'Gender'-Diskussion

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Eulenspiegel
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Und vermutlich noch leichter kann man sagen "Ich fühle mich dem männlichen Geschlecht zugehörig."
Was ist der Unterschied zwischen "Mann" und "Penis-Träger"?
Was ist der Unterschied zwischen "Ich fühle mich den Penis-Trägern zugehörig" und "Ich fühle mich dem männlichen Geschlecht zugehörig"?

Und wie kann man sich etwas zugehörig fühlen, das man nicht ist?
Wie gesagt, der Wunsch, einen Penis oder einen athletischen Körper zu bekommen, ist möglich. Aber zu sagen, man fühlt sich den Penis-Trägern/athletischen Leuten zugehörig, obwohl man es nicht ist, ist postfaktisch.
Oder "Ich kann nicht als Frau leben, auch wenn ich einen weiblichen Körper habe. Ich verspüre den starken Wunsch, in der Gesellschaft als Mann zu leben und anerkannt zu werden (und ggf. meinen Körper meinem Selbstbild anzupassen)."
Was bitteschön ist jetzt "in der Gesellschaft als Mann"? Du weißt schon, dass wir im 21. Jahrhundert leben?

Das "in der Gesellschaft als Mann" war bis etwa Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts gültig. Dann gab es die Frauenrechtsbewegung. Und jetzt haben wir nur "in der Gesellschaft als volljähriger Mensch".
Die geschlechtliche Einteilung der Gesellschaft wurde Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts abgeschafft. Wir haben noch eine altersbezogene Einteilung der Gesellschaft und eine soziale Einteilung der Gesellschaft (abhängig vom Reichtum der Person), aber keine geschlechtliche Einteilung.

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Madalena
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Madalena »

Eulenspiegel hat geschrieben:
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Und vermutlich noch leichter kann man sagen "Ich fühle mich dem männlichen Geschlecht zugehörig."
Was ist der Unterschied zwischen "Mann" und "Penis-Träger"?
Was ist der Unterschied zwischen "Ich fühle mich den Penis-Trägern zugehörig" und "Ich fühle mich dem männlichen Geschlecht zugehörig"?
Ein Transmann kann Mann und dennoch nicht Penisträger sein. Ein Mann, der durch Gewalt, Krankheit o.ä. seinen Penis verliert ebenso. Eine Transfrau wiederum kann Frau und dennoch Penisträgerin sein.
Und wie kann man sich etwas zugehörig fühlen, das man nicht ist?
Wie gesagt, der Wunsch, einen Penis oder einen athletischen Körper zu bekommen, ist möglich. Aber zu sagen, man fühlt sich den Penis-Trägern/athletischen Leuten zugehörig, obwohl man es nicht ist, ist postfaktisch.
Gefühle sind quasi per definitionem keine Fakten.
Oder "Ich kann nicht als Frau leben, auch wenn ich einen weiblichen Körper habe. Ich verspüre den starken Wunsch, in der Gesellschaft als Mann zu leben und anerkannt zu werden (und ggf. meinen Körper meinem Selbstbild anzupassen)."
Was bitteschön ist jetzt "in der Gesellschaft als Mann"? Du weißt schon, dass wir im 21. Jahrhundert leben?

Das "in der Gesellschaft als Mann" war bis etwa Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts gültig. Dann gab es die Frauenrechtsbewegung. Und jetzt haben wir nur "in der Gesellschaft als volljähriger Mensch".
Die geschlechtliche Einteilung der Gesellschaft wurde Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts abgeschafft. Wir haben noch eine altersbezogene Einteilung der Gesellschaft und eine soziale Einteilung der Gesellschaft (abhängig vom Reichtum der Person), aber keine geschlechtliche Einteilung.
Findest du also, es macht in unserer Gesellschaft keinerlei Unterschied, ob man Mann oder Frau ist? Das wiederum finde ich
Eulenspiegel hat geschrieben:postfaktisch
Als Mann leben heißt, als "er" angesehen zu werden, und sich - je nach persönlichem Wunsch - äußerlich und körperlich dem männlichen Geschlecht anzugleichen.
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sagista
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von sagista »

Ich glaube, als jemand, der offenkundig nicht im falschen Körper geboren wurde, kann man das kaum nachvollziehen. Ich wüsste tatsächlich nichts außer den körperlichen Merkmalen, die einen Menschen jetzt als Frau oder als Mann definieren. Typisch männlich oder typisch weibliche Verhaltensweisen gibt es ja in dem Sinne nicht und selbst solche Verhaltensweisen, die eher als männlich oder eher als weiblich angesehen werden, müssen bei allen Männern oder allen Frauen in gleicher Ausprägung vorhanden sein.

Wie es nun sein muss, zu erkennen, dass man eigentlich eine Frau ist, obwohl man männliche Geschlechtsorgane hat, kann man sich als Nicht-Betroffener wahrscheinlich nicht vorstellen. Also ich kann das zumindest nicht, auch wenn ich es versuche.

Ich glaube nicht, dass es hierzu eine wissenschaftlich fundierte, überprüfbare und entsprechend auch falsifizierbare Schlussfolgerung gibt. Ich hätte zumindest gewisse Schwierigkeiten, wenn mich jemand fragen würde, warum konkret ich mich denn dem männlichen Geschlecht zugehörig fühle. Meine Antwort wäre wahrscheinlich "Ja ist halt so."

Eulenspiegel
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Ein Transmann kann Mann und dennoch nicht Penisträger sein. Ein Mann, der durch Gewalt, Krankheit o.ä. seinen Penis verliert ebenso. Eine Transfrau wiederum kann Frau und dennoch Penisträgerin sein.
Richtig, es gibt einen Unterschied zwischen "Mann" und "Penis-Träger". Und ebenso gibt es einen Unterschied zwischen "Ich fühle mich den Penis-Trägern zugehörig" und "Ich fühle mich dem männlichen Geschlecht zugehörig". Und dieser Unterschied dazwischen ist genau so groß.

Oder anders ausgedrückt: Der Abstand zwischen "Mann" und "Penis-Träger" ist genau so groß wie der Abstand zwischen "männlichem Geschlecht zugehörig fühlen" und "Penis-Trägern zugehörig fühlen".

Wieso lässt sich das eine also leichter sagen als das andere?
Gefühle sind quasi per definitionem keine Fakten.
Jain. Gefühle sind per se erstmal postfaktisch. Aber gerade das Zugehörigkeitsgefühl basiert zumindest auf Fakten.
Daher kommt ja auch das Verlustgefühl: Man war z.B. Teil eines Sportteams und hat sich daher auch dem Sportteam zugehörig gefühlt. Durch einen Unfall kann man diesen Sport nicht mehr weiter ausüben (hat im restlichen Leben aber keinerlei Einschränkungen). Dann fühlt man einen Verlust, weil man gerne wieder Teil des Sportteams wäre, aber auch fühlt, dass man dies nicht ist.
Findest du also, es macht in unserer Gesellschaft keinerlei Unterschied, ob man Mann oder Frau ist? Das wiederum finde ich postfaktisch

Als Mann leben heißt, als "er" angesehen zu werden, und sich - je nach persönlichem Wunsch - äußerlich und körperlich dem männlichen Geschlecht anzugleichen.
Es gibt immernoch Sexisten bei beiden Geschlechtern. Wenn man einen Sexisten trifft, macht es durchaus einen Unterschied, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Aber beim Rest macht es keinen Unterschied.

Zum körperlichen anpassen: Ja, dass es einen körperlichen Unterschied gibt, habe ich schon mehrmals gesagt. Das ist aber kein gesellschaftlicher Unterschied, sondern ein körperlicher Unterschied. Den körperlichen Unterschied gibt es. Aber nicht den gesellschaftlichen Unterschied.

Bei den Äußerlichkeiten verwechselst du Transgender mit Travestie. Es gibt durchaus Leute, die gezielt Sachen anziehen, die eher dem anderen Geschlecht zuzuordnen sind. Aber das ist eher Travestie und nicht Transgender. (Ein Mann, der gerne Frauenklamotten anzieht, ist immernoch ein Mann. Und bei Männerklamotten fällt mir nichts ein, wo ich sagen würde: "Das sind typische Männerklamotten und werden von Frauen in der Regel nicht getragen.")

Ansonsten: Ego-Shooter werden tendenziell eher von Männern gespielt. Aber ich kenne auch viele Frauen, die Ego-Shooter spielen.
Ebenso kenne ich Männer, die gerne Kleidung shoppen gehen, obwohl das tendenziell eher den Frauen zugesagt wird.
Früher war es üblich, dass bei einem gemeinsamen Essen der Mann die Frau einlädt. Heutzutage zahlt aber entweder jeder für sich, oder der Besserverdienende lädt den Schlechterverdienenden ein.
Fußball galt lange Zeit als Männerdomäne. Aber heutzutage gibt es auch immer mehr Frauen, die Fußball-Fans sind und ins Stadion gehen.

