwohl würde ich es begrüßen, wenn man vor der Rückkehr zur Tagespolitik darauf bestehen würde, dass Erdogan seine unsäglichen Verbalinjurien der letzten Tage zurücknimmt, um Entschuldigung bittet und sich ganz klar davon distanziert. Wenn er das nicht hinbekommt, sind Gespräche auf Augenhöhe schwierig, da er sonst das Image des bockigen ungezogenen Kleinkindes in der Gestalt eines erwachsenen Mannes so schnell wohl nicht wieder loswerden wird.
von sagista
20.03.2017 23:43
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Was bleibt ist die Frage, wie es weitergehen soll mit dem Verhältnis zur Türkei. Ob es nun legal ist oder nur nicht sanktionierbar ist, wenn der eine Staatschef andere Staats- und Regierungschefs unentwegt beleidigt oder ob Regierungsmitglieder diplomatische Immunität genießen, ist für diese Frage eigentlich ziemlich unerheblich, weil es sich dabei letztendlich um Kleinigkeiten handelt.

Fakt ist jedoch, es vergiftet das Verhältnis und die Atmosphäre immer weiter. Es mag Herrn Erdogan daran gelegen sein, die Eskalationsspirale immer weiter zu treiben, um weiterhin Propaganda nach dem Motto "Die Welt hat sich gegen die Türkei verschworen" machen zu können. Ich denke, man kann durchaus davon ausgehen, dass zumindest vor dem Referendum keine Deeskalation seitens der türkischen Seite zu erwarten ist; es wird ja täglich nachgelegt, selbst wenn die vorangegangene Beleidigung nicht retouniert wird.

Inzwischen denke ich, man sollte türkische Wahlkampfauftritte in Deutschland und im besten Fall in ganz Europa nun grundsätzlich untersagen. Wie wir festgestellt haben gibt es für türkische Politiker kein Anrecht auf die Durchführung dieser Auftritte. Aufgrund des sehr unfreundlichen Gebahrens der türkischen Regierungsmitglieder erscheint es mir nicht sinnvoll, ihrem Willen dennoch nachzugeben. Sollen sie halt toben und wüten und wenn Herr Erdogan dann seinen Worten Taten folgen lässt und trotz Nichteinladung einreisen will oder ansonsten einen Aufstand anzetteln will, muss er trotzdem bleiben. Auch in der Vergangenheit waren insbesondere die Auftritte Erdogans in Deutschland meistens problematisch und integrationsfeindlich.

Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn ausländische Regierungschefs zu ihren hier lebenden Landsleuten kommen und zu ihnen sprechen, aber die türkische Seite hat den Bogen schlicht überspannt, so dass sie in meinen Augen den guten Willen der Bundesregierung in dieser Sache nicht mehr verdient haben.
von sagista
20.03.2017 00:16
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

@ Eulenspiegel:
Interessant, was du unter einem Themenwechsel verstehst, aber gut. Ich erspare jetzt allen Anwesenden und mir ausschweifende Argumentationen, warum das in meinen Augen kein Themenwechsel ist, weil das Ergebnis eh vorprogrammiert ist, da bin ich geneigt, Farmelon zuzustimmen.

Ich finde gleichwohl deine These nachwievor interessant, dass es auf internationaler Ebene kein Anrecht darauf gäbe, nicht beleidigt zu werden. Gut, es wird schwierig, Herrn Erdogan wegen Beleidigung vor Gericht zu bringen, aber dass es im Umkehrschluss erlaubt sein soll, finde ich interessant.
Eulenspiegel hat geschrieben:Es gibt letztendlich vier Punkte:
1. Das Einreiseverbot war legal.
2. Das Einreiseverbot war unmoralisch.
3. Die Beleidigungen waren legal.
4. Die Beleidigungen waren unmoralisch.
Zu 1: Ja, ist selbsterklärend.
Zu 2: Nein, das Einreiseverbot war eine adäquate Reaktion auf die Sanktionsansdrohung.
Zu 3: Nein, Beleidigungen sind i. d. R. strafbar. Selbst wenn nicht exekutierbar, so doch zumindest ein diplomatisches NoGo. Wenn man auf dem formalistischen Standpunkt steht, dass alles legal ist, was nicht sanktioniert wird, ist das in diesem konkreten Fall eher eine Spitzfindigkeit.
Zu 4: Ja.

Im Übrigen sind, nach meinem Kenntnisstand, Regierungsmitglieder immer noch keine Mitglieder des diplomatischen Dienstes. Du musst zwischen Regierung und Diplomaten unterscheiden. Einen Diplomaten kann man zur persona non grata erklären, d. h., dass diese Person nicht mehr erwünscht ist. Mit einer Ministerin hat das nichts zu tun.
von sagista
19.03.2017 14:52
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Interessant, wie du immer festlegst, was gerade Thema ist und was nicht. Ich lasse das einfach mal so stehen; ich denke, jeder wird selbst lesen und erkennen, wer wie wann in den Themen herumspringt. Ein enervierende Diskussion darüber ist überflüssig, so dass ich einfach mal beim Thema bleibe, ohne mich jetzt um jede semantische Spitzfindigkeit zu kümmern.

Du ignorierst jedoch beharrlich den entscheidenen Punkt, es gibt kein Anrecht auf Einreise für ausländische Politiker. Du kannst noch so viel drum herum reden, von legalen Handlungen, Unterscheidungen zwischen Worten und Taten schreiben, etc., am Ende bleibt dieser entscheidene Punkt, den man nicht wegdiskutieren kann. Eine Einreise gegen den Willen der jeweiligen Regierung ist dann eben nicht mehr legal. Mit zweierlei Maß hat das nichts zu tun, du gehst schlicht von falschen Prämissen aus.

Und so messe ich auch die Eskalationsverteilung. Und vor allem auch, was danach war. Das ignorierst du ja auch. Nach der Ausweisung der türkischen Ministerin kam aus Den Haag nichts Eskalierendes mehr - zumindest so weit ich weiß - aber die Hasstiraden aus Ankara gingen ja immer weiter.
von sagista
19.03.2017 05:08
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Wenn du meinst, dass Beleidigungen zu akzeptierender Teil internationaler Beziehungen ist, dann mag dir dies gegönnt sein. Ich halte das jedoch weder für politisch klug noch vernünftig. Ob Beleidigung ein international definierter Straftatbestand ist, weiß ich nicht.

Aber ich möchte doch denken, dass derjenige, der vermeintliche oder tatsächliche "Eskalationsschritte" vollzogen hat, die rechtlich in Ordnung sind, insgesamt in einer besseren Situation ist als einer, dessen Eskalationsschritte rechtlich zumindest fragwürdig sind. Es geht ja darum, wer nun sachlich den ersten Schritt in Richtung Deeskalation gehen sollte; das ist, im vorliegenden Fall, eindeutig die Türkei.

Deine Ausführungen zu den inneren Angelegenheiten sind eine Überinterpretation meiner Aussagen zu diesem Thema, was du ja auch genau weißt, insofern muss ich darauf garnicht gesondert eingehen. Allerdings hättest du dir, wenn schon, zumindest die Mühe machen können, auf den Unterschied zwischen dem Diplomaten und dem Regierungsmitglied einzugehen.

