Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Nein hast du nicht.
Das "Wehret den Anfängen" schwebt über all dem, das ist eine Grundhaltung, die alle Demokraten beherzigen sollten.
Ich habe doch sehr genau geschrieben, was türkische Propaganda ist.
Bitte versuche nicht wieder, Widersprüche zu konstruieren, wo keine sind.
Es ist genau so gemeint, wie es in dem Zitat deines letzten Posts steht. Es ist nicht erforderlich, es in einer Art und Weise herunterzubrechen, wie du es versuchst. Du kannst es einfach so stehen lassen.

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

sagista hat geschrieben:Nein hast du nicht.
Das "Wehret den Anfängen" schwebt über all dem, das ist eine Grundhaltung, die alle Demokraten beherzigen sollten.
Also willst du damit sagen, dass Demokraten dieses Prinzip beherzigen sollten, die Niederländer aber nicht danach handeln? :???:

Weil meine Aussage, dass die niederländische Bevölkerung nach diesem Prinzip handelt, siehst du ja als falsch an.
Ich habe doch sehr genau geschrieben, was türkische Propaganda ist.
Ja, und das habe ich scheinbar nicht verstanden. Deswegen erkläre doch mal, was du damit meinst bzw. was deinen Satz von meinem Satz unterscheidet. (Für mich lesen sich beide Sätze identisch.)

Vielleicht eine andere Frage, um das aufzuklären: Was ist denn deiner Meinung nach die Motivation der niederländischen Regierung gewesen? (Als ich dich das letzte Mal nach der Motivation der Regierung gefragt habe, hast du nur etwas über die Motivation der Bevölkerung geschrieben.)

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

So wie du es in deinem vorletzten Post zusammengefasst hast, ist es falsch.

Du scheinst mich so zu interpretieren, als sei das Verhindern der Präsidialdiktatur das Bestreben der niederländischen Regierung als Teil der Strategie "Wehret den Anfängen". Aber genau das ist es ja nicht, weil die Niederlande weder das Bestreben, noch die Möglichkeit hat, den Ausgang des Referendums zu beeinflussen. Der Vorwurf der Türkei, die Niederlande wollten den Ausgang des Referendums beeinflussen, ist türkische Propaganda.

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was du dich jetzt an dieser Begrifflichkeit "Wehret den Anfängen" so festbeisst. Das heißt nichts anderes, als dass man die Entwicklung in der Türkei sehr genau beobachten muss und vor allem solchen Leuten wie den Herren Kilic und Zingal massiv Kontra geben muss, wenn sie ihre Lügen in den Talksshows ausbreiten.

Was die Motivation der niederländischen Regierung betrifft kann ich, wie du, nur mutmaßen. Wahrscheinlich wollen sie sich schlicht nicht bedrohen oder nötigen lassen, vgl. dazu mein Post gestern 23:54 Uhr.

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

sagista hat geschrieben:So wie du es in deinem vorletzten Post zusammengefasst hast, ist es falsch.
Das ist mir klar. Was mir nicht klar ist, was an der Zusammenfassung falsch war.
Du scheinst mich so zu interpretieren, als sei das Verhindern der Präsidialdiktatur das Bestreben der niederländischen Regierung als Teil der Strategie "Wehret den Anfängen". Aber genau das ist es ja nicht, weil die Niederlande weder das Bestreben, noch die Möglichkeit hat, den Ausgang des Referendums zu beeinflussen.
Der erste Satz stimmt. Ja, ich interpretiere das tatsächlich so.
Der zweite Satz stimmt aber nicht.

Ob ich das Bestreben habe, die Anfänge abzuwehren, ist unabhängig davon, ob ich die Anfänge abwehren kann.
Das ist ja gerade meine Aussage: Die niederländische Regierung versucht den Anfängen zu wehren, ist aber daran gescheitert.
Das heißt nichts anderes, als dass man die Entwicklung in der Türkei sehr genau beobachten muss und vor allem solchen Leuten wie den Herren Kilic und Zingal massiv Kontra geben muss, wenn sie ihre Lügen in den Talksshows ausbreiten.
Die Frage ist: Warum soll man Herren Kilic und Zingal massiv Kontra geben, wenn sie ihre Lügen ausbreiten? Doch wohl, um dadurch die Verfassungsänderung zu verhindern.

Das meine ich auch mit "mitschuldig". Man muss erkennen, was in der Türkei passiert und darf dann nicht diesen, die das unterstützen, nach dem Mund reden, indem man deren Propaganda auch noch wiederholt.
Wahrscheinlich wollen sie sich schlicht nicht bedrohen oder nötigen lassen, vgl. dazu mein Post gestern 23:54 Uhr.
Das erste Verbot des Auftretens kam vor der ersten Nötigung. Zu dem Augenblick als die Regierung das erste Auftreten verboten hatte, war von Nötigung noch keine Rede.

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Ich kann nicht erkennen, dass die Niederlande Einfluss auf den Ausgang des Referendums nehmen wollen. Sie wollen einfach keinen türkischen Wahlkampf in ihrem eigenen Wahlkampf, so einfach ist das. Die Türkei hat das nicht toleriert, sondern wollte, wie anscheinend inzwischen üblich, mit dem Kopf durch die Wand und hat Drohungen ausgesprochen, was dazu führte, dass der erste Auftritt verboten wurde.

Vielleicht verstehen wir unter "versuchen, die Verfassungsänderung zu verhindern" etwas anderes. Du scheinst da ja alles mögliche drunter zu verstehen, sei es den Herren Kilic und Zingal Kontra zu geben, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker zu verhindern, usw. Das klingt so, als wolle man in den türkischen Wahlkampf eingreifen, Stimmung für die Opposition machen, das Wahlergebnis beeinflussen etc. Das ist doch alles überhaupt nicht der Fall.

Sicherlich kann man seiner Sorge Ausdruck verleihen über das, was da vorgeht und eben auch das tun, was ich oben schrieb, aber das ist doch kein Eingriff in den Wahlkampf, oder, um es genauer zu sagen, kein gravierender Eingriff in den Wahlkampf (so ein wenig greift man ja schon mit einer bloßen Meinungsäußerung ein).

Worauf möchtest du eigentlich hinaus?

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

sagista hat geschrieben:Ich kann nicht erkennen, dass die Niederlande Einfluss auf den Ausgang des Referendums nehmen wollen. Sie wollen einfach keinen türkischen Wahlkampf in ihrem eigenen Wahlkampf, so einfach ist das.
Die Frage ist, warum sie keinen türkischen Wahlkampf in ihrem Wahlkampf haben wollen.