Nein, abgesehen von ein paar Sexisten habe ich bisher tatsächlich nicht bemerkt, dass Männer und Frauen in der heutigen Gesellschaft unterschiedlich behandelt werden. (Wobei ich hier nur für DACH sprechen kann. Durchaus wahrscheinlich, dass in einigen Entwicklungsländern noch ein gesellschaftlicher Unterschied vorherrscht.)

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Madalena
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Madalena »

Eulenspiegel hat geschrieben:
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Ein Transmann kann Mann und dennoch nicht Penisträger sein. Ein Mann, der durch Gewalt, Krankheit o.ä. seinen Penis verliert ebenso. Eine Transfrau wiederum kann Frau und dennoch Penisträgerin sein.
Richtig, es gibt einen Unterschied zwischen "Mann" und "Penis-Träger". Und ebenso gibt es einen Unterschied zwischen n "Ich fühle mich den Penis-Trägern zugehörig" und "Ich fühle mich dem männlichen Geschlecht zugehörig". Und dieser Unterschied dazwischen ist genau so groß.

Oder anders ausgedrückt: Der Abstand zwischen "Mann" und "Penis-Träger" ist genau so groß wie der Abstand zwischen "männlichem Geschlecht zugehörig fühlen" und "Penis-Trägern zugehörig fühlen".

Wieso lässt sich das eine also leichter sagen als das andere?
Es ist ein feiner semantischer Unterschied, der nur eine Bedeutungs-Nuance ändert. Und diese Nuance kann je nach Gebrauch unterschiedlich ausfallen. D.h. zwei verschiedene Personen können diese Sätze verwenden und verschiedenes meinen. Aber "Penis" grenzt es auf das Genital ein, während "Mann" sich eher auf das Gesamtpaket bezieht. Daher denke ich, dass ein Transmann (dessen Genitalien nicht operiert sind) sich tendenziell eher als Mann denn als Penisträger identifiziert.

Oder, persönlicher ausgedrückt: Ich fühle mich durch "Frau" in einem gewissen Maße mitangesprochen (was immer noch Raum dafür lässt, dass ich in nicht in jeder Hinsicht weiblich bin), durch "Vaginabesitzerin" allerdings nicht, weil ich eben dieses - zugegebenermaßen recht essentielle - Kriterium des Frau-seins nicht erfülle.
Jain. Gefühle sind per se erstmal postfaktisch. Aber gerade das Zugehörigkeitsgefühl basiert zumindest auf Fakten.
Daher kommt ja auch das Verlustgefühl: Man war z.B. Teil eines Sportteams und hat sich daher auch dem Sportteam zugehörig gefühlt. Durch einen Unfall kann man diesen Sport nicht mehr weiter ausüben (hat im restlichen Leben aber keinerlei Einschränkungen). Dann fühlt man einen Verlust, weil man gerne wieder Teil des Sportteams wäre, aber auch fühlt, dass man dies nicht ist.
Betrachten wir es mal anders herum: Jemand ist de facto nicht Teil eines Teams, und war es noch nie. Aber sein Herz schlägt für dieses Team, und er will auf seine Weise einen Beitrag leisten. Arbeitet vielleicht sogar daran, Teil des Teams zu werden. Dann fühlt er sich also trotz Nicht-Erfüllung des zentralen Kriteriums diesem Team verbunden. Und in gewisser Weise ist er auch Teil des Teams. Z.B. liest man in der Zeitung, dass BVB-Fans als "Borussen" bezeichnet werden. Obwohl sie nicht Teil des Teams und nicht mal unbedingt Mitglieder im Fanclub sind. Technisch gesehen gehören sie nicht zur Institution "Borrusia Dortmund 09", aber sie werden gängigerweise dennoch diesem in gewisser Weise zugeordnet.

Jeder Vergleich hinkt. Aber um wieder zum Transmann zurückzukehren: Dieser ist kein Mann in dem Sinne, dass er ein Y-Chromosom hat (zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit), er ist nicht fortpflanzungsfähig in der männlichen Rolle des "Befruchters", und er kann zwar über Hormone Muskelwachstum, Bartwuchs und Stimmbruch erleben, aber - nach derzeitigem Stand der Medizin - keinen Penis haben, der dem Original weitestgehend vergleichbar ist. Trotzdem erfüllt er in einem gewissen Rahmen die Kriterien dessen, was wir als "Mann" bezeichnen. Wo ziehen wir die Grenze, ab wann wir ihm dieses Mann-sein zugestehen? Wieso ziehen wir diese rein sprachliche Grenze nicht dort, wo wir ihn nicht ausgrenzen von dem, wo er seine Identität verortet? Zumal es für jedes Kriterium von "Mann", dass er nicht erfüllt auch Ausnahmen gibt, die unsere Gesellschaft dennoch als "Mann" anerkennt?

(Damit will ich dir nicht in den Mund legen, dass du ihm nicht in gewisser Weise "Mann-sein" zugestehst, dazu hast du meines Wissens noch nicht Stellung bezogen - wobei mich durchaus interessieren würde, ob du das tun würdest.)
Findest du also, es macht in unserer Gesellschaft keinerlei Unterschied, ob man Mann oder Frau ist? Das wiederum finde ich postfaktisch

Als Mann leben heißt, als "er" angesehen zu werden, und sich - je nach persönlichem Wunsch - äußerlich und körperlich dem männlichen Geschlecht anzugleichen.
Es gibt immernoch Sexisten bei beiden Geschlechtern. Wenn man einen Sexisten trifft, macht es durchaus einen Unterschied, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Aber beim Rest macht es keinen Unterschied.

Zum körperlichen anpassen: Ja, dass es einen körperlichen Unterschied gibt, habe ich schon mehrmals gesagt. Das ist aber kein gesellschaftlicher Unterschied, sondern ein körperlicher Unterschied. Den körperlichen Unterschied gibt es. Aber nicht den gesellschaftlichen Unterschied.

Bei den Äußerlichkeiten verwechselst du Transgender mit Travestie. Es gibt durchaus Leute, die gezielt Sachen anziehen, die eher dem anderen Geschlecht zuzuordnen sind. Aber das ist eher Travestie und nicht Transgender. (Ein Mann, der gerne Frauenklamotten anzieht, ist immernoch ein Mann. Und bei Männerklamotten fällt mir nichts ein, wo ich sagen würde: "Das sind typische Männerklamotten und werden von Frauen in der Regel nicht getragen.")

Ansonsten: Ego-Shooter werden tendenziell eher von Männern gespielt. Aber ich kenne auch viele Frauen, die Ego-Shooter spielen.
Ebenso kenne ich Männer, die gerne Kleidung shoppen gehen, obwohl das tendenziell eher den Frauen zugesagt wird.
Früher war es üblich, dass bei einem gemeinsamen Essen der Mann die Frau einlädt. Heutzutage zahlt aber entweder jeder für sich, oder der Besserverdienende lädt den Schlechterverdienenden ein.
Fußball galt lange Zeit als Männerdomäne. Aber heutzutage gibt es auch immer mehr Frauen, die Fußball-Fans sind und ins Stadion gehen.

Nein, abgesehen von ein paar Sexisten habe ich bisher tatsächlich nicht bemerkt, dass Männer und Frauen in der heutigen Gesellschaft unterschiedlich behandelt werden. (Wobei ich hier nur für DACH sprechen kann. Durchaus wahrscheinlich, dass in einigen Entwicklungsländern noch ein gesellschaftlicher Unterschied vorherrscht.)
[Klugscheißen]Ich kenne den Unterschied zwischen Travestie und Transgender. Aber ich glaube, du wirfst Travestie (was nach meinem Verständnis immer einen gewissen "Show-Charakter" hat) mit anderen Formen von Transvestismus/Crossdressing (was viele Motive haben kann) durcheinander. :P [/Klugscheißen]

Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind im Mitteleuropa des 21. Jahrhunderts zwar deutlich aufgeweichter und durchlässiger als in den meisten anderen Epochen und Regionen, aber nach wie vor ganz klar vorhanden. Erkennbar an Karrierechancen und Bezahlung, Vorurteilen, Verhaltensnormen u.v.a.m. Oftmals in sehr unsympathischer Ausprägung.

