Spielbericht aus Sicht eines Charakters

schokochen
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Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von schokochen »

Seid gegrüßt!

Hier kommt nun endlich auch der erste Teil unseres Spielberichts. Auch wenn er aus Sicht eines Charakters ist, so hat dieser Charakter die Drachenchronik zu großen Teilen bereits erlebt und folglich ist hier alles voller Meisterinformationen zur Drachenchronik und auch zu anderen von uns in diesem Rahmen gespielten Abenteuern (s.u.)!!!

Wir haben im Frühjahr 2009 (inneraventurisch im Rajah 1032) angefangen die Drachenchronik zu spielen und sind gerade mitten in Band 3 (Phex 1035). Wir treffen uns einmal die Woche abends für ein paar Stunden. Dabei waren wir meist sechs, immer aber zwischen fünf und sieben Spielern, wobei zwischendrin einige für ein paar Monate pausiert haben, einer seinen Charakter gewechselt hat, ein paar leider unsere Runde verlassen mussten und dafür andere dazu gekommen sind.

Die Helden unserer Drachenchronik:
  • - Nazir, ein Waldmensch und Feuerelementarist aus Drakonia (AP zu Beginn: ca. 5000, wurde schon in einigen Abenteuern gespielt)

    - Travian, ein Fernhändler aus Rommilys (AP zu Beginn: ca. 8000, wurde auch schon viel gespielt)

    - Gero, ein mittelreichischer Eisengießer und Streiter der Drachenqueste (AP zu Beginn: 2000, hat die als frisch erschaffener Pen&Paper-Held bekommen, da er die Drakensangereignisse sozusagen als digitaler Held bereits erlebt hat)

    - Fernandez, ein horasischer Schwertgeselle, der sich dem profanen Zweig der Drakoniter angeschlossen hat (AP zu Beginn: 200, hat ein Abenteuer erlebt)

    - Shabra, eine Kleineisenhändlerin aus Khunchom (AP zu Beginn: 200, hat die auch in ihrem ersten und bis dahin einzigen Abenteuer erlangt)

    - Anjun, ein Jäger aus den Sümpfen um Lowangen (AP zu Beginn: 500, hat ein oder zwei Abenteuer bestanden)

    - Kiain, ein badoc-Elf (AP zu Beginn: 0)

    - Januk, ein Nuanaä-Lie (AP zu Beginn: 1500, hat die Gruppe schon eine geraume Zeit als NSC begleitet, bevor er von einem DSA-unerfahrenen Spieler übernommen und regeltechisch mit eben jenen 1500 Start-AP erschaffen wurde)

    - Isindia, eine almadaner Geheimagentin (AP zu Beginn: 0)

    - Thoran, ein Langebogenschütze und ebenfalls Mitglied des profanen Zweiges der Drakoniter (AP zu Beginn: 0)

    - Heldar, ein dicker, mittelreichischer Druide (AP zu Beginn: 0)

Wer den Bericht liest wird feststellen, dass ich die Drachenchronik oft abgeändert habe, damit sie besser zu unserer Runde passt. Außerdem haben wir die Abenteuer nicht in vorgegebener Reihenfolge und mit allerlei Zwischenspielen gespielt. Einmal hat mich sogar, als ich ein paar Wochen nicht da war, einer der Spieler für ein Szenario als Meister vertreten. Es folgen die größten Änderungen und meine Abenteuerbewertung im Überblick.

Die Abenteuer unserer Drachenchronik:


Piratenblut aus Basargeschichten: ganz nett, aber nichts Besonderes
Ich habe mich eigentlich ziemlich genau ans Abenteuer gehalten. Nur das die Helden zusätzlich etwas Zeit hatten Khunchom, Personen aus Khunchem und die tulamidische Kultur ausführlich kennen zu lernen. Als die Helden die Drachenei-Akademie aufsuchen, habe ich schon einiges aus dem Anfang von "24 Stunden in Khunchom", z.B. dass Khadil unterwegs ist, und natürlich auch viel aus der Akademiebeschreibung in Drachenschatten eingebaut. Das Abenteuer war gut geeignet, um die Gruppe zusammen zu führen und kennen zu lernen. Und sie konnte schon einmal Kontakt zu Ruban Dhachmani knüpfen. Als Hintergrundgeschichte für Ruban, hatte ich mir überlegt, dass er nach dem Verschwinden des Roten Pfeils mit dem Humus-Schlüssel und damit dem Grund der Expedition wegen des Gezankes der beiden weiblichen Teilnehmer die Schlüsselexpedition noch im Dschungel verlässt. Er baut sich ein Floß und kommt über Flüsse schließlich zum Meer. Da er Aventurien schließlich aus dem Osten kommend erreicht, hat er keine Schwierigkeiten mit dem Efferdwall. Für die Geschichten, die ihm auf seiner Reise passieren, habe ich mich bei den Märchen aus 1001 Nacht bedient (Riesenvögel, Einsiedler, Schildkröten auf einsamen Inseln).

24 Stunden in Khunchom aus Band 1: ganz nett um die Dracheneiakademie kennen zu lernen
Da die Gruppe mir noch nicht gefestigt genug für eine gemeinsame Expedition schien, dieses Abenteuer nicht plotrelevant ist und ganz gut zu Piratenblut passt, habe ich es vorgezogen. Außerdem fehlte mir für zwei Helden, den Händler und damit auch seinen Söldner, noch die Beziehung zu Hilbert. Deshalb habe ich eine Nichte von Hilbert erdacht, die die Welt kennenlernen will und ihn deshalb nach Khunchom und später auch in die Wüste begleitet. Bei der Verfolgung der blonden Frau verfolgt der Händler aus Versehen diese Nichte und beginnt ein Techtelmechtel mit ihr. Wenn sie ihn dann später bittet, ihrem Onkel bei seiner Expedition zu helfen, kann er natürlich nicht nein sagen.

Im Sand verborgen aus Band 1: schönes Abenteuer, das sich allerdings an machen Stellen etwas zieht
Die Reise zur Oase Birsha haben wir sehr ausführlich gespielt. Ich habe allerlei Begegnungen mit Khoramsbestien und Sandlöwen, Sandstürme und Wasserknappheit eingebaut, da ein Spieler eigentlich seinen Charakter einen Heldentod sterben lassen wollte. Leider haben das seine Mitspieler verhindert. Also wurde er von Hasrabals Gefolgsleuten entführt, der sich das zumindest gegen Einflussmagie schwächste Gruppenmitglied ausgeguckt hat, um mehr über die Expedition zu erfahren. Das haben die Spieler aber nie heraus gefunden.
Bei den Verhandlungen in Birsha dann haben wir uns sehr eng am Abenteuer orientiert. Eines meiner größten Probleme war es, die Motivation meiner Helden aufrecht zu erhalten, die Birsha-Rolle durch Aventurien zu schleppen. Ich habe sie am Ende der Ausgrabung alle einen Schwur sprechen lassen und sie damit zum Wahrer von Pyrdacors Vermächtnis gemacht. Ihre Aufgabe ist es von da an, das Wissen der Rolle zu erlangen und zu beschützen. Sie entschieden sich jene zu diesem Zwecke nach Drakonia zu bringen. Das war schön, denn so konnte ich schon ein wenig von Falleanders Intrigen und auch den zurückgezogenen Charkater Eslams einführen.

Es kam aus der Wüste aus AB 142: gelungenes kleines Intermezzo
Damit die Reise nach Drakonia nicht zu ereignislos verläuft, haben wir dieses Abenteuer bei der Durchquerung des Bosquirtals gespielt. Außerdem habe ich natürlich die Reisebeschreibung aus "Drachenschwur", vor allem das verlassene Drachennest und das Tal der Träume stimmig eingesetzt.

Aus Hass geboren aus Band 1:
naja, sehr kampflastiges teils überfrachtetes Abenteuer
Die Helden laden Llezean von Vallusa zu Eslams und Hilberts Unterstützung bei der Übersetzung nach Drakonia ein. Als klar wird, dass keiner der Drei etwas ausrichten kann, folgen die Helden Llezeans Einladung, um die Rolle zu Apep zu bringen. Hilbert verbleibt auf Drakonia, seine Nichte reist nach Hause.
Der Dschinn der Nacht weilte in der Wüste, um Informationen zum Tor der Welten weiter zu geben. Dort erfährt er von Pargonus nach dessen Scheitern von der Rolle und versucht diese für Pardona zu gewinnen ohne ihr von dieser Eigenmächtigkeit zu erzählen. Nachdem er auf dem Meer aber erfolglos war, wendet er sich wieder seiner eigentlichen aktuellen Aufgabe zu: Der Gewinnung Lessankans für Pardonas Pläne. Durche einen Zufall erfährt er, dass die Helden in seiner Nähe sind und versucht sie zu boykottieren. Als er hört, dass sie Dracodan suchen, entführt er ihn kurzer Hand, um nach seinen Verhandlungen mit Lessankan die Helden erpressen zu können.
Apep, der ja seinen Dunkelelfen-Boten gefressen hat, schenkt der Gruppe eine große Menge Endurium aus dessen Rüstung. Ich fand nämlich es war an der Zeit aus den Charakteren mal Helden mit anständigen Waffen und Artefakten zu machen.

Feuerbündnis aus Band 3: sehr kurzweiliges und schönes Abenteuer
Seit der Erkenntnis, dass der Dschinn der Nacht ein Dunkelelf ist, bei dem Kultistenangriff kurz vor Apaps Hort errieten die Helden, dass Pardona ihre Gegenspielerin wird. Um aber deren Motivation und genaueres über eventuelle weitere Gegner noch etwas im Verborgenen zu halten, habe ich "Feuerbündnis" vorgezogen. Apep schickt die Helden von seinem Hort aus direkt zu seinem Bruder, um diesen vor einem falschen Bündnis zu bewahren. Schön war das Setting, dass dem Feuerelementaristen und Dracodan (der wurde für dieses Abenteuer von einem Spieler gespielt) die Möglichkeit gab zu glänzen. Außerdem konnte sich ein Held eine Endurium-Waffe von dem Zyklop schmieden lassen. Die beiden anderen Kämpfer haben sich ihre Endurium-Waffen auf dem Weg in den Raschtullswall in Gareth und Rommylis machen lassen. Nijar überlebte bei uns das Abenteuer nicht.

Selbsterdachtes Szenario um Warunk: inspiriert von "Posaunenhall" und dem letzten Legionär aus AB 149
Hier wollte ich wieder einmal die Reise diesmal nach Festum etwas interessanter gestalten. Zumal klar war, dass meine Helden nicht mehr in dem vorgesehenen Sommer ins eherne Schwert kommen und in Festum überwintern müssen.

Bis ans Ende aus Band 2:
sehr gelungenes Abenteuer vielleicht das beste der Drachenchronik
Januk führt die Helden nicht nur ins eherne Schwert, sondern begleitet sie auch auf ihre folgenden Abenteuer.

Vermächtnis im Mondschein aus Band 2: kann mit etwas Arbeit zu einem netten Abenteuer gemacht werden
Ich habe den Nekromantenrat aus dem Abenteuer heraus gekürzt und die Rolle der Zwerge minimiert. Nachdem die Helden nach Strocks Gedankensturm zusammenbrechen, liest Pardona die Gedanken eines Helden. Dabei erfährt sie von der Birsha-Rolle und überfällt im Folgenden Apep, um an die Rolle zu gelangen. Das erfahren die Helden, wenn sie auf Drakonia sind.
Außerdem war Burian in unserem Aventurien kein Forscher in Nöten oder Gefangenschaft. Vielmehr habe ich ihn zu einem Hesindegeweihten aus Punin gemacht, der über seine Erkenntnisse zu den Zeitaltern zu einem Drachenkultisten geworden war. Er glaubte, dass nur Pyrdacor Dere vor dem Namenlosen bewahren kann. Er hat meiner Runde verdeutlicht, wie leicht man vom rechten Pfad abkommen kann. Außerdemm haben Andeutungen über seine Arbeit für den Drachenrufer die Helden zum ersten Mal auf die Idee gebracht, dass sie noch mindestens eine weitere Opposition haben. Und die Gruppe wendet sich von Traschmalgor aus Richtung Punin, um Burian der Hesindekirche dort zu übergeben. So stolpern sie in Then in das nächste Abenteuer.

Erben des Zorns: auch wenn die Gegenseite nicht immer logisch agiert, ein schönes Ambiente-Abenteuer für Almada
Auch hier musste ich natürlich etwas Arbeit rein stecken, damit das Abenteuer für uns in der richtigen Zeit spielt. Zum Beispiel habe ich den reisenden Kaiserhof nach Cumrath gelegt. Dort treffend die Helden sich mit der Kaiserin, Rafik und Alrik von Blautann an Stelle von Leomar. Die Motivation der Novadis habe ich gelassen, wie sie war. Yalstene ist nach ihrem verlorenen Kampf um den Umbilicus gegen Pardona zurück aus Zze Tha. Anstatt sich auf die Suche nach einem anderen Ritulfokus zur Beschwörung des Weltengesetzes zu machen, versucht sie zunächst die Essenz Pyrdacors zu sammeln, oder das, was sie für die Essenz hält: die Erben des Zorns. Dabei gerät sie am Ende des Abenteuers in Pyrdacors Palast mit den Helden aneinander. Während dieser Auseinandersetzung taucht Pardona aus einem Limbustor auf und sie und Yalstene stürzen mit dem Humusdrachen in den Limbus. Tatsächlich setzt sich auch hier Pardona durch und bekommt den Humusdrache als Körper für ihre Bemühungen Pydacor zurück zu rufen. Yalstene macht die Helden für ihr Scheitern verantwortlich und da sie das Zeichen Drakonias bei dem Feuerelementaristen erkannt hat, schickt sie Gorodez als ihr Werkzeug nach Drakonia. Dass Gorodez vortäuscht dort nach dem Ei des Erzes zu suchen, passt wunderbar.
Außerdem gibt es Japhgur nicht mehr, den hat der Sreiter der Drachenqueste schließlich bereits getötet. Statt dessen bekommt unser Elementarist Visionen, die ihn dazu veranlassen Dschinne zu rufen und zu binden, damit die Helden die Möglichkeit einer Luftverfolgung haben.

Elementare Vergeltung aus Drachenodem:
gelungenes Abenteuer, vor allem, wenn man es mit Erben des Zorns direkt kombiniert
Ich glaube meine Spieler haben nicht gemerkt, dass "Elementare Vergeltung" ein eigenständiges Abenteuer ist. Ich musste natürlich die Auftraggeber ändern. Als Auftraggeber hat hier die Kaiserin bzw. in ihrem Namen Rafik fungiert. Mit dem Kaiserhof in Cumrath, zu dem die Helden zurückkehren, um von ihren Erlebnissen aus "Erben des Zorns" zu berichten, bot sich die Möglichkeit nahtlos an dieses Abenteuer anzuschließen.

Im Drachenhort aus Drachenodem: kurzweiliges Intermezzo, das den Umgang mit Drachen nochmal etwas anders beleuchtet
Die Helden haben in den Abenteuern davor das Luft-Ei geborgen. Zur sicheren Verwahrung wollten sie es Shafir bringen. Außerdem wollen sie ihn auch vor Pardona und ihren Plänen warnen. Da lag es nahe, dieses Abenteuer als kleines Intermezzo einzuschieben.

Hort der Erinnerung aus Band 3: ein schönes Setting, aber etwas unausgegoren in der Motivation der Meisterpersonen
Hier musste ich einiges ändern, da wir ja einen Magier aus Drakonia in der Gruppe haben. Besonders schwierig war es, zu argumentieren, warum all die meisterlichen Elementaristen (z.B. die Großmeister) sich nicht selbst um ihre Probleme kümmern, sondern das den Helden überlassen. Während sie sich sehr aktiv um die Aufklärung von Eslams Mord bemüht haben, wollten sie die Bundhalle mit ihren Prüfungen und Gefahren nicht betreten. Ansonsten habe ich mich aber an die Ereignissen des Abenteuers gehalten.

Flammen über dem Finsterkamm aus Band 3 gemixt mit Der Wurm von Windhag aus Drachenodem:
eigentlich nur eine vage Szenarioidee
Wie im Szenario vorgeschlagen habe ich die Szenarien "Drachenwacht", "Drachenopfer" und "Drachenhatz" aus "Der Wurm von Windhag" so umgebaut, dass sie im Finsterkamm spielen. Daraus ergab sich ein stimmiges Abenteuer. Allerdings waren meine Spieler sehr frustriert, als sie Feracinor nicht töten konnten. Die Helden erfahren hier, dass ihre Gegenseite Monate vor ihnen bereits versucht hat, Feracinor (erfolglos) auf ihre Seite zu ziehen.

Totenlichter aus dem Aventurischen Jahrbuch 1035: haben wir gerade erst begonnen
Da während "Erben des Zorns" und "Im Drachenhort" drei Startcharaktere hinzu gekommen sind, wollte ich die Möglichkeit geben noch ein paar APs zu sammeln bevor es unweierlich ins Finale geht. Außerdem haben meine Helden auf Drakonia Hinweise zu den Waffen Drakundas und Knardukas gefunden. Deswegen wollten sie bevor sie nach Yiyimris gehen nach Warunk, um dort Nachforschungen zu diesen Waffen anzustellen. Dabei werden sie zumindest teilweise Erfolg haben und damit es nicht nur Nachforschungen werden, sondern auch ein bisschen was passiert, spielen wir eben Totenlichter.