Zu dem Zeitpunkt, wo sie das entschieden haben, war noch nicht von Nötigung die Rede.
Sicherlich kann man seiner Sorge Ausdruck verleihen über das, was da vorgeht und eben auch das tun, was ich oben schrieb, aber das ist doch kein Eingriff in den Wahlkampf, oder, um es genauer zu sagen, kein gravierender Eingriff in den Wahlkampf (so ein wenig greift man ja schon mit einer bloßen Meinungsäußerung ein).
Richtig, es ist ein Eingriff in den Wahlkampf. Von "gravierend" habe ich nie etwas geschrieben.
Worauf möchtest du eigentlich hinaus?
Ich möchte darauf hinaus, dass auf Staaten- und Parteienebene unterschiedliche Motivationen existieren:
Die niederländische Regierung als Teil des Staates hat andere Motivationen als die niederländische Regierung als Bündnis der Parteien VVD und PvdA.
Und die türkische Regierung als Teil des Staates hat andere Motivationen als die türkische Regierung als Teil der AKP.

Grundsätzlich hat eine Regierung daher immer zwei Motivationen: Eine gegenüber ihrem Staat und eine gegenüber ihrer Partei. Diese beiden können sich deutlich unterscheiden.
Das gilt prinzipiell für alle Regierungen.

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Eulenspiegel hat geschrieben:Die Frage ist, warum sie keinen türkischen Wahlkampf in ihrem Wahlkampf haben wollen.
Ich finde diese Frage überhaupt nicht wichtig, weil das doch vollkommen in Ordnung ist, wenn ein Land nicht möchte, dass ein anderes Land seinen Wahlkampf in das Land hineinschleppt. Insbesondere, wenn man selbst in der heißen Phase des eigenen Wahlkampfes steckt, muss das wirklich nicht sein.
Eulenspiegel hat geschrieben:Ich möchte darauf hinaus, dass auf Staaten- und Parteienebene unterschiedliche Motivationen existieren:
[...]
Grundsätzlich hat eine Regierung daher immer zwei Motivationen: Eine gegenüber ihrem Staat und eine gegenüber ihrer Partei. Diese beiden können sich deutlich unterscheiden.
Das gilt prinzipiell für alle Regierungen.
Hmm, ja, schön, das ist ja nun nichts Neues, und weiter?

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

sagista hat geschrieben:Ich finde diese Frage überhaupt nicht wichtig, weil das doch vollkommen in Ordnung ist, wenn ein Land nicht möchte, dass ein anderes Land seinen Wahlkampf in das Land hineinschleppt.
Dass es in Ordnung ist, hat ja auch niemand widersprochen. Darum ging es aber nie.

Es ging um die Frage, ob die Handlung der niederländischen Regierung dämlich ist. Und dazu muss man die Ziele der Regierung kennen und inwiefern die Handlungen diese beeinflussen.

Und es geht um Handlungsempfehlungen für die Regierung, wofür man die Ziele ebenfalls kennen muss.

Und es geht darum, dass die Regierung unterschiedliche Ziele hat: Einmal die Ziele ihrer Partei und einmal die Ziele ihres Staates.

Aber um die Frage, ob es in Ordnung ist oder nicht, darum ging es nie.
Hmm, ja, schön, das ist ja nun nichts Neues, und weiter?
Daraus folgt, dass Erdoğan nicht zwangsläufig im Namen des Volkes spricht. Gerade bei einem Wahlkampf ist es wahrscheinlicher, dass er eben nicht im Namen des Volkes spricht, sondern die Motivation eher auf Parteienebene liegt. Das heißt, er spricht an das Volk.

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Auf die Frage, wo "Dämlichkeit" seitens der niederländischen Regierung vorliegt oder nicht, habe ich ja schon geschrieben. Da steht ja noch eine Antwort, wie auch auf die Frage der Akzeptanz von Äußerungen und dem prozentualen Anteil an der Eskalation zwischen den beiden Staaten, aus.

Und, ich denke, da muss ich dich korrigieren, natürlich geht es darum, ob es in Ordnung ist, wenn die Niederlande Wahlkampfauftritte türkischer Politiker untersagen. Vielleicht geht es dir nicht vorrangig darum, das mag sein, aber die türkische Seite scheint der irrigen Annahme zu sein, sie dürfe Wahlkampf machen, wo und wann immer sie will, auch wenn ihr eigenes Gesetz das anders sieht.

Daher ist auch deine Einschätzung interessant, wie hoch der jeweilige Anteil an der Eskalation ist. Je niedriger der Anteil der niederländischen Regierung daran ist, desto unerheblicher wird es, ob es da nicht noch geschicktere Reaktionsmöglichkeiten seites der niedeländischen Regierung gegeben haben könnte.
Eulenspiegel hat geschrieben:Daraus folgt, dass Erdoğan nicht zwangsläufig im Namen des Volkes spricht. Gerade bei einem Wahlkampf ist es wahrscheinlicher, dass er eben nicht im Namen des Volkes spricht, sondern die Motivation eher auf Parteienebene liegt. Das heißt, er spricht an das Volk.
Der türkische Präsident hat sich, so weit ich weiß, im Wahlkampf neutral und überparteilich zu verhalten. Er ist das Staatsoberhaupt, er spricht als oberster Vertreter des türkischen Volkes für das Volk. Es ist zu unterscheiden zwischen türkischer Regierung und dem türkischen Präsidenten. Letztendlich geht es um die Frage, ob Erdogan mit seinem Verhalten nicht schlicht die Verfassung seines eigenen Land ignoriert und bricht.

Thargunitoth
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Thargunitoth »

Sowohl Rutte als auch Erdogan handeln parteipolitisch, zumindest sehe ich das so.

Rutte kann die konservativen Wähler damit hinter sich bringen und Erdogan kann die Türken als "von den Europäern geschmähte" darstellen.

Es hilft so beiden.

Das ist ein typischer Wahlkampf (niederländisch und türkisch) in dem versucht wird die Wähler auf möglichst emotionale Weise an sich zu binden. Es ist eigentlich nur traurig, dass das zu funktionieren scheint.

Andwari
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Andwari »

Relativ neu an Erdogans Wahlkampf ist dabei allerdings, sich ein außenpolitisches Thema erst mal selbst zu erzeugen.

Ist ja nicht so, dass man vorher mit den NL größere Kontakt/Konfliktpunkte gehabt hätte. Das ist mMn was anderes als irgendeinen Grenzstreit mit den pösen Griechen wieder aufzuköcheln. Die NL stehen dabei aus Erdogan-Sicht allerdings auch für die ganze EU: er erzeugt oder verstärkt die Idee, dass es für Türken überall auf der Welt "so wie daheim" laufen könne, man aber von den Anderen ständig behindert, geringgeschätzt wird. Dabei hat er eigentlich keine Perspektive für die anzubieten. Ein allzu forsches Auftreten einer nationalistisch gestimmten Türkei wird anderswo halt eher zu Gegenreaktionen führen als dass man sich dadurch besser mit einer Minderheit von 2-5% der jeweiligen Einwohner (in vielen EU-Ländern noch deutlich weniger) versteht/arrangiert. Das hilft Erdogan nur innerhalb der Türkei - er macht also eigentlich Wahlkampf auf Kosten der Auslandstürken und wird versuchen, Reaktionen der EU, die diesen schaden können, nach innen zu thematisieren. Visafreiheit o.ä. betrifft den Arbeiter in Anatolien nämlich eigentlich nicht. Wenn Erdogans Versprechungen bei den Auslandstürken nicht angekommen sind, nur noch verstärkte Probleme im Gastland bleiben, wird sich deren Stimmung mittelfristig auch wandeln. Erdogan ist ja kein Revolutionär, der Jahrzehnte lang weiter kämpfen kann, sondern Staatspräsident, der ggf. vorhandene Errungenschaften verspielt.