Zu den Wahlkampfauftritten: Ja, die Regierung eines Landes kann es Politikern anderer Länder erlauben, Wahlkampfauftritte durchzuführen. Ich habe da prinzipiell ja nicht mal was gegen. Aber, eine Regierung kann das eben auch verwehren und das hat die andere Regierung dann zu akzeptieren, ohne dieses Brimborium zu veranstalten. Ich habe doch nie gesagt, dass Wahlkampfauftritte im Ausland verboten seien - gut, im Falle der Türkei ist es aufgrund der türkischen Verfassung doch verboten, aber sei es drum - aber was gibt es denn daran nicht zu verstehen, dass es kein Recht darauf gibt? Es ist somit eine Gefälligkeit des Staates, der das erlaubt, somit verbietet es sich, auf eine Ablehnung so zu reagieren.

Was mir nicht klar ist, warum verteidigst du das Verhalten der Regierung Erdogan? Ist es einfach die Lust daran, eine provokative Haltung einzunehmen oder bist du wirklich von dem überzeugt, was du schreibst?

Im Übrigen fällt mir auf, dass du dich immer noch nicht dazu geäußerst hast, wie deiner Meinung nach die Anteile an der Eskalation verteilt sind.
von sagista
19.03.2017 02:10
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Soweit ich informiert bin, verbietet es sogar die türkische Verfassung, im Ausland Wahlkampf zu machen, aber was interessiert einen Herrn Erdogan schon die Verfassung seines Landes.

Ansonsten, ok, anscheinend sind Beleidigungen erlaubt, oder woher begründet sich das Anrecht, andere Staaten oder Staatsoberhäupter als Faschisten zu bezeichnen? Vor allem solche, mit denen man in einem Militärbündnis steht, in deren Union man vorgeblich möchte etc. Im Übrigen war dies auch nicht der Punkt, an dem die Türkei Recht gebrochen hat, das hat sie, als z. B. die Ministerin einfach so in die Niederlande eingereist ist, obwohl es explizit unerwünscht war.
Eulenspiegel hat geschrieben:Ansonsten wechselst du andauernd das Thema: Wir hatten über Eskalation gesprochen und jetzt sprichst du plötzlich von Recht. Könnten wir vielleicht bei einem Thema bleiben und nicht alle paar Posts das Thema wechseln? Denn das führt letztendlich dazu, dass das Gespräch sich im Kreis dreht.
Dann lies noch mal meinen Post vom 18.03.2017 13:04. Dann wird klar, worauf ich hinauswill. Ich versuche schon zu eruieren, wie man irgendwann aus dieser Spirale auch wieder herauskommt. Und da ist es schon nicht unerheblich festzustellen, was zwar als eine Eskalation verstanden werden kann, aber dennoch rechtens ist und was eine Eskalation ist, die dazu auch Unrecht ist. Von einem Themenwechsel kann also mitnichten die Rede sein.

Was die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Empfangsstaates betrifft: Wir befinden uns auf deutschem Territorium, bzw. im aktuellen Thema auf niederländischem Territorium. Es handelt sich um politische Veranstaltungen, die auch Einfluss auf die Gesellschaft des Empfangsstaates hat, da ja die türkischstämmigen Einwohner auch Teil der niederländischen Gesellschaft sind. Das ganze Thema führt zu Spannungen innerhalb der türkischen Community. Also kann man durchaus von inneren Angelegenheiten sprechen. Im Übrigen weiß ich nicht, ob dieser besondere Rechtsschutz für Diplomaten auch für Politiker gilt, die ja nicht zwingend Diplomatenstatus genießen, so weit ich weiß. Dass ausländische Politiker mehr Rechte zur politischen Agitation im Empfangsstaat haben als Diplomaten, darf bezweifelt werden.
tagesschau.de hat geschrieben:Kein Anspruch auf Einreise

Das Gericht stellt bei dieser Gelegenheit klar: Staatsoberhäupter und Mitglieder ausländischer Regierungen haben weder aus dem Grundgesetz noch aus dem Völkerrecht einen Anspruch auf Einreise nach und die Ausübung amtlicher Funktionen in Deutschland. Dazu sei vielmehr die Zustimmung der Bundesregierung nötig, denn solche Entscheidungen fallen in ihre Zuständigkeit für Auswärtige Angelegenheiten. So eine Zustimmung zur Einreise kann auch "konkludent" erfolgen - das heißt, die Einreise muss nicht in jedem Einzelfall ausdrücklich genehmigt werden.
Es wird ganz deutlich, das Verweigern von Wahlkampfauftritten stellt eigentlich nicht einmal eine der viel zitierten Eskalationen dar. Das ergibt sich offensichtlich aus dem Völkerrecht; ob die niederländische Verfassung einen ähnlichen Passus wie das Grundgesetz enthält, entzieht sich meiner Kenntnis.
von sagista
18.03.2017 15:41
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Du vergisst bei deinen Überlegungen aber eines, Eulenspiegel, bzw. sagst zwar, dass du das nicht vergisst, aber du fügst dem keine angemessene Bedeutung bei deiner Bewertung zu: Es gibt kein Anrecht eines Politikers, im Ausland einen Wahlkampfauftritt zu absolvieren, mithin hat die Niederlande nichts unrechtes getan, die Türkei schon. Da mag man sich mit Begriffe wie "Dämlichkeiten" irgendwie versuchen herauszulavieren, aber das ändert nichts daran, dass die Niederlande zu keinem Zeitpunkt im Unrecht war, die Türkei schon.
von sagista
18.03.2017 13:56
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Über das Stadium sind wir längst hinaus, wir drehen uns im Kreis. Oder rechtfertigen diese "Taten" - ich setze das jetzt bewusst in Anführungszeichen, da, wie dargestellt, die türkische Eskalation natürlich auch aus Taten bestand und besteht - ewig währende Beschimpfungen aus der Türkei? Die Türkei setzt die Eskalation durchgehend fort, die Niederlande tut das nicht.

Ansonsten also doch die Methode, Erdogan wie ein unreifes Kind behandeln nach dem Motto, der will doch nur spielen?
von sagista
18.03.2017 13:04
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ich nehme jetzt einmal als Fazit zur Kenntnis, da du dich in dieser Frage beharrlich weigerst, konkret zu antworten, dass deiner Meinung nach letztendlich beide Seiten, sowohl die Niederlande / Deutschland auf der einen als auch die Türkei auf der anderen Seite, in etwa einen gleichen Anteil an der Eskalation haben. Wahrscheinlich nervt es dich, dass ich in dieser Frage so insistiere, aber ich möchte dir erklären, warum ich diesen Part für so bedeutsam halte.

Ich denke, dass die Partei, die einen wesentlich höheren Anteil an der Eskalation hat - und das ist für mich ohne jeden Zweifel die Türkei - auch wesentlich mehr für eine Verständigung tun muss. Wie du treffend bemerkst, nach der Wahl ist nach der Wahl, d. h. man wird irgendwann wieder über eine Normalisierung sprechen müssen. Bislang kann ich nicht erkennen, dass der Hauptaggressor daran überhaupt interessiert ist.

Ich fände es ein fatales Zeichen, wenn man dann irgendwann, ohne Entschuldigung und Mäßigung der türkischen Seite zur Tagesordnung übergehen würde. Dazu wurde zuviel, vor allem von der türkischen Seite, diplomatisches Porzellan zertrümmert. Und ob die Türkei noch ein "verlässlicher Kollege" ist, wird wohl die Zukunft zeigen.