Ins Nest der Feinde aus Band 3: haben wir noch nicht gespielt

Drachendämmerung aus Band 4: haben wir auch noch nicht gespielt


So nun aber genug der Outgame-Rede und "zurück zur Realität" :lol:. Lasst euch von Nazir in unser Aventurien entführen:

Rakkdan
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Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

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Die Ereignisse um die Drachenchronik


Ein Bericht von

Nazir Ibn Hariq,
dem schattenlosen feurigen Tod, Retter von Fasar, ordnende Flamme von Llanka, Erneuerer der jenseitigen Harmonie der Elemente, Bezwinger von Adhrak al-Wirahil, Bewahrer von Pyrdacors Vermächtnis, Gesandter Fuldigors, Hofmagus des Blauen Palastes, Mitglied des Ewigen Konzils der Elementaren Gewalten im Raschtulswall, Magister viatoris Drakoniensis

Rakkdan
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Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

I. Prolog
Lange Zeit hatte ich mit dem Schicksal gehadert. Meine Freunde in der Hand des Feindes zu wissen, erfüllte mich mit Zorn. Ich brannte darauf wieder los zu ziehen, um sie zu befreien. Doch vergeblich bat ich den Rat der Großmeister um Erlaubnis. In jener Nacht aber, als ich mich mit dem Entschluss gegen den Willen des Rates am nächsten Morgen aufzubrechen, zur Ruhe begab, erschien mir meine geliebte Belima im Traum.
Schöner als die über dem Perlenmeer aufgehende Praiosscheibe war sie der Stern meines Lebens geworden. Auch wenn mich viele Meilen von der Wesirin von Llanka trennten, so waren wir im Traum doch oft vereint. Selbst in leidenschaftlichen Stunden mit der feurigen Sarlinya konnte ich meine Belima niemals vergessen. Sie war mein Herz und meine Seele, mein Licht in der Dunkelheit, das Feuer meines Lebens. Doch selbst zwei vom Schicksal verschmolzene Seelen brauchen ein Medium, um sich auf großer Distanz nicht zu verlieren. Daher hatte ich einst in Elburum, der weißen Stadt, zwei Ringe erworben. Nicht irgendwelche Ringe, nein, Zauberringe, die es den Trägern ermöglichen im Traum des jeweils anderen zu erscheinen. Einen dieser Ringe schenkte ich Belima. Der andere sollte nie wieder meinen Finger verlassen.
In jener besagten Nacht brachte das Licht meines Herzens mir freudige Kunde. Meinen Freunden und Gefährten war es gelungen zu entkommen und ihre Unschuld zu beweisen. Ich fühlte, wie das Gewicht des gesamten Raschtulswalles von meiner Seele abfiel und dankte den Sechsen wie auch den Zwölfen für ihre Gunst und Gnade.
Doch lange währte meine Freude nicht, ehe sie sich in Trauer und Verzweiflung wandelte. Denn wenige Wochen später erfuhr ich auf gleichem Wege vom Tode meines guten Freundes Xornimosch, Sohn des Xornigram. Er hatte sich heldenhaft geopfert, um die Beschwörung eines mächtigen Dämonen zu vereiteln. Möge Menacor ihn sicher in eines der zwölfgöttlichen Paradiese geleitet haben und Farmelor nun über seinen Frieden wachen!
Während unserer gemeinsamen Zeit in Fasar und Llanka war mir der mächtige Geode sehr ans Herz gewachsen. Er war mehr als nur ein einfacher Gefährte, er war ein wahrer Freund. Doch als Freund hatte ich versagt. Mein Platz hätte an seiner Seite sein sollen. Aber der Rat der Großmeister ließ mich nicht ziehen, für zu viel Unruhe hätte ich in letzter Zeit gesorgt. Voller Kummer versenkte ich mich in tiefe Meditation. Tagelang verließ ich nicht den Tempel des Feuers, bis meine innere Glut wieder zu lodern begann.
Mir wurde bewusst, dass ich Xornimosch mehr ehrte, würde ich meine Trauer überwinden. Es galt sich nun mit Leib und Seele einer ganzen Reihe an Übungen und Studien zu verschreiben, um die Fähigkeiten zu erlangen, irgendwann in seine Fußstapfen treten zu können.
Zwei Götterläufe zogen auf diese Weise ins Land bis die Nachricht Drakonia erreichte, Ruban Dhachmani, der Rieslandfahrer, sei nach Khunchom zurückgekehrt. Nun gelang es den Großmeistern nicht mehr mein Feuer im Zaum zu halten. Ich musste unbedingt nach Khunchom, der Perle am Mhanadi, reisen, um mit Ruban zu sprechen.
Es war über zehn Götterläufe her, dass der Großmeister des Feuers, Pyriander di Ariachos, mein Lehrer, Retter und Ziehvater, aufgebrochen war, um die Schlüssel der elementaren Zitadellen zu finden. Ruban war damals einer seiner Gefährten und galt bis zu jenem Zeitpunkt ebenfalls als verschollen. Ich hoffte so sehr, er könnte mir etwas über den Verbleib Pyrianders berichten.
Also verließ ich die heiligen Hallen Drakonias gen Khunchom, ohne zu ahnen, dass ich in etwas hineinschlittern sollte, was selbst meine kühnste Träume übertraf.

Rakkdan
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Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

II. Khunchom – Die niemals Schlafende
Es war an einem heißen Sommertag im Rahja 1032 BF als mich der Luftdschinn wenige Meilen vor den Toren Khunchoms absetzte. Die Reise war schnell und angenehm gewesen. Mein Herz klopfte mir nun vor Aufregung wild in der Brust. Ich umgriff meinen Stab fester, bedankte mich bei dem Dschinn und entließ ihn aus seinem Dienst. Eiligen Schrittes näherte ich mich der Metropole. Es sollte das erste Mal sein, dass ich die niemals Schlafende betrat. Meine Neugier auf die Drachenei-Akademie wurde nur noch von der Hoffnung übertroffen, endlich etwas über Pyriander zu erfahren.
Als ich die weiße Stadtmauer mit ihren vielen Türmen vor mir aufragen sah, verharrte ich kurz. Im riesigen Delta des altehrwürdigen Mhanadi lag die Stadt, von zweien der neun Hauptarme durchschnitten, umgeben von Wäldern aus Mangroven und Sumpfzypresse, blühenden Lotusseen und tödlichem Morast. Im Sonnenlicht leuchtete ihr Mauerring wie Elfenbein und so manche goldene Kuppel glänzte wie die Praiosscheibe selbst.
Die Perle am Mhanadi erreichte bei weitem nicht die Ausmaße von Fasar, der Mutter aller Städte. Doch stand Khunchom diesem Moloch, in dem ich meine frühe Kindheit verbrachte, bezüglich des Lärms und des Gedränges auf den Straßen in Nichts nach. Ich betrat die Metropole durch das beeindruckende Anchopaler Tor. Die Wachen dort, geziert mit dem Wappen der Stadt, zwei gekreuzte blaue Krummsäbel auf silbernem Grund, beschrieben mir den Weg zur Drachenei-Akademie: „Folgt einfach der Fürst-Istav-Allee, wohlgelehrter Herr. Wenn ihr dann die zweite Brücke über den Grünen Mhanadi nehmt, könnt ihr die prachtvolle Akademie gar nicht übersehen.“
Ein Empfehlungsschreiben, das mir der Großmeisterrat mitgegeben hatte, sollte mir eine Unterkunft auf dem Akademiegelände bescheren. Die uralte und berühmte Lehranstalt für Artefaktmagie und Alchemie hörte eigentlich auf den klangvollen Namen 'Magisches Institut und Lehranstalt vom Ei des Drachen zu Yash'Hualay, wiedererrichtet von Tuleyman ibn Dunchaban zur Erforschung von Magie und Materie und zum immerwährenden Schutz des Tulamidenlandes im Geiste Bastrabuns'. Da dieser Name jedoch für den täglichen Gebrauch ein klein wenig zu lang erscheint, wird sie im Volksmund kurz als die Drachenei-Akademie bezeichnet. Doch noch bevor ich mich bis zu dieser durchkämpfen konnte, nahm das Schicksal bereits seinen Lauf.

A) Der 'Schwarze Khunchomer'
Nur langsam ging es auf der Fürst-Istav-Allee voran. Überall hatten Händler ihr Stände aufgebaut. Gaukler und Fakire zeigten ihre Kunst und große Menschentrauben hatten sich gebildet, um den Märchen der Haimamudim zu lauschen. Es roch nach Räucherwerk, Früchten und dem Rauch der Wasserpfeifen. Am Ufer des Grünen Mhanadi war ein Hausboot neben dem anderen befestigt und so erstreckte sich das bunte Treiben bis weit auf den mächtigen Strom. Nach zwei Jahren auf Drakonia war ich die Lautstärke und das Leben einer tulamidischen Großstadt nicht mehr gewöhnt. Dankbar nahm ich daher die Einladung eines wohlbeleibten und in prunkvolle, bunte Gewänder gehüllten Tulamiden namens Hamar ibn Habled an. Dieser hatte mir vorgeschlagen das Haus Kulibin, aus dem die fürstliche Familie entstammte und das nun das Museum der Stadt war, zu besuchen.
Die Stille in dem alten Gemäuer tat gut, zumal es zunächst so schien, als ob ich der einzige Besucher wäre. Neben Hamar war nur noch eine Dame anwesend, die an einer Vitrine das Schloss und die Scharniere wechselte. Die Tulamidin war vermutlich Mitte dreißig und trug ein einfaches, schlichtes Kleid, dass mehr praktischen denn modischen Geschichtspunkten entsprach. Goldglänzend setzten sich ihre Ohrringe vom dunklen Haar ab. Dies und ein schmucker Armreif verrieten, dass diese einfache Frau bereits besser Tage gesehen hatte.
Hamar erzählte mir die Geschichte der Familie Kulibin und zeigte mir die Unabhängigkeitserklärung Khunchoms. Als wir uns einem besonderen Stück in der Ausstellung, dem sogenannten 'Schwarzen Khunchomer', näherten, erblickte ich eine weitere Person. Eine hübsche, junge Frau mit feuerrotem, langem Haar und sonnengebräunter Haut in kostbare tulamidische Seidengewänder gehüllt. Sie stellte sich als Harira saba Ruchan vor und bat dem Vortrag über dieses legendäre Exponat lauschen zu dürfen. Geschmeichelt willigte Hamar ein und begann mit einer Warnung:
„Hier, Freunde des Wissens, seht ihr vermutlich das wertvollste und mit Sichtheit gefährlichste Stück der ganzen Sammlung. Nein! Berührt die Vitrine ja nicht! Ein mächtiger und weiser Magus der Drachenei-Akademie hat sie mit seiner unermesslichen Kraft gesichert. Nun schaut mich nicht so zweifelnd an, habt ihr denn noch nie etwas vom verfluchten 'Schwarzen Khunchomer' gehört? Seht doch nur seine pechschwarze Klinge, und die blutroten Rubine am Knauf und am Parier. Ich würde mein Leben darauf verwetten, dass die wenigen Diamanten, die man noch sieht auch zu Rubinen werden, wenn die Klinge wieder Blut trinkt.
Einst gehörte die Waffe dem berüchtigten Piraten Adhrak al-Wirahil. Vor über hundert Götterläufen war Adhrak der Schrecken des Perlenmeeres gewesen. Seine Gnadenlosigkeit ist berühmt und ich kenne keine Geschichte, in der er Überlebende zurückgelassen hätte, wenn er ein Schiff kaperte. Man sagt, seine Gestalt an sich sei so Furcht einflößend gewesen, dass so mancher wackere Seemann bereits bei seinem bloßen Anblick in Borons Hallen floh. Stets trug er Gewänder aus roter Seide, schwang diesen schwarzen Khunchomer und sein langes, wildes Haar peitschte ihm um sein grässliches Gesicht. Aber das Schlimmste, lasst euch das gesagt sein ihr Söhne des Unglaubens, das Schlimmste waren seine Augen. Denn nichts als tiefe, schwarze Löcher hatte er in seinem Schädel. Man munkelt er hätte seine Augen dem Namenlosen als Gegenleistung für diese Waffe dort geopfert. Doch stellt euch vor, dieser Fürst der Piraten soll auch unverwundbar gewesen sein! Ihr könnt mir glauben, noch immer zucken tapfere Seemänner zusammen, wenn sie den Namen Adhrak al-Wirahil hören.“
Schweigen machte sich im Raum breit und wir betrachten ehrfurchtsvoll die mysteriöse Waffe. Doch plötzlich ergriff Harira das Wort: „Wenn Adhrak aber doch unverwundbar war, wie kommt es dann, dass diese Waffe nun hier ist?“
„Oh, du Tochter der Unwissenheit,“ fuhr Hamar in seinem Monolog fort, „die heldenhafte Kommandantin der Flotte Khunchoms, Jette Sulderkam, stellte dem Schrecklichen einst eine geniale Falle. Allerdings gelang es weder ihr noch ihren Leuten den unverwundbaren Adhrak nachhaltig zu verletzen. Doch durch einen Wink der Götter erkannte die fromme Jette, dass ihr unheiliger Widersacher seine Macht von diesem verdammten Khunchomer erhielt. Mit einem einzigen, mächtigen Hieb trennte sie Adhraks Schwerthand vom Arm. Klirrend fiel der 'Schwarze Khunchomer' zu Boden und die Macht des Unholds war gebrochen. Vor Zorn schreiend ergriff Adhrak mit seiner Linken den Hals der tapferen Kommandantin. Er drückte ihr die Kehle zu, bis alles Leben aus ihr gewichen war. Dann schleuderte er die Tote auf ihre vor Schreck erstarrten Kameraden, floh mit seinen Mannen und wurde nie wieder gesehen. Der Khunchomer aber wurde unserem Fürsten geschenkt und dieser besaß die Gnade, ihn unserem bescheidenen Museum zu überlassen.“

Sobald die Führung beendet war, verabschiedet ich mich von Hamar und Harira. Nach dieser erholsamen Abwechslung schob ich meinen Leib wieder in das Gedränge der Fürst-Istav-Allee. Da ich nicht gerade der Größte bin, sah ich die zweite Brücke über den Grünen Mhanadi erst, als der Menschenstrom sich vor mir teilte. Jenseits der Brücke konnte ich bereits die Türme der Drachenei-Akademie erblicken. Ich zwängte mich nun etwas energischer voran und stand wenige Minuten später vor dem Gästeportal der Akademie. Der Kor-Orden der Ritter des immerwährenden Kampfes bewacht diese Hallen des Wissen und der Gelehrsamkeit. Ihr brutaler Anblick ließ mich schaudern und nur zögerlich verlangte ich Einlass. Aber Dank des Empfehlungsschreibens bat mich einer der Akadmiediener freundlich herein.
Schneller als mir lieb war lernte ich den putzwütigen Dschinn Nasieh kennen, der die Eingangshalle bewohnt und großen Wert darauf legt, dass man die Schuhe auszieht und die Füße wäscht. Die Nummer des Zimmers, in dem ich unterkommen sollte, errechnete der Zahlenmystiker Magister Polter Babek an Hand von Geburtsjahr, Größe und Gewicht. Von ihm erfuhr ich auch, dass ihre Spektabilität Khadil Okharim al'Sheik Tabilithash ibn Tarsaf Okharim al'Kunvuqatush gegenwärtig an Bord des Zauberschiffes des Akademie, der legendären Sulman al'Nassori, weilte und in absehbarer Zeit nicht zurück erwartet wurde.
Über diese Enttäuschung, immerhin ist Khadil der fähigste Thaumaturg des gesamten Kontinents, tröstete mich jedoch der Umstand hinweg, dass ich nicht der einzige Gast der Akademie war. Auch der berühmte Erzmagier Rakorium Muntagonus war vor kurzem gemeinsam mit dem ehrenwerten Streiter der Drachenqueste, Gero Korninger, aus dem weit entfernten Ferdok eingetroffen. Rakorium war ein großgewachsener, freundlicher aber auch sehr alter Magier mit einem langen weißen Bart, breitrandigen grauen Spitzhut und grauer Robe, bestickt mit vielen arkanen Symbolen. Einst war er die Spektabilität der Halle des Quecksilbers zu Festum. Auch heute noch, im hohen Alter, gilt er als der Experte auf dem Gebiet der Echsenforschung, schließlich war er auch lange Zeit der Hüter des Codex Sauris gewesen, eines uralten Werkes über Echsen und ihre Magie. Doch bedauerlicherweise schien er zu tief in die Mysterien dieser Wesen eingedrungen zu sein, denn überall sah er nun eine echsische Bedrohung. Sein Geist, zeitweise noch immer brillant, wurde zunehmend häufiger wirr. Die Anwesenheit dieser Koryphäe in Khunchom war nicht überraschend, war die Stadt doch auf den Ruinen von Yash'Hualay errichtet worden, einer uralten echsischen Metropole, so dass es mehr als genug Forschungsmaterial für ihn dort gab. Auch kursierte das Gerüchte, das warme Khunchom würde Rakorium mehr zusagen als das kalte Festum.
Über den Streiter der Drachenqueste wusste ich nur wenig. Ich hatte lediglich gehört, dass ein Orakel im Ferdoker Hesindetempel einen jungen Helden mit ehrenvollen Aufgaben betraut hatte, die dieser wohl mit Bravour erfüllt hatte. Die Erfahrung zahlreicher Kämpfe stand ihm ins Gesicht geschrieben. Hautfarbe, Gesichtszüge und Kleidung ließen ihn sofort als einen Mittelreicher erkennen. Ein Hammer und eine Axt hingen an seinem Gürtel und die muskulösen Arme verrieten, dass er sie schwungvoll zu führen wusste. Er hatte auf Bitten Rakoriums Ferdok mit diesem verlassen, um sich hier mit dessen Meisterschüler Hilbert von Puspereiken zu treffen. Allerdings war dieser Herr noch nicht eingetroffen und Gero nutzte die Zeit mit mir gemeinsam die hiesige Akademie kennenzulernen.
Am nächsten Morgen wurden Gero und ich gerade durch die Akademie geführt, als ein Bote für mich eintraf. Der junge Mann flüsterte in unterwürfigem Ton: „Wohlgelehrter Herr, so hört mich an, ich komme im Auftrag des ehrenwerten Palastwesirs von Khunchom, Khorim ibn Tulachim. Leider muss ich euch bitten, dass ihr euch zum Hause Kulibin begebt. Ihr müsst wissen, dort wurde vergangene Nacht eingebrochen und ihr wart einer der Letzten am Tatort. Aber keine Sorge, selbstverständlich seid ihr über jeden Zweifel erhaben. Doch bitte beeilt euch! Vielleicht könnt ihr bei der Aufklärung des schrecklichen Verbrechens durch eure Aussage helfen. Stellt euch nur einmal vor, was passieren würde, wenn man in Zorgan erführe, dass uns die Unabhängigkeitserklärung abhanden gekommen ist. Bitte wohlgelehrter Herr helft uns diese, den 'Schwarzen Khunchomer' und weitere Dokumente wiederzuerlangen.“
Ich versicherte dem Boten, dass ich sogleich aufbrechen würde, woraufhin dieser sich zurückzog. Gero aber, der ein Abenteuer witterte, entschied sich mich zu begleiten.

Als wir das Haus Kulibin erreichten, sahen wir die Dame, welche am Vortag die Vitrine repariert hatte. Sie flehte Passanten an, ihr zu helfen. Wie wir erfuhren, sah sie sich gezwungen ihre Unschuld beweisen zu müssen. Denn der nette Führer vom Vortag, der sich als der Bewahrer der Geschichte Khunchoms entpuppte, machte sie für den Diebstahl verantwortlich. Allerdings räumte er ihr die Chance ein, das Verbrechen aufzuklären. Er konnte ihre Schuld schließlich nicht beweisen. Der Palastwesir aber verlangte von ihm einen Schuldigen und Hamar war bereit die verzweifelte Dame zu opfern.
Obwohl der gebotene Lohn eher lächerlich war, sagten wir ihr unsere Hilfe zu. Sie war eine ortsansässige Witwe, die als Kleineisenhändlerin versuchte über die Runden zu kommen. Ihr Name war Shabra al'Shabra saba Alrik al Fessir und erst jetzt bemerkte ich ihre, in diesen Landen seltenen, grünen Augen.
Ebenfalls seine Hilfe zugesagt hatte der Tuchhändler Travian Phexgrimm ben Parinor ibn Roban Dergelbogen, Durchquerer der Weißen Ebene, Wanderer auf dem Pfad des Odun, Befreier von Fairngard, Protektor der Reliquien der Hl. Griniguldis, Feind der Walschlächter und Mitglied der Sturmkinder-Otta. Er war aus geschäftlichen Gründen nach Khunchom gereist, doch neben Wohlstand war ihm auch Abenteuerlust ins Gesicht geschrieben. Gekleidet war er nach gehobener tulamidischer Sitte, obwohl die helle Haut des makellosen Gesichts sowie die blonden kurzen Haare auf mittelreichische Wurzeln des ungefähr Dreißigjährigen schließen ließen. Seine ebenfalls grünen Augen schweiften mit scharfen, abschätzendem Blick durch die Runde und ich wurde das Gefühl nicht los, dass diese Augen schon so manches Grauen erblickt hatten. Auch die mächtige und in diesen Breiten eher seltene Axt an seinem Gürtel hinterließ den Eindruck mehr als nur Zierde zu sein.
Dennoch hatte der Händler einen Söldling in seinen Diensten, den jungen Anjun Lowanger. Dieser trug Hemd und Hose aus ungefärbten, stabilen Leinentuch. Neben Pfeil und Bogen führte er auch ein Kurzschwert mit sich. Er sprach nicht viel und wirkte in Mitten einer tulamidischen Großstadt ein wenig deplatziert. Mögen die Götter wissen, was den nordländischen Mann mit den dunklenbraunen Haaren, dem Dreitagebart, der wettergegerbten Haut und den strahlenden blauen Augen veranlasst hatte, einen Händler soweit in den Süden zu begleiten. Ich konnte mich nicht des Eindrucks erwehren, er wolle so schnell wie möglich die Tulamidenlande oder wenigstens diese Stadt wieder verlassen.
In fremdländischen, jedoch sehr feinen Gewändern hingegen stand ein weiterer Mann bereit zu helfen. Er stellte sich als Fernandez Bernardo Garon von Thalidhon, Sohn des Barons von Thalidhon, Schüler des Fedorino, gewandte Klinge der Draconiter vor. Seine grüne Tracht mit ihren gelben Borten und Stickereien kannte ich von einem Forschungsaufenthalt in Kuslik. Er gehörte zum Sacer Ordo Draconis und weilte wegen einer Ordensmission in Khunchom, die jedoch erst in einigen Tagen beginnen sollte. Sein schlanker, fast hagerer Körper zeigte jene Anspannung und Eleganz, wie man sie bei Großkatzen vorfindet. Soviel wurde mir bewusst: Dieser Mann mit dem leicht gewellten schulterlangem Haar, dem gepflegten Schnauz- und Kinnbart, den dunkelbraunen Augen und der erschreckend hellen Haut war ein gefährlicher Kämpfer. Er trug nur leichte Waffen, doch ich war mir sicher, dass er mit ihnen schnell und tödlich sein würde. Als Draconiter war er zudem ein Mann des Geistes, Hesinde und Naclador verschrieben.