Ich sehe da in nächster Zeit eben keine Visafreiheit (die Türkei war kurz davor, die zu kriegen), vllt. Abschaffung von Doppelstaatsbürgerschaften, und wirtschaftliche Hemmnisse, die die EU halt gegenüber der Türkei eher wieder aufbauen wird, evtl. deklariert als Hilfe für griechische Olivenbauern - das sind alles kleine Dinge, die aber in Summe richtig weh tun können. Das geht bei mehr Zinsen (wegen schlechtem Rating) für Staatskredite los, betrifft nicht nur Tourismus sondern den kompletten Dienstleistungssektor - wenn ich ein in der Türkei erstelltes Dokument halt in der EU erst noch extra abchecken lassen muss, lasse ich mir meine technische Anleitung halt doch lieber vom Bulgaren schreiben.

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

sagista hat geschrieben:Eben nicht, das ist doch der Punkt, den ich versuche, dir zu erklären.
Es gibt Aussagen, die für einen Satiriker in Ordnung sind, die aber für Politiker quasi politischer Selbstmord wären.
Eben nicht, das ist doch der Punkt, den ich versuche, dir zu erklären.
Eine Aussage ist losgelöst von demjenigen, der sie ausspricht. Wenn du diese beiden Sachen verkoppelst, bist du bei einer ad-hominem-Argumentation.

Nebenbei sieht man ja sehr deutlich, dass die Aussage von Erdoğan nicht seinen politischen Selbstmord bedeutet, sondern dass er nach wie vor viele Anhänger hat.
Ich habe das Geschehene dargestellt.
Wo siehst du eine Überreaktion oder Dämlichkeit der niederländischen Regierung?
Du hattest geschrieben: "Was daran jetzt verwerflich sein soll, verstehe ich nicht."

Das impliziert, ich hätte das behauptet.

Deine Frage hatte ich bereits beantwortet:
Den Haag hat überreagiert, weil sie den Konflikt haben eskalieren lassen.

Den Haag hat dämlich reagiert, weil durch ihre Aktionen das Gegenteil von dem erreicht wird, was sie erreichen wollten.

Wieviel % an Eskalation würde denn deiner Ansicht nach auf das türkische Konto und wieviel auf das niederländische gehen? Eher so 50:50 oder eher so 90:10?
Es ist schwierig, Prozentzahlen zu nennen. Wie misst man diese?
Was man jedoch sagen kann: Die niederländische Regierung hatte als erste eine tätliche Eskalation eingeführt, während die türkische Eskalation zuerst verbal blieb.

@BenjaminK
Du musst unterscheiden zwischen dem Vorwurf, ob man im Namen eines anderen spricht, und dem Vorwurf, dass man etwas bestimmtes gesagt hat.

Das sind zwei vollkommen verschiedene Vorwürfe.
So kann eine Aussage "Schottland soll sich von GB lösen, um in der EU zu bleiben", eine aktzeptable Äußerung sein. Dennoch könnte man jemanden vorwerfen, der behauptet, diese Äußerung im Namen des schottischen Volkes zu sagen: Weil nicht feststeht, ob das schottische Volk so denkt, und weil die Person nicht die Berechtigung hat, im Namen des schottischen Volkes zu sprechen.

Hier wäre der Inhalt des Gesagten vollkommen legitim und niemand käme auf die Idee, die Aussage als inakzeptabel zu bezeichnen. Stattdessen muss sich die Person den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht das Recht hat, im Namen des schottischen Volkes zu sprechen.

Wenn du dir jedoch Kommentare zu Erdoğans Äußerung durchliest, dann stellst du fest, dass kaum jemand ihm vorwirft, dass er nicht die Meinung des türkischen Volkes vertreten darf. Ihn wird stattdessen vorgeworfen, was er gesagt hat.

@BurkhardSekir
Ja, es gibt bestimmte Aussagen, die nicht geäußert werden dürfen. Das bezweifelt ja auch niemand. Im Gegenteil. Ich sage ja die ganze Zeit, für die Frage, ob eine Äußerung akzeptabel ist, muss man sich fragen was geäußert wurde, und nicht, wer das geäußert hat.
Das "was" ist natürlich extrem wichtig. Aber das "wer" ist nicht wichtig.

Eine inakzeptable Äußerung wird nicht dadurch akzeptabel, dass jemand anderes sie äußert.

Andwari
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Andwari »

@Wer sagt was
Anders als z.B. bei "Hol mir mal ne Flasche Bier, sonst streike ich hier und mache nicht weiter" von einem damals amtierenden Bundeskanzler darf man doch bei Erdogan wohl davon ausgehen, dass er offiziell wirkende Statements, oft in entsprechend glamouröser Umgebung eben als Staatspräsident und Parteichef machen will - und er da selbst (unterstellt) wenig Bedarf sieht, zu trennen.

Ansonsten wäre wie immer bei amtierenden Ministern eben Zurückhaltung in parteipolitischer Betätigung angesagt - einer Regierung mit absoluter Mehrheit für eine Partei fehlt da halt der ggf. auf Klarheit drängende Koalitionspartner.


@Wahl Niederlande
So, die ist durch, nach den ersten Prognosen:
- die Sozialisten bleiben etwa konstant, die mitregierenden Sozialdemokraten verlieren massiv, die Linksgrünen (GL) fangen nur einen Teil dieser Stimmen auf.
- die Rechtspopulisten (PVV Wilders) werden nicht so stark wie durch vorherige Umfragen prognostiziert, gewinnen etwas gegenüber 2012 dazu.
- die rechtsliberale Regierungspartei (VVD, Rutte) verliert leicht, ist damit wohl deutlich besser als in den Umfragen der letzten Zeit.
- einige Parteien der Mitte (D66) bis gemäßigt christlich/konservativ (CDA, CU) gewinnen dazu.

=> insgesamt eine Niederlage für "links" (trotz dem für die GL wohl bemerkenswerten Erfolg), und ein Wahlsieg für "Mitte" bzw. Mitte-rechts.
=> der bisherige Regierungschef wird ziemlich sicher der neue, braucht den bisherigen Koalitionspartner nicht unbedingt dafür, der alleine sowieso nicht mehr reicht - es gibt genügend Alternativen.

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

Die Tagesschau hat auch einen interessanten Artikel dazu gebracht: Wahl in den Niederlanden - Wahlhelfer Erdogan.

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BenjaminK
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von BenjaminK »

Eulenspiegel hat geschrieben:@BenjaminK
Du musst unterscheiden zwischen dem Vorwurf, ob man im Namen eines anderen spricht, und dem Vorwurf, dass man etwas bestimmtes gesagt hat.

