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TTIP

Für alles, was uns sonst noch so interessiert.
Zwoelf
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TTIP

Ungelesener Beitrag von Zwoelf »

Ich frag jetzt mal ganz doof nach: Interessiert sich hier kein Mensch für TTIP oder wird das nur woanders diskutiert bzw. ich hab den entsprechenden Thread nicht gefunden...?

Mal ganz kurz wiki
https://de.wikipedia.org/wiki/TTIP
und die letzten Artikel bei SPON
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 29399.html

etwas älter
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 20031.html

Ich für meinen Teil war jetzt nicht demonstrieren und die englischsprachigen Dokumente die irgendwo ins Netz gestellt wurden, hab ich mir auch nicht angetan. Mir reicht völlig die "nahezu vollständige Geheimhaltung der Verhandlungen" (es wäre NICHTS veröffentlicht worden, wenn nichts geleakt worden wäre), die geheimen Schiedsgerichte (die erlauben Staaten auf Schadsensersatz im Gewinnausfall zu verklagen ohne ordentliche Gerichte oder Parlament auch nur zu informieren) und die völlige Ignoranz vom SPD-Siggi gegenüber dem Willen der Bevölkerung (sogar gegenüber seiner Partei).


Wie sieht das bei euch aus? Beschäftigt ihr euch damit, haltet ihr es für gut/schlecht, ists euch egal oder seid ihr aktiv dagegen/dafür?

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firkraag
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von firkraag »

na, ich sehe es ziemlich so wie du und glaube ebenfalls nicht, dass ich viel dagegen machen kann. :censored: Bei Demos in meiner Heimatstadt würde ich mich sicher dazustellen. Aber hier diskutieren - welchen Effekt hat das auf die Parteien. SPD/CDU/FDP wähle ich eh nicht. Und bis überhaupt wieder Bundestagswahlen sind, spielen für die meisten Wähler wahrscheinlich ganz andere Dinge eine Rolle.
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Varana
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Varana »

Zwoelf hat geschrieben:Mir reicht völlig...
Mir reicht völlig, daß alle von "völlig geheimen Verhandlungen" reden, obwohl sie es nicht sind, daß erst gefordert wird, das so transparent wie möglich zu machen, und es sich hinterher kein Schwein anguckt, was da seit Monaten alles veröffentlicht wird, daß groß Medienkampagnen zu Chlorhühnchen durchs Land geprügelt werden, die besagte Veröffentlichungen dessen, worüber überhaupt verhandelt wird, vollkommen ignorieren, und daß das eigentliche Thema in der kollektiven Hysterie vollkommen an den Rand gedrängt wird. Informieren? Ist doch unnötig und schwer, ich hör einfach lieber auf attac. Tatsächlich mal sinnvolle Diskussionen z.B. zur Reform der Investorenschutzklauseln gehen im lauten Getöse völlig unter.
TTIP ist ein Trauerspiel, aber in ganz anderer Hinsicht, als es gemeinhin so gilt.

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Velym
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Velym »

Varana hat geschrieben:
Zwoelf hat geschrieben:Mir reicht völlig...
Mir reicht völlig, daß alle von "völlig geheimen Verhandlungen" reden, obwohl sie es nicht sind, daß erst gefordert wird, das so transparent wie möglich zu machen, und es sich hinterher kein Schwein anguckt, was da seit Monaten alles veröffentlicht wird, daß groß Medienkampagnen zu Chlorhühnchen durchs Land geprügelt werden, die besagte Veröffentlichungen dessen, worüber überhaupt verhandelt wird, vollkommen ignorieren, und daß das eigentliche Thema in der kollektiven Hysterie vollkommen an den Rand gedrängt wird. Informieren? Ist doch unnötig und schwer, ich hör einfach lieber auf attac. Tatsächlich mal sinnvolle Diskussionen z.B. zur Reform der Investorenschutzklauseln gehen im lauten Getöse völlig unter.
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Chlorhühnchen sind das Paradebeispiel für uninformierte Panikmache...
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Leta
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Leta »

Ich les ab und zu das Heise bzw. Telepolis Forum. Dem zufolge ist TTIP, wenn es kommt, an wirklich allem schuld. Von den Chlorhühnchen, über gentechnisch veränderte Lebensmittel bis zu Schweißfüssen und eingewachsenen Zehennägeln.

Brandolin
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Brandolin »

Ich bin, was TTIP angeht ziemlich zwiegespalten.
Zum einen bedauere ich jeden, der wirklich glaubt, dass es für Chlorhühnchen und genetisch veränderte Nahrungsmittel erst TTIP braucht, zum anderen mache ich mir über die zunehmende Aushebelung des Rechtstaates und der Privatisierung von Recht schon einwenig Sorgen.
Betrachtet man, wie nach vergleichbaren Abkommen mit Kanada, Australien und Co. dortige Firmen von US-Konzernen über diese "Schiedsgerichte" abgezockt und einige Gesetze einfach gekippt bzw. in ihrer Gültigkeit eingeschränkt wurden, beruhigen mich die Verhandlungen nicht gerade. Wie offen oder geschlossen die Verhandlungen wahrgenommen werden, liegt wohl auch maßgeblich mit an den konsumierten Medien. Die Stellungsnahmen der beteiligten europäischen Politiker wirken aber auch selten offen bzw. glaubhaft oder auch nur fundiert. Dies wird daher wohl für viele eine reine Frage der Wahrnehmung sein.

Ich selbst verfolge das Thema eher nebenher als intensiv. Die Lockerung und Teilaushebelung des Rechtsstaates ist dabei für mich allerdings relevanter als Chlorhühnchen und Genmais.

LG,
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Radames
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Radames »

Ich finde es bedenklich, wie viel aburder Populismus bzgl TTIP von Attac (okay, da ist man es gewohnt) und auch von den Grünen kommt. Es wird mit echten Falschdarstellungen und viel Panikmache irgendein Unsinn behauptet, und viele glauben es. Sorry, aber das ist bestenfalls unqualifizierte Kritik.