Aber auch wenn man alle Diskriminierungen ausklammert und eine idealtypische Gleichberechtigung annimmt: Es gibt Unterschiede. In Schönheitsidealen, in dem wozu sich Menschen (auch unabhängig von Fortpflanzungsabsicht) sexuell und romantisch hinrzogen fühlen. Und in etwas ebenso simplem, aber auch alltäglichem wie "er oder sie", "DSA-Spieler oder -Spielerin" usw. Und schon allein letzteres kann für Transgender sehr wichtig sein. Ja, es mag nur eine Kleinigkeit sein. Und ich kann es nicht begründen warum das so eine Bedeutung hat, und wieso manche Menschen da die Form präferieren, die nicht ihrem offenkundigen körperlichen Geschlecht entsprechen. Aber es macht für eben jene Menschen (und für mich) einen Unterschied. Das ist schwer greifbar (da kann ich den letzten Beitrag von Sagista nur unterstreichen), und nach meiner Wahrnehmung macht es jeder Transgender an etwas anderem fest, aber deswegen ist es dennoch real. Es ist so real, dass Menschen deswegen Seelenqualen leiden, und dass eine Gesellschaft sich die Frage stellen sollte, wie sie damit umgeht. Die gleiche Frage stellt sich natürlich auch der Wissenschaft (insb. der Psychologie), und auch diese tut sich nach wie vor schwer damit - aber kommt klar zu den Antworten: Daran ist per se nichts Krankhaftes (wohl aber natürlich etwas Belastendes), und am besten geht es Transgendern, wenn sie soweit möglich in Einklang mit ihrer Geschlechtsidentität leben können. Die Bedürfnisse der übrigen Gesellschaft (Stichwort z.B. die Ausgangsfrage der öffentlichen Duschen) werden deshalb nicht irrelevant, aber die Bedürfnisse von Transgendern als Minderheit müssen ebenso geschützt werden.
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Herr der Welt
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Herr der Welt »

Deutlich wird der Unterschied zwischen Mann und Penisträger (was hier stellvertretend genannt wird für Gender und Sex) in Kulturen mit einer stärkeren Differenzierung der Geschlechter(-Rollen), gleichzeitig aber einer hervorscheinenden Überschneidung durch Rollenwechsel, wie es etwa bei diesen albanischen Frauen der Fall ist. Da wurde gewiss gar nichts operiert, es geht nur um das soziale Geschlecht.
Man müsste im Einzelfall schauen, was in welcher Kultur als eher männlich oder weiblich angesehen wird, wo Grenzen gezogen werden, wie viel (in dieser Beziehung) "Männlichkeit" sich eine Frau leisten kann ohne dass das eine bestimmte Bewertung erfährt (und v.v. bzgl. "Weiblichkeit" beim Mann), wann Männer als weiblich und Frauen als männlich bezeichnet werden - in welchem Grad das der Fall ist, ob das diffamierend gemeint ist und welche sozialen Konsequenzen das mit sich bringt.
Auch bei Transgendern stellen sich die gleichen Fragen: Werden sie von ihrer Umwelt als männlich oder weiblich wahrgenommen? Das Äußere mag durchaus ausschlaggebend sein, besonders bei Fremden, die die eigene Gefühlswelt nicht kennen können. Wer sich von der Anwesenheit eines nach außen hin männlich wirkenden Menschen in der Damendusche belästigt fühlt, tut das, weil er denjenigen als männlich ansieht.
Die Scham stellt sich nicht erst ein, wenn man bemerkt, dass es den anderen erregt. Scham kann auch dann auftreten, wenn die andere Person sexuell total uninteressiert ist.
Hier kreisen wir doch den Kern des Umkleide-/Dusch-Problems ein. Scham kann ein Mann unter Männern oder eine Frau unter Frauen empfinden. Allgemeiner könnte man auch von einem unangenehmen Gefühl durch Vorzeigen der eigenen Blöße anderen gegenüber sprechen. Eine solche Situation sollte möglichst vermeidbar sein.
Das ist nicht zwangsweise ein Transgender-Problem, wird dort aber wahrscheinlich gehäuft auftreten, weil das Geschlecht Dritter meist durch Äußerlichkeiten bestimmt und das eigene Verhalten bzw. eigene Gefühle Dritten gegenüber dadurch beeinflusst werden. Es ist wahrscheinlich mehr Frauen unangenehm, wenn ein äußerlich männlich scheinender Mensch mit ihnen duscht.
Ich würde auch davon absehen, das mit der Abneigung gleichzusetzen, die weiße Menschen gegenüber schwarzen Menschen zu Apartheitszeiten empfunden haben. Denn in dem Fall scheinen mir andere Ungleichheitsüberlegungen dahinterzustehen, in denen sich hellhäutige Menschen hierarchisch dunkelhäutigen Menschen überlegen wähnten. Hingegen gehe ich nicht davon aus, dass Frauen nicht mit Männern duschen wollen, weil sie sich ihnen überlegen fühlen.
Es ist im Prinzip die Differenzierung im Diskriminierungsbegriff wirksam, die ich zuletzt ausgeführt habe: Im Fall hell-/dunkelhäutig ist sie herabwürdigend, im Fall mänlich/weiblich ist sie neutral segregierend.
Letzteres soll nicht heißen, dass es keine negativ diskriminierenden Haltungen in Bezug auf das Geschlecht gäbe, nur dass diese meines Erachtens nicht ursächlich sind für die Situation/Regelungen in Dusch- oder Umkleideräumen.

Ich habe übrigens festgestellt (natürlich nur vereinzelt), dass neuere Schwimmhallen eher über Umkleidekabinen und Duschvorrichtungen verfügen, in denen der einzelne sich (wörtlich) nicht die Blöße (anderen ggü.) geben muss. Da diese keine signifikant höheren Eintrittspreise verlangten (oder eine zusätzliche Gebür für die Nutzung solcher privaten Räume), vermute ich, dass eine stärkere Sensibilisierung für das Problem "Gemeinschaftsdusche" (mit-)verantwortlich sein könnte.
Zudem kenne ich Fälle, die in Schwimmbädern mit Gemeinschaftsduschen (und zwar aus genu den umrissenen Gründen) einfach gar nicht duschen. Insofern handelt es sich bei o.g. Maßnahme auch um eine hygienische Verbesserung, da zumindest dieser Grund, nicht (gemeinsam mit anderen) zu duschen, entfällt.
Früher war es üblich, dass bei einem gemeinsamen Essen der Mann die Frau einlädt. Heutzutage zahlt aber entweder jeder für sich, oder der Besserverdienende lädt den Schlechterverdienenden ein.
Ich kenne keine repräsentative Studie dazu, habe aber von genug Fällen gehört, in denen der Mann die Rechnung übernommen hat oder die Frau das erwartete. Das lässt sich für beliebige Beispiele (vermeintlich) typisch männlich oder weiblicher Verhaltensweisen. Die Denkweisen existieren noch, auch wenn sie längst nicht mehr so dominant sind wie ehedem - bleibt zumindest zu hoffen. Man sollte aber nicht allzu nivellierend darüber sprechen, was heutzutage so oder so nicht sei.
Bei herrschender Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen ist auch danach zu fragen, ob etwa verschiedene Sozialisationserfahrungen (vorrangig: Erziehung, soziales Umfeld und Enkulturation betreffend) zu höchst unterschiedlichen Rollenbildern (auch innerhalb Deutschlands) führen. Da existieren doch z.T. erhebliche Klüfte allein in den Vorstellungen zwischen Geschlechtergleichheit und traditionellem Patriarchat, auch wenn das keine Mehrheit der Bevölkerung betrifft. Über die o.g. Feinheiten der Geschlechter(-Rollen-)Wahrnehmung braucht man da noch gar nicht sprechen.

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Talasha
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Talasha »

Chapeu für deinen guten Text.
Herr der Welt hat geschrieben:
Ich würde auch davon absehen, das mit der Abneigung gleichzusetzen, die weiße Menschen gegenüber schwarzen Menschen zu Apartheitszeiten empfunden haben. Denn in dem Fall scheinen mir andere Ungleichheitsüberlegungen dahinterzustehen, in denen sich hellhäutige Menschen hierarchisch dunkelhäutigen Menschen überlegen wähnten. Hingegen gehe ich nicht davon aus, dass Frauen nicht mit Männern duschen wollen, weil sie sich ihnen überlegen fühlen.
Aus meiner Warte sieht aber beides ziemlich nach Xenophobie aus, man kennt etwas nicht wirklich und versteift sich daher auf eher unwichtige Äußerlichkeiten. Anstatt den Menschen zu sehen.
Sir Isaac Newton ist der tödlichste Bastard im ganzen Weltraum!

Eulenspiegel
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Und in gewisser Weise ist er auch Teil des Teams. Z.B. liest man in der Zeitung, dass BVB-Fans als "Borussen" bezeichnet werden. Obwohl sie nicht Teil des Teams und nicht mal unbedingt Mitglieder im Fanclub sind. Technisch gesehen gehören sie nicht zur Institution "Borrusia Dortmund 09", aber sie werden gängigerweise dennoch diesem in gewisser Weise zugeordnet.
Er ist vielleicht Vereinsmitglied. Aber er ist nicht (mehr) Teil des Teams. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Trotzdem erfüllt er in einem gewissen Rahmen die Kriterien dessen, was wir als "Mann" bezeichnen.
Und da bin ich neugierig: Was bezeichnen wir als "Mann"?
Zumal es für jedes Kriterium von "Mann", dass er nicht erfüllt auch Ausnahmen gibt, die unsere Gesellschaft dennoch als "Mann" anerkennt?
Wie gesagt: In unserer Gesellschaft erkennen wir jemanden als volljährig oder minderjährig an. Aber es gibt keine gesellschaftliche Anerkennung von Mann oder Frau.
(Damit will ich dir nicht in den Mund legen, dass du ihm nicht in gewisser Weise "Mann-sein" zugestehst, dazu hast du meines Wissens noch nicht Stellung bezogen - wobei mich durchaus interessieren würde, ob du das tun würdest.)
Ich halte das gesellschaftliche Konzept des Geschlechts in etwa so antiquitiert wie das Konzept von Kaste. Oder wie das Konzept von Rassen. Oder das Konzept von Adel/Nicht-Adel.
Es gab mal diese Konzepte, aber hier sind sie glücklicherweise überholt.