Das sind zwei vollkommen verschiedene Vorwürfe.
So kann eine Aussage "Schottland soll sich von GB lösen, um in der EU zu bleiben", eine aktzeptable Äußerung sein. Dennoch könnte man jemanden vorwerfen, der behauptet, diese Äußerung im Namen des schottischen Volkes zu sagen: Weil nicht feststeht, ob das schottische Volk so denkt, und weil die Person nicht die Berechtigung hat, im Namen des schottischen Volkes zu sprechen.

Hier wäre der Inhalt des Gesagten vollkommen legitim und niemand käme auf die Idee, die Aussage als inakzeptabel zu bezeichnen. Stattdessen muss sich die Person den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht das Recht hat, im Namen des schottischen Volkes zu sprechen.

Wenn du dir jedoch Kommentare zu Erdoğans Äußerung durchliest, dann stellst du fest, dass kaum jemand ihm vorwirft, dass er nicht die Meinung des türkischen Volkes vertreten darf. Ihn wird stattdessen vorgeworfen, was er gesagt hat.
Häh?
Die Frage, ob jemand als Volksvertreter sprechen darf ist völlig uninteressant. El Präsidente spricht als Vertretung des Volkes. Punkt. Offizielle Verlautbarungen eines Präsidenten sind genau das.
Das unterscheidende Merkmal ist die Konsequenz danach. Bei der persönlichen Meinung darf man die ganz persönlichen Konsequenzen tragen, bei der Vertretung einer Gruppe trägt die Gruppe die Konsequenzen der Meinungsäußerung, sodass etwas persönlich akzeptabel aber als Gruppenvertretung inakzeptabel sein kann.

Der schottische Präsident und Volksvertreter darf für einen Ausstieg votieren, das ist sein Job. Die Konsequenz trägt aber nicht er persönlich, sondern das Volk, was er vertritt. Der Mensch dahinter darf im privaten gerne sagen, dass er einen Austritt am liebsten sähe, unabhängig davon, was er in Funktion der Volksvertretung votiert.
Leitet gerade;
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Eulenspiegel hat geschrieben:Eben nicht, das ist doch der Punkt, den ich versuche, dir zu erklären.
Eine Aussage ist losgelöst von demjenigen, der sie ausspricht. Wenn du diese beiden Sachen verkoppelst, bist du bei einer ad-hominem-Argumentation.
Ich mag mich täuschen, aber ist eine ad-hominem-Argumentation nicht etwas völlig anderes? Ich dachte immer, ein ad-hominem-Argumentation würde nach dem Schema funktionieren, "XY ist doof, also ist alles, was XY sagt, auch doof und daher abzulehnen".
Das hat nichts damit zu tun, ob es entscheidend ist, wer was in welcher Position sagt und dass es etwas völliges anderes ist, wenn ein Satiriker etwas sagt oder ein Staatspräsident, auch wenn sie inhaltlich exakt das selbe sagen.
Eulenspiegel hat geschrieben:Nebenbei sieht man ja sehr deutlich, dass die Aussage von Erdoğan nicht seinen politischen Selbstmord bedeutet, sondern dass er nach wie vor viele Anhänger hat.
Man wird sehen, wie man wieder zusammenkommt, wenn das Refenrendum abgeschlossen wird. Ich glaube kaum, dass man in der internationalen Politik einfach so zur Tagesordnung übergehen wird. Erdogan hat sein Images als unreifes, cholerisches Kleinkind in Gestalt eines erwachsenen Mannes eindrucksvoll bestätigt und zementiert. Dass das seine Anhänger nicht stört, mag sein, aber den politischen Flurschaden, den er angerichtet hat, ist noch kaum abzuschätzen.
Eulenspiegel hat geschrieben:Du hattest geschrieben: "Was daran jetzt verwerflich sein soll, verstehe ich nicht."

Das impliziert, ich hätte das behauptet.
OK, ich nehme zur Kenntnis, dass du das Verhalten der niederländischen Regierung nicht verwerflich findest. Ist das korrekt?

Was wäre denn deiner Meinung nach eine deeskalierende und nicht-dämliche Reaktion der niederländischen Regierung gewesen?
Eulenspiegel hat geschrieben:Es ist schwierig, Prozentzahlen zu nennen. Wie misst man diese?
Naja, klar, aber du musst doch sagen können, wem du den höheren Anteil an der Eskalation zumisst.
Eulenspiegel hat geschrieben:Was man jedoch sagen kann: Die niederländische Regierung hatte als erste eine tätliche Eskalation eingeführt, während die türkische Eskalation zuerst verbal blieb.
Wie hat die türkische Seite noch gleich reagiert, als darum gebeten wurde, türkische Wahlkampfauftritte in den Niederlanden zu unterlassen? Man ist trotzdem gekommen. Das sehe ich als ganz klare tätliche Eskalation. Nochmal, es gibt überhaupt keinen Anspruch darauf, für einen Politiker im Ausland als Poliiker tätig zu werden, wenn das Land das nicht möchte. Man mag dann entäuschend finden oder sich drüber ärgern, aber dann trotzdem anzureisen, naja, müsste auch in deinem Duktus eine "tätliche Eskalation" sein.

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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von BurkhardSekir »

Eulenspiegel hat geschrieben:@BurkhardSekir
Ja, es gibt bestimmte Aussagen, die nicht geäußert werden dürfen. Das bezweifelt ja auch niemand. Im Gegenteil. Ich sage ja die ganze Zeit, für die Frage, ob eine Äußerung akzeptabel ist, muss man sich fragen was geäußert wurde, und nicht, wer das geäußert hat.
Das "was" ist natürlich extrem wichtig. Aber das "wer" ist nicht wichtig.

Eine inakzeptable Äußerung wird nicht dadurch akzeptabel, dass jemand anderes sie äußert.

Da irrst du schon wieder. Für die Akzeptanz einer Äußerung ist 1. der Inhalt, 2. der Umstand und 3. die Personen (Redner UND Zuhörer) wichtig. Wenn ein Wilders sich in brauner Uniform hinstellt und einen Schwarzen als "Nigger" bezeichnet, dann ist das was ganz anderes, als wenn zwei Schwarze sich in den Bronx mit "Nigger" ansprechen. Du siehst: zwei Mal der gleiche Inhalt, einmal vollkommen inakzeptabel und einmal vollkommen in Ordnung.
Weitergehend: wenn Wilders sich nun mit seinem Freund trifft und im stillen Kämmerchen über "Nigger" redet, dann ist das nochmal was ganz anderes (immer noch moralisch verwerflich, aber legitim, da es nicht an die Öffentlichkeit geht).

Und wenn jetzt eine Person eine X-beliebige Aussage trifft. Dann ist das absolut entscheidend, ob er der Papst oder türkischer Präsident oder der Lehrer vor seiner Klasse oder ein Betrunkener in der Kneipe oder ein Opa ist, der vollgepumpt von Medikamenten ist.