Du fragst, was die Niederlande zur Deeskalation beigetragen hat. Naja, in dieser Phase sind wir noch garnicht. Immerhin tut sie nichts, im Gegensatz zur Türkei, um weiter zu eskalieren. Aus Ankara kommen ja jeden Tag immer neue, immer irrwitzigere Tiraden. Auf der anderen Seite will die Türkei als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen und behandelt werden. In Ordnung, aber dann muss sie auch die Konsequenzen ihrer fortgesetzten und immer lächerlich werdener Provokationen tragen. Oder sich zumindest so verhalten, dass sie wieder ernstgenommen werden kann.

Erdogan das Köpfchen zu tätscheln, wenn er sich dann wieder beruhigt hat, ist das Gegenteil davon, ihn ernstzunehmen oder ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Ich denke, es geht in dieser Sache nicht anders, als ihn irgendwann zu Kreuze kriechen zu lassen mit einer kleinen Chance, das Gesicht zu wahren. Aber er muss lernen, dass es so nicht geht. Wie ich schon mal sagte, im Umgang mit Erdogan kann man von Putin einiges lernen.
von sagista
18.03.2017 00:16
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Herr der Welt hat geschrieben:Zitatebombardement ist kein Kennzeichen akademischer Bildung. Ich halte es auch nicht für besonders guten Stil und überlese einen solchen Schlagabtausch geflissentlich, der ohnehin öfter in ein OT-Zwiegespräch abzudriften droht.
Man verfällt unheimlich schnell in eine Zitateschlacht. Man möchte halt möglichst in jedem Punkt seinen Standpunkt weiter verdeutlichen. In früheren Diskussionen artete das bisweilen arg aus, bis man irgendwann festgestellt hat, dass sich eigentlich alle anderen aus der Diskussion verabschiedet haben, sprich die Diskussion an sich getötet hat, auch wenn man eigentlich die Absicht hatte, eine engagierte Diskussion zu führen. Deswegen scheint es mir inzwischen klüger zu sein, bei einer aufkommenden Zitateschlacht zügig die Notbremse zu ziehen. das bedeutet nicht, dass Zitate zwingend schlecht sind, aber im Rudel sind sie halt eher kontraproduktiv. OT-Zwiegespräch trifft es mitunter ziemlich gut.
Ansonsten würde ich die Unterstellung einer hohen Akademikerdichte grundsätzlich als Kompliment verstehen, auch wenn es vielleicht nicht so gemeint war ;-)
von sagista
16.03.2017 23:34
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Nur ging es nicht um Argumente, sondern um Aussagen. Es ging um die Bedeutung, die Aussagen haben und warum es bedeutsam ist, wer eine Aussage trifft. Dein Punkt 1 ist ja schön und gut, geht nur am Thema vorbei. Ich gehe da jetzt aus diesem Grunde auch nicht in Details, ich denke, du beißt dich da in etwas fest, was kaum nachvollziehbar ist.

Zu 2.: Jetzt widersprichst du dir selbst. Die jetzt von dir eingeführte Differenzierung zwischen Wörtern und Aussagen ist nichts anderes als das, was du vorher abgelehnt hast.

Zur Frage "verwerflich ja /nein": Warum keine klare Aussage, wo du dich vorher dagegen verwahrt hast, du hättest gesagt, das Verhalten der niederländischen Regierung sei verwerflich gewesen?
Eulenspiegel hat geschrieben:1. Die Wahlreden von Anfang an erlauben.
2. Wenn man die Reden verbietet, eine Alternative anbieten.
Hat denn die türkische Seite adäquat auf die, rechtlich absolut nicht zu beanstandenen Handlung der niederländischen Seite reagiert?

Ein Flugzeug kann im Übrigen auch abdrehen, wenn die Einreise verweigert wird.

Daher noch mal die Frage, der du seit Tagen ausweichst: Wie siehst du die Anteile der unterschiedlichen Parteien an der Eskalation?

A propos türkischer Außenminister: Türkischer Außenminister warnt vor "Religionskriegen" in Europa

Oder Erdogan: Erdogan wirft Niederlanden Massaker an 8000 Muslimen vor

Nehmen wir nur einen Moment mal an, die niederländische Regierung hätte sich vollkommen grundlos wirklich unfreundlich gegenüber der türkischen Seite verhalten und wäre böswillig auf Eskalation aus gewesen, selbst dann wären diese ganzen Tiraden aus Ankara vollkommen unangemessen. Welche Schritte haben die Türken zur Deeskalation unternommen? Keinen einzigen, die hauen immer weiter, immer ungehemmter auf alles, was sich bewegt. Ich dachte immer, die Türkei wolle als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Wie soll das denn gehen, bei diesem lächerlichen Verhalten?

Man muss sich inzwischen die Frage stellen, wie man überhaupt wieder gemeinsam an einen Tisch sitzen können wird und vernünftig zusammenarbeiten kann. Ich hoffe, die EU stellt sich gemeinsam gegen die Erdogan-Türkei. Ein formales Ende der EU-Beitrittsgespräche mit Streichung sämtlicher Hilfen sollte zumindest angedacht werden, auch ein Ausschluss aus der NATO wäre eine Option. So wie sich die türkische Regierung derzeit aufführt, ist sie weder Freund noch ein verlässlicher Partner.

Und wieder sieht man, wie entscheidend es ist, wer Aussagen tätigt. Hätte z. B. irgendein Iman aus Anatolien die steile These aufgestellt, die Niederländer hätten 8.000 Muslime in Srebrenica massakriert, würde wohl eher kein Hahn danach krähen. Tut dies der türkische Präsident, ist das ein diplomatischer Eklat.
von sagista
16.03.2017 08:47
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Eulenspiegel hat geschrieben:Eben nicht, das ist doch der Punkt, den ich versuche, dir zu erklären.
Eine Aussage ist losgelöst von demjenigen, der sie ausspricht. Wenn du diese beiden Sachen verkoppelst, bist du bei einer ad-hominem-Argumentation.
Ich mag mich täuschen, aber ist eine ad-hominem-Argumentation nicht etwas völlig anderes? Ich dachte immer, ein ad-hominem-Argumentation würde nach dem Schema funktionieren, "XY ist doof, also ist alles, was XY sagt, auch doof und daher abzulehnen".
Das hat nichts damit zu tun, ob es entscheidend ist, wer was in welcher Position sagt und dass es etwas völliges anderes ist, wenn ein Satiriker etwas sagt oder ein Staatspräsident, auch wenn sie inhaltlich exakt das selbe sagen.
Eulenspiegel hat geschrieben:Nebenbei sieht man ja sehr deutlich, dass die Aussage von Erdoğan nicht seinen politischen Selbstmord bedeutet, sondern dass er nach wie vor viele Anhänger hat.
Man wird sehen, wie man wieder zusammenkommt, wenn das Refenrendum abgeschlossen wird. Ich glaube kaum, dass man in der internationalen Politik einfach so zur Tagesordnung übergehen wird. Erdogan hat sein Images als unreifes, cholerisches Kleinkind in Gestalt eines erwachsenen Mannes eindrucksvoll bestätigt und zementiert. Dass das seine Anhänger nicht stört, mag sein, aber den politischen Flurschaden, den er angerichtet hat, ist noch kaum abzuschätzen.
Eulenspiegel hat geschrieben:Du hattest geschrieben: "Was daran jetzt verwerflich sein soll, verstehe ich nicht."

Das impliziert, ich hätte das behauptet.
OK, ich nehme zur Kenntnis, dass du das Verhalten der niederländischen Regierung nicht verwerflich findest. Ist das korrekt?