Wenn jemand darauf besteht, mit "er" oder "sie" angesprochen zu werden, würde ich das aus Höflichkeit tun. Aber das sind nur Worte. Viel wichtiger als Worte sind Taten. Und dort unterscheide ich gesellschaftlich nicht zwischen Männer und Frauen.
Erkennbar an Karrierechancen und Bezahlung, Vorurteilen, Verhaltensnormen u.v.a.m. Oftmals in sehr unsympathischer Ausprägung.
Gerade bei Karrierechancen habe ich schon beide Geschlechter heulen gehört. Unabhängig vom Geschlecht waren es hauptsächliche Leute, bei denen mehrere Bewerbungen abgelehnt wurden.
Frau: "Die Personalchefs sind doch alle männlich und nehmen nur ihresgleichen. Als Frau hat man doch keine Chance auf eine Stelle."

Mann: "Mittlerweile gibt es doch überall eine Frauenquote und es heißt nur noch 'Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt eingestellt.' Als Mann hat man doch keine Chance auf eine Stelle."

Ich habe schon beides mehrmals gehört. Auch ein Punkt, in dem Männer und Frauen sich nicht wirklich unterscheiden.
Es gibt Unterschiede. In Schönheitsidealen, in dem wozu sich Menschen (auch unabhängig von Fortpflanzungsabsicht) sexuell und romantisch hinrzogen fühlen.
Jeder Mensch hat ein persönliches Schönheitsideal. Und es ist nunmal so, dass das eine Geschlecht das persönliche Schönheitsideal leichter erfüllen kann als das andere Geschlecht.

Aber letztendlich unterscheidet man nicht in "Mann" <-> "Frau", sondern man unterscheidet in "Passt ins Beute-Schema" <-> "Passt nicht ins Beute-Schema".

Bei homo- und heterosexuellen Menschen ist es halt so, dass nur ein Geschlecht überhaupt die Chance hat, das persönliche Schönheitsideal zu erfüllen. Das heißt, in der Menge "Passt ins Beute-Schema" liegt nur ein Geschlecht. In der Menge "Passt nicht ins Beute-Schema" sind dagegen Personen beiderlei Geschlechts enthalten. Halt alle, die nicht das persönliche Schönheitsideal erfüllen.

Dann gibt es noch bisexuelle Menschen, wo sogar beide Geschlechter in der Menge "Passt ins Beute-Schema" enthalten sind. Natürlich sind hier auch beide Geschlechter in der Menge "Passt nicht ins Beute-Schema" enthalten.
Und in etwas ebenso simplem, aber auch alltäglichem wie "er oder sie", "DSA-Spieler oder -Spielerin"
In meiner ehemaligen MMORPG-Runde kannte ich Ewigkeiten das Geschlecht meiner Mitspieler nicht. - Einfach, weil es keine Rolle gespielt hat. Das Geschlecht kam erst heraus, als wir TeamSpeak benutzt haben.

Ansonsten benutzte ich in der direkten Anrede meistens "Hey du". Und wenn ich über eine Person spreche, sage ich selten "er" oder "sie", sondern spreche über die Person mit dem Vornamen. - Und wenn ich den Vornamen nicht kenne, dann nehme ich die Charakterklasse des SCs als Bezeichner. (Das ist höchstens in den ersten paar Sitzungen der Fall. Danach merke ich mir die Vornamen.)
Talasha hat geschrieben:Aus meiner Warte sieht aber beides ziemlich nach Xenophobie aus, man kennt etwas nicht wirklich und versteift sich daher auf eher unwichtige Äußerlichkeiten. Anstatt den Menschen zu sehen.
Dieses Argument könnte man ja noch bei Homosexuellen gelten lassen. Aber bei Bi- und Heterosexuellen?

Ich kenne durchaus heterosexuelle Frauen, die wollen nicht mit Männern zusammen duschen, sind aber trotzdem auf der Suche nach einem passenden Mann bzw. sind bereits mit einem Mann zusammen. Da habe ich Probleme, mir das mit Xenophobie zu erklären: Ich habe Angst vor einer Gruppe und will gleichzeitig mit einem Teil dieser Gruppe Sex haben?

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Madalena
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Madalena »

Eulenspiegel hat geschrieben:
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Trotzdem erfüllt er in einem gewissen Rahmen die Kriterien dessen, was wir als "Mann" bezeichnen.
Und da bin ich neugierig: Was bezeichnen wir als "Mann"?
Es gibt gewisse objektivierbare Kriterien: Penis und Hoden, Y-Chromosom, amtliches Geschlecht, eine bestimmte Rolle in der Fortpflanzung etc.

In der Praxis sieht es allerdings zu 99% so aus, dass wir einen Menschen nach phänotypischen Gesichtspunkten in eines der Geschlechter einordnen. Im Falle von Unsicherheit sucht man weitere Orientierung, z.B. den Vornamen.

Darüber hinaus gibt es noch gewisse kulturell gewachsene Kriterien, anhand derer Personen, Erscheinungsbildern oder Verhaltensweisen ein mehr oder weniger hohes Maß an Männlichkeit zugeschrieben wird. In dieser Verwendung kann auch eine eigentlich weiblich eingeordnete Person Männlichkeit besitzen/ausstrahlen/erwerben. Während ein als Mann eingeordneter Mensch als nicht echter (also offenkundig unechter oder falscher?) Mann (ab)gewertet werden kann. Solche Zuschreibungen sind oft ein wenig paradox.

Alles in allem lässt sich festhalten: Wer ein Mann ist und wer nicht liegt im Auge des Betrachters. In den meisten Fällen herrscht Einigkeit, aber manchmal kann die Einstufung divergieren. Und genau in diesem Graubereich liegen typischerweise Transgender.
Wie gesagt: In unserer Gesellschaft erkennen wir jemanden als volljährig oder minderjährig an. Aber es gibt keine gesellschaftliche Anerkennung von Mann oder Frau.
Doch, die gibt es. Auf einem amtlichen Dokument werde ich als "Herr Zulhamid" und du als "Herr Eulenspiegel" (nehme ich an) bezeichnet. Und in vielen Dokumenten steht sogar explizit ein Geschlechtseintrag. Würde ich nun darum bitten, amtlich als Frau gesehen zu werden, würde mir das schlichtweg verweigert. Bzw. erst nach einem langwierigen, relativ kostspieligen, potenziell demütigenden Verfahren am Rande der Grundrechtswidrigkeit zugebilligt.

Und auch die Gesellschaft insgesamt (nicht nur Behörden) erkennt nicht jeden als Mann oder Frau an. Wenn ich mich z.B. vorstellen würde mit "Hallo, ich bin (weiblicher Vorname), deine neue Nachbarin", wäre ich mir nicht so sicher ob mein Gegenüber das akzeptieren würde. Selbst wenn ich ihm "en femme" begegne wäre es recht wahrscheinlich, dass es zumindest denkt "das ist doch eigentlich ein Kerl", oder innerlich zwiegespalten ist wie es mich einordnen sollte.
Ich halte das gesellschaftliche Konzept des Geschlechts in etwa so antiquitiert wie das Konzept von Kaste. Oder wie das Konzept von Rassen. Oder das Konzept von Adel/Nicht-Adel.
Es gab mal diese Konzepte, aber hier sind sie glücklicherweise überholt.
Schön, wenn du das so siehst. Allerdings sieht ein großer (vermutlich überwiegender) Teil unserer Gesellschaft das anders und hält Geschlecht nicht für überholt.
Wenn jemand darauf besteht, mit "er" oder "sie" angesprochen zu werden, würde ich das aus Höflichkeit tun. Aber das sind nur Worte. Viel wichtiger als Worte sind Taten. Und dort unterscheide ich gesellschaftlich nicht zwischen Männer und Frauen.
Eine Sichtweise, die nach meinem Dafürhalten ruhig mehr Menschen zeigen könnten.
Erkennbar an Karrierechancen und Bezahlung, Vorurteilen, Verhaltensnormen u.v.a.m. Oftmals in sehr unsympathischer Ausprägung.
Gerade bei Karrierechancen habe ich schon beide Geschlechter heulen gehört. Unabhängig vom Geschlecht waren es hauptsächliche Leute, bei denen mehrere Bewerbungen abgelehnt wurden.
Frau: "Die Personalchefs sind doch alle männlich und nehmen nur ihresgleichen. Als Frau hat man doch keine Chance auf eine Stelle."

Mann: "Mittlerweile gibt es doch überall eine Frauenquote und es heißt nur noch 'Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt eingestellt.' Als Mann hat man doch keine Chance auf eine Stelle."