Und wie sagista das auch erkannt hat: mit einer Ad-hominem-Argumentation hat das genau Null zu tun. Das ist eigentlich genau das Gegenteil. Eine Ad-officium-Argumentation. Die Aussage ist verwerflich, weil sie von einem Präsidenten kommt, egal ob der Erdogan oder Hitler oder Churchill oder Franziskus2 heißt. Die Person in dem Amt ist egal. "Das Amt" hat diese Aussage getroffen. Das ist etwas anderes, als wenn eine Person eine Aussage trifft (und bevor du versuchst, meine Worte zu verdrehen, diese Aussage steht in keinem Gegensatz zu meiner oben getätigten Aussage).
Da das hier in letzter Zeit vermehrt auftritt, kann ich nur jedem diesen Link ans Herz legen: http://www.das-dass.de/

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

bzgl. Akzeptanz von Argumenten
1. ad-hominem

Ad-hominem bedeutet, dass man eine Aussage danach beurteilt, wer diese Aussage getätigt hat.
Das kann sein:
- XY ist doof, deswegen ist die Aussage abzulehnen.
- XY hat sich noch nie geirrt, deswegen ist die Aussage richtig.
- XY ist Präsident, deswegen ist die Aussage abzulehnen.
- XY ist Satiriker, deswegen ist die Aussage akzeptabel.

Wann immer man eine Aussage danach beurteilt, wer der Redner ist, liegt ein ad-hominem-Argument vor.

Von ad-officium habe ich noch nie etwas gehört. Durchaus möglich, dass das Argument beides, ad-officium und ad-hominem, ist.

Wieso ist das Argument nun ad-hominem:
"ist Präsident" ist eine Eigenschaft des Redners und nicht des Arguments. Ich erkläre damit keine Eigenschaft des Arguments, sondern des Redners.
Man kann sich immer fragen "Wer oder was ist das?"
  • Argument: "enthält einen Widerspruch". Frage: Wer oder was enthält einen Widerspruch? Antwort: Die Aussage. --> ad argumentum
  • Argument: "ist rassistisch". Frage: Wer oder was ist rassistisch? Antwort: Die Aussage. --> ad argumentum
  • Argument: "ist rassistisch". Frage: Wer oder was ist rassistisch? Antwort: Der Redner. --> ad hominem
  • Argument: "ist Präsident". Frage: Wer oder was ist Präsident? Antwort: Der Redner. --> ad hominem
Die Punkte 2+3 zeigen, dass es Argumente gibt, die beides (ad hominem und ad argumentum) sein können, je nachdem, auf was es sich bezieht: Lehne ich die Aussage ab, weil die Person bekanntermaßen rassistisch ist? Oder lehne ich die Aussage ab, weil die Aussage selber rassistisch ist? (Unabhängig davon, ob der Redner rassistisch ist.)

"ist Präsident" ist dagegen eine Eigenschaft des Redners und nicht des Arguments. Das Argument selber kann nicht Präsident sein. Nur der Redner kann Präsident sein. Daher ist es eine ad-hominem Argumentation.

2. Kontextabhängigkeit
Man muss zwischen Wörtern und Aussagen unterscheiden. "Nigger" ist erstmal ein Wort. Je nach Kontext erhält dieses Wort eine andere Aussage.
Wenn ein Schwarzer das zu einem anderen sagt, ist die Aussage wahrscheinlich: "Hey, wir beide sind Kumpel."
Wenn ein Nazi das zu einem Schwarzen sagt, ist die Aussage wahrscheinlich: "Hey, du bist weniger wert als ich."

Ein und das gleiche Wort, das aufgrund des Kontextes aber eine andere Aussage enthält.
sagista hat geschrieben:OK, ich nehme zur Kenntnis, dass du das Verhalten der niederländischen Regierung nicht verwerflich findest. Ist das korrekt?
Ob das Verhalten verwerflich ist, ist eine moralische Frage. Das heißt, die Antwort hängt von der verwendeten Ethik ab:
  • Kantsche Ethik (Kategorischer Imperativ)
  • Utilitaristische Ethik (Führt das Verhaltens als Konsequenz zu mehr Glück oder zu mehr Leid?)
  • Christliche Ethik (Nächstenliebe, Wenn man dir auf eine Wange schlägt, so halte auch die andere hin)
Das sind jetzt nur drei Ethiken. Es gibt wesentlich mehr. Und je nachdem, welche Ethik verwendet wird, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Was wäre denn deiner Meinung nach eine deeskalierende und nicht-dämliche Reaktion der niederländischen Regierung gewesen?
1. Die Wahlreden von Anfang an erlauben.
2. Wenn man die Reden verbietet, eine Alternative anbieten.

zum Beispiel: Den Ministern ist es nicht erlaubt, einen Monolog zu halten. Allerdings könnte man jemanden suchen, der gegen die Verfassungsänderung ist und die beiden könnten dann in einer öffentlichen Debatte die pro und contra argumentieren.
Das heißt, der Minister hat die Möglichkeit, seine Meinung zu äußern. Gleichzeitig wird die Meinung nicht unwidersprochen hingenommen, sondern ihm würde argumentativ widersprochen.

bzgl. Ablauf der Eskalation
Zu Beginn wurde dem türkischen Außenminister die Rede verwehrt. Er durfte in die Niederlande einreisen, aber nicht die Rede halten. Daraufhin hat der Außenminister sich darüber aufgeregt und über wirtschaftliche Sanktionen nachgedacht. (Verbale Eskalation)
Daraufhin wurden ihm die Einreise verwehrt.

Um den Ablauf klarzustellen: Zum Zeitpunkt als ihm die Rede verboten wurde, war er noch in der Türkei. Zum Zeitpunkt als ihm die Einreise verboten wurde, war er jedoch bereits in der Luft.

Und es wurde auch nicht als Eskalation wahrgenommen, dass er auf dem niederländischen Flughafen gelandet ist.
Als Eskalation wurden wahrgenommen:
1. Seine Äußerungen (bevor sie ihm die Einreise verwehrten)
2. Die Einreise der Familienministerin (nachdem dem Außenminister die Einreise verwehrt wurde)

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Nur ging es nicht um Argumente, sondern um Aussagen. Es ging um die Bedeutung, die Aussagen haben und warum es bedeutsam ist, wer eine Aussage trifft. Dein Punkt 1 ist ja schön und gut, geht nur am Thema vorbei. Ich gehe da jetzt aus diesem Grunde auch nicht in Details, ich denke, du beißt dich da in etwas fest, was kaum nachvollziehbar ist.

Zu 2.: Jetzt widersprichst du dir selbst. Die jetzt von dir eingeführte Differenzierung zwischen Wörtern und Aussagen ist nichts anderes als das, was du vorher abgelehnt hast.