Was wäre denn deiner Meinung nach eine deeskalierende und nicht-dämliche Reaktion der niederländischen Regierung gewesen?
Eulenspiegel hat geschrieben:Es ist schwierig, Prozentzahlen zu nennen. Wie misst man diese?
Naja, klar, aber du musst doch sagen können, wem du den höheren Anteil an der Eskalation zumisst.
Eulenspiegel hat geschrieben:Was man jedoch sagen kann: Die niederländische Regierung hatte als erste eine tätliche Eskalation eingeführt, während die türkische Eskalation zuerst verbal blieb.
Wie hat die türkische Seite noch gleich reagiert, als darum gebeten wurde, türkische Wahlkampfauftritte in den Niederlanden zu unterlassen? Man ist trotzdem gekommen. Das sehe ich als ganz klare tätliche Eskalation. Nochmal, es gibt überhaupt keinen Anspruch darauf, für einen Politiker im Ausland als Poliiker tätig zu werden, wenn das Land das nicht möchte. Man mag dann entäuschend finden oder sich drüber ärgern, aber dann trotzdem anzureisen, naja, müsste auch in deinem Duktus eine "tätliche Eskalation" sein.
von sagista
15.03.2017 06:41
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Auf die Frage, wo "Dämlichkeit" seitens der niederländischen Regierung vorliegt oder nicht, habe ich ja schon geschrieben. Da steht ja noch eine Antwort, wie auch auf die Frage der Akzeptanz von Äußerungen und dem prozentualen Anteil an der Eskalation zwischen den beiden Staaten, aus.

Und, ich denke, da muss ich dich korrigieren, natürlich geht es darum, ob es in Ordnung ist, wenn die Niederlande Wahlkampfauftritte türkischer Politiker untersagen. Vielleicht geht es dir nicht vorrangig darum, das mag sein, aber die türkische Seite scheint der irrigen Annahme zu sein, sie dürfe Wahlkampf machen, wo und wann immer sie will, auch wenn ihr eigenes Gesetz das anders sieht.

Daher ist auch deine Einschätzung interessant, wie hoch der jeweilige Anteil an der Eskalation ist. Je niedriger der Anteil der niederländischen Regierung daran ist, desto unerheblicher wird es, ob es da nicht noch geschicktere Reaktionsmöglichkeiten seites der niedeländischen Regierung gegeben haben könnte.
Eulenspiegel hat geschrieben:Daraus folgt, dass Erdoğan nicht zwangsläufig im Namen des Volkes spricht. Gerade bei einem Wahlkampf ist es wahrscheinlicher, dass er eben nicht im Namen des Volkes spricht, sondern die Motivation eher auf Parteienebene liegt. Das heißt, er spricht an das Volk.
Der türkische Präsident hat sich, so weit ich weiß, im Wahlkampf neutral und überparteilich zu verhalten. Er ist das Staatsoberhaupt, er spricht als oberster Vertreter des türkischen Volkes für das Volk. Es ist zu unterscheiden zwischen türkischer Regierung und dem türkischen Präsidenten. Letztendlich geht es um die Frage, ob Erdogan mit seinem Verhalten nicht schlicht die Verfassung seines eigenen Land ignoriert und bricht.
von sagista
14.03.2017 23:47
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Eulenspiegel hat geschrieben:Die Frage ist, warum sie keinen türkischen Wahlkampf in ihrem Wahlkampf haben wollen.
Ich finde diese Frage überhaupt nicht wichtig, weil das doch vollkommen in Ordnung ist, wenn ein Land nicht möchte, dass ein anderes Land seinen Wahlkampf in das Land hineinschleppt. Insbesondere, wenn man selbst in der heißen Phase des eigenen Wahlkampfes steckt, muss das wirklich nicht sein.
Eulenspiegel hat geschrieben:Ich möchte darauf hinaus, dass auf Staaten- und Parteienebene unterschiedliche Motivationen existieren:
[...]
Grundsätzlich hat eine Regierung daher immer zwei Motivationen: Eine gegenüber ihrem Staat und eine gegenüber ihrer Partei. Diese beiden können sich deutlich unterscheiden.
Das gilt prinzipiell für alle Regierungen.
Hmm, ja, schön, das ist ja nun nichts Neues, und weiter?
von sagista
14.03.2017 23:15
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ich kann nicht erkennen, dass die Niederlande Einfluss auf den Ausgang des Referendums nehmen wollen. Sie wollen einfach keinen türkischen Wahlkampf in ihrem eigenen Wahlkampf, so einfach ist das. Die Türkei hat das nicht toleriert, sondern wollte, wie anscheinend inzwischen üblich, mit dem Kopf durch die Wand und hat Drohungen ausgesprochen, was dazu führte, dass der erste Auftritt verboten wurde.

Vielleicht verstehen wir unter "versuchen, die Verfassungsänderung zu verhindern" etwas anderes. Du scheinst da ja alles mögliche drunter zu verstehen, sei es den Herren Kilic und Zingal Kontra zu geben, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker zu verhindern, usw. Das klingt so, als wolle man in den türkischen Wahlkampf eingreifen, Stimmung für die Opposition machen, das Wahlergebnis beeinflussen etc. Das ist doch alles überhaupt nicht der Fall.

Sicherlich kann man seiner Sorge Ausdruck verleihen über das, was da vorgeht und eben auch das tun, was ich oben schrieb, aber das ist doch kein Eingriff in den Wahlkampf, oder, um es genauer zu sagen, kein gravierender Eingriff in den Wahlkampf (so ein wenig greift man ja schon mit einer bloßen Meinungsäußerung ein).

Worauf möchtest du eigentlich hinaus?
von sagista
14.03.2017 22:50
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

So wie du es in deinem vorletzten Post zusammengefasst hast, ist es falsch.

Du scheinst mich so zu interpretieren, als sei das Verhindern der Präsidialdiktatur das Bestreben der niederländischen Regierung als Teil der Strategie "Wehret den Anfängen". Aber genau das ist es ja nicht, weil die Niederlande weder das Bestreben, noch die Möglichkeit hat, den Ausgang des Referendums zu beeinflussen. Der Vorwurf der Türkei, die Niederlande wollten den Ausgang des Referendums beeinflussen, ist türkische Propaganda.

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was du dich jetzt an dieser Begrifflichkeit "Wehret den Anfängen" so festbeisst. Das heißt nichts anderes, als dass man die Entwicklung in der Türkei sehr genau beobachten muss und vor allem solchen Leuten wie den Herren Kilic und Zingal massiv Kontra geben muss, wenn sie ihre Lügen in den Talksshows ausbreiten.