Ich habe schon beides mehrmals gehört. Auch ein Punkt, in dem Männer und Frauen sich nicht wirklich unterscheiden.
Einfache Frage: Wie ist das Verhältnis Männer-Frauen in DAX-Vorständen? Ich weiß, das Argument ist abgedroschen - aber es zeigt einfach sehr deutlich auf, dass eine signifikante Ungleichheit besteht.
Es gibt Unterschiede. In Schönheitsidealen, in dem wozu sich Menschen (auch unabhängig von Fortpflanzungsabsicht) sexuell und romantisch hinrzogen fühlen.
Jeder Mensch hat ein persönliches Schönheitsideal. Und es ist nunmal so, dass das eine Geschlecht das persönliche Schönheitsideal leichter erfüllen kann als das andere Geschlecht.

Aber letztendlich unterscheidet man nicht in "Mann" <-> "Frau", sondern man unterscheidet in "Passt ins Beute-Schema" <-> "Passt nicht ins Beute-Schema".

Bei homo- und heterosexuellen Menschen ist es halt so, dass nur ein Geschlecht überhaupt die Chance hat, das persönliche Schönheitsideal zu erfüllen. Das heißt, in der Menge "Passt ins Beute-Schema" liegt nur ein Geschlecht. In der Menge "Passt nicht ins Beute-Schema" sind dagegen Personen beiderlei Geschlechts enthalten. Halt alle, die nicht das persönliche Schönheitsideal erfüllen.

Dann gibt es noch bisexuelle Menschen, wo sogar beide Geschlechter in der Menge "Passt ins Beute-Schema" enthalten sind. Natürlich sind hier auch beide Geschlechter in der Menge "Passt nicht ins Beute-Schema" enthalten.
Genau hier gibt es also eine klare Geschlechter-Unterscheidung. Selbst viele bisexuelle Menschen differenzieren in der Art, wie sie sich zu den Geschlechtern hingezogen fühlen (z.B. "Ich habe gerne Sex mit Frauen. Aber es ist etwas ganz anderes. Und eine Beziehung kann ich mir nur mit einem Mann vorstellen.")

Und genau diese "Grenze" überschreiten Transgender oftmals. Kommt natürlich stark auf das Gegenüber an, viele Hetero-Männer würden z.B. nie wissentlich mit einer Transfrau Sex haben wollen, auch wenn diese ansonsten genau ihrem Beuteschema entspricht. Aber vielleicht übt die Transfrau dennoch Attraktion auf sie aus. Die geänderte Attraktion kann natürlich auch negativ ausfallen, z.B. dass ein Transmann von der Frau, die er begehrt leider nicht sexuell als Mann wahrgenommen wird, aber zugleich für den Hetero-Mann der ihn vor seiner Transition begehrte uninteressant geworden ist.

Es kommt dabei stark auf das Passing und die Vorlieben und Einstellungen des Gegenübers an. Und es passiert immer wieder, dass Transgender als genau das Geschlecht für anziehend befunden werden, dem sie sich selbst zugehörig fühlen.
Und in etwas ebenso simplem, aber auch alltäglichem wie "er oder sie", "DSA-Spieler oder -Spielerin"
In meiner ehemaligen MMORPG-Runde kannte ich Ewigkeiten das Geschlecht meiner Mitspieler nicht. - Einfach, weil es keine Rolle gespielt hat. Das Geschlecht kam erst heraus, als wir TeamSpeak benutzt haben.

Ansonsten benutzte ich in der direkten Anrede meistens "Hey du". Und wenn ich über eine Person spreche, sage ich selten "er" oder "sie", sondern spreche über die Person mit dem Vornamen. - Und wenn ich den Vornamen nicht kenne, dann nehme ich die Charakterklasse des SCs als Bezeichner. (Das ist höchstens in den ersten paar Sitzungen der Fall. Danach merke ich mir die Vornamen.)
Okay. Aber das ist ja doch eher eine spezielle Form der Interaktion :wink:. Ansonsten vermute ich, dass die Geschlechtererkennung über Teamspeak primär anhand der Stimme erfolgt. Und da lässt sich auch einiges machen: Ein Transmann muss "nur" Hormone nehmen und auf den Stimmbruch warten. Transfrauen haben es da schwerer, können aber prinzipiell ebenfalls sehr weiblich klingen. Und schon ändert sich, als welches Geschlecht man wahrgenommen wird.
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sagista
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Re: 'Gender'-Diskussion

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Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Und auch die Gesellschaft insgesamt (nicht nur Behörden) erkennt nicht jeden als Mann oder Frau an. Wenn ich mich z.B. vorstellen würde mit "Hallo, ich bin (weiblicher Vorname), deine neue Nachbarin", wäre ich mir nicht so sicher ob mein Gegenüber das akzeptieren würde. Selbst wenn ich ihm "en femme" begegne wäre es recht wahrscheinlich, dass es zumindest denkt "das ist doch eigentlich ein Kerl", oder innerlich zwiegespalten ist wie es mich einordnen sollte.
Ist die Verwendung des "es" eigentlich gewollt oder Zufall?
Im Ernst, es ist doch egal, ob der Nachbar zwiegespalten ist oder eigentlich ablehnend eingestellt ist, solang er nicht ausfällig oder gewaltätig wird. Es liegt ja im Wesen der Toleranz, dass man nicht alles gut finden muss, aber man muss halt das ertragen, was erlaubt ist. Ich schätze, den meisten Menschen ist es schlicht egal, ob der Nachbar nun Mann, Frau, Transgender oder was weiß ich ist. Wobei man wahrscheinlich hier auch zwischen Stadt und Land unterscheiden muss.
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Einfache Frage: Wie ist das Verhältnis Männer-Frauen in DAX-Vorständen? Ich weiß, das Argument ist abgedroschen - aber es zeigt einfach sehr deutlich auf, dass eine signifikante Ungleichheit besteht.
Ich habe dieses Argument immer für abwegig gehalten und tue es auch weiterhin. Es kann so viele Gründe dafür geben, warum der eine in einem DAX-Unternehmen im Vorstand sitzt und der andere nicht. Aber wenn man über Lohngerechtigkeit diskutieren möchte, ist dieses Argument einfach schwach und populistisch.
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Und genau diese "Grenze" überschreiten Transgender oftmals. Kommt natürlich stark auf das Gegenüber an, viele Hetero-Männer würden z.B. nie wissentlich mit einer Transfrau Sex haben wollen, auch wenn diese ansonsten genau ihrem Beuteschema entspricht.
Ist das denn problematisch?

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Madalena
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Re: 'Gender'-Diskussion

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sagista hat geschrieben:Ist die Verwendung des "es" eigentlich gewollt oder Zufall?
Absicht. Es - das Gegenüber. ;)
Im Ernst, es ist doch egal, ob der Nachbar zwiegespalten ist oder eigentlich ablehnend eingestellt ist, solang er nicht ausfällig oder gewaltätig wird. Es liegt ja im Wesen der Toleranz, dass man nicht alles gut finden muss, aber man muss halt das ertragen, was erlaubt ist. Ich schätze, den meisten Menschen ist es schlicht egal, ob der Nachbar nun Mann, Frau, Transgender oder was weiß ich ist. Wobei man wahrscheinlich hier auch zwischen Stadt und Land unterscheiden muss.
Jeder hat natürlich das Recht, etwas für nicht gut zu befinden. Allerdings finde ich eine offenere Gesellschaft sympathischer. Schwierig wird es, wenn Abneigung gehäuft auftritt und es Menschen damit systematisch schwer gemacht wird, in der Gesellschaft zu leben und Fuß zu fassen. Die Abneigung ist nichts Verbotenes und in meinen Augen auch nichts Verbietenswertes, aber ich halte es für wichtig das zu thematisieren und ein Verständnis zu schaffen. Ich halte eine tolerante Gesellschaft einfach für sehr viel erfreulicher. Ich finde auch merkwürdig, dass Menschen freiwillig Mönche oder Nonnen in einem katholischen Kloster werden - aber ich respektiere dass sie ihre persönliche Lebensentscheidung treffen, bin freundlich zu ihnen - und wenn ich mich auf den Gedanken einlasse kann ich ihre Motive zwar nicht teilen, aber durchaus nachvollziehen (glaube ich), und wünsche Ihnen dass ihre Entscheidung für sie die richtige ist. Und finde es auch (obwohl ich die katholische Kirche als Institution teilweise kritisiere) schön, dass es diese Facette unserer Gesellschaft gibt.
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Einfache Frage: Wie ist das Verhältnis Männer-Frauen in DAX-Vorständen? Ich weiß, das Argument ist abgedroschen - aber es zeigt einfach sehr deutlich auf, dass eine signifikante Ungleichheit besteht.
Ich habe dieses Argument immer für abwegig gehalten und tue es auch weiterhin. Es kann so viele Gründe dafür geben, warum der eine in einem DAX-Unternehmen im Vorstand sitzt und der andere nicht. Aber wenn man über Lohngerechtigkeit diskutieren möchte, ist dieses Argument einfach schwach und populistisch.
Da es aber systematisch so ist, dass Frauen seltener in Führungspositionen arbeiten, und das - in unterschiedlich starker Ausprägung - auch in anderen westlichen Ländern so aussieht, ist es extrem unwahrscheinlich, dass das bloßer Zufall ist. Irgendeinen Grund muss es haben. Wie würdest du es denn erklären?
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Und genau diese "Grenze" überschreiten Transgender oftmals. Kommt natürlich stark auf das Gegenüber an, viele Hetero-Männer würden z.B. nie wissentlich mit einer Transfrau Sex haben wollen, auch wenn diese ansonsten genau ihrem Beuteschema entspricht.
Ist das denn problematisch?
Auf individueller Ebene mag es natürlich problematisch sein, wenn jemand keinen passenden Partner findet. Aber letztlich ist es ganz normal und legitim, dass nicht jeder mit jedem Sex haben möchte.
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Re: 'Gender'-Diskussion