Zusätzlich zu dem, was Varana gesagt hat (da stimme ich absolut zu), noch zu den Schiedsgerichten etwas, (ganz abgesehen davon, dass man oft glaubt, dass Schiedsgerichte aus dem Vorstand des jeweiligen Unternehmens besstehen, wenn man den TTIP-Gegnern so zuhört):
1. Natürlich werden da die Parlamente informiert, wenn ein Staat geklagt wird. Also ich gehe jetzt davon aus, dass die Regierung (die eben den Staat dann dort vertritt) das Parlament informiert. Wenn nicht, ist das nicht den Schiedsgerichten vorzuwerfen, sondern den Regierungen.
2. Rein hypothetisch: Wie soll denn das funktionieren, dass ein Staat geklagt wird, ohne dass er informiert wird? Das Ganze ist ein schiedsrichterliches Verfahren (so wie es auch in vielen internationalen Verträgen zwischen Unternehmen oft vorgesehen ist), da klagt eine Seite an, die anderen verteidigt sich. Wie soll das ohne Information der beklagten Seite funktionieren?
3. Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, und und und, sie alle haben zig Investitionsschutzabkommen mit Schiedsgerichten. Wieso? Weil es Standard ist in völkerrechtlichen Wirtschaftsverträgen, weil der Staat ansonsten die Möglichkeit hätte, problemlos die Gesetze zu ändern und Investitionen von hunderten Millionen wertlos zu machen. Diese Schiedsvereinbarungen gelten für die Staatsangehörigen beider Seiten, sprich (sagen wir) guatemaltekische Unternehmen können gegen deutsche Gesetzeswillkür vorgehen (passiert eben kaum bis garnicht, weil in Deutschland und Österreich ohnehin jede drastische Maßnahme nur mit langen Übergangsfristen umgesetzt wird), und (viel relevanter) deutsche Unternehmen gegen guatemaltekische Gesetzeswillkür vorgehen (oder venezuelanische, weil das in den letzten Jahren ein sehr relevantes Beispiel war).
In Deutschland oder Österreich passiert das dennoch kaum, weil der ordentlich gerichtliche bzw verfassungsgerichtliche grundrechtsschutz stark ausgeprägt ist, und es auch noch den EGMR gibt. Aber grundsätzlich haben ordentliche Gerichte auch willkürliche Gesetze anzuwenden, können also (abgesehen vom Verfassungsgericht) die Gesetzgebung nicht korrigieren. Insofern sind Schiedsgerichte eine vertrauensbildende Maßnahme gegenüber Investoren. Wenn es ein Problem gibt, wenden sich Investoren ohnehin an eine lokale Anwaltskanzlei (oder noch eher eine internationale mit lokalem Ableger), die dann beraten kann, was für Möglichkeiten bestehen. Wenn die überzeugend darlegen, dass man auch den normalen Rechtsweg gehen kann, werden das fast alle Unternehmen auch tun.
Investitionsschutzklauseln oder -abkommen werden aber üblicherweise von reicheren Staaten "aufgedrängt", um nicht von der Willkür eines Bananenrepublikdiktators abhängig zu sein, um es einmal etwas drastischer auszudrücken. Und da ist es schon sehr sinnvoll.
4. Es geht um Vertrauen, damit Unternehmen auch ja in Sicherheit ihr Geld ins Land investieren, ohne Verlust aus nciht wirtschaftlichen Gründen fürchten zu müssen. Natürlich haben die europäischen Staaten und die USA ein entwickeltes Justizsystem, aber um einmal 3 Beispiele rauszupicken:
USA: Wer will im Falle des Falles vor dem District Court of Wolfpoint, Montana klagen, wo 12 Hardcore-Amis in der Jury sitzen, und den Europäern nichts schenken wollen?
Italien: Das klassische Land für Torpedoklagen, weil Gerichtsverfahren gefühlte 30 Jahre dauern.
Deutschland: Viele europäische Unternehmen wollen schon nicht in Deutshcland klagen, weil deutsche Gerichte den Ruf haben, notorisch deutsche Unternehmen zu bevorzugen. Da klagt man auch schon nicht die Bundesrepublik oder das Bundesland Sachsen, wenn es hart auf hart kommt, sondern nutzt das Schiedsgericht.
In die andere Richtung kommt von Amis oft ein: "Was seid ihr für ein Land, wenn bei euch nicht einmal Geschworene entscheiden?!"
5. TTIP soll Standards setzen, für den Welthandel, Industrie und auch industrielle, medizinische etc Zulassungsverfahren, aber auch für zukünftige Handelsabkommen. Dazu gehört auch ein Investitionsschutzabkommen, weil das weiterhin Standard sein soll, vor allem mit Staaten, die zu willkürlicher Gesetzgebung und Enteignung neigen. Wenn Europa und die USA es nicht schaffen, gegenseitig eine Schiedsgerichtsklausel zu installieren, werden es alle anderen Länder in Zukunft seitens unserer beiden Wirtschaftsräume ebenfalls ablehnen (vor allem größere wie China, wo soetwas extrem wichtig ist). Was sendet es für eine Message, wenn wir keines installieren, es gegenüber anderen aber durchsetzen wollen? "Wir haben ein entwickeltes und modernes Rechtssystem. Ihr seid Bananenrepubliken, deshalb wollen wir Schiedsgerichte." Das wird unserer Verhandlungsposition gegenüber anderen sicher helfen...
6. Schiedsgerichte können keine Gesetze aushebeln, sondern nur Schadenersatz zusprechen.
7. Zuguterletzt: Die Schiedsgerichte sollen einerseits als Warnschild für Gesetzgeber dienen, damit sie garnicht benötigt werden, und andererseits nicht nur US-Unternehmen hier schützen, sondern vor allem auch unsere Unternehmen in den USA.

Aber klar, das Gegenargument ist immer noch: "Aber dann kommt der böse US-Konzern und pfändet den Reichstag."
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firkraag
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von firkraag »

jaja.. Ist schon ein Glück für die TTIP-Befürworter, dass es die "Chlorhühnchen" gibt, irgendwo da draußen; besonders bei argumentativ schwacher Position geht schließlich für viele Diskussionseifrige nichts über einen guten Strohmann.
http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-04/p ... opa-aerger
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Gorbalad
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Gorbalad »

Radames hat geschrieben:6. Schiedsgerichte können keine Gesetze aushebeln, sondern nur Schadenersatz zusprechen.
Jein. Bei jeder Gesetzesänderung, müsste man sich dann eigentlich überlegen, welche Schadenersatzansprüche daraus entstehen könnten - und ob man sich diese Gesetzesänderung überhaupt leisten könnte. Insofern gäbe es da schon einen Einfluss.
"Eigentlich wäre <X> sehr <Y>, nur man hat daraus nichts gemacht" ist glaube ich die Quintessenz von DSA.

Brandolin
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Brandolin »

Es ist ja nicht so, dass es nur bei Gesetzesänderungen zu Schadensersatzansprüchen kommen kann. Nach den Beispielen USA-Kanada/Australien, könnten vor Schiedsgerichten sogar Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, die aus "benachteiligenden" bestehenden Gesetzen folgen könnten. Kann ein Konzern in A und B etwas verkaufen, was in der EU momentan nicht verkauft werden darf, kann auch daraus ein Gewinnverlust entstehen und dieser eingeklagt werden. Zumindest gab es mit Kanada einen solchen Fall, der zu einer Gesetzesänderung führte.