Was die Motivation der niederländischen Regierung betrifft kann ich, wie du, nur mutmaßen. Wahrscheinlich wollen sie sich schlicht nicht bedrohen oder nötigen lassen, vgl. dazu mein Post gestern 23:54 Uhr.
von sagista
14.03.2017 22:23
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Nein hast du nicht.
Das "Wehret den Anfängen" schwebt über all dem, das ist eine Grundhaltung, die alle Demokraten beherzigen sollten.
Ich habe doch sehr genau geschrieben, was türkische Propaganda ist.
Bitte versuche nicht wieder, Widersprüche zu konstruieren, wo keine sind.
Es ist genau so gemeint, wie es in dem Zitat deines letzten Posts steht. Es ist nicht erforderlich, es in einer Art und Weise herunterzubrechen, wie du es versuchst. Du kannst es einfach so stehen lassen.
von sagista
14.03.2017 08:49
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Eulenspiegel hat geschrieben:bzgl. Akzeptanz:
Ja, es ist ein Unterschied, wer von beiden es sagt. Es ist aber kein Unterschied, ob es akzeptabel ist.
Entweder die Aussage ist akzeptabel. Dann ist sie immer akzeptabel, egal wer sie sagt. Oder die Aussage ist nicht akzeptabel. Dann ist sie nie akzeptabel, egal wer die Aussage sagt.
Dass es neben der Akzeptanz andere Unterschiede gibt, ist geschenkt.
Eben nicht, das ist doch der Punkt, den ich versuche, dir zu erklären.
Es gibt Aussagen, die für einen Satiriker in Ordnung sind, die aber für Politiker quasi politischer Selbstmord wären. Wenn eine türkische Zeitung deutsche Politiker als Nazis darstellt, ist das zwar unerfreulich, aber letztendlich egal. Tut die türkische Regierung sowas, zerschlägt das diplomatisches Potential und ist inakzeptabel.
Also die gleiche Aussage kann von dem einen akzeptabel sein, von dem anderen ist sie das nicht zwingend.
Eulenspiegel hat geschrieben:bzgl. Worte und Taten:
Warum sind Worte in der Außenpolitik unwichtig: Weil es nichts gibt, was sie bewegen. Nehmen wir die Krimkrise: Die USA und EU haben Ewigkeiten geredet. Russland hat gehandelt.
Durch Worte kann man niemanden töten oder heilen. Es sind immer Taten, die Leute töten oder heilen.
Und auch bei anderen Sachen in der Außenpolitik sind es Taten und keine Worte, die einen Effekt haben.
Es gibt Situationen wie die Krimkrise, in denen irgendwann offensichtlich wird, dass man mit Diplomatie nicht mehr weiterkommt, aber dass es nichts gibt, was Worte bewegen, ist falsch. Sie helfen nicht immer, aber dass sie nie helfen, ist nicht korrekt. Sonst könnte man sich Diplomatie und Verhandlungen komplett schenken.
Eulenspiegel hat geschrieben:bzgl. Überreaktion, Dämlichkeit und Verwerflickeit:
Ich habe nicht von verwerflich gesprochen, sondern von Überreaktion und von Dämlichkeit. Hier doch bitte sauber zwischen unterschiedlichen Wörtern mit unterschiedlicher Bedeutung trennen.
Ich habe das Geschehene dargestellt.
Wo siehst du eine Überreaktion oder Dämlichkeit der niederländischen Regierung?
Eulenspiegel hat geschrieben:bzgl. Motivation:
Irgendwie habe ich den Eindruck, du widersprichst dir selber: Im vorletzten Post hattest du noch gesagt: Die Behauptung "Niederlande will die Verfassungsänderung verhindern", sei türkische Propaganda.
Und jetzt behauptest du plötzlich "Wehret den Anfängen!"

Was denn nun? Hat die niederländische Regierung nach dem Prinzip "Wehret den Anfängen" gehandelt? Oder ist es nur türkische Propaganda, dass die niederländische Regierung nach diesem Prinzip gehandelt hat?
Ich sehe keinen Widerspruch.
Die Behauptung, die Niederlande wolle die Verfassungsänderung verhindern, IST türkische Propaganda und hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Wie sollte die Niederlande das denn bewerkstelligen? Was hätte sie davon?
"Wehret den Anfängen" bezieht sich nicht auf das Verhalten der niederländischen Regierung sondern darauf, wie wir als Gesellschaft dem begegnen. Wie sollen wir damit umgehen, dass hier ein nicht geringer Teil der größten Gruppe mit Migrationshintergrund offenbar eine Diktatur erstrebenswert findet?
Eulenspiegel hat geschrieben:Zu einer Eskalation gehören immer zwei! Eskalation ist eine wechselseitig verschärfende Abfolge von Aktionen und Reaktionen. (Siehe Wikipedia)
Versuchen wir es anders.
Wieviel % an Eskalation würde denn deiner Ansicht nach auf das türkische Konto und wieviel auf das niederländische gehen? Eher so 50:50 oder eher so 90:10?
von sagista
13.03.2017 23:54
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Nochmal, es ist ein Unterschied, ob ein Satiriker seine Satire unters Volk bringt oder ob ein Politiker gegen die Regierungen anderer Länder austeilt. Es hat eben nicht die gleichen Konsequenzen, ob Herr Böhmermann sagt, Erdogan habe Schrumpelklöten oder ob Frau Merkel sagt, Erdogan habe Schrumpelklöten.

Es ist im übrigen nicht nett, auf Fragen mit einer direkten Gegenfrage zu antworten, da ich wirklich daran interessiert bin, zu verstehen, was dich zu dem Gedanken veranlasst, Worte seien nicht so wichtig in der Politik. Politik IST doch Reden, besteht aus Worten, denen dann eventuell Taten folgen. Dass Taten dann mehr Konsequenzen haben als Worte, ok, bestreitet niemand, aber das heißt doch nicht, dass Worte unwichtig sind.

Zur Niederlande: Nach allem was ich weiß hat die niederländische Regierung die türkische Regierung gebeten, Wahlkampfauftritte in den Niederlanden so kurz vor der Wahl in den Niederlanden zu unterlassen. Dieses Recht hat die Niederlande. Die Türkei soll darauf sehr unwirsch reagiert und sogar gedroht haben. An dieser Stelle reißt dann der Gesprächsfaden irgendwann ab. Die niederländische Regierung hat daraufhin die Wahlkampfauftritte für unerwünscht erklärt. Dass dann die türkischen Vertreter darauf bestanden haben und einfach einreisen wollten / eingereist sind, ist ein diplomatisches NoGo. Kein ausländischer Politiker hat das Recht, gegen den Willen einer Regierung in dessen Land einzureisen. Was daran jetzt verwerflich sein soll, verstehe ich nicht.

Im Übrigen, uns Deutschen ist eine politische Aussage eingeimpft: Wehret den Anfängen! In der Türkei sehen wir, was dort geschieht. Wir können quasi live mitverfolgen, wie eine, sich ehemals auf einem guten Weg befindliche, aber dennoch noch einen langen Weg in die EU vor sich habende Demokratie in den letzten Jahren sukzessive sturmreif geschossen wurde und nun mit einem Quasi-Ermächtigungsgesetzt eine Präsidal"demokratie" umgewandelt werden soll. Oder bezieht sich "Wehret den Anfängen!" nur auf Deutschland? Das meine ich auch mit "mitschuldig". Man muss erkennen, was in der Türkei passiert und darf dann nicht diesen, die das unterstützen, nach dem Mund reden, indem man deren Propaganda auch noch wiederholt.

Übrigens, noch ein Schmankerl, über das man lachen könnte, wenn es nicht so traurig wäre: Ein Land wie die Türkei, das mit dem Dritten Reich auch noch mitten im Krieg gute Geschäfte gemacht hat und nicht vom Dritten Reich angegriffen worden ist, wirft einem Land, dass trotz erklärter Neutralität vom Dritten Reich angegriffen und fünf Jahre besetzt und ausgeplündert worden ist, vor, Nazis und Faschisten zu sein oder zumindest deren Methoden zu verwenden.