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Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Jeder hat natürlich das Recht, etwas für nicht gut zu befinden. Allerdings finde ich eine offenere Gesellschaft sympathischer. Schwierig wird es, wenn Abneigung gehäuft auftritt und es Menschen damit systematisch schwer gemacht wird, in der Gesellschaft zu leben und Fuß zu fassen. Die Abneigung ist nichts Verbotenes und in meinen Augen auch nichts Verbietenswertes, aber ich halte es für wichtig das zu thematisieren und ein Verständnis zu schaffen. Ich halte eine tolerante Gesellschaft einfach für sehr viel erfreulicher.
Das steht ja nicht im Widerspruch zu dem, was ich sagte. Toleranz bedeutet für mich, dass ich auch Lebensstile akzeptiere, die mir fremd sind, die ich nicht verstehe oder die ich auch ablehne. Ich lehne z. B. Homosexualität für mich persönlich ab. Aber ich lehne keine homosexuellen Menschen ab, indem ich z. B. Kontakt meide, sie beschimpfe oder gar verprügle. Die Leute sollen auf ihre Weise glücklich werden und auch wenn ich das nicht nachvollziehen kann, ist das nicht schlimm.
Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Da es aber systematisch so ist, dass Frauen seltener in Führungspositionen arbeiten, und das - in unterschiedlich starker Ausprägung - auch in anderen westlichen Ländern so aussieht, ist es extrem unwahrscheinlich, dass das bloßer Zufall ist. Irgendeinen Grund muss es haben. Wie würdest du es denn erklären?
Das würde eine komplett neue Debatte erfordern und gleichzeitig sehr alte Debatte wiederbeleben. Ich vermute, dass wahrscheinlich der Konflikt zwischen Karriere und Familie ausschlaggebend ist. Selbst in unserer Generation ist es bei vielen Frauen noch so, dass sie dann doch lieber zu Hause bleiben, wenn die Kleinen da sind. Ich war selbst überrascht davon, aber selbst in akademischen Kreisen ist das noch immer so, also zumindest in meinem Bekanntenkreis. Ich glaube, das traditionelle Familienbild ist für viele garnicht so out, wie einige denken.
Aber dass auch dieses typisch männliche Gehabe, dass man in der Vorstandsetage unter sich sein will, damit man - jetzt deutlich überspitzt - ordentlich saufen, sexistische Sprüche reißen und anschließend mit der gesammelten Mannschaft noch in den Puff gehen kann und dass Frauen im Vorstand dabei stören, ist sicherlich auch ein Punkt.
Ist aber in meinen Augen nicht das entscheidene Problem. Das sehe ich eher darin, dass die Jobs, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, zu schlecht bezahlt sind.

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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von BenjaminK »

Das Problem an der Lohn- und Gehaltsdebatte ist doch, dass mit den statistischen Auswertungen irgendwann noch 2 Zahlen übrig bleiben und bis dahin verdammt viel Information verdichtet wurde. Es stellt erstmal nur eine Gleichzeitigkeit dar, nicht aber eine Kausalität. Das Problem entsteht nun, dass eben jene Kausalität unmittelbar daraus abgeleitet wird.

Wichtig wäre der Vergleich von so einer Art standarisierter Vita, ob dann immer noch unterschiedliche Chancen oder unterschiedliche Gehälter existieren, bei denen dann das einzig unterschiedliche Merkmal das Geschlecht ist. So wie es jetzt ist, sind aber 1000 Unterschiede vorhanden, aber 999 davon werden verdichtet und dann der eine Unterschied ins Rampenlicht gestellt. Und dann kann man auch treffgenau Maßnahmen ableiten.

Toleranz und Meinung ist etwas geistiges. In dem Moment, wo aus durch die geistige Meinung "einem Menschen damit systematisch schwer gemacht wird, in der Gesellschaft zu leben und Fuß zu fassen" ist das nichts geistiges mehr, sondern eine Handlung daraus geworden. Und das wiederum kann nicht zusammen funktionieren. Es gibt keine Toleranz, aus der dann eine benachteiligende Handlung erwächst. Das ist eben nicht tolerant. Man muss nicht offen sein, um tolerant zu sein, aber wenn man tolerant ist, entsteht keine Benachteiligung.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Thargunitoth »

BenjaminK hat geschrieben: Man muss nicht offen sein, um tolerant zu sein, aber wenn man tolerant ist, entsteht keine Benachteiligung.
Benachteilen und nicht bevorteilen ist aber eine subjektive Grenze.

Beispiel:
Soll ich jetzt eine Transfrau zum Essen einladen, damit sie sich nicht gegenüber einer schönen Blondine, die ich zum Essen eingeladen habe, benachteiligt fühlt?

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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von BenjaminK »

Der maßgebende Grund, die Transfrau oder die schöne Blondine zum Essen einzuladen, ist doch nicht die Wohltätigkeit, damit eine Frau etwas zu essen gespendet bekommt, sondern dein Interesse bei der Transfrau oder der schönen Blondine zu landen.

Offen wäre es, wenn du da keinen Unterschied machst und dich auf ein mögliches Weitergehen mit der Transfrau einlässt und beide einlädst. Das musst du gar nicht sein, weil du schließlich nicht jede Frau, außer der Transfrau von einem gratis Essen proftieren lassen willst. Nicht offen, aber auch ohne Benachteiligung wäre es, wenn du nur bei der schönen Blondine landen willst und daher nur sie zum Essen einlädst.

Das Gefühl der Benachteiligung müsste ja sonst auch bei dem starken Hühnen auftreten, bei der unansehnlichen Brünette und auch bei sonst allen anderen Menschen, die du nicht eingeladen hast.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Madalena »

Wenn es um Flirt und Partnersuche geht sollte sich eh niemand zu irgendwas gezwungen fühlen. Selbst wenn es nicht um "schöne Blondine vs. Transfrau" geht, sondern um "schöne Transfrau vs. Blondine" und du dennoch lieber die Blondine einlädst - weil du die Transfrau zwar attraktiv findest, dir aber bei ihrem Hintergrund dennoch keine Intimität vorstellen kannst - ist das legitim.

Menschen erfahren da leider Zurückweisung, weil sie von anderen nicht für begehrenswert befunden werden. Ist zwar weder toll noch fair, aber wenn sich jemand aus PC zwingen würde die Transfrau zu daten wäre am Ende niemandem geholfen.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von sagista »

Naja, was heißt fair in diesem Zusammenhang?
Das impliziert so ein wenig, man solle doch auch der Transfrau eine faire Chance geben. Ich glaube, dass der Aspekt von Fairness bei der Partnersuche hinsichtlich der Auswahl potentieller Kandidaten vollkommen irrelevant ist, weil, wie du schon sagtest, mit PC-Zwängen ist dabei wohl niemandem geholfen.

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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Madalena »

sagista hat geschrieben:Naja, was heißt fair in diesem Zusammenhang?
Das impliziert so ein wenig, man solle doch auch der Transfrau eine faire Chance geben. Ich glaube, dass der Aspekt von Fairness bei der Partnersuche hinsichtlich der Auswahl potentieller Kandidaten vollkommen irrelevant ist, weil, wie du schon sagtest, mit PC-Zwängen ist dabei wohl niemandem geholfen.
Nein, da verstehst du mich falsch (oder ich hab mich unklar ausgedrückt?). Unfair ist, dass die Chancen bei der Partnersuche so ungleich verteilt sind (das betrifft ja nicht nur Transfrauen mit schlechtem Passing, sondern viele andere auch). Aber niemand sucht sich bewusst aus, was er anziehend findet. Wer also eine Transfrau als Partnerin ausschließt (aus welchem genauen Grund auch immer) braucht deswegen kein schlechtes Gewissen haben.

Umgekehrt gilt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Und auch wenn manche mit Zwergenstahl arbeiten können und andere nur mit Kupfer, macht man nix besser wenn man jammert, wie unfair das Leben (in viel mehr Bereichen als nur der Partnerwahl) ist - auch aus Kupfer lässt sich was Schönes oder Nützliches basteln.

In einem gewissen Rahmen kann fast jeder etwas aus sich machen, und so zumindest seine Chancen steigern. Bei manchen reicht es dennoch nicht, oder sie erkennen nicht wo sie an sich arbeiten können, oder sie verbittern und verbauen sich deshalb Chancen etc. Das ist unschön, das ist die hässliche Seite des Lebens - aber daran tragen die Mitmenschen in der Regel auch keine Schuld.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Thargunitoth »

Man muss es ja nicht auf das Dating übertragen.