Darüber hinaus stört mich nicht nur die Existenz oder Gerichtbarkeitsabtretung an Schieds"gerichte" sondern auch deren Zusammensetzung. So dies nicht in den letzten Monaten überarbeitet und geändert wurde, wird dieses Schiedsgericht aus Privatpersonen bestehen, die zwar eine juristische Ausbildung vorweisen sollen (muss wenn kann), aber nicht einmal die Voraussetzungen für ein Richteramt erfüllen müssen. Zudem wird die Hälfte vom Kläger bestimmt und die Unbestechlichkeit ist zwar wünschenswert, aber leider weder vollständig kontrollierbar noch gesetzlich vorgeschrieben.
Und theoretisch ist jeder frisch gebackene Jurist befähigt und qualifiziert über Milliarden-Entschädigungen in einem Schiedsgericht mitzuentscheiden. Na danke.

Aber schön, dass ein paar dank Bild und Co. über Chlorhähnchen meckern und damit als Strohmann vorgeschoben werden können.

Dabei bin ich nicht grundsätzlich gegen das Freihandelsabkommen. Ich bitte dies nicht falsch zu verstehen. Grundsätzlich begrüße ich dieses. Es gibt nur ein paar Punkte, die mir sehr zu denken geben. Insbesondere was Haftbarkeiten und diverse Festsetzungen angeht.

LG,
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Gubblinus
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Gubblinus »

Also ehrlich gesagt sind die Schiedsgerichte für mich hier das größte Problem neben der Aufweichung der in Europa erkämpfen Lebensmittelstandards und Arbeitsplatzbedingungen.

Durch die Schiedsgerichte wird die komplette Rechtsstaatlichkeit ausgehebelt, das ist kein kleiner Punkt. Die Schiedsgerichte sind keine Staatsbediensteten mehr, damit hat sich der Staat privaten Schiedsgerichten (deren Zusammensetzung durchaus zweifelhaft sein kann) unterworfen. Damit unterwirft sich die Legislative einer staatsfremden, noch dazu privaten Judikative! Für mich ist sowas einfach weder mit der österreichischen (weil ich Österreicher bin) noch mit der deutschen Verfassung vereinbar, laut der Legislative, Judikative und Exekutive getrennt und in der Hand des Staates sind.

Man darf nicht vergessen dass ein Freihandelsabkommen auch die Arbeitsbedingungen mitimprotiert (da die Konkurrenz natürlich nach anderen Arbeitsbedingungen produziert und man dagegen konkurrieren muss). Jetzt sind die Arbeitsbedingungen in Amerika verglichen mit Europa ja eher nicht so toll. Ob man sich das für wenig Benefit antun muss?. Es gehen selbst optimistische Schätzungen nur von einem sehr geringen Wachstumsschub für Europa aus.

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Radames
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Radames »

@Gorbalad: Sollte vernünftige Gesetzgebung nicht darauf beruhen, dass man Gesetze gut durchdacht gestaltet, formuliert und dann beschließt? So gesehen erfüllen die Schiedsgerichte ihren primären Zweck als Prophylaxe gegen Willkür in der Gesetzgebung, und können, wenn diese dennoch stattfindet, dazu dienen, dies zu korrigieren. Üblicherweise gibt es dafür zwar Verfassungsgerichte, aber solange das Gesetz verfassungskonform ist, steht man trotz Willkür vor dem Verlust des Investments, das man im Vertrauen auf Stabilität erbracht hat.
Schiedsgerichte heben keine Gesetze auf, und wenn die Entschädigung gezahlt ist, kann der Staat für die Zukunft problemlos auf dem Gesetz beharren.

@Brandolin: Es ist (und das ist schon seit längerer Zeit bekannt) geplant, die Schiedsgerichte nur in Bezug auf zukünftige (ab Ratifizierung des Abkommens) Gesetze einzurichten. Also bitte die Kirche im Dorf lassen.

Bzgl Zusammensetzung: üblich ist, dass entweder beide Seiten gleich viele Schiedsrichter normieren, die sich dann gemeinsam auf eine weitere Person als Vorsitzenden verständigen, oder eine schon bestehende Institution (die Wirtschaftskammer Österreich bietet das bspw an) mit der Schiedsgerichtsbarkeit zu beauftragen. Mir schwingt viel zu oft die Furcht mit, dass dann in Hinterzimmern an der Wall Street irgendwelche schmierigen Broker gegen europäische Staaten entscheiden. Das ist nicht die Realität von Schiedsgerichten.
Ansonsten verweise ich darauf, was passiert wenn europäische Unternehmen in den USA die ordentliche Gerichtsbarkeit bemühen:
12 nicht einmal annähernd juristisch gebildete Amis erfüllen als Geschworene ihre patriotische Pflicht und entscheiden über Schadenersatz des europäischen Unternehmens gegen die USA (oder den Bundesstaat). Nicht wünschenswert.

Bzgl Strohmann: Sorry, aber auch in Österreich wird oft mit dem Chlorhuhn und ähnlichen Absurditäten argumentiert, die Leute glauben sogar, Bio-Bauern dürften dann keine Bio-Milch mehr produzieren...
Soetwas wird aber erstens gebracht, weil es schockiert, zweitens weil man keine bis kaum sinnvolle (und richtige) Argumente hat, weil drittens der Inhalt des Abkommens inkl Investitionsschutzklausel noch nicht einmal fertig ausverhandelt ist, also noch niemand wirklich weiß, was es genau zu kritisieren gibt. Aber man will eben schon vorsorglich Stimmung dagegen machen.

Meine Meinung ist, dass die aktuelle öffentliche Debatte auf rein populistischem Niveau geführt wird (woran ich der Barroso-Kommission mit ihrer nicht vorhandenen Informationspolitik Mitschuld zuschreibe), man aber erst einmal abwarten sollte, was rauskommt, bevor man gegen ein Abkommen protestiert, dessen Inhalt noch lange nicht fertig durchformuliert ist.
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Gorbalad »

@Radames: 'Qualitätskontrolle' von Gesetzen ist mMn Sache der Verfassungsgerichtshöfe, nicht von solchen Schiedsgerichten.

Da gabs doch ein paar Fälle (Uruguay, Australien, ...) wo Tabakkonzerne solche Klagen wegen diesen Hinweistexten auf Zigarettenpackungen geführt und (zumindest teilweise auch) gewonnen haben. D.h. man muss in Zukunft, wenn man so etwas oder etwas ähnliches beschließt, die Kosten für den Schadenersatz an den Tabakkonzern mit bedenken.