Gemeinsam betraten wir das Haus Kulibin und untersuchten den Tatort. Dort entdeckten wir ein magisches Amulett zwischen den Trümmern eines Schaukastens, der noch am Vortag Seekarten enthalten hatte. Zusätzlich zum Khunchomer hatte der Dieb die gesamte, Rückwand der Vitrine herausgebrochen und mitgenommen. Hamar machte eindrucksvoll klar, von welch hoher Bedeutung die Unabhängigkeitserklärung für die Stadt wäre und dass die Wiederbeschaffung dieser höchste Priorität hätte. Mit unserer einzigen Spur, dem magischen Amulett, kehrten wir zur Akademie zurück. Das Schmuckstück gehörte jenem Adepten, der mit der magischen Sicherung des Khunchomers beauftragt gewesen war. Peinlich berührt gestand er, am gestrigen Abend von einer rothaarigen Schönheit verführt worden zu sein. Er hatte vor ihr geprahlt, auf welche Weise er den Khunchomer gesichert hätte: „Zwei Canti habe ich gewirkt, so werter Collega, erzählte ich Unglücklicher ihr. Einen 'Paralysis starr wie Stein' um potentielle Diebe festzusetzen bis die Wache vor Ort ist und einen 'Objectofixo', der die Waffe mit der Vitrinenwand verband. Mein Amulett aber sollte mich Tor davor beschützen bei Wartungsarbeiten selbst zu erstarren und war mit einem speziellen 'Gardianum' belegt. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie es dieser wundervollen, liebenswerten Frau, die in meinen Armen einschlief, gelungen sein soll, mir das Amulett vom Halse zu rauben.“
Dass es sich bei der Diebin um Harira handeln könnte, war naheliegend. Also zogen wir los, in den Straßen und Tavernen der niemals schlafenden Stadt nach ihr zu suchen. Wie unsere Nachforschungen im 'Tanzenden Marder' – oder war es doch die 'Tanzende Mada' – ergaben, hatte sie allerdings die Stadt bereits auf einem Flusskahn hinein in den gefährlichen, sumpfigen Urwald des Mhanadi-Deltas verlassen.
Am Abend dieses ereignisreichen Tages gewährte uns dann Ruban Dhachmani, auf meine Bitte hin, seine großzügige Gastfreundschaft. Die Dhachmanis sind die bedeutendste Händlerfamilie Khunchoms und Teilhaber des Maraskankontors. Ruban selbst ist eine Berühmtheit auf Grund seiner Versuche das sagenumwobene Riesland zu erreichen. Zwar war ihm dies nie geglückt, doch brachte er so viele Schätze von seinen Reisen mit zurück, dass er selbst einer der reichsten Menschen Aventuriens wurde. Unter anderem besaß er einen fliegenden Teppich und ein unsichtbares Schwert, eine eigene Flotte und über 1000 Kamele. Das Anwesen der Dhachmanis bot mehr Prunk und Luxus als so mancher Fürstenpalast.
Mit offenen Armen und freundlichen Worten empfing uns der über neunzigjährige Tulamide. Sein großer mit Münzen und Juwelen besetzter Turban, ein gepflegter, weißer Vollbart und mit Diamanten besetzte Ohrringe umrahmten sein freundliches Gesicht. Auch wenn der Körper Rubans alt und zerbrechlich wirkte, so strahlten seine braunen Augen doch wie jene eines jungen Glücksritters. Seine Gewänder waren aus Stoffen gefertigt, deren Qualität Travian höchstens bei der Kaiserin des Mittelreiches vermutet hätte. Die zahlreichen Ketten und Amulette, die dieser Fürst der Händler um seinen Hals trug, schienen rein durch ihre Zahl seinen Körper zu krümmen. Köstliche Speisen wurden uns gereicht und der Tabak der prächtig verzierten Wasserpfeifen übertraf alles, was ich bisher geraucht hatte.
Nach dem Essen bat ich Ruban uns von der Schlüsselexpedition, seiner Heimreise und natürlich von Pyriander zu erzählen. Während ich gespannt seinen Berichten lauschte, gab sich der gute Fernandez ein wenig zu sehr dem lieblichen, tulamidischen Wein hin. So übergab er schließlich die gerade erst genossenen, vorzüglichen Speisen den bestickten Seidenkissen auf denen wir saßen. Ruban nahm diesen Frevel jedoch mit Humor und einem bissigen Kommentar über Güldenländer hin. Zu meiner großen Enttäuschung konnte er mir jedoch nicht viel über den Verbleib Pyrianders berichten. Ihre Wege hatten sich bereits vor Jahren in einem Dschungel auf einem fernen Kontinent getrennt, nachdem es ihnen gelungen war die Zitadelle und den Schlüssel des Humus zu finden.
Niedergeschlagen machte ich mich auf den Rückweg zur Drachenei-Akademie. Ich hatte große Hoffnungen in das Gespräch mit Ruban gesetzt. Würde ich Pyriander jemals wiedersehen? Er war es, der mich damals auf dem Sklavenmarkt Fasars kaufte, um mir die Freiheit zu schenken. Und dies obwohl alle anderen sich vor mir fürchteten, nachdem ich meinen Schatten an einen Dämon verloren hatte. Wahrscheinlich wäre ich ohne Pyriander als Löwenfutter in der Arena geendet. Er war es, der mir einen Namen gab. Er war der erste, der mich wie einen Menschen behandelte. Er war es, der mich in die heiligen Hallen Drakonias brachte, mich lehrt und erzog, der mir mit Flammenzunge einen Freund und mit Falenander einen freundschaftlichen Rivalen zuführte. Was ich bin, verdanke ich ihm. Ich schulde ihm mehr, als ich in Worte fassen kann.

Am frühen Morgen des nächsten Tages schrieb ich einen kleinen magietheoretischen Traktat, den ich einem Magister der hiesigen Akademie versprochen hatte. Währenddessen organisierten meine Gefährten ein Flussschiff, sodass wir gegen Mittag die Verfolgung Hariras aufnehmen konnten. Unser Kahn war etwas heruntergekommen und der Skipper ein Säufer. Doch niemand sonst hatte sich bereiterklärt mit uns in die Tiefen und Untiefen des gefährlichen Deltas aufzubrechen. Kaimane waren nur die offensichtlichste Gefahr, die dort lauerte. Die Moskitos quälten uns ebenso, wie die stickige, feucht-heiße Luft und der modrige Geruch. Als Schutz vor Krankheiten, Gift und dem Zorn der alten Echsengötter trug jeder von uns einen kleinen Echsenschädel bei sich. Die Bewohner Khunchoms waren sich sicher, die Schädel würden uns beschützen.
Die erste Nacht verbrachten wir in einem kleinen Dorf auf einer der Inseln im Delta. Am nächsten Tag fuhren wir auf dem Sanften Mhanadi weiter durch ein Gewirr aus Abzweigungen und kleinen Inseln, um den Kleinen Mhanadi zu erreichen.
Als wir abends ankerten, wurden wir von großen Sumpfechsen angegriffen, die auf unseren Kahn kletterten. Nach der ersten Überraschung gelang es uns jedoch, sie mit vereinten Kräften zu erlegen. Ihr Fleisch diente uns als Abendessen. Ihre kostbare Haut aber hatten wir sorgsam abgezogen, um sie zu Iryanleder verarbeiten und daraus Stiefel und Rüstungen fertigen zu lassen.
Am nächsten Tag fanden wir das Schmuggler- und Piratennest. Wir kundschafteten die kleine Insel aus, mussten aber feststellen, dass nur noch drei Piraten dort waren. Harira befand sich nicht unter ihnen. Dennoch beschlossen wir, diese drei zu überwältigen. Denn vielleicht wussten sie, wo wir die Gesuchte finden könnten. Ich rief einen Wasserelementar, der unseren Kahn so schnell zum Steg des Piratenlager schob, dass die Piraten keine Möglichkeit hatten, uns am Anlegen zu hindern.
Leider folgte bei unserem weiteren Vorgehen ein taktisches Missverständnis, sodass ich mich plötzlich den drei Halsabschneidern alleine gegenübersah und recht bald das Bewusstsein verlor. Meine Gefährten überwältigten die Piraten. Ihr weiteres Vorgehen war jedoch alles andere als ruhmreich. So baumelte die Anführerin der Piraten bereits tot an einem Baum, als ich wieder zu mir kam. Ich hatte schon viele Tote gesehen und nicht wenige selbst ins Jenseits befördert. Jedoch jemanden, der sich ergeben hatte und keine Bedrohung mehr darstellte, ohne Prozess zu richten, war keine Handlung, die ich gut hieß. Den beiden anderen Piraten versprachen wir ihr Leben, sollten sie uns Hariras Pläne verraten. Sie erkannten ihre einzige Chance und flehten uns an: „Bitte, verschont uns gnädige Herrn! Wir verraten euch alles was wir wissen. Ja, Harira, die Rote war hier. Sie ist gestern Abend mit einer Thalukke und dreißig Mann in die chalukische Bucht aufgebrochen. Bitte, ihr müsst uns glauben, wir sagen die Wahrheit. Verschont unser Leben! Harira sucht dort nach der Insel der Verdammten, auf der einst der große Fürst Adhrak al-Wirahil gelebt hat. Sie glaubt dort seine Schätze zu finden, bitte zeigt Gnade, Gnade!“
Ich protestierte massiv, als Travian sie, entgegen seines Versprechens, dennoch hängen wollte. Irgendwie beschlich mich das unbestimmte Gefühl, der ehrenwerte Herr Dergelbogen hege eine tiefe persönliche Abneigung gegenüber Piraten.

Der Sumpf, das drückend schwüle Klima, die Insekten, die Verletzungen durch die Kämpfe mit Piraten und Echsen, all dies machte uns zu schaffen. Zu allem Überfluss wurden wir auf dem Rückweg von einer Boronsotter attackiert, die zu den gefährlichsten Giftschlangen zählt. Anjun und mich befiel dann auch noch das grässliche Sumpffieber. Die beiden Piraten wurden schließlich auf einer winzigen Insel im Delta ausgesetzt, was fast einem Todesurteil gleich kam. In meinen Fieberträumen aber realisierte ich dies nicht. Wieder in Khunchom angekommen, mussten wir noch einen Tag ruhen, ehe wir uns Gedanken zum weiteren Vorgehen machen konnten.

Das Handelshaus Dhachmani gewährt uns ein Schiff und Besatzung für die Fahrt in den Chalambusen und die Suche nach Harira. Rubans Abenteuerlust war durch die Geschichten um Adhrak al-Wirahil geweckt worden. Mit einem von Rubans Söhne hatten wir auch einen exzellenten Kapitän an Bord. Dennoch kam Unbehagen unter den Seeleuten auf, als sie erfuhren, dass wir die anstehenden namenlosen Tage nicht in einem sicheren Hafen verbringen würden. Der Bootsmann aber, ein bornländisches Hüne, blieb unerschrocken und trieb die Mannschaft an. Er brüllte seine Befehle und ließ jeden, der seinen Pflichten nicht nach kam, die Peitsche schmecken.
Am dritten Tag unserer Reise, dem ersten der namenlosen Tage, ging die Sonne nicht richtig auf. Nebel verschleierte die Sicht, als schemenhaft vor uns die gesuchte Insel erschien. Sie war umgeben von tückischen Felsen, die es zu gefährlich machten, sich ihr mit unserer Thalukke weiter zu nähern. Daher umsegelten wir die langgezogene Insel. Von Hariras Schiff fehlte jede Spur.
Die schwarzen Fluten schlugen gegen die dunklen Felsen. Dahinter ließen sich weiße Sandstrände erahnen. Die Insel war stark bewachsen und nur ein einziger, felsiger Hügel erhob sich aus dem Dschungel. Sollte da oben auf dem Hügel etwa eine kleine Hütte stehen? Selbst mit dem Fernrohr konnte man nur Schemen erkennen. Verfluchter Nebel! Es blieb uns nichts anderes übrig, als mit einem Beiboot zu landen.
Die Brandung ließ uns beinahe an einen der vorgelagerten Felsen zerschellen. Mit den Waffen mussten wir uns einen Weg durch das dichte Unterholz schlagen. Das Zwielicht wurde unter dem Blätterdach noch schummriger. Ständig hörten wir Geräusche im Dickicht um uns. Erleichtert atmeten wir auf, als wir die Felsen des Hügels erreichten und die Bäume und Palmen wieder den Blick zum wolkenverhangenen Himmel freigaben. Stunden waren vergangen und die Praiosscheibe schien schon wieder zu schwinden, ehe sie überhaupt richig sichtbar geworden war. Der steile Aufstieg entpuppte sich als eine willkommene Abwechslung und tatsächlich fanden wir am Gipfel eine verfallene, hölzerne Hütte mit Ausguck. Aber wir fanden noch mehr. Vor der Hütte lag ein junger Seemann im Gras, das Gesicht nach unten, einen alten verrosteten Dolch im Rücken. Als wir den Toten untersuchten, stellten wir fest, dass er noch nicht länger als einen Tag hier liegen konnte. Sein Gesicht war von einem unbeschreiblichen Schrecken gezeichnet. War dies einer von Hariras Männern? Was hatte er gesehen, als er starb? Und warum musste er überhaupt sterben?
Wir fanden keine Antworten, jedoch einen Pfad, der vom Hügel hinab führte. Selbstverständlich folgten wir ihm und er führte uns zurück in den Dschungel. Fernandez zuckte plötzlich zusammen und deutete wortlos nach vorne. An einem Baum hing eine Piratin, einen Schritt über der Erde, nur gehalten von einem Khunchomer, den man ihr durch die Brust in den Baum gerammt hat. Auch ihr Gesicht war zu einer widerlichen Grimasse entstellt. Wortlos schritten wir weiter, wobei mir ein kalter Schauer über den Rücken lief.
Der Pfad und der Wald endeten vor einer schmalen Öffnung in einer Palisade. Wir schritten hindurch und fanden uns an einer kleinen Bucht wieder. Durch die Felsen war sie vom Meer aus nicht zu sehen gewesen. Aber es musste einen schiffbaren Weg hierher geben, denn vor uns lag ein Schiff. Innerhalb der Palisade standen mehrere halb verfallene und vermoderte Hütten. Zwischen diesen und auch auf dem baufälligen Steg lagen ein halbes Dutzend toter Piraten. Im Sand erkannten wir die ausgebleichten Knochen weiterer Menschen. Am Ende des morschen Stegs schaukelten die Überresten eines einst stolzen Schiffes. Noch immer waren die Spuren seines letzten Seegefechts zu erkennen, wie ein gebrochener Mast und ein zerschossener Aufbau. Es roch modrig als wir uns dem Schiff näherten und die Planken knarzten unheilvoll unter unseren Füßen. Da vernahmen wir ein leises schmerzvolles Stöhnen aus einem zweiten Aufbau. So leise wie dieser kümmerliche Rest von einem Schiff es zuließ, schlichen wir uns an den Aufbau heran. Im Inneren fanden wir zwei weitere tote Piraten und Harira.
Sie war schwerverletzt und flehte uns an, ihr zu helfen: „Meine Männer, sie sind alle tot! Ich Närrin habe sie in den Tod geführt. Schnell, wir müssen fliehen, bevor Adhrak zurückkehrt.“ Es gelang uns ihre Wunden zu versorgen und sie etwas zu beruhigen. Sie gestand ohne zu zögern, die Unabhängigkeitserklärung, den 'Schwarzen Khunchomer' und alte Seekarten gestohlen zu haben.
„Aber glaubt mir, ich interessierte mich nur für den Khunchomer, alles andere sollte nur als Ablenkungsmanöver dienen. Hier habt ihr die vermissten Dokumente, sie bedeuten mir nichts! Ob ihr es glaubt oder nicht, der Khunchomer hat mit mir gesprochen und mich hierher geführt. In diesem Schiff fand ich jedoch nicht Adhraks Schatz, sondern den untoten Piratenfürsten selbst. Es war schrecklich. Nie werde ich dieses dämonische Fratze vergessen, die ich sah, als er mir den 'Schwarzen Khunchomer' entriss. Dann schrie er fürchterlich und seine untote Mannschaft erhob sich. Sie metzelten meine Leute nieder und ließen mich zum Sterben zurück. Adhrak befahl mein Schiff zu entern. Immer wieder schrie er: Rache! Rache!“
Ein Warnruf beendete unser Verhör. Travian, der davor zurück geschreckt war, die Toten auf dem Steg zu passieren, und deshalb zwischen den Hütten Wache hielt, rief uns zu den Waffen. Seine Warnung kam keinen Augenblick zu früh. Die Skelette hatten sich aus dem Sand erhoben. Mit ihren rostigen Waffen wankten sie auf uns zu. Travian hatte seine Axt bereits gezogen und schlug schwungvoll nach den Gerippen, die ihn zu umkreisen begannen. Gero stürzte sich mit Hammer und Schild auf jene, die gerade dabei waren das Schiffsfrack zu erklimmen. Seine mächtigen Hiebe verwandelten Schädel zu Mehl. Fernandez musste feststellen, dass ein Florett kaum dazu geeignet ist Skelette zu bekämpfen. Anjun hatte mit den Pfeilen ähnliche Probleme, doch seine Kopftreffer zeigten selbst bei diesen bleichen Gesellen Wirkung. Ich versuchte aus sicherer Distanz das Kampfgeschehen zu beobachten und nur einmal musste ich eine gezielte Flammenlanze einsetzten, um einem meiner neuen Gefährten beizustehen.
Nach einem kurzen, wenn auch etwas unheimlichen Kampf, war die direkte Bedrohung vernichtet. Eiligen Schrittes, ja fast fluchtartig, traten wir mit der gefesselten Harira den Rückweg durch den Dschungel an. Erst während dieses anstrengenden Marsches wurde mir langsam bewusst, welche enorme Kampfkraft in unserer kleinen Gruppe steckte.