Zur Frage "verwerflich ja /nein": Warum keine klare Aussage, wo du dich vorher dagegen verwahrt hast, du hättest gesagt, das Verhalten der niederländischen Regierung sei verwerflich gewesen?
Eulenspiegel hat geschrieben:1. Die Wahlreden von Anfang an erlauben.
2. Wenn man die Reden verbietet, eine Alternative anbieten.
Hat denn die türkische Seite adäquat auf die, rechtlich absolut nicht zu beanstandenen Handlung der niederländischen Seite reagiert?

Ein Flugzeug kann im Übrigen auch abdrehen, wenn die Einreise verweigert wird.

Daher noch mal die Frage, der du seit Tagen ausweichst: Wie siehst du die Anteile der unterschiedlichen Parteien an der Eskalation?

A propos türkischer Außenminister: Türkischer Außenminister warnt vor "Religionskriegen" in Europa

Oder Erdogan: Erdogan wirft Niederlanden Massaker an 8000 Muslimen vor

Nehmen wir nur einen Moment mal an, die niederländische Regierung hätte sich vollkommen grundlos wirklich unfreundlich gegenüber der türkischen Seite verhalten und wäre böswillig auf Eskalation aus gewesen, selbst dann wären diese ganzen Tiraden aus Ankara vollkommen unangemessen. Welche Schritte haben die Türken zur Deeskalation unternommen? Keinen einzigen, die hauen immer weiter, immer ungehemmter auf alles, was sich bewegt. Ich dachte immer, die Türkei wolle als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Wie soll das denn gehen, bei diesem lächerlichen Verhalten?

Man muss sich inzwischen die Frage stellen, wie man überhaupt wieder gemeinsam an einen Tisch sitzen können wird und vernünftig zusammenarbeiten kann. Ich hoffe, die EU stellt sich gemeinsam gegen die Erdogan-Türkei. Ein formales Ende der EU-Beitrittsgespräche mit Streichung sämtlicher Hilfen sollte zumindest angedacht werden, auch ein Ausschluss aus der NATO wäre eine Option. So wie sich die türkische Regierung derzeit aufführt, ist sie weder Freund noch ein verlässlicher Partner.

Und wieder sieht man, wie entscheidend es ist, wer Aussagen tätigt. Hätte z. B. irgendein Iman aus Anatolien die steile These aufgestellt, die Niederländer hätten 8.000 Muslime in Srebrenica massakriert, würde wohl eher kein Hahn danach krähen. Tut dies der türkische Präsident, ist das ein diplomatischer Eklat.

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Herr der Welt
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Herr der Welt »

@Ad-hominem:
Das bezeichnet eine Argumentstruktur, die die Bewertung des Gehalts einer Aussage vom Redner (einer ihm zugesprochenen Eigenschaft, einer vermeintlichen Tätigkeit, der er nachging o.Ä.) abhängig macht.

Man könnte Erdogan in diesem Sinne ad-hominem Folgendes vorwerfen:
Die von ihm getätigt Aussage "die Niederländer gebrauchen nationalsozialistische Methoden" ist unzulässig, weil er selbst solche Methoden gebraucht (Einsperren von Oppositionellen, Diskriminierung von Minderheiten, Pressezensur). Das wäre ein klares Scheinargument, denn Erdogan kann sehr wohl dennoch nationalsozialistische Methoden in anderen Ländern zu Recht kritisieren (dass das in den NL in Bezug auf die kritisierten Umstände nicht gegeben ist, ist eine andere Frage).

Nicht jedoch ad-hominem ist das Argument, dass der Präsident eines Landes kein anderes derart diskreditieren sollte.
Die Aussage wird nicht dergestalt in Bezug zum Redner gesetzt, dass ein argumentativer Rückschluss von diesem auf den Gehalt jener erfolgt. Die Aussage ist so nicht zu widerlegen, sondern anderweitig zu entkräften (ihre offensichtliche Falschheit macht uns das so selbstverständlich, dass das hier noch niemand explizit getan hat). Denn die Aussage, dass die Niederländer keine türkischen Minister zur Wahlwerbung zulassen, gleiche nationalsozialistischen Methoden, ist leicht zu falsifizieren. Zum einen gab es keinen Versuch ausländischer Politiker Wahlwerbung in NS-Deutschland zu betreiben und folglich auch keine Absage seitens der NS-Regierung. Zum anderen sind solche Praktiken kein Spezifikum des Nationalsozialismus (oder des Faschismus), sondern bedingen Konzepten doppelter Staatsbürgerschaft oder freizügiger Zugehörigkeiten (Staatsangehörige von X leben im Staat Y), was völlig ahistorisch in einen Zusammenhang mit Faschismus/Nationalsozialismus gestellt wird, allenfalls als Ausprägung modernen Nationalismus gesehen werden kann.
Ich denke, niemand hier will diese Aussage von Erdogan rechtfertigen oder ihre Gültigkeit diskutieren. Viel mehr wird - berechtigter Weise - diskutiert, ob die Tätigung der Aussage durch das türkische Staatsoberhaupt eine besondere Qualität aufweist. Das ist nicht ad-hominem (also eine Qualifizierung des Aussagegehalts durch den Redner), sondern eine Qualifizierung der Aussagewirkung durch die Äußerungsumstände. Behauptet wird nicht, die Aussage sei wahr oder falsch, weil der Präsident sie tätigte, sondern: Das Tätigen einer (anderweitig und nicht schein-argumentativ zu falsifizierenden) Aussage durch den Präsidenten in aller Öffentlichkeit hat eine andere Wirkung, als wenn sie von jemandem im Privaten oder bspw. einem Satiriker im Fernsehen getroffen würde.
Und das würde ich wohl auch meinen: Wenn der Präsident eines Landes in aller Öffentlichkeit eine falsche Aussage trifft (wahrscheinlich bewusst, weil sie - wie gezeigt - leicht zu widerlegen ist), dann ist das verwerflicher und reicher an Konsequenzen, als wenn das ein Satiriker tut oder wenn es der Präsident im privatem Kreis tut (wo er nicht als Präsident, sondern als Privatmann auftritt).
Der Präsident ist gewählter Vertreter eines Staats und tritt durch Äußerungen über andere Länder in diplomatischen Kontakt mit diesen. Er spricht für die gewählten Staatsorgane und dies provoziert Reaktionen anderer Länder, die sich auf das gesamte Volk auswirken können. Wenn infolge von Erdogans Aussagen (nicht konkret darauf bezogen, was er über die Niederlande sagte) Reisewarnungen ausgesprochen werden, Kreditgeber skeptisch werden und schlechtere Konditionen anbieten, Abkommen überdacht werden, etc., dann kann das mittelbar Auswirkungen auf viele Türken haben (im Tourismus tätige, von Zinssetzen und Währungsstabilität besonders abhängige, international agierende, etc.). Nun könnte man einwenden, dass all diese Maßnahmen andere Ursachen haben, etwa die Sicherheitshinweise vermehrte terroristische Aktivitäten oder die Abwertung türkischer Kredite unsichere Verhältnisse. Das stimmt zwar, aber solche Umstände und Ereignisse werden durch Auftritte der Verantwortlichen konturiert, konterkarikiert (wenn sie sagen: wir wollen diesen oder jenen Missstand ändern) oder in einen Erwartungshorizont gerückt (etwa, wie weit Erdogan - nicht nur innenpolitisch - geht, um das Referendum für sich zu entscheiden oder welches Auftreten man vom mglw. künftig sehr viel mächtigeren Erdogan zu erwarten hat, wie wechselhaft und unzuverlässig der mögliche Autokrat erscheint).
Daher hat ein Präsident eine besondere Verantwortung für seine Aussagen und muss sehr viel genauer und umfassender Reaktionen antizipieren bzw. Aussagen oder Handlungen anderer besonders sorgfältig interpretieren und bewerten. Für griechische Zeitungen, die deutsche Regierungsmitglieder als Nazis abdrucken, gilt das nicht oder in viel geringerem Maße.