@Gubblinus: Inwiefern in Österreich Legislative und Exekutive getrennt sind, kann man mMn auch diskutieren :)
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Danilo von Sarauklis
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Danilo von Sarauklis »

Radames hat geschrieben:@Gorbalad: Sollte vernünftige Gesetzgebung nicht darauf beruhen, dass man Gesetze gut durchdacht gestaltet, formuliert und dann beschließt? So gesehen erfüllen die Schiedsgerichte ihren primären Zweck als Prophylaxe gegen Willkür in der Gesetzgebung, und können, wenn diese dennoch stattfindet, dazu dienen, dies zu korrigieren. Üblicherweise gibt es dafür zwar Verfassungsgerichte, aber solange das Gesetz verfassungskonform ist, steht man trotz Willkür vor dem Verlust des Investments, das man im Vertrauen auf Stabilität erbracht hat.
Und wird dann nicht mehr investieren. Damit schadet sich ein Land mit "schlechten" Gesetzen also sowieso selbst.
Hier eine "Willkür" in einem demokratischen Gesetzgebungsverfahren herbeizureden (denn die potentiellen Vertragspartner von TTIP sind ja entwickelte Demokratien), halte ich im übrigen für einen ganz schmalen Grat.

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Radames
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Radames »

@Danilo: Und derweil sind einmal hunderte Mio in den Sand gesetzt, weil sich eine Regierungspartei irgendetwas einbildet.
Was die demokratische Gesetzgebung angeht: Wie vielen Gesetzen, die der Bundestag (nach freundlicher Anregung der Regierung) beschließt, hat denn das Volk zugestimmt? Es gibt durch Wahlen eine Generalvollmacht, aber keine Generalzustimmung zu Gesetzen der kommenden Legislaturperiode. Sonst würde sich niemand je über Gesetze beschweren, was doch recht häufig vorkommt. Willkür gibt es zudem oft genug, denn auch in entwickelten demokratischen Staaten sind nur Menschen am Werk, of genug solche mit zumindest leicht populistischen Anwandlungen, die zeitweise Gesetze auf den Weg bringen, nur um dem Wahlvolk zu gefallen. Also von absolutem Fehlen von Willkür in der Gesetzgebung, nur weil man alle 5 Jahre den Bundestag wählt, kann man nur sprechen, wenn man von einer Utopie redet.

@Gorbalad: Nicht jeder willkürliche Akt der Gesetzgebung steht verfassungsgerichtlicher Kontrolle offen. Sonst gäbe es keine Arbeit für den EGMR in Bezug auf EU-Staaten.
Aus den Beispielen mit Klagen zu schon bestehenden Regelungen lernt man ja auch für die Zukunft. Malmstroem hat auch schon versichert, dass einige Bereiche der Gesetzgebung nicht den Schiedsgerichten offenstehen sollen bzw es gewisse Rechtfertigungen geben wird, die ein negatives Urteil abwenden sollen, wenn sie anwendbar sind (ähnlich wie schon bestehende Gesetzesvorbehalte zu Grundrechten), bspw Gesundheitsmaßnahmen.
Zuletzt geändert von Radames am 20.04.2015 13:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Danilo von Sarauklis »

Radames hat geschrieben:Nicht jeder willkürliche Akt der Gesetzgebung steht verfassungsgerichtlicher Kontrolle offen. Sonst gäbe es keine Arbeit für den EGMR in Bezug auf EU-Staaten.
Ich weiß nicht, wieso diese Gesetzgebung dann als willkürlich zu bezeichnen ist. Der europäische Rechtsweg ist etabliert und nicht jedes Gesetz ist mit europäischen Regeln konform. Das ist Alltag, wenn auch manchmal peinlich für den nationalen Gesetzgeber.

Man kann Justizsysteme modernisieren, besser ausstatten, vereinheitlichen, das hilft dem Bürger und auch den Investoren. Kein Problem. Aber EU-Staaten, die sich gegenüber privaten Firmen Schiedsgerichten unterwerfen? Welche Lehre soll man daraus ziehen, dass Demokratie nicht mehr marktkonform ist?

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Radames
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Radames »

Welche Lehre man daraus ziehen soll?
Dass derartige Schiedsgerichte ein Standard sind, denen man sich selbst unterwirft, damit es andere auch tun.
Vor allem auch, dass die Staaten anerkennen, dass die Versuchung manchmal groß sein kann, die Rechtslage schnell zu eigenen Gunsten zu ändern, um das Gegenüber auflaufen zu lassen. Um zu demonstrieren, dass man das nicht machen soll, unterwirft man sich schiedsgerichtlicher Kontrolle.

Wichtige Frage: Was stellt ihr euch denn unter einem Schiedsgericht vor?
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Gubblinus
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Gubblinus »

@Radames: Die Frage zum Thema Willkür wäre hier: Welche Willkür? Die Willkür der Macht des Volkes? (denn das sind unsere Volksvertreter). Im Endeffekt schützen sich Firmen dadurch vor dem Mitspracherecht und dem Bestimmungsrecht des Volkes (im schlechtest möglichen Fall).
Die bestimmende Frage ist nämlich: Warum darf sich ein zur Elite erkorenes Schiedsgericht im Namen von Firmen gegen "Gesetzeswillkür" wehren, während das allen anderen Gruppierungen explizit verweigert wird. Die Macht des Kapitals ...

@Gorbalad: auch wieder richtig, aber wir gehen mal vom Idealbild aus :)

Brandolin
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Brandolin »