Also, wer hier der ist, der die Eskalation betreibt, ist wirklich offensichtlich.
von sagista
13.03.2017 22:40
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Thema: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Eulenspiegel hat geschrieben:Und für die Akzeptanz ist es letztendlich egal, ob das ein Satiriker oder jemand anderes sagt: Entweder es ist akzeptabel oder es ist inakzeptabel. Eine Sache gewinnt aber nicht dadurch an Akzeptanz, dass es von einem Satiriker vorgetragen wird.
Das sehe ich vollkommen anders.
Ein Satiriker "darf" natürlich wesentlich böser, pointierter und provokativer reden als ein (Außen-)Politiker. Die Folgen sind nicht miteinander zu vergleichen, wenn ein Satiriker über Schrumpelklöten redet, als wenn ein Politiker dies täte. Zumindest wenn wir es mit der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit ernst meinen.
Eulenspiegel hat geschrieben:bzgl. Worte <-> Taten
Worte sind zumindest in der Außenpolitik nicht sehr wichtig. Im Wahlkampf sind sie wichtig, um das Wahlvieh zu überzeugen.
Erläutere dies bitte.
Warum sollten Worte in der Außenpolitik nicht wichtig sein?
Warum wird dann immer gesagt, wie wichtig es sei, im Dialog zu bleiben?
Worte sind doch die Basis jeder persönlichen Beziehung und insbesondere in der (Außen-)Politik.
Deine These, Worte seien nicht sehr wichtig, erschließt sich mir überhaupt nicht.
Eulenspiegel hat geschrieben:Ich würde die Türkei weniger als einen Freund sehen, sondern mehr als einen (ungehobelten) Arbeitskollegen. Der Typ geht dir zwar gehörig auf die Nerven und privat möchtest du nichts mit ihm zu tun haben. Aber er leistet gute Arbeit und arbeitstechnisch ist auf ihn Verlass.
Das hat aber mit dem offiziell propagierten Status der deutsch-türkischen Beziehung wenig zu tun. Möglicherweise kommt diese Einschätzung deutlich näher an die Realität heran, aber ich höre immer etwas von einer deutsch-türkischen Freundschaft. So es diese gibt, beschädigen Erdogan und sein Entourage diese gerade massiv.
Eulenspiegel hat geschrieben:Ja, Ankara hat überreagiert. Aber das eine schließt das andere ja nicht aus: Beide haben überreagiert.
Den Haag hat überreagiert, weil sie nach rechtlich einwandfreien Entscheidung von türkischer Seite zum Feindbild stilisiert werden? Das finde ich eine eigentümliche Sichtweise. Ich kann kein Fehlverhalten auf niederländischer Seite feststellen. Den Niederländern die Schuld daran zu geben, dass die Demos eskaliert sind, geht auch zu weit. Offensichtlich haben auch die niederländischen Türken Schwierigkeiten mit den demokratischen Grundregeln. Das ist nicht der niederländischen Regierung anzulasten. Oder an welcher Stelle genau haben die Niederländer überreagiert?
Eulenspiegel hat geschrieben:Die Auftritte werden ja mit dem Ziel verboten, dass die in der EU-lebenden Türken gegen die Verfassungsänderung stimmen.
Bloß ist das Auftreten-Verbot dazu sehr kontraproduktiv.
Das ist eine Behauptung der türkischen Propaganda. Der sollte man nicht auf dem Leim gehen. Herr Kilic gestern bei Anne Will und Herr Zingal heute bei Hart aber fair haben anschaulich dargestellt, wie die türkische Propaganda funktioniert. Das war sehr offensichtlich und daher finde ich es gut, dass man ihnen diese Plattform gegeben hat. Jetzt muss man nur noch auch das Offensichtliche anerkennen: Es wird massive Propaganda für eine Abkehr von der Demokratie betrieben. Dass, was diese Leute von sich geben, ist wohlfeiles, geschliffenes Geschwätz, wer sie damit durchkommen lässt, macht sich halt auch ein Stückweit mit schuldig. Und dazu gehört eben auch die Behauptung, dass die Auftritte mit dem Ziel verboten werden, dass die EU-Türken gegen die Verfassungsänderung stimmen.
von sagista
12.03.2017 19:22
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Also das Böhmermann-Gedicht war das Werk eines Satirikers, die Nazi-Vergleiche wurden von der türkischen Regierung in die Welt gesetzt. Das ist schon mal ein großer Unterschied, da der Satiriker für sich spricht, eine Regierung jedoch für ihr Volk.

Dass die türkische Regierung nicht zur Kenntnis nehmen will, dass die Arbeit eines Satirikers in Deutschland nicht von der Gnade der Regierung abhängt, ist nicht das Problem Deutschlands oder des Satirikers.

Aber wenn du sagst, in der Außenpolitik seien Worte egal, möchte ich entschieden widersprechen. Natürlich ist es wesentlich gravierender, eine Tat zu vollziehen, z. B. Politiker nicht mehr ins Land zu lassen, wenn sie stationierte NATO-Soldaten besuchen wollen, als mit Worten zu polemisieren, aber Worte sind gerade in der Politik sehr wichtig.

Ist doch im realen Leben auch so, eine Freundschaft kann nicht nur durch Taten zerstört werden, ständige Beleidigungen und Diffamierungen, was ja irgendwie auch Taten sind, können genauso freundschaftszerstörend sein wie Handlungen.

Ich denke nicht, dass Den Haag dämlich reagiert hat. Ich denke, dass Ankara überreagiert hat, etwas, das Ankara ständig tut, wenn es mal nicht so läuft, wie Ankara das gern hätte. Ankara versucht seit Jahren auf dicke Eier zu machen und scheitert damit regelmäßig. Dass der Zorn Ankaras nun Den Haag trift, ist letztendlich Zufall.

Und nur eins, wenn die Türken mehrheitlich die Verfassungsänderung haben wollen, dann sollen sie sie halt wählen. Aber dann müssen sie auch mit Konsequenzen leben, sich letztendlich endgültig von Europa zu verabschieden.
von sagista
12.03.2017 02:44
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Eine Frage, die man sich stellen muss, ist doch auch die, warum man eigentlich grundsätzlich auf türkische Provokationen immer deeskalierend reagieren sollte. Ganz ehrlich, die türkische Regierung kommt mir immer mehr vor wie eine Horde Kleinkinder in der Trotzphase, die die Grenzen ausreizt, um so sehen wie weit sie gehen kann.

Und natürlich hat die türkische Regierung das Recht, sich zu ärgern, wenn anderen Staaten die rechtlich zulässigen Mittel ausschöpfen, um Dinge zu verhindern, die sie auf ihrem Staatsgebiet für unerwünscht erachten. Aber auch hierbei sollten die Regeln der Etikette gelten. Niederländer als Nachfahren der Nazis und der Faschisten zu bezeichnen, ist keine adäquate Form des Umgangs und durch garnichts zu rechtfertigen.

Die Reaktionen der türkischen Regierung sind schlicht inakzeptabel. So geht man nicht miteinander um und vor allem diskreditiert man sich nachhaltig als glaubwürdiger und ernstzunehmender Gesprächspartner. Ich sehe jetzt auch nicht so recht die "eskalierende Handlung". Mag sein, dass die türkische Regierung das so empfindet, aber sie sollte akzeptieren, dass in Den Haag und nicht in Ankara entschieden wird, was in den Niederlanden geschieht.