Es ist also zu bejahen, dass für die Wirkung einer Aussage (nicht für den Wahrheitsgehalt) der Redner eine Rolle spielt. Es geht nicht um Ad-hominem-(Schein-)Argumentationsstrukturen.

Erdogan lässt es aus wahltaktischen Erwägungen auf eine Konfrontation mit anderen Staaten ankommen. Seine Macht ist ihm wichtiger als mögliche negative Auswirkungen für viele andere Türken. Oder aber er mutmaßt, dass seine Äußerungen keine derart negativen Auswirkungen haben.

Telvan von Ferdok
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Telvan von Ferdok »

Man merkt am Diskussionsstil hier schon, dass eine hohe Akademikerdichte vorhanden ist. Und das ist jetzt nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Ich beginne hier am Anfang immer interessiert zu lesen um dann irgendwann entnervt festzustellen, dass man sich mit Zitaten bombardiert... ;-) egal ich suche weiter nach guten Politikforen. Ist vielleicht auch zuviel verlangt für ein Rollenspielforum. Nur meine Meinung natürlich.

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Talasha
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Talasha »

Telvan von Ferdok hat geschrieben:Man merkt am Diskussionsstil hier schon, dass eine hohe Akademikerdichte vorhanden ist. Und das ist jetzt nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Ich beginne hier am Anfang immer interessiert zu lesen um dann irgendwann entnervt festzustellen, dass man sich mit Zitaten bombardiert... ;-) egal ich suche weiter nach guten Politikforen. Ist vielleicht auch zuviel verlangt für ein Rollenspielforum. Nur meine Meinung natürlich.
Das ist in Politikforen mit Laienbeteiligung immer der Fall, nur wird es bei niedrigerem Akademikeranteil schnell sehr viel dümmer. :wink:
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Herr der Welt
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Herr der Welt »

@Telvan von Ferdok:
Zitatebombardement ist kein Kennzeichen akademischer Bildung. Ich halte es auch nicht für besonders guten Stil und überlese einen solchen Schlagabtausch geflissentlich, der ohnehin öfter in ein OT-Zwiegespräch abzudriften droht.

Thargunitoth
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Thargunitoth »

Ich frage mich momentan schon ob die Erdoganpropaganda ihm in der Türkei die Stimmen für die Mehrheit für sein Referendum einbringt oder ob den Türken das nicht einfach zu dumm ist.

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Herr der Welt hat geschrieben:Zitatebombardement ist kein Kennzeichen akademischer Bildung. Ich halte es auch nicht für besonders guten Stil und überlese einen solchen Schlagabtausch geflissentlich, der ohnehin öfter in ein OT-Zwiegespräch abzudriften droht.
Man verfällt unheimlich schnell in eine Zitateschlacht. Man möchte halt möglichst in jedem Punkt seinen Standpunkt weiter verdeutlichen. In früheren Diskussionen artete das bisweilen arg aus, bis man irgendwann festgestellt hat, dass sich eigentlich alle anderen aus der Diskussion verabschiedet haben, sprich die Diskussion an sich getötet hat, auch wenn man eigentlich die Absicht hatte, eine engagierte Diskussion zu führen. Deswegen scheint es mir inzwischen klüger zu sein, bei einer aufkommenden Zitateschlacht zügig die Notbremse zu ziehen. das bedeutet nicht, dass Zitate zwingend schlecht sind, aber im Rudel sind sie halt eher kontraproduktiv. OT-Zwiegespräch trifft es mitunter ziemlich gut.
Ansonsten würde ich die Unterstellung einer hohen Akademikerdichte grundsätzlich als Kompliment verstehen, auch wenn es vielleicht nicht so gemeint war ;-)

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

Hier ein aktueller Artikel zum Thema (De)Eskalation in der Außenpolitik:
Angela Merkel: Mit eigenen Waffen

@sagista
Um auf deine Frage einzugehen: "Hat denn die türkische Seite adäquat auf die, rechtlich absolut nicht zu beanstandenen Handlung der niederländischen Seite reagiert?"

Nein, wie ich schon mehrmals schrieb, haben beide Seiten eskaliert.
Die niederländische Regierung hat auf deeskalierende Aktionen verzichtet. Und die türkische Regierung hat auch auf deeskalierende Reaktionen verzichtet.

In den Niederlanden ist die Wahl jetzt allerdings vorbei, so dass zu hoffen ist, dass die niederländische Regierung jetzt nicht weiter eskalieren will.
Und wenn in der Türkei die Wahlen vorbei sind, dann wird voraussichtlich auch dort die Eskalation aufhören.

Deine zweite Frage: "Welche Schritte haben die Türken zur Deeskalation unternommen?"
Antwort: Keine!
Gegenfrage: Welche Schritte haben die Niederländer (vor den Wahlen) zur Deeskalation unternommen?

Zur letzten Aussage: Die Erdogan-Türkei ist zwar kein Freund, aber sie ist dennoch ein verlässlicher Kollege. Ein ungehobelter, unfreundlicher Kollege, aber dennoch verlässlich.

@Herr der Welt
Du begründest lang und breit einen Standpunkt, über den es keinen Streit gab:

Ich hatte am 14.03. geschrieben:
Ja, es ist ein Unterschied, wer von beiden es sagt. Es ist aber kein Unterschied, ob es akzeptabel ist.
[...]
Dass es neben der Akzeptanz andere Unterschiede gibt, ist geschenkt.


Du musst also nicht lang und breit ausführen, warum es einen Unterschied macht, wer die Aussage tätigt. In diesem Punkt sind wir uns einig. Wo wir uns uneinig sind, ist die Frage, ob es vom Redner abhängt, ob die Aussage akzeptabel ist.

Zum Thema Auswirkungen:
Böhmermanns Rede hat dafür gesorgt, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Türkei sich verschlechtert haben.
Erdoğans Rede hat dafür gesorgt, dass die Beziehungen zwischen Türkei und Niederlande sich verschlechtert haben.
In diesen Punkt unterscheiden sich die Auswirkungen nicht wirklich.

Hinzu kommt: Böhmermanns Rede hatte als Auswirkung zusätzlich, dass ein Gesetz geändert/abgeschafft wurde.
Mal sehen, ob Erdoğans Rede das toppen kann und eine noch größere Auswirkung hat.