Radames hat geschrieben:@Gorbalad: Sollte vernünftige Gesetzgebung nicht darauf beruhen, dass man Gesetze gut durchdacht gestaltet, formuliert und dann beschließt? So gesehen erfüllen die Schiedsgerichte ihren primären Zweck als Prophylaxe gegen Willkür in der Gesetzgebung, und können, wenn diese dennoch stattfindet, dazu dienen, dies zu korrigieren. Üblicherweise gibt es dafür zwar Verfassungsgerichte, aber solange das Gesetz verfassungskonform ist, steht man trotz Willkür vor dem Verlust des Investments, das man im Vertrauen auf Stabilität erbracht hat.
Wann wurde in Deutschland das letzte willkürliche, diskriminierende Gesetz verabschiedet ? Wielang hatte dieses Bestand ?
Die doch recht überschaubare Gefahr, dass soetwas eintritt und weder von der Legislativen noch von den überprüfenden Verfassungsgerichtshöfen, noch von der EU-Kommission oder oder oder ... korrigiert bzw. kassiert wird, ist so verschwindend gering in Europa und erst recht in Deutschland, dass diese verschwindend geringe Gefahr wohl kaum Maßnahmen zur Aushebelung der Rechtstaatlichkeit rechtfertigen.
Es ist für mich schon unbegreifbar, wie jemand sowas auch nur schreiben kann ...
Radames hat geschrieben:Schiedsgerichte heben keine Gesetze auf, und wenn die Entschädigung gezahlt ist, kann der Staat für die Zukunft problemlos auf dem Gesetz beharren.
Dies ist so nicht ganz korrekt. Ja, sie können keine Gesetze aufheben. Sie können aber auch fortlaufende Strafzahlungen (Entschädigungen für angebliche oder theoretische Gewinnverluste) verhängen oder auch die Aussetzung der Anwendung eines Gesetzes beschließen. Damit bleibt das Gesetz bestehen, wird aber nicht weiter angewendet. Ein Beispiel gabs dazu eine Zeitlang in Kanada zu finden.

Und das Schlimme daran ist, dass es an der kompletten Rechtstaatlichkeit vorbeigeht. Und zwar an Recht und an Staatlichkeit.
Radames hat geschrieben:@Brandolin: Es ist (und das ist schon seit längerer Zeit bekannt) geplant, die Schiedsgerichte nur in Bezug auf zukünftige (ab Ratifizierung des Abkommens) Gesetze einzurichten. Also bitte die Kirche im Dorf lassen.
Und in wiefern wird es dadurch besser oder ein Staat weniger in seiner Eigenständigkeit beschnitten ?
Kommt man eines Tages auf die Idee bestimmte Sicherheitsauflagen, die dann Stand der Technik und Wissenschaft sind, gesetzlich zu verankern oder zu aktualisieren, kann dies mit immensen Strafzahlungen aufgrund des plausibel nachweisbaren Gewinnverlustes belegt und die Anwendung der gesetzlichen Regelungen ausgesetzt werden oder oder oder ...

Und da weiß noch keiner, ob sich dies irgendwann auf Atomsicherheit, Nahrungsmittelstandards, Verkehrssicherheit, Umweltschutzbestimmungen, medizinische Standards und Verfahren oder bisher unbekannte Technologien beziehen wird. Aber es ist geklärt, dass Gewinnausfälle durch eine Gesetzgebung im Anschluss geltend gemacht werden können und das an jeder Rechtstaatlichkeit vorbei.

Bezüglich der Zusammensetzung : Was ändert deine Aussage daran, dass Personen, die keine Voraussetzung für ein Richteramt erfüllen, über Milliardenbeträge oder Gesetzesaussetzungen entscheiden ? Was ändert deine Aussage an dem Fakt, dass ein Schiedsgericht zusammengesetzt aus staatsfremden/-unabhängigen Privatpersonen über Staaten und Regierungen Entscheidungen fällen dürfen ?

Das hat nichts mit der Angst vor "schmierigen Brokern" zu tun, sondern fehlender Staatlichkeit. Und es gibt viele differgierende "Realitäten" bei Schiedsgerichten. Das schlimmst an den geplanten ist, dass diese nicht kontrolliert werden können. (Fast) Jedes Gericht in Deutschland hat eine übergeordnete (Kontroll-)Instanz. Eine solche fehlt einem Schiedsgericht.
Und auch wenn die Zusammensetzung der geplanten Schiedsgerichte mehr Kompetenz als so manches amerikanische Geschworenengericht haben mag, ist es vom Stand der Judikativen Entwicklung noch weit unter jedem ordentlichen Gericht anzusiedeln und im Gegensatz zu einem europäischen Gericht wie auch einem amerikanischen Geschworenengericht nicht staatlich.
Und das ist für mich nicht nur "nicht wünschenswert" sondern ein Ding der Unmöglichkeit und Illegitimität
Radames hat geschrieben:Bzgl Strohmann: Sorry, aber auch in Österreich wird oft mit dem Chlorhuhn und ähnlichen Absurditäten argumentiert, die Leute glauben sogar, Bio-Bauern dürften dann keine Bio-Milch mehr produzieren...
Und wieviele Diskutanten in diesem Thread argumentieren mit dem Chlorhühnchen ? Also lass es stecken !

Unverschämt finde ich, die Anmassung über die Sinnhaftigkeit und Richtigkeit von Gegenargumenten werten zu wollen.
Bisher ist die hier vorgebrachte Kritik auf die bisher wenigen Fakten bezogen, die veröffentlicht wurden. Würde offener und direkter informiert, wäre es wohl auch in einer öffnetlichen Debatte leichter und möglich zielführender über die Fakten zu diskutieren.
Was bisher fertig ausgehandelt wurde und was nicht, wurde bisher ausgesprochen unzureichend kommuniziert.
Der öffentlichen Debatte und den daran Teilnehmenden aber vorzuwerfen, sie würden über Dinge diskutieren, die bisher weitestgehend unveröffnetlicht sind, weil diese nicht veröffentlicht werden, ist nicht nur Strohmann sondern dreist.

Und nein, auch hier bin ich nicht beim Chlorhühnchen.
Radames hat geschrieben:Meine Meinung ist, dass die aktuelle öffentliche Debatte auf rein populistischem Niveau geführt wird (woran ich der Barroso-Kommission mit ihrer nicht vorhandenen Informationspolitik Mitschuld zuschreibe), man aber erst einmal abwarten sollte, was rauskommt, bevor man gegen ein Abkommen protestiert, dessen Inhalt noch lange nicht fertig durchformuliert ist.
Wartet man ab, bis am Ende etwas rauskommt, beschlossen wurde und den Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt wurde, wird es wohl etwas zu spät sein, noch öffentlich zu diskuttieren. Zumindest lehrt dies ein wenig die Europäische Vergangenheit.

LG,
Brandolin

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Radames
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Radames »

Die Volksvertreter sind nicht das Volk, sondern vom Volk mit Macht ausgestattete Personen. Als solche sind sie fehleranfällig und korrekturbedürftig. Dass es keine Willkür geben kann ist Illusion.
Im Idealzustand sind nicht nur Exekutive und Legislative fein säuberlich getrennt, sondern auch Schiedsgerichte nicht notwendig. Wir haben aber nicht den Idealzustand.

Noch einmal: Was stellst du dir unter einem Schiedsgericht vor? Vor allem wenn du meinst, sie wären die "selbsterklärte Elite" sehe ich da einige Wissenslücken, will aber nicht vorurteilen.