Am nächsten Morgen war der Nebel noch dichter geworden und die Sonne kaum noch zu erkennen. Unser Schiff dümpelte vor sich hin, als wir etwas im Wasser treiben sahen. Wir holten es an Bord. Es war die entstellte Leiche eines bornländischen Seemannes. Kurz darauf fanden wir weitere Leichen im Wasser treiben und schließlich erkannten wir durch den Nebel eine brennende Kogge vor uns. Langsam trieben wir durch das gespenstische Trümmerfeld. Überlebende fanden wir keine, nur die Spuren eines erbarmungslosen Gemetzels.
Während unser Kapitän laut zu den Zwölfen betete, hatte es uns beim Anblick dieses Unheils die Sprache verschlagen. Anjun stand vorne am Bug. Er sah es als Erster: Mit übernatürlich hoher Geschwindigkeit kam uns ein Schiff aus dem Nebel entgegen. Da erklang ein Furcht einflößender Kampfschrei. Für einen 'Ignisphaero Feuerball' waren sie bereits zu nahe, wenn ich nicht riskieren wollte, auch das eigene Schiff in Brand zu setzen. Uns blieb kaum Zeit uns gefechtsbereit zu machen, als die Untoten vom feindlichen Schiff schon versuchten zu entern. Mit wildem Gebrüll und erhobener Axt sprang Travian tollkühn auf die gegnerischen Planken. Die Übrigen konzentrierten sich darauf, dass kein Skelett unser Deck erreichte. Ich versuchte im Nebel und Tumult Adhrak ausfindig zu machen, was mir nach einiger Mühe auch tatsächlich gelang. Er stand einhändig am Heck seines Schiffes, schrie Befehle und schwang seinen Khunchomer. Travian mähte sich durch die Reihen der Feinde geradewegs auf Adhrak zu. Ich bereitete mich darauf vor, den wahnsinnigen Händler zu unterstützen und legte meine ganze verbliebene Astralkraft in einen einzigen Zauber. Die rechte Hand führte ich zur linken Schulter und richtete sie dann ruckartig auf Adhrak: „Ignisfaxius Flammenstrahl!“ Eine mächtige Feuerlanze raste von meiner Hand über das Schlachtfeld hinweg und traf den untoten Piratenfürsten. Ich war mir sicher, dass die Kraft dieser Flammen jedes menschliche Wesen in Golgaries Fänge befördert hätte, aber zu meinem Entsetzen taumelte Adhrak nur. Dieses Taumeln jedoch genügte Travian, um dem abgelenkten Monstrum auch die zweite Hand abzuschlagen.
Adhrak schrie und fiel in sich zusammen, noch ehe der 'Schwarze Khunchomer' auf dem Deck zum Liegen kam. Mit Adhrak zerfiel auch seine untote Mannschaft. Der Sieg war unser!
Völlig erschöpft aber froh über den Triumph feierten wir auf unserer Thalukke, während das Piratenschiff mit einem Haufen Knochen an Bord verbrannte. Auf Fernadez Anraten, beschlossen wir, die verfluchte Waffe den Khunchomer Draconitern anzuvertrauen und nicht dem Museum zurückzugeben.
Am Morgen des fünften der namenlosen Tage kehrten wir nach Khunchom zurück. Die Seeschlacht gegen untote Piraten während der namenlosen Tage war etwas, das meine neuen Gefährten und mich aneinander schmiedete. So ist es wenig verwunderlich, dass wir uns auch den neuen Aufgaben, welche in Khunchom bereits auf uns warteten, gemeinsam annahmen.

B) Drachen über Khunchom
Die See war stürmisch und der Himmel wolkenverhangen, als unsere siegreiche Thalukke den geschützten Hafen Khunchoms erreichte. Wie besprochen nahm Fernandez den 'Schwarzen Khunchomer' an sich, um ihn dem Hort der Draconiter zu übergeben, während wir übrigen die gestohlenen Dokumente zurück zum Hause Kulibin brachten. Harira hatten wir bereits am Hafen der Stadtwache übergeben. Ihr wäre wohl der Prozess gemacht worden, wenn es ihr nicht während der Schrecken der kommenden Tage gelungen wäre zu entkommen. Shabra hingegen war von allen Anschuldigungen befreit und ihr tadelloser Ruf wieder hergestellt.
So gingen wir gemeinsam und nichts ahnend zur Drachenei-Akademie, um einen ruhigen Tag auf der Dachterrasse zu verbringen. Vor dem reichverzierten, schmiedeeisernen Portal standen wie immer zwei der Ritter des immerwährenden Kampfes.
„Kor mit Euch! Seid uns willkommen, Streiter der Drachenqueste und auch ihr, Nazir ibn Hariq. Wir haben die Anweisung euch sobald ihr zurückkehrt in den Audienzsaal zu geleiten. Eure Anwesenheit wird dort sehnlichst erwartet. Am Besten folgt ihr und eure Kameraden mir sogleich.“
Nach dieser unerwarteten Begrüßung machten wir uns voller Neugier auf den Weg zum pompösen Audienzsaal. Dieser befindet sich im Hauptgebäude der Akademie, das mit seinen glatten, fugenlosen Wänden aus grünem Marmor und den unzähligen kleineren und größeren Türmchen einem Palast aus '1001 Rausch' ähnelt. Der Legende nach, und ich habe keinen Grund an ihr zu zweifeln, wurde der Prunkbau von Dschinnen an nur einem Tag errichtet.
Als wir den Audienzsaal erreichten, herrschte dort eine hitzige Debatte. Gerade führte Prinz Stipen Kulibin das Wort: „Und ich sage euch, werte Collegae: Solange ihre Spekatbilität nicht anwesend ist, haben die Magister in Krisenzeiten, und das wir eine Krise haben, wird ja wohl niemand bestreiten wollen, einen Vertreter der Fürstenfamilie zur Spektabilität zu ernennen. Welcher Vertreter des Fürstenhauses aber wäre besser geeignet als ich, bin ich doch selbst Abgänger einer Akademie?“
Die gereizte Antwort der Dekanin für Materialkunde, Rokia al'Jazeel, folgte prompt: „Ihr mögt der Prinz von Khunchom sein, sonst hättet ihr wohl auch nie die Adeptenprüfung bestanden, aber das gibt euch noch lange nicht das Recht die Geschicke unserer Akademie zu leiten. Wenn ihr wirklich helfen wollt, dann geht hinaus vor die Tore der Stadt und redet mit eurem Schwiegervater, auf dass er sich und seine Golemarmee zurückzieht!“
Ein lauter Schlag ließ alle Gespräche verstummen. Anjun hatte die schwere Eichentür des Saales zugeworfen. Die Gesichter der anwesenden Magister richteten sich auf uns. Es war schließlich Rakorium, der sich die Mühe machte uns zu erklären, was eigentlich los war:
„Tja ja, wo fange ich mal an. Ihr habt sicher schon mal von Sultan Gorien ben Yakuban von Hasrabal, ach nein, Sultan Hasrabal ben Yakuban von Gorien, Herrscher Rashduls und Spektabilität der Pentagramma-Akademie gehört? Ja, natürlich habt ihr das. Jener Hasrabal steht vor den Toren der Stadt, ja ja, und nicht alleine. Eine Armee von Fließsandgolems hat er mitgebracht, der Gute. Doch Gutes führt er damit nicht im Schilde, wie ich befürchte. Denn er fordert den Seelenstein, den Karfunkel des Kaiserdrachen Atlassar.“
Wie wir nun erfuhren, war der Karfunkel Atlassars vor wenigen Monaten durch eine geheime Expedition der Drachenei-Akademie in Gorien geborgen worden. Hasrabal behauptete, es sei Diebstahl gewesen und forderte den Stein zurück. Dieser befand sich jedoch bereits in der legendären Karfunkelkammer der Akademie, zu der man nur mit Genehmigung der Spektabilität Zugang erhalten kann. Doch Khadil Okharim weilte noch immer auf der Sulman al'Nassori irgendwo im Perlenmeer. Daher verlangte Prinz Stipen Kulibin von Khunchom, dass man ihn zur Spektabiltät ernenne, um als solche mit Hasrabal verhandeln zu können. Das prekäre an dieser Situation war jedoch, dass Stipen im Traviabund mit Madra saba Yakuban, einer Enkelin Hasrabals, lebte. Deshalb bezweifelten die Dekane und Magister, dass Stipen zum Wohle der Akademie handeln würde. Insbesondere Magistra Rokia fand sein Begehren ungeheuerlich und bat uns die Statuten der Akademie zu überprüfen, auf welche Stipen sich berief. Da wir als unparteiisch und fähig betrachtet wurden, folgten wir dem Drängen der Dekanin und machten uns auf den Weg zur Bibliothek.
Dort stellten wir überrascht fest, dass weitere Paragraphen zur Bestimmung einer Spektabilität in Notfällen, während der Abwesenheit der eigentlichen Spekatbilität, frisch aus den Statuten der Akademie herausgerissen worden waren. Während wir überlegten, wie wir nun weiter vorgehen sollten, blickte Fernandez aus dem Fenster und sah eine junge Frau die Akademie verlassen. Sie war uns wegen ihrer Schönheit bereits zuvor in der Bibliothek aufgefallen. Doch irgendetwas an ihr irritierte Fernandez. Shabra bemerkte sofort, was uns Übrigen entgangen wäre: Die Schöne hatte nun blonde und nicht wie eben schwarze Haare. Es dauerte nicht lange bis wir begriffen, dass diese Frau wohl die fehlende Seite haben dürfte. Wir nahmen umgehend die Verfolgung auf. In den Straßen Khunchoms angelangt, sahen wir drei blonde Frauen, die in unterschiedliche Richtungen liefen. Also teilten wir uns auf. Ich verfolgte meine Verdächtige durch eine überfüllte Gasse, als ich plötzlich von einem unnatürlich weißen Licht geblendet wurde. Ein magischer Angriff, daran bestand kein Zweifel. Doch obwohl ich mit dem gewirkten Zauber vertraut bin, konnte ich nichts gegen die Auswirkungen des 'Blitz dich find' unternehmen. Offensichtlich war meine Verdächtige die Zielperson. Sobald ich wieder sehen konnte und feststellte, dass sie einen großen Vorsprung gewonnen hatte, rief ich eine Warnung und zielte auf ihren Kopf:„Ignisfaxius Flammenstrahl“ Die Menge schrie und rannte panisch auseinander. Die blonde Haarpracht ging in Flammen auf und die Magierin fiel bewusstlos zu Boden. Allerdings war mein Zauber bewusst so dosiert, dass sie überlebte. In ihrer Kleidung fand sich die fehlende Seite aus den Statuten.
Vom Lärm der Menge alarmiert trafen auch meine Gefährten bei der Diebin ein. Alle bis auf Travian, der inzwischen seine Verdächtige auch erreicht und zum Abendessen eingeladen hatte. Wir übergaben die Bewusstlose den Rittern des immerwährenden Kampfes, welche sie in das Verlies der Akademie sperrten. Ein Jammer, dass sie gegen uns arbeitete, hatte sich doch vorher ein wirklich hübsches Gesicht.
Wieder im Audienzsaal, wurde die gestohlene Seite verlesen. Man stellte fest, dass der Anspruch eines anwesenden Erzmagiers auf den Posten der Spekatbiltät in Notfällen älter sei, als jener der fürstlichen Familie. Wutschnaubend verließ Stipen die Sitzung, während Rakorium Muntagonus, seines Zeichens Erzmagier, zur Vertretungsspektabilität ernannt wurde. Dieser gab überraschenderweise die Anweisung die Akademie sofort und bis zur Rückkehr Khadils zu schließen. Alle, abgesehen von den Wachen, mussten das Gelände binnen kurzer Zeit verlassen. Die etwas wirre Begründung bezog sich auf die Bedrohung durch Hasrabal und die Echsen. Also packten auch wir unsere Sachen und zogen zu den Dhachmanis. Mittlerweile war der Abend des fünften der namenlosen Tage erreicht und Travian verabschiedete sich, schließlich musste er zu einem Rendezvous. Wir Übrigen aber hatten keine Zeit zu verlieren, galt es doch so schnell wie möglich die Sulman al'Nassori und damit die eigentliche Spektabilität zu finden.
Im Innenhof des Anwesens der Dhachmanis rief ich einen Lufdschinn, der uns zum Zauberschiff bringen sollte. Da ich nur einen Dschinn rufen konnte, war die Last für diesen enorm, obwohl wir nicht alle mitreisten. Es gelang dem Streiter der Lüfte uns gerade so über der Wasseroberfläche zu halten. Nass vom Spritzwasser und halb erfroren vom eisigen Flugwind erreichten wir im Morgengrauen die Sulman, welche gerade einen grausamen Kampf gegen eine Dämonenarche gewonnen hatte.
Wir erklärten dem von der Schlacht völlig verausgabten Khadil Okharim, was vorgefallen war. Daraufhin brach er sofort mit uns auf, zurück nach Khunchom.

Als wir die Akadamie erreichten, waren die Wachen verschwunden. Das Haupttor stand offen. Im Hof fanden wir Rakorium, den Stab über den Kopf haltend, als wolle er einen 'Gardianum Zauberschild', einen Schutzzauber, wirken. Doch offensichtlich war sein Gegner schneller gewesen, denn der Erzmagier war versteinert.
„Ich fresse meinen fliegenden Teppich, wenn das nicht Hasrabal persönlich war. Schnell folgt mir! Er ist sicherlich auf dem Weg zur Karfunkelkammer. Hoffentlich können wir ihn noch aufhalten, bevor ein unvorstellbares Unglück geschieht!“, mit diesen Worte rannte der wohlbeleibte und noch immer vom Kampf gegen die Dämonenarche erschöpfte Khadil voraus ins Hauptgebäude. Er führte uns geradewegs in seine Gemächer. Dort stand die eigentlich verborgene Tür zu den Gewölben unterhalb der Akademie weit offen. Voller Ehrfurcht betraten wir die Geheimnis umwobenen Bleikammern der Drachenei-Akademie.
Die mit Fallen gespickten Gewölbe werden von zwei Wächtergolems gesichert. Obwohl diese uns in Begleitung Khadils eigentlich hätten passieren lassen müssen, griffen sie an. Doch es gelang mir die Lehmwesen mittels einer Zonenvariante des Cantus 'Caldofrigo heiß und kalt' vor Kälte erstarren zu lassen. So erreichten wir schließlich einen Raum in dem sich mehrere Portale befanden, sogenannte 'Dunkle Pforten'. Diese Tore durch den Limbus verbinden fest zwei Orte miteinander und gelten als äußerst gefährlich. Vor einem der Portale stand ein junger Magier, die rechte Faust in die linke Handfläche geschlagen. Offensichtlich hatte er sich selbst mit einem 'Paralysis starr wie Stein' im Limbus versteinert und war durch Zufall hier gestrandet. Wir eilten an ihm vorbei.
In einem Vorraum der Karfunkelhalle fanden wir die Ritter des immerwährenden Kampfes in gar jämmerlichen Zustand. Sie trudelten an der Decke oder steckten halb in einer Wand oder im Boden. Sie waren gefangen in den Elementen und völlig wehrlos. Ihre Anführerin, die Kor-Geweihte Dhamara al'Fahd, war eine muskulöse aber dennoch schlanke Frau in den Vierzigern. Ihr Schädel war kahl geschoren, ihr Spiegelpanzer schwarz und ihr Umhang von blutroter Farbe. Sie lehnte direkt an der Tür zu jener Halle, in der nicht nur der riesige Diamante aufbewahrt wird, nachdem vermutlich einst das Diamantene Sultanat und heute die Drachenei-Akademie benannt worden war, sondern auch die hiesigen Karfunkelsteine.
Wenn ein Drache stirbt, so zieht seine Seele nicht in eines der Paradiese, sondern fällt nur in einen tiefen Traum, denn noch immer ist sie körperlich gebunden. Im Kopf eines jeden Drachen befindet sich dieser Sitz der Seele, der Karfunkel. Neben der Seele des Drachen, beherbergt ein Karfunkel auch die gesamte astrale Macht jener Geschöpfe. Magiern wiederum ist es möglich auf diesen immensen Vorrat an astraler Kraft zurückzugreifen, wenn sie einen Karfunkel in den Händen halten. Ist die gesamte astrale Kraft in einem Karfunkel verbraucht oder der Karfunkel wird zerschlagen, ist auch die Seele des Drachen nicht mehr gebunden. Die Größe eines Karfunkels variiert je nach Rasse und Alter des Drachen von stecknadelkopf- bis hin zu hühnereigroß. Vom Äußeren gleichen Karfunkel Edelsteinen, wobei Form und Farbe ebenfalls unterschiedlich sein können. Gerüchten zufolge soll es sich bei dem Drachenei ebenfalls um einen Karfunkel handeln und zwar um jenen des Pyrdacor. Allerdings gibt es auch mindestens ein Dutzend anderer Theorien.
Als wir uns Dhamara näherten, sahen wir, dass sie eine kleines Kästchen in den Händen hielt, welches über gespannte Ketten mit der Wand und der Tür verbunden war.
„Bei Kor, gut das ihr kommt eure Spektabilität! Es war Sultan Hasrabal. Wir, wir konnten ihn nicht aufhalten. Bei Kor, wir haben versagt! Der Schuft war in der Karfunkelkammer und zwang mich dieses Kästchen zu halten. Er schwor mir bei Kor und den Zwölfen, dass ein elementares Inferno losbrechen würde, wenn sich die Spannung auf den Ketten verändere. Bitte, schaut es euch an, es scheint ein Rätsel zu beinhalten, das ich nicht lösen kann, denn ich brenne vor Zorn!“
Wir untersuchten das Kästchen. Es fanden sich darin unterschiedliche Edelsteine und auf dem Deckel ein Spielbrett. In einige Felder des Spielbretts waren Symbole der sechs Elemente eingraviert. Auch die Edelsteine ließen sich jeweils einem Element zuordnen. Nach kurzem Überlegen erkannte Shabra, dass es bei diesem Rästel um die Herstellung eines elementaren Gleichgewichts ging. In jeder Reihe, sowohl horizontal als auch vertikal, musste jedes Element, symbolisiert durch die Gravuren und Edelsteine, exakt einmal vorkommen, ebenso in jedem Viertel des Spielbretts.
Der Angstschweiß tropfte uns von der Stirn, als wir feststellten das es zwei und keine eindeutige Lösung für das Rätsel gab. Hatten wir etwas übersehen? Nein, das Kästchen gab nun drei kleine Kugeln preis, die sich als Spruchspeicher für den Sphaero in verschiedenen elementaren Varianten erwiesen. Phex und Hesinde sei Dank, dass wir die Falle nicht ausgelöst hatten, sonst hätten wir Menacors Schwingen gehört. Khadil Okharim beanspruchte diese für die Drachenei-Akademie. Mir wurde jedoch bewusst, dass ich schnellst möglichst das Konzil davon in Kenntnis setzen musste. Wir waren nicht mehr die einzigen, die die Sphaero Hexalogie beherrschten. Dieser Wissenszuwachs in Rashdul erschreckte mich, hatten sich doch die Gilden eigentlich darauf geeinigt, das Wissen um die Sphaeri stark begrenzt zu halten. Nun ist davon auszugehen, dass in den nächsten zwanzig bis dreißig Götterläufen die Drachenei-Akademie an Hand der Kugeln auf die Thesis schließen wird und somit eine weitere Akademie diese Hexalogie lehren kann. Bedenkt man auch noch, dass der Schwerpunkt in Khunchom auf der Herstellung von Artefakten liegt, so wird mir wohl jeder zustimmen, dass in diesen Stunden eine neue Bedrohung entstand. Sphaero-Artefakte in den Händen von Soldaten werden das aventurische Kriegswesen revolutionieren. Ich kann nur hoffen, dass Khadil Okharim irgendwann begreift, welche Folgen seine Forschungen haben werden oder es uns gelingt ihm die Kugeln zu entwenden, bevor er die Thesis entschlüsseln kann.
Zunächst aber gab es Dringlicheres zu tun. Khadil betrat die Karfunkelhalle und stellte fest, dass der Karfunkel Atlassars und nur dieser fehlte. Wir begaben uns zurück in den Hof, in dem sich mittlerweile die Magister und Novizen der Akademie einfanden, da sie von Khadils Rückkehr gehört hatten. Dieser, selbst noch immer völlig ausgebrannt, gab nun Anweisungen Rakorium zu entsteinern, dem erstarrten Fremden vor den Dunklen Pforten zu helfen, sowie die Ritter des immerwährenden Kampfes aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Stipen, der auch zur Akademie gekommen war, berichtete beschämt, dass Hasrabal den Karfunkel Madra geschenkt hätte, da sie ein Kind, einen Thronfolger erwartete. Kaum hatte der Prinz mit entschuldigenden Worten geendet, da brach ein wahres Inferno los.
Zuerst bemerkten wir panisches Geschrei von den Straßen der Stadt: „DRACHEN! DRACHEN! Rette sich wer kann!“
Dann sahen wir einen Drachen im Sturzflug und Feuer spukend auf uns nieder rasen. Wir sprangen in Deckung. Khadil rief uns zu: „Bei Phex, das war meine schlimmste Befürchtung! Ihr müsst wissen, dass die Karfunkel in der Halle sich untereinander vernetzen. Das Herausnehmen des Karfunkels von Atlassar hat die Seelen der Drachen erweckt oder uns alle mit in ihre Träume gezogen.“
Da zu Fuß auf den Straßen kein Durchkommen gewesen wäre, lieh uns Khadil seinen magischen Teppich. Dieser sollte uns gemeinsam mit Stipen zum Fürstenpalast bringen, damit wir den Karfunkel zurückholen konnten.
Drachen kreisten über der Stadt, viele Gebäude standen in Flammen. Die Erde erbebte, als sich eine Armee Riesen der Stadt näherten. Eine Armee Kaiserdrachen stellte sich den Kindern der Giganten in den Weg. Ihr Anführer war Ancarion Rotmantel, der Feldherr Pyrdacors, gefallen vor Urzeit in der legendären Schlacht des Himmelsfeuers. Unser fliegender Teppich hatte leider das Temperament eines Faultiers, sodass ich kurz überlegte, ob er wohl Heimat eines Erz- und nicht eines Luftdschinns sei. Er beklagte sich die ganze Zeit und bewegte sich mit einer Geschwindigkeit die dieser Bezeichnung spottete. Aber zu Fuß wäre auf den Straßen überhaupt kein Vorankommen möglich gewesen, trampelten sich die panischen Bürger dort doch gegenseitig tot.
Wir erreichten den Fürstenpalast und es gelang uns gemeinsam mit Stipen angesichts dieser bedrohlichen Umstände, die Herausgabe des Karfunkels zu erreichen. Während Stipen im Palast blieb, machten wir uns sofort auf den Rückweg zur Akademie. Dabei sahen wir einen gigantischen goldenen Drachen am Ufer des Mhanadi, der sich mit einer riesigen Seeschlange zu unterhalten schien. Mir stockte der Atem. Sollte dieser Drache Pyrdacor, der Bewahrer sein? Wir hatten keine Zeit ihn weiter zu betrachten, denn ein Perldrache griff uns direkt an. Unser Teppich war zu träge. Es gab kein Entkommen.