Was wäre denn, wenn ich mich mit der Transfrau gar nicht unterhalte, weil ich sie unattraktiv hinsichtlich ihres Auftretens finde, aber mit so gut wie jedem anderem schon.

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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von BenjaminK »

Du gibst dir die Antwort doch schon selbst; "weil ich sie unattraktiv finde". Attraktivität hat keinen Anspruch auf Gleichstellung. Man muss nicht erst mit 3 unattraktiven Leuten sprechen, damit man mit 3 attraktiven Menschen sprechen darf ohne jemanden zu diskriminieren.

Der entscheidende Punkt ist "Unattraktivität". Solange du mit anderen, unattraktiven Männern und Frauen auch nicht redest, betreibst du keine Diskriminierung der Transfrau, weil es nicht der unterscheidende Punkt ist. Immer noch nicht.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von sagista »

Selbst wenn jemand sagt, ich unterhalte mich nicht mit der Transfrau, weil es sich um eine Transfrau handelt, ist das immer noch nichts, was jetzt gänzlich verwerflich wäre. Das ist zwar unhöflich und stellt natürlich auch eine gewisse Diskriminierung dar, aber niemand ist dazu verpflichtet, sich mit jedem zu unterhalten. Dass man sich selbst damit die Möglichkeit vorenthält, auch mal die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, ist unbestritten, aber auch Engstirnigkeit ist nicht verboten.

Das lässt sich auch auf jede andere Minderheit ausweiten. Wenn jemand partout keine Lust hat, sich mit Türken, Homosexuellen und erzkonservativen Katholiken zu befassen, finde ich das zwar befremdlich, aber nicht verwerflich. Erst wenn es zu verbalen oder tätlichen Feindseligkeiten kommt, wird es problematisch, wobei eine Verweigerung jeglichen Kontakts natürlich eine Vorstufe dazu sein kann, aber nicht zwingend muss.

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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von BenjaminK »

Das wäre doch aber dann wieder genau jene Intoleranz, über die weiter oben gesprochen worden ist? Und insofern finde ich es schon verwerflich, wenn ein Merkmal für das AGG als Diskriminierungsgrund dahinter steckt. Unattraktiv, unsympathisch, komisch riechend etc. ja, das sind alles Dinge, die unter die persönliche Wertung fallen, ohne eine "echte" Diskriminierung darzustellen.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von sagista »

Was heißt "verwerflich" in diesem Zusammenhang?

Ich finde es befremdlich, denke aber, wenn jemand das halt einfach nicht will, dann lass ihn halt. Für mich bedeutet Toleranz nicht, dass man alles toll oder interessant finden muss, sondern dass man halt auch Dinge, die man nicht mag, ablehnt etc. akzeptiert.

Wenn jemand partout nichts vom erzkonservativen Katholiken oder von einem Zeugen Jehovas wissen will - ich verwende jetzt bewusst diesen, weil ich schätze, dass die meisten hier mit erzkonservativen Katholiken oder Zeugen Jehovas wahrscheinlich weniger anfangen können als mit Türken, Homosexuellen oder Transgendern - ist das doch vollkommen in Ordnung. Trotzdem diskriminiert man diesen aufgrund dessen Religion und den daraus folgenden Verhaltens- und Denkweisen, indem man ihn wahlweise meidet oder verlacht.

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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von BenjaminK »

Toleranz bedeutet auch für mich nicht, dass ich alles toll oder interessant finden muss, aber eben akzeptieren. Nur, in dem Moment, in dem ich den Kontakt ablehne, also nicht reden, nicht dort einkaufen, bei einer Gruppe nicht begrüßen, in diesem Moment akzeptiere ich diejenigen nicht.

Bei den Katholiken und Zeugen Jehovas muss man unterscheiden. Solange es um, ich nenn es mal so, fachliche Dispute geht, ist das völlig in Ordnung anderer Meinung zu sein. "Du bist erzkonservativer Katholik, du fastest zwischen Karneval und Ostern, dich lade ich nicht zum Angrillen im März ein!" geht klar. "Du bist erzkonservativer Katholik, dich kenne ich von den Bekehrungsversuchen, jetzt sitzt du bei Saturn an der Kasse...dann gehe ich woanders meine CDs kaufen!" fällt aber für mich aus dem Raster. Genau so umgekehrt, wenn ich einen Kiosk habe und die Zeugen Jehovas nicht dran nehme, und sie nicht bei mir ihre Dose Cola kaufen lasse, weil sie Zeugen Jehovas sind, dann ist das eben Diskriminierung auf Grund ihrer Religion und damit ist das verwerflich.

Das ist der gleiche Fall wie Dating und sexuelles Interesse. Solange es sich da um gegenständliche Unterschiede handelt, ist das keine Diskriminierung (nur eben manchmal ein unfaires Leben). Sobald die Person um der Eigenschaften der Person (Religion, Geschlecht, Herkunft, etc) halber benachteiligt wird, sind wir nicht nur im befremdlichen Teil des Lebens, sondern im verwerflichen Teil.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von sagista »

BenjaminK hat geschrieben:Toleranz bedeutet auch für mich nicht, dass ich alles toll oder interessant finden muss, aber eben akzeptieren. Nur, in dem Moment, in dem ich den Kontakt ablehne, also nicht reden, nicht dort einkaufen, bei einer Gruppe nicht begrüßen, in diesem Moment akzeptiere ich diejenigen nicht.
wikipedia hat geschrieben:Akzeptanz (von lat. „accipere“ für gutheißen, annehmen, billigen) ist eine Substantivierung des Verbes akzeptieren, welches verstanden wird als annehmen, anerkennen, einwilligen, hinnehmen, billigen, mit jemandem oder etwas einverstanden sein.

Es wird deutlich, dass Akzeptanz auf Freiwilligkeit beruht. Darüber hinaus besteht eine aktive Komponente, im Gegensatz zur passiven, durch das Wort Toleranz beschriebenen Duldung. Akzeptanz drückt ein zustimmendes Werturteil aus und bildet demnach den Gegensatz zur Ablehnung (Aversion).
Ich glaube, das stützt deine Einnschätzung.
Bleibt die Frage, ob es nicht eine hinnehmbare Einstellung gewisser Leute ist, gegenüber bestimmten Gruppen keine Akzeptanz zeigen zu wollen. Gibt es ein Anrecht für jeden darauf, von jedem akzeptiert zu werden oder nur darauf von jedem toleriert zu werden?

Du hast durchaus Recht, was du sagst, wobei ich über den, der wegen des erzkonservativen Katholiken woanders seine CDs kaufen will, eher lachen würde. Den Zeugen Jehovas nicht zu bedienen, weil er Zeuge Jehovas ist, wäre allerdings nicht in Ordnung.

Ich dachte an dieses "Ich will mit dir nichts zu tun haben, weil du XY bist". Das muss man wahrscheinlich weiter einkreisen. Wenn ich eine Stelle kündige, weil mir in der Firma zu viele Türken beschäftigt sind, wäre das wohl ok; auf den Chef einzuwirken, die Türken rauszuwerfen, weil man sonst kündigt, wäre nicht ok. Aus der Ablehnung darf dem Abgelehnten kein Nachteil entstehen, wobei das auch schwierig zu fassen ist.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel: Die meisten hier werden schon mal von der Bettel-Mafia gehört haben. Da ich dieses Geschäftsmodell nicht unterstützen möchte, gebe ich grundsätzlich Bettlern, die südländisch aussehen nichts. Punks hingeben gebe ich gern mal was. Ist das nun verwerflich? Gewissermaßen stelle ich ja alle südländischen Bettler unter Generalverdacht, Teil der Bettelmafia zu sein. Andererseits muss ich mich ja wohl nicht dafür rechtfertigen, wem ich etwas von meinem Geld schenke und wem nicht. Man könnte aber auch soweit gehen zu behaupten, dem südländisch aussehenden Bettler entsteht daraus, dass er südländisch aussieht, ein Nachteil, weil er aufgrund seiner äußerlichen Erscheinung für einen Angehörigen (und wahrscheinlich eher ein Opfer) der Bettelmafia ist.

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Re: 'Gender'-Diskussion

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sagista hat geschrieben:Gibt es ein Anrecht für jeden darauf, von jedem akzeptiert zu werden oder nur darauf von jedem toleriert zu werden?
Mmmh. Ist irgendwie philosophisch :) ich finde den Unterschied zwischen ehrlicher Akzeptanz und passiver Toleranz fließend. Und zudem geht es ja gar nicht darum, dass irgendjemand ein Recht darauf hat, akzeptiert oder toleriert zu werden. Es geht um einige wenige Eigenschaften einer Person, die mindestens zu tolerieren sind. Ein Verhalten, eine Ansicht, Meinung oder Vorliebe muss man nicht hinnehmen. Das Recht beschränkt sich eben auf Geschlecht, sexuelle Ausrichtung, Hautfarbe, Herkunft, Alter(? müsste nochmal im AGG nachlesen, um alle Kriterien aufzuzählen *g*).