@Brandolin: Weniger Emotion, mehr Sachlichkeit würde der Diskussion gut tun.
Mit welcher Kompetenz ich da Gegenargumente kritisiere? Ich habe als Jurist ein bisschen Einblick in Justizsysteme und auch schiedsgerichtliche Verfahren. Insofern kann ich auch einiges dazu sagen, und die Argumente dagegen abschätzen.
Bzgl Zusammensetzung: An Staatslichen Gerichten ist der Staat Richter über sich selbst. Bei Schiedsgerichten sind beide Parteien zu gleichen Teilen bzw ausgewogen beteiligt. Ich sehe da schon eine gewisse Sinnhaftigkeit.
Bzgl fortlaufende Strafzahlung: Das hängt von Kompetenz und Ausgestaltung der Schiedsgerichte ab. Man muss keine fortlaufenden Strafzahlungen inkludieren.
Bzg deutscher Gesetze: Die Rechtslage in meinem Nachbarstaat beobachte ich nicht genau, aber erstens ist jede Verurteilung durch den EGMR als gesetzgeberisches Versagen anzusehen (wovor oft innerstaatlich schon viele Juristen warnen, aber die Politik wegen mangelnder Popularität in der eigenen Wählergruppe nichts tut), zweitens dauern viele dieser Verfahren ewig lange (um nicht zu sagen mehrere Bilanzjahre).
PS: Die Kommission kann gar keine Gesetze aufheben.

Wiederum: Was glaubt ihr, wie Schiedsgerichte ausschauen, dass ihr solche Aussagen darüber trefft?
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Danilo von Sarauklis
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Danilo von Sarauklis »

Wenn einer Firma der ganze Kram mit ordentlichem Rechtsweg und demokratischer Gesetzgebung selbst in Ländern wie Deutschland oder Österreich viel zu kompliziert und unberechenbar ist, soll sie die Investition bitte einfach bleiben lassen. Dürfte dann besser für alle Beteiligten sein. Den Rest regelt der Markt (das gilt aber auch für vermurkste Rechtssysteme und das resultierende Gedeihen von Volkswirtschaften). Dafür lasse ich meine Gesetzgebung, Regierung und Justizwesen nicht einschränken.

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Gorbalad
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Gorbalad »

Sicher haben die betreffenden Firmen gehörigen Einfluss auf die Schiedsgerichtsverfahren, wenn sie knapp 50% der 'Richtenden' stellen.
Allerdings haben sie auch Einfluss auf die Legislative und Exekutive, siehe diverse Lobby-Affären, Parteispenden, Politiker, die direkt in so eine Firma wechseln, mehr oder weniger verschleierte Erpressung (Steuernachlass, oder wir bauen das Werk halt im Nachbarland) usw..
"Eigentlich wäre <X> sehr <Y>, nur man hat daraus nichts gemacht" ist glaube ich die Quintessenz von DSA.

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Gubblinus
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Gubblinus »

Radames hat geschrieben:Als solche sind sie fehleranfällig und korrekturbedürftig.
Elitendenken lässt grüßen.

Sry, aber es gibt keine bessere Form der Macht als die Demokratie, wer meint Entscheidungen der Demokratie nachträglich verbessern zu müssen der bewegt sich damit in Kreisen, in denen ich mich selbst nicht gerne sehen wollen würde.

Natürlich ist es fehleranfällig, aber für eine Institution sich das Recht herauszunehmen die Demokratie verbessern zu dürfen bedarf es der demokratischen Besetzung und Legitimation der Institution und nicht einer ominösen Privatbesetzung durch den Kläger und den Beklagten.

Es tut mir leid, aber ich kann nichts mit dem prinzipiellen Gedanken anfangen demokratische Entscheidungen nicht-demokratisch korrigieren zu wollen!

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Radames
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Radames »

@Gorbalad: Und gleich viele beschickt der Staat. Es soll über die Ansprüche zweier Beteiligter entschieden werden, beide sind zu gleichen Teilen dort vertreten (oder haben in anderen Konstruktionen beide keinen eigenen Vertreter im Entscheidungsgremium).
Bzgl Korruptionsskandale: Politiker snd gerade auch gegenüber einheimischen Unternehmen und Lobbies anfällig, die gerne lieber heute als morgen missliebige Konkurrenz von außen aussperren will.

@Gubblinus: Wieso Elitendenken? Habe ich irgendwo gesagt "aber wo wir Juristen urteilen, da ist die Entscheidung über jeden Zweifel erhaben" oder so? Wo ist es Elitendenken, wenn ich jeder Person Fehleranfälligkeit attestiere?
Demokratische Entscheidungen stehen ständig der Korrektur offen. Aber man sollte nicht glauben, dass jede demokratische Entscheidung gleich gut und sinnvoll ist, deshalb gibt es ja auch Minderheitenschutz, weil die Mehrheit eben nicht über alles befinden können soll.

Noch einmal: Was stehen da für Meinungen dahinter, was Schiedsgerichte sind, und auf welcher Grundlage sie entscheiden?

Ich lese da viel Hysterie und angst vor dem Unbekannten heraus, kann mich aber täuschen. Nur Aussagen wie "Verbesserung der Demokratie", "Elitendenken"bzw "selbsternannte Elite" und "ominöse Institutionen" lassen stark darauf schließen.
Zuletzt geändert von Radames am 20.04.2015 14:41, insgesamt 2-mal geändert.
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Salix Lowanger
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Salix Lowanger »

Gorbalad hat geschrieben:Sicher haben die betreffenden Firmen gehörigen Einfluss auf die Schiedsgerichtsverfahren, wenn sie knapp 50% der 'Richtenden' stellen.
Allerdings haben sie auch Einfluss auf die Legislative und Exekutive, siehe diverse Lobby-Affären, Parteispenden, Politiker, die direkt in so eine Firma wechseln, mehr oder weniger verschleierte Erpressung (Steuernachlass, oder wir bauen das Werk halt im Nachbarland) usw..
Das ist meines Erachtens nach einer der Hauptgründe dafür, dass die Debatte hauptsächlich polemisch geführt wird: Das Vertrauen in die Politik ist durch og. Beispiele innerhalb breiter Teile der Bevölkerung nachhaltig erschüttert. Ein weiterer gewichtiger Grund ist eben die ganze Geheimhaltung. Tu die Geheimhaltung und die obigen Vorkommnisse in einen Topf und du hast den Hauptgrund für die Ablehnung gegen TTIP: Den Leuten fehlt das Vertrauen, einige Beispiele aus vergleichbaren Fällen sind abschreckend und die Geheimhaltung tut dann ihr übriges. Ein größeres Schreckgespenst kann man nicht aufbauen. (Und auch ich bin nicht beim Chlorhühnchen.)