Kurz bevor uns der Feuerodem des Perldrachen erreichen konnte, veränderte sich die Szenerie. Wir waren auf einer grünen Bergwiese, laut Gero irgendwo im Kosch oder Ambossgebirge. Vor uns auf der Wiese war ein junger Kaiserdrache, der sich als Faldegorn vorstellte. Auch mit diesem Namen verbanden Gero und Fernandez etwas. Faldegorn war einst der Begleiter und Freund des mächtigen Erzmagiers Rohezal vom Amboss gewesen. Bevor wir uns jedoch mit ihm über das Geschehene unterhalten konnten, traten einige Zantim, widerliche, fern an Tiger erinnernde Dämonen aus dem nahen Wald und hinter Felsen hervor.
Der Kampf forderte unsere letzten Kräfte und es glich einem Wunder, dass wir alle überlebten. Faldegorn bedankte sich bei uns und wieder wechselte die Szenerie. Wir waren zurück im brennenden Khunchom. Der Drache, der uns angegriffen hatte, war nicht mehr zu sehen. Auf direktem Weg flogen wir zur Akademie, während die Drachen weiterhin die Stadt, ihre Bürger und sich gegenseitig mit Terror überzogen.
Bei Khadil Okharim angekommen, rannten wir mit diesem erneut hinab zur Karfunkelhalle. Nun gewährte er uns aus Dankbarkeit ebenfalls die Halle zu betreten. Ich muss sagen, sie haben in Khunchom durchaus eine beeindruckende Sammlung, auch wenn sie bei weitem nicht mit den Karfunkelhallen auf Drakonia mithalten kann. Während Khadil den Karfunkel Atlassars sorgsam an seinen Platz legte, sprach er aus, was wir alle hofften: „Mögen die Götter uns beistehen, auf dass der ganze Spuk nun vorüber ist!“
Wir eilten zurück in den Hof der Akademie. Kein einziger Drache war mehr zu sehen und auch die Riesen und die Seeschlange waren verschwunden, selbst die Feuer waren gelöscht und im Osten ging gerade die Sonne über dem Perlenmeer auf. Ich atmete tief durch: Es war überstanden. Doch die Anstrengungen der letzten Stunden wurden nun schlagartig spürbar.
Völlig übermüdet bezogen wir erneut unsere Quartiere in der Akademie. Doch ehe ich mich einem tiefen Schlaf hingab, schrieb ich noch einen Bericht für das Konzil, rief mit letzter Kraft einen elementaren Diener und schickte diesen nach Drakonia. Zuviel war geschehen, was die Belange des Konzils berührte.

Rakkdan
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Errungenschaften

Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

III. Durch die Khôm
„Wohlgelehrter Herr, ihr müsst aufwachen! Gäste sind eingetroffen und man erwartet eure Anwesenheit zum Dinner im Audienzsaal.“ Mit diesen Worten aus dem Mund eines jungen Novizen wurde ich geweckt. Die Sonne war bereits am Untergehen. Doch mein Verstand hatte noch nicht genügend Zeit gefunden, die Eindrücke der letzten Tage zu verarbeiten. Mein Kopf schmerzte. Bei den Sechsen, hatte ich nicht genug für diese Stadt und ihre Akademie getan, dass sie mir ein paar Stunden Ruhe gönnen konnten. Was gingen mich die Gäste der Drachenei-Akademie an? Sollten sie mich wegen einer Nichtigkeit geweckt haben, würden sie meinen Zorn zu spüren bekommen.
Mürrisch stand ich auf. Ein Blick in die Wasserschüssel, die der Novize mir frisch gefüllt hatte, verhieß nichts Gutes. Trotz meiner bronzenen Hautfarbe waren deutlich dunkle Ringe unter meinen schwarzen Augen zu erkennen. Mein blau-schwarzes Haar hing nicht wie gewöhnlich glatt bis knapp unter die Schulterblätter, sondern stand wirr in alle Richtungen. Ich musste sehr unruhig geschlafen haben. Ich versenkte meinen Kopf im kalten Wasser und spürte wie das Element mich belebte. Zwar dauerte es noch eine Weile bis ich mein Haar gebändigt hatte, doch dann ging ich, in frisch gereinigter, einfacher, weißer Robe, gemessenen Schrittes zum Audienzsaal.

Die lange Tafel war reich gedeckt. Überraschenderweise waren meine Gefährten alle anwesend. Khadil und Rakorium unterhielten sich mit einem mir unbekannten Magier. Er trug eine graue Reiserobe und einen flachen Hut mit breiter Krempe. Seine Haut war gebräunt und vom Wetter gegerbt. Sein blondes Haar und der gleichfarbige Schnauzer verrieten die nordländische Herkunft. Sein Stab war einfach und glatt, fasste jedoch an der Spitze einen Kristall.
Aber dieser Mann war für mich nicht der einzige Fremde im Raum. Travian unterhielt sich angeregt mit einer jungen Dame. Auch sie hatte blondes Haar, allerdings eher blasse Haut und himmelblaue Augen. Ihre blauen Gewänder und ihr goldener Schmuck waren die einer feinen Dame des Nordens. Während der fremde Mann an Hand seiner Kleidung, dem Stab und Gildensiegel eindeutig als Magier zu identifizieren war, fehlten ihr all diese Attribute. Wer waren diese beiden und woher kannte Travian die junge Dame?
Diener servierten das Essen. Neben Braten vom Raschtulswaller Drehhorn in Honig-Senf-Soße gab es auch köstlichen Datteln im Speckmantel, diverses Obst und exzellente Weine aus ganz Aventurien. Als Khadil alle Anwesenden bat Platz zu nehmen, setzte Travian sich wie selbstverständlich neben die Dame in Blau. Wie man mich nun aufklärte nicht irgendein Blau, sondern Puspereiken-Blau. Der Herr war niemand anderes als Rakoriums Meisterschüler und aktueller Hüter des Codex Sauris, Hilbert von Puspereiken. Die Dame war seine Nichte Dana von Elmsjen, die ihn hier treffen wollte. Sie war jene Blonde, die Travian vor zwei Tagen verfolgt und zum Abendessen eingeladen hatte. Verliebt berichtete er uns, seine Danuschka sei vor Tagen mit dem Schiff in die Perle am Mhanadi gelangt, während Hilbert selbst erst heute auf dem Landweg eingetroffen sei.
Zu meiner Verwunderung gingen Rakorium, Hilbert und Khadil davon aus, ich wäre vom Konzil hierher gesandt worden, um an der geplanten Expedition Hilberts teilzunehmen. Meine Versicherungen, dass dem nicht so wäre, ignorierten sie schlichtweg. Während des Essens wurden auch alle meine neuen Gefährten, mit Ausnahme von Shabra, für die Unternehmung gewonnen. Aus deren Ziel jedoch wurde ein Geheimnis gemacht. Wir erfuhren nur so viel: Hilbert plante, unterstützt von Rakorium, eine Expedition in die Khôm, die größte Wüste dieses Kontinents, entstanden durch den zweiten Weltenbrand. Genauer gesagt, sollte es in die Nähe der Oase Birscha, zum Fuße des Wal El-Khômchra gehen, also zu jenem Tafelberg auf dem einst der Palast des alten Drachen Pyrdacor inmitten der Echsenstadt Zze Tha gestanden haben soll. Dort wollte Hilbert graben, um das Vermächtnis des Güldenen zu finden, welches er auf Grund seiner bisherigen Forschungen eben an jenem Ort vermutete. Wir sollten die Vorhut bilden und alles für die große Karawane und die Ausgrabung vorbereiten. Da Hilbert noch einiges von Khunchom aus zu organisieren hatte, vereinbarten wir unseren Aufbruch für in drei Wochen. So ergab es sich, dass wir genug Zeit hatten uns zu erholen und einen Blick in das ein oder andere spannende Buch zu werfen. Fernandez und mir wurde es sogar gestattet, im legendären Codex Sauris zu lesen. Allerdings scheiterten wir schnell an den nötigen Sprachfertigkeiten, sodass wir begannen uns mit echsischer Sprache und Schrift zu beschäftigen. Erfolgreicher waren meine Verhandlungen mit dem Haus Dhachmani. Es gelang mir Ruban davon zu überzeugen, dass ein Kontor im wieder erblühten Llanka von großem Vorteil für seine Unternehmungen sei. In einer Traumbotschaft informierte ich meine geliebte Belima darüber. Sie sicherte den Dhachmanis besonders niedrige Zölle, wie auch ein attraktives Grundstück zu.

Auch wenn ich nicht genau wusste, wohin diese Expedition uns führen sollte, keimte eine neue Hoffnung in mir. Begann doch die verhängnisvolle Expedition, auf der Pyriander verschollen war, ebenfalls im Zentrum der Khôm. Ich war naiv genug zu glauben, meinem Ziehvater folgen und ihn nach Drakonia zurückbringen zu können. Allerdings wusste ich nicht, wo genau sich die Dunkle Pforte befand, die sie einst genommen hatten. Auch konnte mir Rubans Bericht nur wenig Aufschluss darüber geben, wo ich auf der anderen Seite der Pforte suchen sollte. Dennoch griff ich nach dem Funken Hoffnung, den die bevorstehende Reise mir bot, und entfachte ihn zu einem lodernden Feuer in meinem Herzen.

A) Von Khunchom zur Oase Birscha
Am Abend des 23. Praios 1033 trafen wir uns alle erneut zum Abendessen, mit Ausnahme von Khadil, der, zu seinem Bedauern, nicht tiefer eingeweiht werden sollte und Shabra, die sich um ihr Geschäft kümmern musste.
„Meine lieben Freunde, ich denke es ist soweit: Ihr könnt in den nächsten Tagen aufbrechen. Ich stelle euch eine große Menge Münzen und auch eine Kiste mit seltenen Edelsteinen zur Verfügung. Geht sparsam damit um. Ihr werdet diese Mittel benötigen um den Beys der Oasen Gastgeschenke machen und um die nötigen Vorbereitungen für die eigentliche Ausgrabung treffen zu können. Reist zunächst nach Mherwed. Die dortige Spekabilität, Mherech ben Tuleyman, ist ein Freund von mir. Er wird euch mit einer Karawane und einem Führer ausstatten. Ich folge mit der großen Karawane, sobald ich die Nachricht erhalte, dass ihr alles vorbereitet habt. Mögen die Zwölfe über euch wachen und Aves euch geleiten.“
Mit diesen Worten verließ uns Hilbert nach dem Essen, gefolgt von Rakorium. Auch Travian zog sich mit Dana zurück um Abschied zu nehmen, während wir Übrigen die Reise nach Mherwed planten.
Am folgenden Tag kauften wir auf den Straßen Khunchoms alles, was wir glaubten für diese Reise zu benötigen und gingen schließlich zur Hafenmeisterei. Wir hatten uns aus Bequemlichkeit dazu entschieden bis Mherwed auf dem Mhanadi zu fahren. Lediglich die Passage Rashduls bereitete uns etwas Sorge, dürfte doch der dortige Sultan Hasrabal nach den jüngsten Ereignissen schlecht auf zu sprechen sein und wäre außerdem sicherlich auch selbst an den Ergebnissen dieser Expedition interessiert. Wir beschlossen dieses Problem zu minimieren, indem keiner von uns das Schiff in seinem Reich verlassen sollte.
Am nächsten Morgen lief der Flusskahn mit uns an Bord aus und langsam fuhren wir den Mhanadi aufwärts. Es war heiß und schwül. Wieder einmal machten uns die Mücken dieses verfluchten Sumpflandes zu schaffen. Phex sei Dank, hatten wir nach wenigen Tagen das Delta hinter uns gelassen und bestaunten die sich sonnenden Alligatoren am Felsenturm von Jaiban, ehe der Mhanadi mit uns in einem schier endlosen Meer aus terrassenförmigen Reisfeldern unterzugehen schien. Kurz vor Rashdul wurde der Strom von einer schmalen Schlucht in ein enges Bett gezwängt. Wir gingen unter Deck, um nicht gesehen zu werden. So gelang es, Rashdul ohne Zwischenfälle zu passieren, obwohl unser Kahn am Flusshafen der altehrwürdigen Stadt die Nacht über anlegte.
Als Rashdul nur noch aus der Ferne zu erkennen war, kehrten wir an Deck zurück. Die Landschaft hatte sich verändert. Diese Gegend wird nicht ohne Grund als 'fruchtbare Sichel' bezeichnet, ist ihr Boden doch durch die regelmäßigen Überschwemmungen von Peraine gesegnet. Die Reisfelder waren verschwunden. Getreidefelder und Obsthaine säumten nun die Ufer. Am vierten Rondra erreichten wir schließlich wohlbehalten die einstige Kalifenstadt Mherwed. Der Legende nach soll der große Bastrabun ibn Rashtul an diesem Ort geboren worden sein und von hier aus die Echsen bekämpft und zurückgedrängt haben. Erst im vergangen Jahrhundert wurde eine riesige, neue Palastanlage aus weißem Marmor für den Kalifen am südwestlichen Ufer des Mhanadi errichtet, die nach dem Khôm-Krieg noch einmal ausgebaut wurde, ehe der Kalif seinen Hof wieder nach Unau verlegte. Eine mächtige und alte Mauer umgibt die Stadt. Der Hafen jedoch liegt vor dieser Mauer und wird von ihr und dem Fluss umrahmt.