Du magst über den, der nicht beim Katholiken kauft, lachen und ihn albern finden. Wenn es nur genug sind, die nicht beim Katholiken kaufen, landet er auf der Straße, weil seine Präsenz im Laden geschäftsschädigend ist, so albern es sich auch im ersten Moment anhört.

Irgendwo wäre eine Kündigung wegen zu vieler Türken als Beschäftigte auch fragwürdig. Ersetz es durch Ringelsöckchenträger oder Hippster oder Juppies, dann passt es. Irgendwo duldet derjenige dann wohl doch nicht, dass er auf Arbeit mit Türken zu tun hat und insofern hat er eben nicht die Toleranz gezeigt.

Interessant ist jetzt die Bettelmafia, in der Tat. Das ist ein schönes Beispiel, auch wenn es an der Genderfrage ja vorbei geht. Ich würde es feiner abfragen. Wenn du allen Bettlern, egal ob Punks, egal ob nordisch aussehende Bettler, egal ob afrikanisch aussehende Bettler, etwas zukommen lässt, nur die südländisch aussehenden Bettler lässt du leer ausgehen, weil sie das ja organisiert machen könnten, dann ist das Diskriminierung wegen der Herkunft, Sippenhaft und Generalverdacht. Wenn du jetzt aber nur den Punks etwas gibst, weil du dich an deine eigene Zeit in der Fußgängerzone erinnerst, wie du mit 17 geschnorrt hast um dir dann das billigste Bier zu kaufen, dann ist das keine Diskriminierung wegen Herkunft (solange Punks mit italienischen Wurzeln auch was kriegen *GG*). Da steckt dann ja dahinter, dass du prinzipiell Bettlern (<-kein AGG Merkmal) nichts gibst, weil du zB das soziale Sicherungssystem in Deutschland für völlig ausreichend hälst, nur eben den Punks gönnst du den Spaß.
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Andwari »

@Begriffe
Wir sollten versuchen, da nicht zu viel Begriffsumbildungen zu bringen - das ist im überstrapazierten Begriff "Toleranz" schon sowieso öfter mal der Fall. Eigentlich ist klar: Toleranz ist eine weniger hohe Stufe des "sich-deshalb-nicht-bekämpfens" als Akzeptanz. Wer noch den Lateinunterricht in Erinnerung hat, weiß dass
- tolerare da immer irgendwie mühselig oder grade noch aushalten können umschreibt, während
- accipere ein für sich selbst annehmen und in die eigene Gedankenwelt einbauen bzw. "gutheißen" bedeutet.

BenjaminKs
Beitrag weiter oben "Toleranz bedeutet auch für mich nicht, dass ich alles toll oder interessant finden muss, aber eben akzeptieren." Dreht das irgendwie um - und dann wieder relativiert durch die weiteren Ausführungen.
Akzeptanz bedeutet für mich, dass ich mich aktiv mit irgendwas auseinandersetze und es dann eben auch in gewissem Maße gut finde - Für Toleranz brauche ich das nicht - so lange ich den Anderen nicht aktiv behindere. Jemand der Toleranz einfordert, stellt also eigentlich eine viel geringere Forderung als jemand der Akzeptanz will: das wäre nämlich nicht nur die Forderung, den anderen mehr oder weniger in Ruhe zu lassen, sondern eben sich
a) mit dessen Position auseinanderzusetzen (auch wenn ich eigentlich gerade was anderes zu tun oder einfach keine Lust darauf habe. Das beinhaltet zwangsläufig, dass ich mich irgendwie informieren muss, evtl. auch meine eigene, bisher unbewußte Position formulieren usw.
b) dann zum Ergebnis zu kommen, dass diese Position ganz O.K. ist - ein Anspruch der besonders dann schwierig ist, wenn man a) noch gar nicht abgearbeitet hat.

Wichtig in dem Zusammenhang, an wen die Forderung nach Toleranz/Akzeptanz adressiert ist. Also an einen Einzelnen, an eine mehr oder weniger diffuse Gruppe ('die Gesellschaft'), die dann mehr oder weniger überhaupt Möglichkeiten hat, jedes einzelne Gruppenmitglied überhaupt zu beeinflussen.

Also:
Eine Forderung nach Akzeptanz, gerichtet an "die Gesellschaft" bei einem Thema, das ggf. jeden Einzelnen in einem ziemlich intimen Aspekt betreffen kann ... ist etwa die unglücklichste Konstellation, die überhaupt denkbar ist.

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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Madalena »

Niemand muss jeden mögen - das wäre gesellschaftlich ja auch eine ziemliche Gruselvorstellung. Es kann tausend Gründe haben, wieso man eine Person meidet, obwohl eigentlich alles in Ordnung mit ihr ist. Z.B. weil sie einen an jemanden erinnert, oder weil man einfach mit der Art dieses Menschen nicht klar kommt. Genauso kann mich auch jemand nicht mögen - von mir aus auch, weil ich ihm zu trans bin. Auf so eine Person kann ich eh gut verzichten, also ist es mir recht wenn die Fronten klar sind.

Wenn wir uns auf der rein individuellen Ebene bewegen, finde ich das einfach normal, dass es menschelt. Sobald wir aber sehen, dass bestimmte Gruppen systematisch ausgegrenzt werden - insb. in so einem existenziellen Bereich wie dem Arbeitsmarkt, müssen wir als Gesellschaft überlegen, wie wir damit umgehen. (In manchen Bereichen wird es ja eh als legitim erachtet. Die wenigsten werden es als Problem sehen, wenn Menschen ausgegrenzt werden, die sich nie waschen).
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Der Wanderer »

Zulhamid ibn Rezzan hat geschrieben:Wenn wir uns auf der rein individuellen Ebene bewegen, finde ich das einfach normal, dass es menschelt.
Natürlich.

Aber: Auch auf der individuellen Ebene sollte man halt möglichst nicht pauschalisieren und auch nicht diskriminieren, finde ich. Wenn ich mit einer Person nicht klarkomme, weil die Lebenseinstellung eine andere ist, weil die kommunikative Ebene einfach nicht passt oder weil ich sie (aus recht guten Gründen) für ein Arschloch halte, wenn es also eine individuelle, erfahrungsbasierte Abneigung gibt, dann ist die selbstverständlich legitim. (Dass allerdings auch hier kritische Selbstreflexion durchaus nicht von Nachteil ist, finde ich auch.)

Wenn aber die Abneigung auf allgemeinen Mustern beruht (die Person ist Frau, Mann, Trans, schwul, CDUler, Kölner, Polizist, Liverollenspieler etc.), dann sehe ich das eher kritisch. Natürlich gehören Schubladen zu unserem Denken als Mensch und in vielen Fällen sind sie auch nicht groß schädlich. Aber dennoch sollte man hinterfragen, ob man seine Bewertung eines Menschen an solchen festmacht.

Freilich ist das ein Ideal, das nicht immer einzuhalten ist, schon aus pragmatischen Gründen: die schnelle Einordnung hilft halt im Alltag.
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Madalena
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Re: 'Gender'-Diskussion

Ungelesener Beitrag von Madalena »

Der Wanderer hat geschrieben:Wenn aber die Abneigung auf allgemeinen Mustern beruht (die Person ist Frau, Mann, Trans, schwul, CDUler, Kölner, Polizist, Liverollenspieler etc.), dann sehe ich das eher kritisch. Natürlich gehören Schubladen zu unserem Denken als Mensch und in vielen Fällen sind sie auch nicht groß schädlich. Aber dennoch sollte man hinterfragen, ob man seine Bewertung eines Menschen an solchen festmacht.
Ich finde, da sollte man weiter differenzieren. Es gibt jede Menge allgemeiner Muster, die ich für völlig legitime Gründe halte, Abneigung auszulösen: Ich habe eine Abneigung für Menschen, die Frauen für dumm halten, die Transsexualität widernatürlich finden, die bei einer Vergewaltigung im ersten Impuls die Schuld beim Opfer suchen, die Menschen bestimmter Hautfarbe pauschal für minderwertig halten, oder die der Meinung sind, HIV träfe eh nur die Menschen, die es verdient haben.

Das sind alles allgemeine Muster, und zu denen stehe ich aus Überzeugung. Und hoffe, dass - zumindest im Großen und Ganzen - auch alle hier einer Meinung sind mit mir.

Ob ein allgemeines Muster schlecht ist oder nicht hängt m.E. vom Einzelfall ab.

Um wieder etwas den Bogen zum Thema zu schlagen: "Ich verstehe Transgender nicht", "Ich finde Transfrauen im Allgemeinen nicht attraktiv" oder "Zu wissen dass diese Person körperlich als Mann geboren wurde killt meine Libido" finde ich OK, das würde ich niemandem vorwerfen. "Transen sind pervers und gestört", "Das sind schlechte Menschen, die von Gott gestraft wurden" oder "Deren Anblick ist eine Zumutung" hingegen finde ich persönlich falsch, und wer sowas äußert wäre bei mir ziemlich sicher unten durch.
Jede kann maskierte Superheld*in sein. Ihr müsst gar nicht 24/7 bereit stehen oder euer Leben in die Waagschale werfen. Die Maske reicht schon!

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