Edit: Und noch ein Punkt stößt mir bei TTIP sauer auf: Ich als einzelner Bürger habe keine Möglichkeit, mich bei vermeidlicher Willkür oder Verstoß gegen Gesetze zu wehren, Stichwort Entfernungspauschale. Das war, wenn ich mich richtig entsinne, auch eine Klage eines einzelnen Bürgers bei einer Kontrollinstanz. Die fehlt mir bei TTIP. Das alles vermittelt mir den Eindruck, als ob die Konzerne sagen: Wir wollen nur das Beste für euch. Und was das Beste ist, bestimmen wir. Und genau dagegen wehre ich mich.
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Brandolin
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Brandolin »

Wie ein Schiedsgericht zusammengesetzt ist, ist geklärt und braucht keine "Vorstellungen". Zu gleichen Teilen entsenden Kläger und Beklagter Personen in das Schiedsgericht und dieses fällt eine für beide Parteien bindende Entscheidung. Darüber, wie es zu dieser Entscheidung kommt, ist bisher wenig geklärt. Da die Personen außer benannt zu werden, aber wenig Qualifikation und noch weniger Legitimation bedürfen, darf an deren Fehlbarkeit wohl noch stärker und berechtigter gezweifelt werden als an der "unserer" Juristen.

Und dass eine kleine Gruppe (von Personen im Entscheidungsgremium) eher fehlbar ist, als der gleiche prozentuale Anteil einer größeren Gruppe sollte für jeden erkennbar sein. Und wenn dann bei einer 50/50 Ausgangssituation schon eine Stimme den Ausschlag macht (egal ob gekauft, gepresst, verführt oder wirklich überzeugt) dann habe ich umso größere Bedenken, wenn der Staat in seiner Souveränität massiv eingeschränkt wird. Und das ganze ohne Kontrollinstanz.

Und spätestens, wenn mehrere Unternehmen erfolgreich über Schiedsgerichte Staaten auf Milliarden verschiedsgerichten, wird auch die Souveränität von Parlament und Gesetzgeber eingeschränkt. Denn dann ist der Staatshaushalt nicht mehr Parlamentssouveränität.

Und ja, nach dem bisher nach außen gedrungenen, ist dies keines wegs ausgeschlossen.

Es ist das eine, wenn ein Parlament Milliarden von Hilfszahlungen an Banken beschließt. Es ist aber etwas anderes, wenn es Milliardenzahlungen an Konzerne nicht mehr selbst bestimmen kann, weil eine kleine Gruppe Personen diese festgelegt hat.

Ja, ein bewusst hoch gezogenes Beispiel. Nach derzeitigem Kenntnisstand aber kein ausgeschlossenes.
Und wenn ein Staat zur Kasse gebeten wird, weil er gesetzliche Bestimmungen zur Sicherheit von Atomkraftwerken, Endlagerstätten, Nahrungssicherheit,... beschließt und deshalb "Gewinnausfälle" ausgleichen muss, ist auch dies eine Verkehrung der Prinzipien von Marktwirtschaft und Staatssouveränität.

LG,
Brandolin

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Gubblinus
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Gubblinus »

Das Schiedsgericht wird nur zu 50% (maximal) von Leuten beschickt die in meinen Augen das Recht dazu haben zu Gericht zu sitzen und rechtsbindende Entscheidungen zu treffen, nämlich die staatliche Seite, und das noch dazu nicht auf Basis einer Legislative!. Ich wüsste nicht woher das Recht einer investierenden Firma (das offenbar niemand anderer hat) kommen sollte zu Gericht sitzen zu dürfen und rechtsbindende Entscheidungen zu treffen. So etwas gibt es an keiner Stelle unseres Rechtssystems, aber hier solln wir das plötzlich voll ok finden.

Ja, ich gestehe Richtern hier eine Sonderstellung zu, da sie 1. dafür ausgebildet und zertifiziert sind und 2. vom Staat beschickt werden zu Gericht zu sitzen, nicht von Privatfirmen.

Offensichtlich bist du der Meinung dass die demokratisch beschlossenen Gesetze den Interessen von Firmen zu weichen haben, und durch sie korrigiert werden müssen in Schiedsgerichten. In meinen Augen ist aber die Macht des Volkes immer die höchste Instanz (oder sollte es zumindest sein).
Schiedsgerichte sind eine Entwicklung die dieses Machtverhältniss umkehren können. Es gibt auch jetzt schon den Schutz von Investitionen (wird zB aktuell in Österreich diskutiert ob das schlagend wird für die Wirte die wegen der halb-halb Raucherlösung umgebaut werden). Solche Mechanismen gehen durch die normalen Instanzen, und es können alle Rechtsmittel ausgeschöpft werden.

Soweit ich weiß gibt es bei Schiedsgerichten keine Rechtsmittel, und wenn die nach Mehrheitsentscheid gehen (was ich nicht weiß, aber da kannst du mir vielleicht weiterhelfen) reicht ein bestochener vom Staat entsandter um dem Willen von Firmen (die erfahrungsgemäß Bevölkerungs- und Sozialstaatsfeindlich sind) nichts mehr entgegen setzen zu können.

Jegliches Durchbrechen und "Korrigieren" von demokratischen Entscheidungen folgt immer der Argumentation "aber es gibt eine Elite (kannst du auch anders nennen wenn du willst) die es besser weiß als die Demokratie". Solche Gedanken lehne ich grundlegend ab. Die angesprochenen Minderheitenrechte entstammen der Demokratie und dem Diskurs der Gesellschaft!

Abgesehen von den Schiedsgerichten hätte ich noch gerne geklärt wie du ein Freihandelsabkommen siehst in dem nicht inkludiert ist die Arbeitsbedingungen zu harmonisieren. Selbst in der EU sind wir bei weitem nicht harmonisiert und leiden dadurch teilweise unter den Auswirkungen (Deutschland zB hat sich nur weiterhin als starker Wirtschaftsmotor halten können indem die Sozialleistungen und Arbeitsplatzbedingungen verschlechtert wurden). Wie gesagt, man importiert damit nicht nur Produkte, sondern auch Arbeitsbedingungen.

Was ich auch gerne noch von dir beziffert hätte wäre die andere, genauso wichtige Seite: was für einen Benefit hätte TTIP für Europa? Man hört Schätzungen um 0.5% Wachstum in 15 Jahren. Denn jedes Risiko (und Bedenken, und eventuelle Verschlechterungen unserer demokratischen Verhältnisse) muss mit einem Benefit daherkommen. Und 0.5% Wachstum wäre ... naja ... lächerlich ...