Dein PS hatte ich mir noch nicht durchgelesen, das ist mir gerade erst aufgefallen.
Dass es der niederländischen Regierung durchaus nicht ganz unrecht ist, kurz vor der Wahl in den Niederlanden Stärke gegen Erdogan zu zeigen, um Wilders zu schwächen, kann ich mir durchaus vorstellen. Eine Absprache zwischen niederländischer und türkischer Regierung halte ich allerdings für unwahrscheinlich. Aber ausschließen kann man das natürlich nicht.
von sagista
12.03.2017 02:08
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Es mag sein, dass es Erdogan für sein Referendum kurzfristig Vorteile bringt, wenn die Niederlande nicht so handeln, wie er sich das wünscht. Und natürlich wird er es propagandistisch ausschlachten, so wie er es immer tut. Aber langfristig schwächt er seine Position und die seines Landes in der Außenpolitik. Es ist ja nunmehr für jeden offensichtlich, dass der Mann wie eine Abrissbirne durch den diplomatischen Porzellanladen fegt. Er ist als Staatsoberhaupt schlicht nicht mehr ernstzunehmen und das wird die Türkei früher oder später zu spüren bekommen.

Aber bezüglich der aktuellen Eskalation: Ich denke nicht, dass die Niederländer die sind, die das Ganze zur Eskalation getrieben haben. Jedes Land hat das Recht, innenpoltische Aktivitäten ausländischer Politiker auf dem eigenen Staatsgebiet für unerwünscht zu erklären. Dann wie ein trotziges Kind mit dem Fuß auf den Boden stampfen und zu keifen "Mir egal, ich komme trotzdem" ist der Affront. Es gibt kein Recht dazu, im Ausland Innenpolitik zu machen. Für Deutschland zumindest hat das Bundesverfassungsgericht dies ausdrücklich bestätigt.

Letztendlich ist es der Versuch Erdogans, ein großes "wir gegen den Rest der Welt" zu inszenieren. Allerdings ist das ein sehr durchsichtiges Manöver und eigentlich würde ich von aufgeklärten Menschen mit Zugang zu allen möglichen Medien erwarten, dies zu erkennen. Aber wohlmöglich wollen es viele nicht erkennen, sondern lassen sich von diesem nationalistischen Gefasel einfangen. Das ist ziemlich enttäuschend, aber sicherlich nicht dadurch zu ändern, wenn man dem Hobbydespoten und sein Entourage jede Unverschämtheit durchgehen lässt nach dem Motto, der will nur spielen. Letztendlich hat Putin gezeigt, wie man mit Erdogan umgehen muss.
von sagista
11.03.2017 17:40
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Das stimmt natürlich.
Aber vielleicht sollte man sich überlegen, etwas schärfere Töne anzuschlagen, da sich Beziehungen durchaus auch nur durch Worte verschlechtern können. Dazu bedarf es nicht zwingend Taten, um z. B. das Vertrauen zu schädigen.
Wenn mich jemand, der vorgibt, mein Freund zu sein, ständig anpöbelt und beleidigt, dann muss ich nicht sofort mit gleicher Münze zurückzahlen, aber ich kann mir sehr wohl Gedanken machen, wie es denn um die Freundschaft bestellt ist. Kritik unter Freunden muss drin sein, auch Streit ist normal, aber jeder muss für sich selbst überprüfen, wie viel er bereit ist, um der Freundschaft Willen hinzunehmen.
von sagista
11.03.2017 16:55
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Das Wüten Erdogans und seiner Minister gegen alle, die es wagen, sich den Wünschen des Sultans zu widersetzen, nimmt inzwischen derartig groteske Ausmaße an, dass sie die Beziehungen der Staaten, bzw. der EU mit der Türkei tatsächlich ernsthaften Schaden zufügen können. So geht man nicht miteinander um. Wenn sich die Herrschaften aus Ankara nicht allmählich mäßigen, muss man sich wohl mit dem Gedanken an konkrete Maßnahmen befassen, die den Herrschaften klar machen, dass sie ihre Bedeutung erheblich überschätzen. Ein Erdogan-Türkei, die sich weiter so verhält, wie sie es derzeit tut, erscheint mir weder als EU-Beitrittskandidat noch als NATO-Partner geeignet.
von sagista
09.03.2017 00:37
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Salix Lowanger hat geschrieben:Ich wage die Behauptung, dass die meisten der roten Fahnenschwenker hierzulande keine doppelte Staatsbürgerschaft haben sondern ihnen die deutsche verwehrt geblieben ist. Wären die alle eingebürgert, würde sich Erdogan für diese Menschen einen Dreck interessieren.
Als Doppelstaatler sind sie für Herrn Erdogan sehr wohl interessant. Und deine Behauptung halte ich für, sagen wir mal, kühn. Ich würde nicht ausschließen, dass es einige / etliche / viele gibt, die zwar die deutsche Staatsbürgerschaft haben, sich aber sehr wohl in erster Linie als Türken identifizieren.
Eulenspiegel hat geschrieben:Aber diese Leute lesen türkische Nachrichten. Und wenn in diesen steht, dass die Veranstaltung aus Gründen x abgesagt wurde, dann kann dies durchaus schaden.
Redest du jetzt von seriösen Nachrichten oder von türkischen Propaganda-Nachrichten? Nur weil etwas in den Propaganda-Blättchen eben falsch dargestellt wird, bedeutet das ja nicht, dass die Absagen falsch waren. Oder, anders formuliert, nur weil die Gefahr besteht, dass richtige Entscheidungen propagandistisch ausgeschlachtet werden, heißt das nicht, das die richtigen Entscheidungen unterlassen werden. Ich denke da insbesondere an die Veranstaltungen, bei denen als Anlass etwas völlig anderes angegeben worden ist.
Eulenspiegel hat geschrieben:Es gibt ja auch unzählige Leute, die in einer Diktatur leben und für die Demokratie kämpfen. Wieso sollte es umgekehrt nicht auch möglich sein?
Aber die hier lebenden Erdogan-Anhänger haben doch gar kein Interesse daran, in die Türkei umzusiedeln. Das ist das, was ich nicht nachvollziehen kann. Ob man nun in dem Land, in dem man lebt, dafür eintreten sollte, dass aus der Demokratie eine Diktatur wird, möchte ich mit dem Verweis auf das Grundgesetz mal in Frage stellen, könnte es aber zumindest theoretisch noch nachvollziehen. Aber für eine Diktatur in einem Land einzutreten, in dem man selbst garnicht lebt, finde ich abwegig.
Eulenspiegel hat geschrieben:Durch die Verfassungsänderung wird Erdoğan mit mehr Macht ausgestattet. Aber er wird dadurch nicht zum Diktator. Er muss sich trotzdem regelmäßig einer Wahl stellen. Das heißt, selbst wenn Leute für die Verfassungsänderung sind, heißt das noch lange nicht, dass sie für eine Diktatur sind.
Lass es mich so formulieren, es wird der Weg zu einer Diktatur bereitet. Dass Erdogan kein Demokrat ist, könnte man schon lange wissen, wenn man ernst nehmen würde, was die Leute im Laufe ihres Leben von sich geben. Ich glaube, fast jeder kennt das Zitat von Erdogan, die Demokratie sei nur der Zug, auf den man aufspringe usw.

Im Grunde ist es das selbe wie damals mit Hitler. Hätte man von Anfang an ernst genommen, was der geschrieben und gesagt hat, hätte wissen können, was er vorhat. Das Ergebnis ist bekannt. Bei Erdogan macht man den gleichen Fehler erneut, wahrscheinlich weil man es nicht wahrhaben will. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir aus der Geschichte lernen sollten. Der Auspruch "Wehret den Anfängen" ist genau dafür gemacht.