Wir hatten also die Lande der Zwölfe verlassen und sahen uns nun mit dem Glauben an Rashtullah konfrontiert. Aber wir waren darauf vorbereitet. Schon in Khunchom, wie auch während der Reise, hatten wir uns alle mit den 99 Geboten der Novadis auseinandergesetzt. Ich wage sogar zu behaupten, Fernandez konnte sie auswendig. Mit diesem Wissen ausgestattet, gingen wir an Land und machten uns auf den Weg zur Zauberschule des Kalifen. Diese erst vor wenigen Jahrzehnten gegründet Akademie war die einzige, welche von den Novadis als 'rechtgläubig' anerkannt wurde. Ihre Spekabilität, Mherech ben Tuleyman, hatte selbst den Rang eines Mawdli, eines Rechtsgelehrten inne, der die 99 Gebote auslegen darf. Die alte Sommerresidenz der Kalifen, die seit dem Palastneubau leer stand, beherbergt heute die Hallen des Wissens und der Gelehrsamkeit. Dank der Ausrichtung auf Elementar- und Artefaktmagie waren die baufälligen Gemäuer rasch wieder in einen repräsentativen Zustand versetzt worden. Vor eben jenem Gebäude standen wir jetzt und baten um Einlass sowie um eine Audienz bei Mherech. Ein Schreiben Hilberts ermöglichte uns beides.
Wie sich herausstellte, wurden wir bereits erwartet. Mherech hatte persönlich eine kleine Karawane für uns ausrüsten lassen und als Führer sollte uns sein Schwager Ramil ibn Hayrud dienen. Zu meinem Entsetzen vernahm ich, dass wir auf Kamelen, den Schiffen der Wüste, reiten würden. In meinem bisherigen Leben war ich nie in die Verlegenheit gekommen reiten zu müssen. Auf meinen Einwand hin versprach man mir eine sänftenartige Kabine. Mherech vertraute uns auch ein kleines Vöglein aus Gold an, ein machtvolles Artefakt, in dem man eine Nachricht deponieren und zu ihm zurück schicken konnte. Auf diesem Weg sollten wir Hilbert das Signal zum Aufbruch geben, wenn wir unsere Aufgaben erfüllt hätten.
Noch einmal genossen wir die Vorzüge eines festen Hauses, eines guten Bettes und eines Bades. Am nächsten Morgen wartet dann schon die Karawane vor der Akademie. Es waren zwölf Kamele, fünf davon als reine Lasttiere mit unserem Gepäck, Zelten und Vorräten, sowie bereits mit ein paar Schaufeln und Spitzhacken beladen. Tatsächlich trug mein Tier einen mit Tüchern verhangen Korb, der mit Kissen gepolstert ein halbwegs angenehmes Reisen ermöglichen sollte. Unsere Kleidung hatten wir an die Gepflogenheiten der Novadis und die Herausforderungen der Wüste angepasst und das Gepäck war in Wachstuch eingewickelt, um es vor dem Sand zu schützen.
„Seid mir gegrüßt Effendis. Ich bin Ramil, euer Führer. Der Junge dort, Saayim, mein Neffe, wird uns begleiten und mich beim Aufbau des Nachtlagers und der Versorgung der Tiere unterstützen. Haben die Herren sich schon überlegt, welchen Route sie wählen wollen?“
Obwohl jeder mögliche Weg seine Nachteile barg, entschieden wir uns über die Oasen Hayàbeth und Tarfui nach Keft zu reisen, um von dort aus weiter zur Oase Birscha zu ziehen. Nach einer kurzen Einweisung in den Umgang mit den Kamelen, die mir immer unsympathischer wurden, half man mir in meinen Korb und wir brachen auf.
Der Straße entlang des Mhalik folgend erreichten wir am nächsten Tag die Khôm, welche sich zunächst als Gesteins- und Geröllwüste präsentierte. Der Anblick erinnerte an ein Schlachtfeld, auf dem sich Erzdschinne oder Riesen bekämpft hatten. Überall ragten scharfkantige Felsformationen aus dem steinigen Boden und verwandelten die Wüste in einen Irrgarten. Hinzu kamen breite, tiefe Risse in der Erde, tödlich wie Tore in die siebte Sphäre. Nur vereinzelt erblickten wir Kakteen oder verdorrte Rosenbüsche.
Von nun an ging es nur noch langsam vorwärts. Zum einen machte sich die Hitze bald bemerkbar, zum anderen gab keine Straße, in meinen Augen sogar nicht mal einen Pfad. Unser Führer erkannte jedoch an verschiedenen Zeichen, dass wir uns auf der Karawanenroute befanden und wies den Weg. Auf die Hitze folgte die Nacht, die mit einer solchen Kälte über uns hereinbrach, dass sich in unseren Wasserschläuchen etwas Eis bildete. In Mäntel gehüllt saßen wir um ein kleines Feuer aus gesammelten Kameldung, ehe wir uns in die schützenden Zelte zurückzogen.

Am darauf folgenden Tag waren wir gegen Abend, laut Ramil, bereits in Nähe der Oase Hayàbeth als zwischen den Felsen ein Trupp Novadis auf Pferden hervor preschte. Mit erhobenen Waffen und wild schreiend stürmten sie auf uns zu. Wir waren, wie bereits erwähnt, gut vorbereitet und wussten, dass Novadis solche Scheinangriffe durchführen, um den Mut und den Wert ihres Gegenübers auf die Probe zu stellen. Daher ließen wir sie gewähren, ohne auch nur die Hand an die eigenen Waffen zu legen. Das Schauspiel war durchaus beeindruckend und Furcht einflößend. Aber die beeindruckende, perfekte Harmonie zwischen Pferd und Reiter erschloss sich uns erst, als der ganze Trupp aus vollem Galopp, keinen Schritt von uns entfernt zum Stehen kam. Es handelte sich um Beni Ukhra, einen Nomadenstamm, der zu jener Zeit in dieser Gegend weilte und sein Lager bei der Oase Hayàbeth aufgeschlagen hatte. Nach einigen freundlichen Worten eskortierte der Trupp uns zur Oase, die fest im Besitz der Beni Novad war. Dort wies man uns einen Platz für die Nacht an und gewährte uns am nächsten Morgen eine Audienz beim örtlichen Hairan, dem Sippenoberhaupt. Es gelang Travian mit großzügigen Gastgeschenken die Beni Novad dazu zu bewegen, sich auf Hilberts große Karawane vorzubereiten und sie willkommen zu heißen. Ich selbst blieb den Verhandlungen fern, um einer ungewollten Provokation vorzubeugen, meidet der rechtgläubige Novadi doch Magieanwender.
Anschließend setzten wir unsere Reise fort, wohl wissend, dass der nächste bewohnte Ort, die Oase Tarfui, über einhundert Meilen entfernt war. Der Boden wurde etwas sandiger, aber unsere Umgebeung wirkte dadurch nicht weniger ungastlich. In der Nacht hörten wir ein rauchiges Heulen in der Ferne. Ramil erklärte, dass es von Khoramsbestien stammte, einer Art Wildhunde, die sich ähnlich wie Wölfe in Rudeln organisieren und nachts gemeinsam auf die Jagd gehen. Tagsüber herrschte ein leichter, aber unangenehmer Wind, der uns ständig feinen Sand in die Augen wehte. Gegen Mittag wollten wir, wie üblich, die heißeste Zeit des Tages an einem kleinen Wasserloch verbringen. Doch unser Führer stellte besorgt fest, dass es versiegt war. Der Durst machte sich bald bemerkbar. Unsere Münder trockneten aus, die Lippen wurden spröde. Zwar hatten wir noch ein paar Reserven, doch mussten wir mit diesen nun extrem sparsam umgehen, denn Ramil war sich nicht sicher, wann wir wieder Wasser finden würden.
Des nächtens heulten erneut die Khoramsbestien, am nächsten Tag dann heulte ein starker Wind. Plötzlich sahen wir in der Ferne eine dunkle Wand auf uns zu rasen, ein Sandsturm. Ramil und Saayim gaben uns Anweisungen und machten unsere Ausrüstung so sturmsicher wie möglich. Wir suchten gerade noch rechtzeitig Schutz hinter unseren Kamelen, da fegte auch schon mit ohrenbetäubenden Lärm der Sturm über uns hinweg. Halb vom Sand begraben überstanden wir ihn jedoch unbeschadet, mussten allerdings feststellen, dass zwei Kamele verschwunden waren. Unsere beiden Führer machten sich sogleich auf die Suche.
Nach Stunden des Wartens erblickte Anjun Saayim, der alleine, außer Atem und Blut verschmiert auf unser Lager zugewankt kam.
„Effendis, Effendis, schnell folgt mir!“, keuchte er auf die Knie fallend. „Er stirbt, wenn wir uns nicht beeilen. Schnell, ehe die Bestie zu ihm zurückkehrt!“
„Nun mal langsam und von vorne. Was ist geschehen? Travian, schnell bring Saayim etwas Wasser. Der arme Kerl ist ja völlig ausgetrocknet!“, rief Fernandez, während er sich neben den Jungen kniete und seine Verletzungen untersuchte.
„Wir fanden die Spur von einem Kamel und folgten ihm zu einem Wasserloch. Mein Onkel sagt, er kennt es noch nicht. Aber diese Tiere finden überall Wasser, Effendi. Doch der große Jäger, der sandfarbene Tod, wartet dort nur auf seine Beute. Als wir ankamen, tat der grässliche Löwe schon das Blut von unserem Kamel saufen. Da sind wir weggerannt. Aber die Bestie hatte uns schon gewittert. Sie brüllte und rannte uns hinterher. Ich hatte solche Angst! Der Löwe war verdammt schnell. Mein Onkel fand einen dicken Stock. Ich hab Steine nach dem Ungeheuer geworfen. Oh Rastullah, wie konnte so etwas nur passieren? Ramils Bein hats erwischt, bevor ich dem Vieh Sand in die Augen werfen konnte. Dann ist es abgehauen. Mein armer Onkel, er sagt, er hat so viel Blut verloren und schickte mich los die Effendis zu holen. Bitte beeilt euch, wer weiß wann der Löwe wieder kommt!“
Voller Sorge brachen wir das Lager ab und eilten von Saayim geführt zum Wasserloch. Von Ramil oder dem Löwen war nichts zu sehen. Auch der Kadaver des Kamels war verschwunden, dafür fand Anjun viele hundeartige Spuren. Khoramsbestien, vom Aas angelockt. Saayim war verzweifelt. Doch wir konnten nicht viel tun, denn die Nacht war bereits am Hereinbrechen. Wir versprachen am nächsten Morgen den Spuren zu folgen.
Mit dem Morgengrauen standen wir auf. Während die Übrigen unsere Wasservorräte auffüllten und die nähere Umgebung nach Ramil absuchten, folgte ich mit Anjun der Fährte der Khoramsbestien bis hinein in eine Reihe aus Hügeln und Felsformationen. Tatsächlich fanden wir ihre Höhle. Doch was nun?
„Ich könnte mich unsichtbar in die Höhle begeben und nach Ramil suchen.“, schlug ich vor. „Nazir, sei kein Narr! Die haben so gute Nasen, die müssen dich nicht sehen, um dich zu fressen! Außerdem, wenn Ramil da drin ist, dann ist er tot, nicht mehr als ein Haufen abgenagter Knochen.“, erwiderte Anjun und schweren Herzens musste ich ihm zustimmen. „Aber,“ ergriff der Jäger wieder das Wort, „wenn Ramil nicht da drin ist, sondern sich irgendwo versteckt hält, dann ist dieses Rudel eine ernste Bedrohung für sein Leben und nebenbei auch für uns und die verbliebenen Kamele. Ich denke, wir sollten etwas gegen dieses Viehzeug unternehmen!“
Ich eröffnete den Kampf mit einem 'Ignisphaero', den ich in die Höhle schickte. Der Geruch von verbranntem Fleisch, das wilde Heulen und verängstige Winseln verrieten, dass wir zumindest einen Teilerfolg erzielt hatten. Nun musste es schnell gehen. Aus meinem Stab entließ ich einen 'Nihilogravo Schwerelos' direkt vor dem Höhleneingang. Als die Bestien heraus stürmten, gerieten sie in die Zone der Schwerelosigkeit und verloren den Kontakt zum Boden. Anjun brauchte ein paar Schüsse, um sich auf das ungewohnte Flugverhalten seiner Pfeile einzustellen. Dann erledigte er präzise ein Tier nach dem anderen. So gelang es uns zu zweit das gesamte Rudel auszurotten.
Um Gewissheit zu erhalten, wagten wir uns in den Bau der Khoramsbestien, konnten jedoch keinen Hinweis aus Ramil finden. Erschöpft, aber dennoch hoffend, dass unser Führer noch lebte und die anderen ihn vielleicht gefunden hätten, kehrten wir zum Wasserloch zurück. Saayim rannte uns entgegen. Als er sah, dass wir alleine waren, begann er zu schluchzen.
Die Lage war ernst. Es bestand nur noch geringe Hoffnung Ramil lebend wieder zu finden und Saayim war noch kein vollwertiger Führer. Folglich stand unser aller Leben auf dem Spiel. Ich bat die anderen mich nicht zu stören, entfernte mich etwas vom Lager und begann einen Lufdschinn zu rufen. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich die Elemente bitten musste uns zu helfen. Ich habe sie jedoch nie leichtfertig gerufen. Man darf die Gnade, ein solch vollkommenes Wesen herbei bitten zu können, nicht für niedere Ziele missbrauchen. Die luftige Schönheit, die sich an jenem Tag vor mir manifestierte, besaß die Güte nach Ramil zu suchen und ihn in unser Lager zu bringen.
Es dämmerte bereits als die Sultani der Luft mit Ramil in ihren Armen zum Wasserloch zurückkehrte. Ich bedankte mich bei der Dschinni und sie entschwand. Fernandez stellte sofort fest, dass Ramil noch lebte. Während er sich mit Anjun sogleich an die Wundversorgung machte und Gero dem Bewusstlosen Wasser einflößte, entließ ich den zweiten und letzten Cantus aus meinem Stab, einen heilenden 'Balsam Salabunde'. Als unser Führer nach gut einer Stunde wieder die Augen öffnete, war Saayim so glücklich, dass wir besorgt waren, er könnte den Verletzten erwürgen, so fest wie er ihn an sich drückte.
Erschöpft und zufrieden begaben wir uns zur Ruhe, jedoch nicht ohne Wachen für die Nacht einzuteilen. Diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich als lebensrettend, denn in jener Nacht kehrte der Sandlöwe zum Wasserloch zurück. Und er hatte seine Familie mitgebracht.

Das abnehmende Madamal warf nur noch wenig Licht, als Anjun seine Wache um Mitternacht antrat. Er saß auf einem größeren Felsblock und lauschte in die Dunkelheit hinaus, als eines der Kamel zu schnauben begann. Langsam zog der Nordmann einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf die Sehne, während er zu den Kamelen schlich. Die Tiere waren mittlerweile alle erwacht und nervös. Da glaubte der Jäger kurz aus der Dunkelheit ein paar unheimliche Augen aufleuchten zu sehen. Schnell huschte er zu den Gefährten und weckte uns.
Vorsorglich hatten wir das Lager so aufgeschlagen, dass wir an zwei Seiten Schutz durch ein großes Felsenmassiv hatten. Ein vorgelagerter Fels reduzierte die beiden übrigen Seiten auf zwei Durchgänge, wobei im schmaleren ein verdorrter Strauch wuchs.
Ich trieb mit unseren Führern die Kamele dicht an das Felsmassiv und behielt den breiten Durchgang im Auge, was auf Grund der Lichtverhältnisse nicht einfach war. Fernandez und Gero platzierten sich dort. Anjun kletterte wieder auf den vorgelagerten Felsen und Travian packte seine in Wachstücher gewickelten Armbrüste aus und präparierte sie. Anjun erreichte seinen Platz gerade rechtzeitig. Ein großer Sandlöwe sprang auf den Felsen. Geschickt wich der Freund dem Prankenhieb der Bestie aus und schoss ihm einen Pfeil aus nächster Nähe direkt in den Hals. Doch das Tier wurde dadurch nur noch wütender. Es sprang den tapferen Jäger erneut an. Dieses Mal hatte Anjun weniger Glück. Der Löwe verbiss sich in seiner Schulter. Schnell machte sich Gero ebenfalls daran den Felsen zu erklimmen, wobei er seinen schweren Hammer zwischen die Zähne nahm. Gero erreichte Anjun keinen Augenblick zu früh. Ein zweiter Löwe erschien auf dem Felsen. Mit einem mächtigen Hieb seines Hammers warf der Streiter der Drachenqueste den ersten Löwen vom Felsen hinab in die finstere Nacht.
Die zweite Raubkatze beobachtend flößte Gero dem schwerverletzten Jäger einen Heiltrank ein. Dann griff er den Löwen an. Ich sah weitere glänzende Augenpaare in der Dunkelheit. Da ein Schatten! „Vorsicht, Fernandez!“
Travian hatte seine schwere Armbrust gerade gespannt als zwei Löwen sich auf Fernandez stürzten. Der Bolzen traf. Anjun war wieder auf den Beinen und schoss vom Felsen herab. Der getroffene Angreifer zog sich zurück. Den anderen konnte Fernandez mit seinem Rapier so verletzen, dass er ebenfalls die Flucht ergriff. Aber der Draconiter war verletzt. Ich eilte zu ihm und wirkte einen 'Balsam'. Doch kaum hatte ich mich wieder zu den Kamelen zurückgezogen, da fielen erneut zwei Löwen über Fernadez her. Travian war noch nicht wieder schussbereit und Anjun waren die Pfeile ausgegangen. Ihm war ein Großteil der Geschosse aus dem Köcher gefallen, als der Löwe in niedergeworfen hatte. Ich sammelte meine letzten arkanen Reserven und lenkte mit ihnen einen 'Ignifaxius' auf eines der Tiere. Es brüllte und ergriff brennend die Fluch. Der andere Löwe aber hatte Fernandez zu Boden gerissen. Heldenhaft sprang Anjun mit gezogenem Kurzschwert vom Felsen auf den Löwen und rettete Fernadez das Leben.
Zum gleichen Zeitpunkt sprang mich ein Löwen an. Er hatte sich durch den schmalen Durchgang geschlichen. Ich schlug mit dem Kopf auf den Felsboden und verlor das Bewusstsein. Es war Travian, der die Armbrust fallen lies, seine Orknase zog und der Raubkatze mit einem Schlag die Halswirbel durchtrennte. Fernandez lag noch immer kampfunfähig und blutend auf der Erde. Gero erschlug endlich seinen Gegner und sprang vom Felsen. Anjun war überwunden worden. Das Tier schleifte ihn am Hals gepackt vom Lager fort. Das Blut des treuen Jägers sprudelte aus seinen Wunden, als Gero bei ihm ankam und den letzten Löwen vertrieb.
„Travian, schnell, Anjun stirbt und meine Heiltränke sind beim Sprung vom Felsen zerbrochen!“, schrie Gero, während er versuchte mit seiner gewaltigen Hand den Blutfluss zu unterbinden.
„Fang!“, rief der Händler und warf die letzte Flasche mit dem rettenden Elixier in Richtung des Durchgangs. Gerade so gelang es, Anjun vom Weg in Borons Hallen zurückzuholen.
Teils schwer verletzt hatten wir den Angriff der Sandlöwen überstanden. Dennoch blieb uns nichts anderes übrig, als am nächsten Morgen die Reise fortzusetzen. So erreichten wir zwei Tage später die Oase Tarfui. Während Travian auch hier die nötigen Verhandlungen führte, leckten wir unsere Wunden. Erst am fünften Tag nach unserer Ankunft fühlten wir uns kräftig genug um weiter zu ziehen.
Die Reise durch die Dünen der Sandwüste nach Keft hielt neben dem gigantischen Anblick des Cichanebi-Salzsees noch weitere Höhepunkte bereit. Am ersten Tag sahen wir am Himmel einen Purpurwurm seine Kreise ziehen. Am darauffolgenden Tag bemerkten wir eine seltsame elementare Erscheinung: kleine Luftwirbel, die mich zu einer Analyse veranlassten. Dabei stellte ich fest, dass wir die Konzilslinie kreuzten, also eine jener bedeutenden großen Kraftlinien, die auch durch Drakonia verlief und mir daher von ihrem Wesen her vertraut war. Allerdings hatte sie sich verändert. Sie wirkte ausgefranst und pulsierte unregelmäßig. Mir wurde bewusst, dass etwas Großes im Gange war und ich beschloss nun regelmäßig nach Kraftlinien Ausschau zu halten. Des nächtens konnten wir schließlich den Kampf zweier Drachen am Himmel erblicken, die durch ihren Feueratem immer wieder gut sichtbar wurden. Ein wirklich beeindruckendes Schauspiel.
Im Laufe des nächsten Tages stießen wir auf eine andere Karawane, die ebenfalls Richtung Keft unterwegs war. Wir beschlossen gemeinsam weiterzuziehen und kamen ins Gespräch. Wir berichteten von den Khoramsbestien und den Sandlöwen. Der andere Karawanenführer erzählte uns, dass ein Dschinn der Nacht in dieser Gegend gesehen worden sein soll. Ich Tor erkannte nicht die Bedeutung dieser Worte und lachte still in mich hinein: Einen Dschinn der Nacht, so etwas Lächerliches hatte ich noch nie gehört. Erst sehr viel später, nach unserer zweiten oder dritten Begegnung mit diesem 'Dschinn der Nacht', erkannte ich meinen Fehler. Die Novadis, und dies wusste ich eigentlich, nennen in ihrer Unkenntnis auch die Angehörigen des Volks der Elfen Dschinne. Ein 'Dschinn der Nacht' ist folglich ein Nachtelf, ein Dunkelelf, ein Geschöpf Pardonas, halb Dämon, halb Elf. In unserer Naivität erkannten wir einfältigen Söhne eines Tatzelwurms die Bedrohung nicht.
Am Morgen bevor wir Keft erreichten, konnte ich erneut eine seltsam fluktuierende Krafltinie ausfindig machen. Die Wasservorräte waren erschöpft und insbesondere Fernandez war auf Grund der Hitze ständig am Klagen. Ich überlegte, wie ich, dem die Hitze wenig ausmacht, helfen könnte. Einst war es mir gelungen nicht nur das Feuer, sondern auch seinen Gegenspieler, das Wasser, zu begreifen. Damals forderte eine Mission von meinen früheren Gefährten und mir, die gestörte elementare Ordnung einer Globule, einer kleinen weiteren Welt neben Dere, in der Bolde leben, wieder herzustellen. Durch lange Meditation war es mir daraufhin gelungen beide Elemente in mir zu harmonisieren. Nur deshalb erlernte ich den seltenen Cantus, den ich nun plante etwas unkonventionell einzusetzen.
„Aquasphaero Wasserball!“, rief ich und eine große Kugel aus Wasser drehte sich vor meinen Handflächen. Ich lenkte die Kugel weit in den Himmel über einer kleine Senke und ließ sie explodieren. Mein Plan ging auf, das Wasser regnete über der Senke nieder und füllte diese mit dem kühlen Nass. Mensch und Kamel tranken und erfrischten sich, sodass selbst Fernandez wieder Mut schöpfte und wir ohne Verluste am Abend die Oase Keft erreichten.