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Salix Lowanger
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Salix Lowanger »

Brandolin hat geschrieben:Und spätestens, wenn mehrere Unternehmen erfolgreich über Schiedsgerichte Staaten auf Milliarden verschiedsgerichten, wird auch die Souveränität von Parlament und Gesetzgeber eingeschränkt. Denn dann ist der Staatshaushalt nicht mehr Parlamentssouveränität.

Und ja, nach dem bisher nach außen gedrungenen, ist dies keines wegs ausgeschlossen.
Im Gegenteil, es ist bereits vorgekommen:
Wikipedia-Artikel TTIP hat geschrieben:Laut Lori Wallach könnten „gigantische Entschädigungen“ für Unternehmen fällig werden, wenn Staaten gegen die Vertragsregelungen verstießen und nennt dabei als Beispielfall den bis dahin höchsten[148] Schiedsspruch eines ICSID-Tribunals über 1,77 Milliarden Dollar zuzüglich Zinsen.[15] Ecuador wurde von einem Schiedsgericht dazu verurteilt, diese Summe als Ausgleich zu zahlen, nachdem es Eigentum von Occidental Petroleum zwangsverstaatlicht hatte. Ecuador hat nach den ICSID-Regeln Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gestellt.[149] Bis zu einer Entscheidung des Aufhebungskomitees ist der Schiedsspruch nicht vollstreckbar.[150]
Laut Wikipedia ist die Schiedgerichtsstelle das Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Der Fall Ecuador ist im obigen Zitat unter 148 von mir verlinkt.

Interessant ist außerdem folgender Punkt:
Wikipedia-Artikel ICSID hat geschrieben:In den ersten 30 Jahren seines Bestehens, hat das ICSID im Schnitt nur einen Fall pro Jahr betreut.[2] Seit 1995 ist die Fallzahl stark angestiegen. Im Geschäftsjahr 2008 verzeichnete ICSID einen Rekordanstieg auf 48 Anrufungen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (seit Gründung bis Januar 2010 305 Fälle, davon 73% auf Basis von bi- oder multilateralen Investitionsschutzabkommen)[3].

Mit Wirkung zum 3. November 2007 ist Bolivien aus dem ICSID ausgetreten.[4] Ecuador hat die Konvention mit Wirkung zum 7. Januar 2010 gekündigt,[5] Venezuela mit Wirkung zum 25. Juli 2012.[6]
(Hervorhebung von mir)
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Varana »

Eine sachliche und ausgewogene Diskussion über die Investorenschiedsgerichtsbarkeit ist ja durchaus sinnvoll. Wenn es im Rahmen von TTIP gelingt, die auf eine besser geregelte Basis zu stellen, wäre das ein Erfolg. Aber, und darauf wollte ich oben hinaus, so wird die Diskussion in der Öffentlichkeit nicht geführt.

Deutschland gehört zu den Erfindern dieser Art Investorenschutz (iirc in den 60ern in Abkommen mit Pakistan, oder so). Bei sehr vielen Staaten der Welt ist das auch eine sinnvolle Einrichtung, weil man bei denen nämlich nicht davon ausgehen kann, daß deren Gesetzgebung demokratisch legitimiert ist und die dortigen Gerichte unabhängig agieren. Eine Entschädigung für den Fall "als wir den Vertrag unterzeichnet haben, durften wir X und haben 100 Mio. in eine neue Fabrik gesteckt; jetzt wurden plötzlich die Gesetze geändert, und X ist verboten" ist grundsätzlich eine sinnvolle Maßnahme. Ode so etwas wie der von Salix zitierte Fall Ecuadors: Über die Höhe kann ich nichts sagen, aber zwangsverstaatlicht ist genau der Fall, für den so etwas vorgesehen ist.
Das System ist in bestimmten Bereichen reformbedürftig, was Mißbrauch und meinetwegen auch Zusammensetzung der Gerichte betrifft. Aber das sind Reformen, über die man im Detail verhandeln muß, nicht der Weltuntergang.

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Salix Lowanger
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Re: TTIP

Ungelesener Beitrag von Salix Lowanger »

Varana hat geschrieben:Ode so etwas wie der von Salix zitierte Fall Ecuadors: Über die Höhe kann ich nichts sagen, aber zwangsverstaatlicht ist genau der Fall, für den so etwas vorgesehen ist.
Lies dir mal die Fakten des Falls durch. Da haben sich nämlich zwei Ölfirmen zusammen getan und offenbar erst mal gegen Ecuadorianisches Recht verstoßen.

Edit:
Facts

Occidental Petroleum Corp. (“Oxy”) started doing business in Ecuador in the mid-1980s under a services contract with Petroecuador, Ecuador’s national oil company. In 1993, Ecuador amended its Hydrocarbons Law to allow parties to enter into participation contracts. After protracted negotiations, on May 21, 1999, Ecuador and Oxy entered into a Participation Contract to explore and exploit hydrocarbons in Block 15 of the Ecuadorian Amazon region.

On 19 October, 2000, Oxy sought to explore ways to finance the expansion of its operations in Ecuador and diversify and reduce its exposure in the country. Coincidentally, Alberta Energy Corporation Ltd (“AEC”) was looking to expand its investment in Ecuador. In order to further these goals, Oxy and AEC entered into a Farmout Agreement where AEC acquired a 40% economic interest in Block 15 in return for certain capital contributions. The transfer, however, violated both the Participation Contract and Ecuadorian law, which required ministerial approval.[1]

When the government learned of the Farmount Agreement, it came under heavy political pressure to terminate its relationship with Oxy. On May 15, 2006, following a number of demonstrations against the government and Oxy, the government of Ecuador issued a decree (the “Caducidad Decree”) terminating with immediate effect its Participation Contract with Oxy.

On May 16, 2006, government officials arrived at Oxy’s offices in Quito and seized all of its property. The next day, officials and the Ecuadorian National Police seized Oxy’s oil fields in Block 15, including wells, drills and storage facilities. Two days later, Oxy filed a request for arbitration.
Also, Oxy hat gegen die zuvor getroffene Vereinbarung mit der Regierung UND ecuadorianisches Recht verstoßen und Ecuador hat daraufhin die Zusammenarbeit aufgekündigt und deren Eigentum konfisziert. Das Ganze hätte auch von Ecuador geschickter gelöst werden können, indem die Regierung stattdessen eine entsprechendes Verfahren wegen des Gesetzesverstoßes vor dem Schiedgericht eingeleitet hätte. Aber das Wort Zwangsverstaatlichung trifft es meiner Meinung nach nicht so ganz.
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