@Thargunitoth
Es gibt nicht den Türken. Ebensowenig, wie es den Deutschen gibt.
Etwa 55% der Türken stehen Erdoğan eher positiv gegenüber, während 45% ihn eher ablehnen. (Wenn man jetzt mal vereinfacht AKP-Wähler = Erdoğan-Fan annimmt, was so nicht 100% richtig ist.)

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Herr der Welt
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Herr der Welt »

@Eulenspiegel:
Worüber wird denn bitte sonst substantiell diskutiert?
Nein, eine falsche Aussage ich nicht annehmbar (akzeptabel), egal, wer sie äußert. Das stellt sicher keiner in Frage.

In der Frage, ob der türkische Präsident eine falsche Aussage treffen können sollte oder nicht, geht es doch allein um die Wirkung. Es wurde sogar öfter der Verglich zu Privatpersonen oder solchen, die die gleiche Aussage nicht im öffentlichen Raum tätigen, gezogen. Im weiteren Sinn kann man hier von Akzeptabilität sprechen. Und ich glaube, hier wurde aneinander vorbei geredet: Der eine spricht von der Akzeptanz des Aussagegehalts in Abhängigkeit vom Redner, der andere von der Akzeptabilität in Bezug auf die Äußerungssituation.
Signal war (u.a.), dass plötzlich mit "ad-hominem" argumentiert wurde, was bei letzterer Position keinen Sinn ergibt. Daher habe ich lang und breit ausgeführt, warum ihr euch nicht einig werden könnt - weil ihr über verschiedene Dinge redet. Im Zweifelsfall kann man ja einfach darauf verweisen, wenn wieder einmal Diskussionsinhalte in ähnlicher Weise verwechselt werden.
Böhmermanns Rede hat dafür gesorgt, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Türkei sich verschlechtert haben.
Erdoğans Rede hat dafür gesorgt, dass die Beziehungen zwischen Türkei und Niederlande sich verschlechtert haben.
In diesen Punkt unterscheiden sich die Auswirkungen nicht wirklich.

Hinzu kommt: Böhmermanns Rede hatte als Auswirkung zusätzlich, dass ein Gesetz geändert/abgeschafft wurde.
Mal sehen, ob Erdoğans Rede das toppen kann und eine noch größere Auswirkung hat.
Nur weil sich nach zwei Ereignissen die Beziehung zweier Länder verschlechtert haben (soweit jedenfalls die Behauptung; bei der Böhmermann-Affäre würde ich nicht einmal das sagen), heißt das nicht, dass das im jeweils gleichen Maße passiert ist.
Die Gesetzesänderung zeigt, dass ein ohnehin obsoletes Gesetz durch ein zufälliges Ereignis, das die Aufmerksamkeit darauf zu lenken vermag, beseitigt werden kann. Insofern haben die unabwägbaren Weiterungen von Böhmermanns Aussagen auch etwas Positives (das aber nur am Rande).
Man könnte sagen, dass auch ein Satiriker in einem Spartensender weitreichende Konsequenzen mit seinen Aussagen erzielen kann. Bei einem Staatspräsidenten ist das aber sehr viel wahrscheinlicher bzw. sind die Folgen meist weitreichender. Dass eher Erdogan zu faschistischen Methoden greift (sofern man den Begriff überhaupt für - im übertragenen Sinne - griffig genug hält), habe ich öfter in verschiedenen medialen Plattformen gehört oder gelesen. Ich habe aber nicht mitbekommen, dass das die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei belastet hätte (und ich mutmaße, das wäre auch dann nicht der Fall, wenn Böhmermann dergleichen sagen würde). Ich würde aber meinen, das wäre anders, würden sich Angela Merkel oder Joachim Gauck (oder ab morgen: Frank Walter Steinmeier) so äußern - und ganz anders, würden die anfangen öffentlich zu spekulieren, mit welchen Tieren Erdogan womöglich am liebsten kopuliert.

Eulenspiegel
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von Eulenspiegel »

Ich denke halt "Wahlkampf ist Wahlkampf" und "Nach der Wahl ist nach der Wahl".

Mit Sicherheit kann ich das natürlich nicht sagen. Aber ich vermute stark, nach dem Referendum in der Türkei werden sich die Beziehungen zwischen Niederlande und Türkei wieder normalisieren, egal wie das Referendum ausgeht.

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sagista
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Re: Wird sich am Verhältnis EU - Türkei etwas ändern?

Ungelesener Beitrag von sagista »

Ich nehme jetzt einmal als Fazit zur Kenntnis, da du dich in dieser Frage beharrlich weigerst, konkret zu antworten, dass deiner Meinung nach letztendlich beide Seiten, sowohl die Niederlande / Deutschland auf der einen als auch die Türkei auf der anderen Seite, in etwa einen gleichen Anteil an der Eskalation haben. Wahrscheinlich nervt es dich, dass ich in dieser Frage so insistiere, aber ich möchte dir erklären, warum ich diesen Part für so bedeutsam halte.

Ich denke, dass die Partei, die einen wesentlich höheren Anteil an der Eskalation hat - und das ist für mich ohne jeden Zweifel die Türkei - auch wesentlich mehr für eine Verständigung tun muss. Wie du treffend bemerkst, nach der Wahl ist nach der Wahl, d. h. man wird irgendwann wieder über eine Normalisierung sprechen müssen. Bislang kann ich nicht erkennen, dass der Hauptaggressor daran überhaupt interessiert ist.

Ich fände es ein fatales Zeichen, wenn man dann irgendwann, ohne Entschuldigung und Mäßigung der türkischen Seite zur Tagesordnung übergehen würde. Dazu wurde zuviel, vor allem von der türkischen Seite, diplomatisches Porzellan zertrümmert. Und ob die Türkei noch ein "verlässlicher Kollege" ist, wird wohl die Zukunft zeigen.

Du fragst, was die Niederlande zur Deeskalation beigetragen hat. Naja, in dieser Phase sind wir noch garnicht. Immerhin tut sie nichts, im Gegensatz zur Türkei, um weiter zu eskalieren. Aus Ankara kommen ja jeden Tag immer neue, immer irrwitzigere Tiraden. Auf der anderen Seite will die Türkei als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen und behandelt werden. In Ordnung, aber dann muss sie auch die Konsequenzen ihrer fortgesetzten und immer lächerlich werdener Provokationen tragen. Oder sich zumindest so verhalten, dass sie wieder ernstgenommen werden kann.

Erdogan das Köpfchen zu tätscheln, wenn er sich dann wieder beruhigt hat, ist das Gegenteil davon, ihn ernstzunehmen oder ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Ich denke, es geht in dieser Sache nicht anders, als ihn irgendwann zu Kreuze kriechen zu lassen mit einer kleinen Chance, das Gesicht zu wahren. Aber er muss lernen, dass es so nicht geht. Wie ich schon mal sagte, im Umgang mit Erdogan kann man von Putin einiges lernen.

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