In jener Oase, in der Rastullah sich den Novadis offenbart haben soll, waren Ungläubige wie wir nicht gerne gesehen. Das Betreten des Tempelbezirks hätte gar zu ernsthaften Problemen führen können. Von daher hielten wir uns vornehmlich am Rande der Neustadt auf. Als Magier verbrachte ich sogar die meiste Zeit unseres Aufenthalts im Zelt, schließlich wollten wir den Frieden nicht stören. Zugegebenermaßen beeindruckte mich Keft auch nicht besonders: Eine große Ansammlung von Zelten, Lehmhütten, Kamelen, Pferden, Ziegen und mehr oder weniger fanatischen Rastullahanhängern. Khunchom oder Fasar sind imposantere Metropolen. Travian verhandelte auch hier für Hilbert und eine Karawanserei sicherte ihm zu, sich für die Ankunft des Hauptexpeditionstrupps vorzubereiten. Sechs Tage blieben wir und erholten uns, um am siebten frisch gestärkt zur Oase Birscha aufzubrechen. Doch am Morgen des Abreisetages war Anjun verschwunden. Wir fanden lediglich ein Stück Pergament auf dem in seiner Handschrift stand: „Bin gleich zurück. Muss noch was erledigen. Sucht nicht nach mir!“
Stunden vergingen, wir warteten, doch der Jäger kam nicht wieder. Wir machten uns Sorgen und begannen ihn zu suchen. Als der Tag sich dem Ende neigte, hatten wir immer noch keine Spur von ihm gefunden. Auf Grund der Erfahrung mit der Suche nach Ramil baten mich meine Gefährten einen Dschinn zu rufen, der nach Anjun suchen sollte. Mich überzeugte diese Idee zwar nicht, aber auch ich wurde von Sorgen um den Freund geplagt. Erinnerungen und Schuldgefühle wurden wach. Ich war nicht da gewesen, als Xornimosch mich gebraucht hätte. Ich hatte nicht alles versucht, um ihm in der Stunde der Not beizustehen. Nein, ich wollte und konnte nicht noch einmal einen Freund verlieren, wenn es irgendwie in meiner Macht stand, etwas für ihn zu tun.
Ich war mir des Risikos bewusst. Wenn die Novadis erführen, dass ich in ihrer heiligen Stadt ein magisches Wesen herbeigerufen hatte oder herbeirufen wollte, würde dies meinen Tod bedeuten. Aber es gab für mich keine Wahl. Ich ging in mein Zelt und rief einen Luftdschinn. Bereits beim Erscheinen der luftigen Schönheit wäre die Zeltplane beinahe abgehoben. Ich bat sie inständig im Umkreis von einer Tagesreise zu Kamel die Gegend nach Anjun abzusuchen und ihn zu mir zu bringen. Dabei sollte die Dschinni sich spiralförmig vorarbeiten. Auch bat ich sie, ihren traumhaften Körper zu verbergen, schließlich wollte ich so wenig Aufsehen wie möglich erregen. Das verspielte Wesen begann sofort mit der Suche, wobei mein Zelt einstürzte, als sie es verließ. Doch bei den sechs Hohen und den sechs Alten Drachen, mein Wunsch war nicht klar genug formuliert gewesen. Denn spiralförmig raste nun ein Sandsturm auf Keft zu. Panik brach in der Stadt aus. Zelte und Lehmhütten wurden gleichermaßen umgeweht und eingerissen, Palmen brachen, Tiere flohen und Menschen wurden verletzt. Wie ich später erfuhr, soll es sogar Tote gegeben haben. Was hatte ich nur getan! Ich hatte lediglich einem Freund helfen wollen und stattdessen brachte ich Leid und Verderben. Es war nicht das erste Mal, dass meine Wünsche unpräzise waren. Aber an jenem Abend schwor ich bei den sechs Elementarherrn, dass ich an meiner Konzentration und meinen Fähigkeiten arbeiten würde, damit so etwas nie wieder passieren kann.
Zu allem Überfluss blieb die Suche nach Anjun erfolglos. Wir warteten noch bis zum übernächsten Morgen, dann brachen wir schweren Herzens ohne ihn auf. Selbst der Vogel, der uns seit Keft zu folgen schien und jeden Abend zwitscherte, ohne das wir ihn je zu Gesicht bekamen, konnte uns nicht aufmuntern.
Nach zwei Tagen bemerkte Travian, dass wir auf unerklärliche Weise Wasser aus unseren Vorräten verloren hatten. Da wir jedoch am darauf folgenden Tag ein Kakteenfeld passierten, nutzten wir die Flüssigkeit dieser stacheligen Pflanzen um unsere Wasserverluste auszugleichen. Im Morgengrauen des vierten Tages entdeckte Gero, der gerade Wache hielt, wie sich eine humanoide Kreatur an unserem Wasser zu schaffen machte. Es war keine Herausforderung für den Streiter der Drachenqueste das Wesen zu stellen und uns zu wecken.
Zu unserer aller Überraschung hatte Gero einen Elfen gefangen gesetzt. Auf unsere Fragen hin, stellte er sich als Kiain Einauge vor. Er sei ausgezogen, um das Wissen der Hochelfen zurück zu erlangen und sein, wie er es nannte, 'herunter gekommenes' Volk zu einer neuen Blüte zu führen. Die Ruinen Tie'Shiannas, einst eine mächtige Stadt der Hochelfen, waren es, die ihn in die Khôm gelockt hatten. In Keft hatte er eine unserer Transportkisten für Schaufeln und Spitzhaken ausgeleert und stattdessen sich darin versteckt. So wollte er unbemerkt von einem unserer Lastkamele getragen werden. Er war es auch, der nächtens auf seiner Flöte spielte und nicht etwa ein singender Vogel.
Während unseres Gespräches erkannten Fernandez und ich den für Elfen untypischen Forschergeist, der Kiain beseelte. Er wusste viel zu berichten und war hoch gebildet. Seine letzten Studien hatte er in Selem und Umgebung betrieben. Als er hörte, wir würden eine Ausgrabung am Wal El-Khômchra vorbereiten, war er sofort neugierig und bat sich uns anschließen zu dürfen. Travian und Fernandez waren zunächst etwas zurückhaltend, da Kiain Einauge, wie sein Name schon sagt, nur noch ein Auge hat. Sie befürchteten dies könnte ein Zeichen sein, dass er mit dem Namenlosen im Bunde wäre. Ich beschwichtigte sie. Zwar hatte ich beide Augen, aber dafür keinen Schatten mehr. Das war ihnen damals auch erst nach Tagen in Khunchom aufgefallen und hatte sie zunächst verstört. Denn auch dieser Mangel wurde gemeinhin den Verehrern des Namenlosen zugeschrieben. Trotzdem waren sie mit mir auf Reisen. Daraufhin brach eine dieser ewig andauernden Debatten los, die wir in jenen Tagen so oft führten, ob ich nicht ein Ketzer sei, da ich die Hohen Drachen und die Elemente verehre wie Götter. Kiain leugnet gänzlich die Existenz von Göttern, was unseren Drakoniter schier zur Weißglut trieb. Zum Glück für den Elfen machte Travian im Gesprächsverlauf eine abfällige Bemerkung über das Horasreich. Daraufhin stritt er mit Fernandez stundenlang, welches Reich denn nun eine abtrünnige Provinz des jeweils anderen Reiches sei. So entwickelte sich eine endlose, mehr oder weniger philosophische Diskussion. Gero saß meist nur dabei und schüttelte den Kopf.
Nach einer wie es schien ewig langen Reise schließlich, erblickten wir am Horizont die gesuchten Tafelberge und zogen in deren Schatten weiter. Noch einmal konnten wir in der Ferne einen Drachen am Himmel erblicken. Plötzlich nahmen wir eine Gestank war, den wir zunächst nicht zuordnen konnten. Wie sich herausstellte, stammte er vom Gerberviertel der Oase Birscha. Wir waren am Ziel unserer Reise angekommen.

Rakkdan
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Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