Dass sich Erdogan und seine Minister der Nazi-Vergleiche bedienen, ist in diesem Zusammenhang irgendwie ulkig, hat aber Methode.
Eulenspiegel hat geschrieben:Die Frage ist: Würde sich deren Loyalität ändern, wenn man sie zwingen würde, sich für eine Staatszugehörigkeit zu entscheiden?
Das würde ich tatsächlich erwarten, wenn man sich bewusst und aktiv für eine Staatsangehörigkeit entscheidet. Empfindet man keine rechte Loyalität für einen Staat, muss man die Staatsangehörigkeit ja nicht annehmen. Man hat ja die Wahl, in diesem Fall zwischen deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit. Ich verstehe das Problem dabei schlicht nicht. Ich habe versucht, mich in die Lage hineinzuversetzen oder ein Szenario durchzuspielen, meine Eltern wären vor oder direkt nach meiner Geburt z. B. in die Türkei ausgewandert und ich müsste mich dann irgendwann entscheiden, will ich Deutscher oder Türke sein. Wahrscheinlich würde ich mich dafür entscheiden, Türke mit deutschem Migrationshintergrund zu sein. Ist ja auch nachvollziehbar, wenn ich mein ganzes Leben in der Türkei lebe und im Urlaub mal die Heimat meiner Eltern besuche.
von sagista
08.03.2017 07:17
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Eulenspiegel hat geschrieben:Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob diese Überlegungen stimmen oder nicht. Sie kommen auf.
Fake News halt.
Es wird immer wieder so getan, als seien Fake News eine Erfindung Trumps oder der AfD. Dem ist natürlich nicht so.
Eulenspiegel hat geschrieben:Diese Überlegungen führen letztendlich zu zwei Sachen:
1. Türken, die bisher unentschlossen waren, entschließen sich, jetzt für die Verfassungsänderung zu stimmen. Schließlich will Deutschland die Türkei klein halten Also scheint die Verfassungsänderung dafür zu sorgen, dass die Türkei stärker wird.
2. Türken, die bisher Deutschland wohlwollend betrachtet haben, fangen nun an, die deutsche Regierung als Feind zu sehen. Ressentiments werden geschürt.

Zwei negative Entwicklungen, die sich leicht verhindern ließen, indem man die Wahlveranstaltungen erlauben würde.
Ich weiß nicht, ob zu diesen Veranstaltungen eine nennenswerte Anzahl an Leuten geht, die noch unentschieden sind. Ich glaube eher, dass da die Leute hingehen, die eh Erdogan- und AKP-Anhänger sind und bei diesen Veranstaltungen ihre nationalistischen Bedürfnisse befriedigen.

Kritisch denkende Türken werden sich auch von den Pöbeleien, Anmaßungen und Unverschämtheiten der türkischen Regierungsvertreter nicht beeindrucken lassen.

Aber dennoch, ich denke auch, dass man die Leute auftreten lassen sollte. Es ist sehr erkenntnisreich.
Eulenspiegel hat geschrieben:Doppelte Staatsbürgerschaft:
Ja, viele Deutsch-Türken, die hier in Deutschland leben, wollen einen starkes Präsidialsystem.
Ich finde es absurd, auch weiterhin in der Demokratie zu leben, aber für die anscheinend ja gefühlte Heimat eine Diktatur zu wünschen. Aber wer weiß, vielleicht gehen die Diktatur-Anhänger dann ja in die Türkei.

Die Idee hinter der doppelten Staatsbürgerschaft als solche habe ich indes nie wirklich verstanden, d. h., verstanden schon, aber ich finde sie unsinnig. Letztendlich ist es doch etwas für Leute, die sich schlicht nicht entscheiden können. Die von Linken und Grünen vorgetragene Begründung, eine Optionspflicht würde die Integration behindern, fand ich nie wirklich stichhaltig.

Aber gut, eine Mehrheit für eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft gibt es derzeit nicht, allerdings sieht man durch diese aktuelle Diskussion, dass die Segnungen, die die doppelte Staatsbürgerschaft mit sich bringen, deutlich überschätzt und die aus hier resultierenden Schwierigkeiten unterschätzt wurden. Ich denke, man sollte das Szenario eines längerfristigen Konfliktes mit der Türkei nicht ausschließen. Die Frage ist, wem dann die Loyalität der Doppelstaatler gilt.
von sagista
07.03.2017 08:32
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Warum sollten deutsche Politiker in der Türkei Wahlkampf betreiben?
Es gibt keine nennenswerten deutschen Minderheiten in der Türkei, von daher stellt sich die Frage nicht.

Dass theoretisch deutsche Politiker das dürfen müssten, ist klar, genauso wie klar ist, dass die türkische Regierung das niemals dulden würde. Aber das ist doch letztendlich das gleiche Argument, wenn es darum geht, Moscheenbau hier mit Kirchenbau in der Türkei zu vergleichen. Ich bin eigentlich ganz froh darüber, dass zumindest die übergroße Mehrheit hierzulande deutlich toleranter ist als dort.
von sagista
07.03.2017 07:10
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ich bin bei der Frage, ob man die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker verbieten sollte oder nicht, unentschieden. Was natürlich nicht geht ist, wenn man ein Kulturevent anmeldet, was aber letztendlich eine Wahlkampfveranstaltung werden sollte. Aber ob man eine ordnungsgemäß angemeldete Veranstaltung verbieten sollte, weiß ich nicht. Ich denke schon, dass unsere Demokratie stark genug ist, das auszuhalten und da es nun einmal viele türkische Wahlberechtigte hier in Deutschland gibt, es sollen ja 1,4 Millionen sein, dann ist das schon ok, denke ich. Dass da allerdings Leute, die hier die Vorzüge der Demokratie genießen, einen Beitrag dazu leisten, ihren Landsleuten in der Türkei eine Präsidaldiktatur aufzuzwingen, ist natürlich bedenklich. Das zeigt mir, dass da die Integration offenbar nicht gelungen ist. Da werden gerade gute Argumente gegen die doppelte Staatsbürgerschaft geliefert.
von sagista
05.03.2017 23:52
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ich hole diesen Thread von Seite 2 mal wieder hervor.

Ich denke, das Verhältnis EU - Türkei hat sich nun tatsächlich nachhaltig geändert. Diese verbalen Amokläufe der letzten Tage von Ministern und Erdogan selbst zeigen, dass mit diesen Leuten kein Staat zu machen ist. Wer sich in dieser Art und Weise äußert begibt sich entweder auf das Niveau das kleinen Kindes in der Trotzphase oder eines größenwahnsinnigen Politikamateurs.

Eigentlich bin ich der Meinung, dass die deutsche Regierung gut daran tut, sich nicht auf dieses Niveau herabzulassen und es mehr oder weniger ignoriert.

Große Sorgen macht mir allerdings, dass Erdogan unter den hier lebenden Menschen türkischer Abstammung nachwievor so große Zustimmung genießt. Grundsätzlich denke ich ja, warum gehen diese Leute nicht in die Türkei, wenn dort doch der Heiland selbst residiert, in einem Land, in dem Milch und Honig fließen, aber das führt uns ja nicht weiter. Nur wie soll man mit Leuten umgehen, die sich jubelschreiend für die Diktatur zeigen? Das sind doch letztendlich Feinde der Demokratie.

In diesem Zusammenhang möchte ich übrigens mal etwas tun, was ich höchst selten tue, nämlich Politiker der Grünen und der Linkspartei loben. Wie sich insbesondere Herr Özdemir und Frau Dagdelen äußern und klar Stellung beziehen, allen Anfeindungen zum Trotz, denen sie seit der Armenienresolution ausgesetzt sind, nötigt mir allergrößten Respekt ab.

Und natürlich, free Deniz!

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