B) Birscha – Verhandlungen und Chorbash
An einen Ausläufer des Djurkaram-Massivs schmiegt sich die durch eine Kakteenhecke geschützte Oase Birscha. Ein mit Dattelpalmen umrahmter See befindet sich im Zentrum zwischen einfachen Lehmhütten, die gemeinsam mit in den Fels gehauen Wohnräumen ungefähr 600 Menschen eine Heimat bieten. Über den Häusern und Feldern thront düster und mächtig der gewaltige Funduq, ein festungsartiger Bau, der in den Felsen übergeht und dem Scheich der Oase als Palast dient. Beeindruckt vom durchdachten Bewässerungssystem der Felder zog unsere kleine Karawane in die Wüstenstadt ein, nichts ahnend, dass wir bereits erwartet wurden.
Im Hofe der Karawanserei, welche ein gewisser Khorim ben Yolrak führte, fanden wir zu unserer großen Überraschung Shabra al'Shabra, die treue Kleineisenhändlerin, die wir im entfernten Khunchom wähnten. Sie erzählte uns, Hilbert hätte sie uns mit einem geheimen Spezialauftrag hinterher geschickt. Sie hatte sich für die nördliche Route durch die Wüste entschieden und konnte ohne größere Verzögerungen reisen, sodass sie bereits vor drei Tagen in der Oase eingetroffen war. Wir tauschten unsere Erlebnisse aus und beschlossen daraufhin zunächst ein ausführliches Bad zu nehmen.
Es dämmerte bereits als der Letzte aus dem Zuber stieg und wir ein lautes Stimmengewirr vernahmen. Trotz der allgemeinen Müdigkeit trieb die Neugierde uns dazu an, der Ursache des Lärms auf den Grund zu gehen. Außerhalb der Kakteenhecke hatte sich eine Menschentraube gebildet, die wild durcheinander schnatterte. Als wir näher traten, wurde wir misstrauisch beäugt. Nicht wenige Blicke senkten sich auf unsere Füße. Der Grund für dieses merkwürdige Verhalten wurde mir klar, als ich die Ursache des Tumults sah: Eine Fußspur im Sand. Dies wäre eigentlich nichts Besonderes. Auch deutete die Form nicht auf irgendeine Bestie hin, sondern war menschlich, nicht jedoch die Größe. Was für eine Kreatur war hier gewandert, eine Oger, ein Troll oder gar ein kleiner Riese? Wir beschlossen die Sache zu untersuchen, verschoben es allerdings auf den nächsten Tag. Die hereinbrechende Dunkelheit hätte selbst die Verfolgung einer so deutlichen Fährte schnell unmöglich gemacht.
Am nächsten Morgen gingen wir nach einem gemütlichen Frühstück wieder vor die Hecke. Aber ein leichter Wind hatte die Spur im Sand bis zur Unkenntlichkeit verwischt, sodass wir unverrichteter Dinge umkehren mussten.
Wir erbaten uns eine Audienz bei Scheich Alim al'Mosja, dem Herrn der Oase, um die notwendigen Erlaubnisse für die Ausgrabung einzuholen. Dieser empfing uns freundlich und zeigte sich durchaus interessiert an einer Ausgrabung, die vergessene Heldentaten seiner Ahnen wieder in Erinnerung rufen könnte. Leider stand es jedoch nur bedingt in seiner Macht uns zu unterstützen. Er versicherte uns seiner Zustimmung, doch die Erlaubnis für die Grabung konnte uns nur Faisal ben Schuf erteilen, der Hairan der Beni Schuf, denen das Land gehörte, auf dem die Ausgrabung stattfinden sollte. Doch würden wir auch die Einwilligung jener Harani benötigen, deren Sippe das einzige Wasserloch in der Nähe ihr Eigen nannte. Etwas ungläubige fragte Travian nach, ob es sich tatsächlich um ein weibliches Sippenoberhaupt handele, steht doch für den gläubigen Novadi die Frau im Rang erst nach dem Pferd. Betrübt bestätigte der Scheich diesen Sachverhalt, murmelte etwas von stellvertretend für den Sohn und erklärte, dass die erwachsenen Männer der Sippe alle im Zuge einer Blutfehde gestorben seien. In wenigen Tagen jedoch würde hier in der Oase Birscha ein großes Stammestreffen aller Beni Schebt, ein Chorbash, stattfinden, zu dem sogar der Sultan und weitere Scheichs erwartet wurden. Im Zuge dieser Versammlung sollten die Frauen der Beni Achawi – so hieß die Sippe – neu vermählt werden oder ihr Land an eine andere Sippe übergehen.
Mit diesen Informationen ausgestattet machten wir uns auf die Suche nach dem Ort, an dem Hilbert graben wollte. Von der Oase aus folgten wir dem Felsmassiv gen Norden bis wir die beschriebene Stelle fanden. Tatsächlich weideten dort Ziegen und in nicht allzu großer Entfernung erkannten wir ein kleines Zeltdorf.
Shabra und Travian waren sich einig, dass es wohl besser wäre schon im Vorfeld des großen Treffens Verhandlungen zu führen. Also ritten wir zu den Zelten. Die Beni Schuf verfügten über große Herden und Travian verhandelte mit ihnen bis in die Abendstunden, damit sie das Land sowie Transport- und Schlachttiere zur Verfügung stellten. Natürlich wurden sie gut bezahlt und wir nahmen auch einige ihrer Männer als Arbeiter, Hirten und Wachen in Lohn und Brot. Zu meiner Verwunderung kehrten wir nach diesem erfolgreichen Gespräch nicht direkt zur Oase zurück, sondern besuchten noch ein weiteres Zeltdorf.
Trotz der Warnung des Sultans waren wir erstaunt keinen erwachsenen Mann im Dorf zu finden. Wir wurden zur Harani vorgelassen und Travian gestattete Shabra, die Verhandlungen von Frau zu Frau zu führen. Mir war am Ende nicht klar, was nun wirklich vereinbart wurde, doch scheinbar wollte die Sippe keine materielle Bezahlung, sondern Unterstützung bei der anstehenden Versammlung, insbesondere bezüglich Grenzstreitigkeiten und Blutfehde mit den Beni Rafiya und als Heiratsvermittler. Jedenfalls erklärte mir Travian auf dem Rückweg, ich müsse mich in den nächsten Tagen gemeinsam mit Fernandez mit dem hiesigen Recht vertraut machen.
Mystisch leuchtete der See im Licht der Sterne als wir zu mitten der Nacht wieder in Birscha eintrafen. Mit Fernandez begab ich mich am nächsten Morgen zum Gebetshaus, um den örtlichen Mawdli, Abu Hairir, um Unterweisung in Recht und Glauben zu erbitten. Etwas mürrisch, wenn nicht gar ablehnend erklärte dieser sich bereit uns zu unterweisen und dies wohl auch nur, weil unser reges Interesse ihm Hoffnung machte, uns missionieren zu können. Die Stimmung drohte allerdings bald zu kippen, als wir unsere Verwunderung über die Speisegeboten und insbesondere den gelbpelzigen Khômmaulwurf ausdrückten. Phex sei Dank, gelang es Fernandez die Wogen, die ich aufwarf, wieder zu glätten. Während wir fragten und den Worten des weisen Mannes lauschten, gingen die übrigen Gefährten zum örtlichen Schmied. Sie wollten ihn bitten, für uns Werkzeuge herzustellen und gegebenfalls während der Ausgrabung zu reparieren.
„Mit ungläubigen Hunden wie euch verhandle ich nicht! Beweist, dass ihr es Wert seid angehört zu werden. Bringt mir einen Säckchen voll Sand vom heiligen Feld der Offenbarung. Und, äh, genau, beschafft mir eine Original-Abschrift der Kefter Rechtsschule vom 41. Gesetz Rastullahs. Wenn euch das gelingt, dann werde ich euch vielleicht zuhören und nun verschwindet, ihr ungläubiges Pack!“ Mit diesen Worten schlug der Schmied, ein gewisser Ruyad sal Araham, seine Tür direkt vor Geros Nase zu. Ratlos blickten die vier sich an und trotteten unverrichteter Dinge zurück zur Karawanserei. Kiain schlug vor, er könne sich in einer Kiste der nächsten Karawane verstecken, die gen Keft aufbrach, das Nötige besorgen und auf gleichem Wege zurück kommen. Doch wollte dieser Vorschlag den Übrigen nicht so recht gefallen. Also riefen sie unsere Führer zu sich und schilderten ihnen das Problem. Die beiden treuen Seelen erklärten sich bereit, die nächste Karawane zu begleiten und das Gewünschte hierher zu bringen. Als Ungläubige würden wir in Keft sowieso weder das eine noch das andere erhalten. Daher wäre es hinderlich gewesen, wenn wir sie begleitet hätten.
Am nächsten Tag setzten Fernandez und ich unsere Studien fort, als plötzlich ein völlig vermummter Novadi, der uns irgendwie bekannt vorkam, das Gebetshaus betrat. Seine schwarze Kleidung war staubig, so als ob er gerade erst in der Oase eingetroffen wäre. Er betete lange und laut zu seinem Gott, eher er sich uns zuwandte. „Möge der eine Gott mit euch sein! Mein Name ist Asch'na Gar. Darf ich die Namen jener ungläubigen Fremden erfahren, die ins Haus des Herrn gekommen sind, um ihren falschen Glauben abzulegen und die Wahrheit und Weisheit des großen und gütigen Rastullah zu erkennen?“ Es bedarf wohl keiner langen Erklärung, was auf diese Begrüßung folgte. Fernandez sah sich herausgefordert zu einem Duell, welches nicht mit scharfen Klingen, sondern mit scharfen Worten geführt wurde. Der theologische Disput dauerte lange und ich wendete mich bald wieder dem Studium zu, war doch der Draconiter unsere Kompetenz in Glaubensfragen. Die aus meiner Sicht interessanteste Information Asch'na Gars war, dass der Gelehrte mit einer Karawane aus Keft eingetroffen war. Offenbar hatte dieser Jünger Rastullahs bereits in Keft Interesse an uns gewonnen und war uns nur des Disputs wegen nachgereist. Um so erstaunlicher fand ich es, dass Asch'na Gar in den nächsten Monden immer und immer wieder das Gespräch mit uns suchte, fast so als wollte er uns tatsächlich seinen Gott näherbringen, ein wahrlich seltsamer Mann.
An jenem Abend wurde noch ein kleines Fest zu Ehren des Scheichs der Beni Terkui, Serham ben Furka, gefeiert, der mit seinen Männern ebenfalls im Laufe des Tages Birscha erreicht und am Rande der Oase eine kleine Zeltstadt errichtet hatte. Die Feier fand im Hof der Karawanserei statt und über dem großen Feuer schmorte ein saftiges Dromedar. Gebannt lauschten wir den Instrumenten und beobachteten die ausgelassenen Söhne der Wüste, ehe wir spät zu Bett gingen.
Ein Vogel zwitscherte und die Strahlen der Sonne kitzelten meine Nase, als wir nach dem Frühstück entspannt um den See schlenderten und unser weiteres Vorgehen besprachen. Plötzlich zerriss Waffenlärm gefolgt von heulenden und schreienden Frauen den paradiesischen Frieden des Augenblicks. Hilfsbereit eilten wir zur Quelle der Unruhe und fanden zwei bewaffnete Männer in ihrem Blut liegend vor. Ein dritter Novadi stand mit blutigem Khunchomer daneben und wurde von einem Dutzend Frauen aufgehalten. Einer der am Boden Liegenden hatte ein Ohr verloren, schwebte jedoch nicht in akuter Gefahr. Der Andere aber hatte tiefe Wunden in der Brust. Kiain machte sich sogleich daran ihn mittels Magie ins Leben zurückzuholen und die Wunden zu schließen. Ich sah dem Elfen die Anstrengung an und mir war bewusst, dass die Rettung des Mannes viel von unserem neuen Gefährten verlangte, vielleicht zu viel.
Doch ich hatte Kiain unterschätzt, ihm gelang das Wunder. Allerdings mussten wir Übrigen ihn schützen, denn die versammelten Frauen und einige der herbeieilenden Novadis wollten ihn aufhalten. Die einen, weil sie in ihrem blinden Glauben davon ausgingen Magie sei etwas Böses, die anderen, weil sie behaupteten der Mann hätte den Tot verdient.
Endlich trafen auch Wachen des Scheichs ein und nahmen die Kämpfer fest. Der Schwerverletzte gehörte zu den Beni Schuf, seine beiden Angreifer waren Beni Terkui. Die Wachen warfen diesen beiden vor, den Frieden des Chorbash gebrochen zu haben. Worum es eigentlich ging wollte keiner erzählen.
Mittlerweile waren Sprecher beider Sippen eingetroffen. Die Beni Schuf verlangten Blutrache und Scheich Alim al'Mosja war trotz all seiner Umsicht geneigt sie ihnen zu gewähren. Wir konnten beide Parteien soweit beruhigen, dass sie uns gestatteten den Vorfall zu als neutrale Mittler zu untersuchen. Somit gelang es uns wieder einmal Probleme, die nicht unsere waren, zu unseren zu machen.
Den restlichen Tag verbrachten wir in zahl- und sinnlosen Gesprächen mit verschiedensten Mitgliedern und Oberhäuptern beider Sippen, sowie mit Scheich Alim. Irgendwie wollte uns niemand so recht etwas zu dem Vorfall sagen oder uns gar unterstützen. Die Novadis sind ein unwahrscheinlich dickköpfiges Volk, deren Stolz und falscher Ehrbegriff irgendwann dazu führen wird, dass sie sich gegenseitig ausrotten. Shabra gelang es schließlich – dem weisen Naclador sein Dank – das Vertrauen einer der Frauen der Beni Terkui zu gewinnen:
Der Beni Schuf war wohl nach dem gestrigen Fest so berauscht, dass er einer jungen Beni Terkui aufgelauert und sie vergewaltigt hatte. Als ihr Bruder dies erfuhr, rief er seinen Cousin zu sich und die beiden suchten den Übeltäter. Sie fanden ihn, griffen an und verletzten ihn schwer. Zuvor aber war es dem Beni Schuf gelungen dem Bruder seines Opfers ein Ohr abzuschlagen. Kiain war außer sich vor Wut, dass er sein Kraft verschwendet hatte, einem Vergewaltiger das Leben zu retten.
Am nächsten Morgen berichteten wir dem Scheich der Oase, dem Hairan der Beni Schuf und dem Scheich der Beni Terkui in Anwesenheit aller drei am Kampf Beteiligten, was wir heraus gefunden hatten. Die Beni Schuf verzichteten selbstverständlich auf die angedrohte Blutfehde und zahlten dem Vater der jungen Frau eine Entschädigung. Der Vergewaltiger wurde in die Verbannung geschickt, während die beiden Beni Terkui einen Freispruch erhielten. Der Prozess war gerade beendet als uns die Meldung erreichte, der Sultan Ferzef ben Hafir und weitere Stämme der Beni Schebt würden noch heute in Birscha eintreffen.
Den restlichen Tag verbrachten wir damit, dem bunten Treiben und Errichten einer gewaltigen Zeltstadt zuzuschauen. Für den nächsten Tag hatte Scheich Alim al'Mosja uns eine kurze Audienz beim Sultan organisiert, doch zuvor verhandelte Travian mit Scheich Serham ben Furka, der uns nach dem gestrigen Prozess sehr wohl gesonnen war. Wir erlangten seine Erlaubnis, das nötige Holz für unsere Ausgrabung in den Hohen Eternen gewinnen und hierher transportieren zu dürfen. Da das Rodungsgebiet, wie auch ein Großteil des Transportweges den Beni Terkui gehörte, waren wir erleichtert, diese als Verbündete zu wissen. Zumal sie auch die nötige Arbeitskraft für Rodung und Transport zu stellen bereit waren. Allerdings mussten wir zusagen, mit ihnen zu reisen, um die Rodung zu organisieren und die Novadis anzulernen.
Der Sultan empfing uns mit seiner Gemahlin im Funduq. Lange hatten wir überlegt, welches Geschenk für das Herrscherpaar der Beni Schebt angemessen wäre. Ich meinerseits hätte nicht damit gerechnet, dass die beiden sich so darüber freuen würden, dass Gero ihnen ein überlebensgroßes, bronzenes Abbild mit Edelsteinaugen zu schaffen versprach.
Unser Streiter der Drachenquest ist nämlich auch ein Spezialist im Metallguss und in den nächsten Wochen würde er genug Zeit haben, um die Statuen anzufertigen. Allerdings ist mir bis heute nicht klar geworden, warum wir Sultan und Sultana überhaupt etwas schenken sollten, reisten beide doch nach dem Chorbash wieder ab. Die Anderen aber waren überzeugt, dies sei notwendig und ich habe längst jeden Versuch, sie in solchen in solchen Dingen zu verstehen, aufgegeben.
Als wir den Funduq verließen, macht Travian folgenden Vorschlag:
„Das Wetter ist doch heute wieder einmal herrlich und eigentlich haben wir auch im Moment nichts mehr zu tun. Was haltet ihr davon, einen kleinen Ausflug ins Djurkaram-Massiv zu unternehmen? Die Aussicht von diesem Tafelberg muss faszinierend sein.“
Da niemand eine bessere Idee hatte, zogen wir ohne große Vorbereitung los. Unsere nette Wanderung geriet jedoch etwas ins Stocken, als wir den ersten Steilhang erreichten. Kiain meinte, das sei kein Problem. Er könne dort auch ungesichert hoch klettern und uns dann ein Seil herunter lassen. Erstaunt über den Mut des einäugigen Elfen, ließen wir ihn gewähren. Er war bereits mehr als acht Schritt empor geklettert, als er den Halt verlor und stürzte. Ich entließ den 'Nihilogravo' aus meinem Stab und verhinderte so, dass wir den neuen Gefährten an den felsigen Untergrund verloren. Dieser bedankte sich und versuchte sogleich erneut den Aufstieg. Dieses Mal konnte Gero ihn jedoch davon abhalten ungesichert zu gehen und die beiden erklommen die Wand gemeinsam. Travian bemerkte, dass es wohl geschickt gewesen wäre mehr Seil, Kletterhaken und Steigeisen mitzunehmen, umkehren wollte er jedoch auch nicht mehr. Nachdem wir alle fast unbeschadet die erste Steilwand überwunden hatten, erreichten wir bald darauf eine zweite, noch höhere. Wieder gingen Gero und Kiain voran, doch der Elf stürzte erneut und prallte seitlich gegen einen Felsen.
Also setzte ich auch den 'Balsam' aus meinem Stab ein, denn mit seiner Knieverletzung hätten wir den Elfen schwerlich wieder zur Oase bekommen.
Es dauerte Stunden, bis wir alle die zweite Steilwand erklommen hatten und die Sonne ging hinter den Eternen unter als wir den Gipfel erreichten. Der Anblick war traumhaft. Die Weite der Khôm schien grenzenlos und doch konnte man die umrahmenden Gebirgszüge erahnen. Ich entschied mich einen 'Odem Arcanum' in der Umgebungsvariante zu sprechen, in der Hoffnung etwas für die Ausgrabung Nützliches zu entdecken. Doch was ich sah übertraf alles, was ich bisher wahrgenommen hatte.
Das wundervolle Leuchten starker Kraflinien und Knotenpunkte umgab uns. Basiliuslinie, Konzilslinie und Asfalothlinie bildeten ein Dreieck, in dessen Zentrum unsere Ausgrabungsstätte zu liegen schien. Die Konzilslinie war unruhig und pulsierte ungewöhnlich stark. Die Asfalothlinie sprang unregelmäßig im Raum und schien beinahe mehrere Positionen gleichzeitig einzunehmen. Ich fasste den Entschluss, das Konzil davon zu unterrichten. Zunächst aber galt es diese Nacht ohne Zelt, Decken und vor allem Abendessen auf dem Hochplateau zu überstehen und dem nun bald einsetzenden eisigen Wind zu trotzen. Ich erwachte am nächsten Morgen durch Fernandez Schrei. Er war gerade durch den Stachel eines großen Skorpions geweckt worden. Travian erschlug das Untier während Kiain sich der Vergiftung annahm. Obwohl danach keine akute Gefahr mehr bestand, entschieden wir uns für den baldigen Abstieg. Wir versuchten, aus den Erfahrungen des Vortags lernend, Steilhänge nach Möglichkeit zu umgehen. So standen wir auf einmal vor einem großen, vor Urzeiten in den Fels gehauenen Bild, welches einen Kampf zwischen Marus und anderen Echsenwesen zeigte. Shabra verdrehte die Augen:
„Ich glaub es nicht, keiner von euch Jungs hat Steigeisen oder sonstige Kletterausrüstung mit ins Gebirge genommen, aber ihr habt alle Pergament, Tusche und Kohlestifte dabei, um das dort ab zu malen?“
Was auch immer sie damit andeuten wollte, ich bestätigte ihre Aussage und machte mich ans Zeichnen. Nach vollbrachter Tat machten wir uns weiter an den Abstieg. Wir konnten das Gerberviertel nicht nur riechen, sondern auch bereits sehen, als Kiain, vom Gestank überwältigt, ein drittes Mal den Halt verlor und den Hang herunter rollte. Er landete schwerverletzt vor den Füßen einer alten Frau, die eindeutig von irgendeinem Wesen besessen war. Während die Gefährten sich um Kiain kümmerten, untersuchte ich die Frau und unterhielt mich mit ihrer Familie. Offenbar nutzte ein niederer Elementar gelegentlich ihren Körper als Behausung. Ich war mir recht sicher, ihr mit einem 'Elementarbann' helfen zu können, doch hatte das Wesen sie bereits wieder verlassen. Man versprach uns zu holen, sollte die Frau wieder einen „Anfall“ erleiden.
In der Karawanserei angekommen schrieb ich einen ausführlichen Bericht für den Konzilsrat und bat darin um Bücher über Kraftlinien. Auch ersuchte ich darum, dass man endlich die längst überfällige Anfrage nach Punin schicken sollte, um von der dortigen Akademie die Thesis des 'Oculus Astralis' zu erhalten. Drakonia teilt so viel, bislang einzigartiges Wissen mit den Gilden und der Konzilsrat hatte es in all den Jahren nicht für nötig befunden, einen für die Erforschung der Drachenfeste so wertvollen Cantus wie den 'Oculus' als kleine Gegenleistung zu fordern. Das Feuer lässt meine Wut über diese Passivität noch heute entbrennen. Wenn ich an die zahllosen, noch nicht übersetzten drachischen Glyphen in der Festung denke und mir überlege, welche Fortschritte wir mit Hilfe des Zaubers 'Xenographus Schriftenkunde' machen könnten, dessen Thesis die Gropßmeister jedoch auch noch nicht erfragt haben, könnte ich zum explodierenden Feuerball werden.
Jedenfalls schlich ich mich voller Hoffnung, in absehbarer Zeit die Thesis des 'Oculus' zu erhalten, vor die Kakteenhecke und rief einen Luftelementar herbei, dem ich auftrug mein Schreiben dem Konzilsrat zu bringen. Müde von den Strapazen unseres kleinen Ausfluges ging ich zu Bett.
Wir saßen gerade im Hof der Karawanserei beim Frühstück als eine weitere Sippe, die Beni Rafiya, die Oase erreichte. Die Stimmung war ungewöhnlich bedrückt. Finstere Mienen und unheilvolles Schweigen breiteten sich aus. Neugierig erkundigten wir uns bei unserem Wirt, ob etwas vorgefallen wäre.
„Oh, es ist schrecklich, eine wahre Tragödie! Harpyien haben die Karawane heute in den frühen Morgenstunden überfallen. Sie haben die Kinder geraubt und in die Berge verschleppt. Sie werden sie töten! Die armen Kinder.“
Mehr war nicht nötig, damit wir zur Tat schritten. Das Frühstück wurde abgebrochen und wir erkundigten uns bei den Beni Rafiya, wo genau die Harpyien zugeschlagen hätten. Wohl gerüstet und mit dem Versprechen auf den Lippen die Kinder zurückzuholen brachen wir auf. Auch wenn wir von den Beni Achawi wenig Gutes über die Beni Rafiya gehört hatten, so waren wir doch alle davon überzeugt, dass wir unschuldigen Kindern in Not beizustehen hätten. Wir folgten der Spur der Karawane bis zu deren letzten Lagerplatz. Hier im Schatten des mächtigen Tafelberges sahen wir die Bestien wie kleine, dunkle Punkte weit über uns ihre Kreise ziehen. Wir entschieden uns, das Nest dieser unheiligen Geschöpfe zu suchen und folgten einer Felsspalte, die sich zu einem breiten, steil ansteigenden und mit Geröll übersäten Tal entwickelte. Am höchsten Punkte standen wir vor einer Steilwand die über fünfzig Schritt in die Höhe ragte. Ich glaube, sie hing sogar leicht zu uns über. Leider ließen unsere Beobachtungen keinen Zweifel zu: Dort oben war das Nest der Harpyien und wohl auch alles, was von den Kindern noch übrig geblieben war. Wie aber sollten wir dort hinauf kommen?
Die Erfahrungen unserer letzten Bergwanderung ließen selbst Kiain zögern, sich an diesen Aufstieg zu wagen. Mir kam eine Idee, doch sie war nicht ohne Risiko und es dauerte eine ganze Weile, bis die Übrigen aus Mangel an Alternativen zustimmten.
Ich verwandelte zunächst meinen Stab in ein Seil, an das wir alle unsere Seile knoteten. Nun war unser Seil länger als die Steilwand hoch. Dann lies ich mir Zeit und erschuf mittels 'Nihilogravo' einen Zylinder der Schwerelosigkeit. Jetzt musste es schnell gehen. Ich warf mein Seil in diese Zone und wünschte mir, es möge sich oben am Plateau irgendwie befestigen, während das untere Ende des Seils von Travian um einen Felsen gewickelt wurde. Einer nach dem Anderen betraten wir nun die Schwerelosigkeit und hangelten uns in Windeseile am Seil nach oben. Dort angekommen sahen wir mehrere, große Gelege der Harpyien und einige Jungchimären, denen die Kinder als Nahrung dienen sollten. Sofort entbrannte ein wilder Kampf gegen die Bestien. Als Gero erkannte wie klein das Plateau eigentlich war, zog er sich in dessen Mitte zurück und achtete beim Kampf darauf, dem Rand nicht mehr zu nahe zu kommen. Der unglückliche Fernandez wurde von einer Harpyie gepackt, die ihn mit in die Lüfte ziehen wollte. Shabra klammerte sich an sein Bein und gemeinsam waren sie glücklicherweise zu schwer für das Untier. Sie hielten es fest, bis Travians Armbrustbolzen die Kreatur tötete. Endlich, nach einem hartem Kampf waren alle erwachsenen Harpyien tot. Travian und Kiain reichte dies jedoch nicht und so gingen sie von Nest zu Nest und erschlugen den Nachwuchs.
Während Kiain wieder hinabstieg und das Seil unten löste, beruhigte Shabra die Kinder. Wir zogen das Seil hoch, banden eines der Kinder daran fest und ließen es langsam herunter. Die Übrigen folgten. Gero konnten wir allerdings nur nach langem, gutem Zureden dazu bewegen, sich wieder der Klippe zu nähern. Travian bildete die Nachhut und ich befahl meinem Seil zu mir herab zu kommen. Voller Freude und mit großem Erstaunen wurden wir in Birscha empfangen. Die Kinder eilten zu ihren Eltern und wir taumelten erschöpft zu unseren Betten.

Am nächsten Morgen, es war der 13. Efferd 1033, wurde der Chorbash feierlich eröffnet. Der Hairan der Beni Rafiya lud uns in sein prachtvolles Zelt, um uns noch persönlich für die Rettung der Kinder zu danken. Wir nutzten die Gelegenheit, ihn auf die Beni Achawi anzusprechen, doch in diesem Punkt blockte er völlig ab. Er meinte aber, er würde sich dafür einsetzen, dass wir an der Versammlung der Scheichs und Hairans teilnehmen dürften. Tatsächlich wurden wir kurz darauf zu eben jener Versammlung gerufen, um die Beni Achawi zu vertreten. Deren Harani durfte, da sie eine Frau war, nicht auf der Versammlung sprechen. Schnell merkten wir, dass auch wir nicht allen willkommen waren. Insbesondere Scheich Beremal ben Saîd von der Oase Manesh ließ keine Gelegenheit aus, uns anzugreifen.
Das große Fest am Abend, währenddessen mehrere Duelle ausgetragen wurden, um Fehden und kleinere Streitigkeiten zu beenden, bot den nötigen Ausgleich zu den langweiligen und zähen Verhandlungen des Tages.
Die Wiederaufnahme der Versammlung der Stammesführer am nächsten Morgen begann mit einer Überraschung: Scheich Beremal forderte unseren Ausschluss, da er nicht noch einen Tag mit Ungläubigen unter einem Dach verbringen könne. Sein Antrag wurde akzeptiert und wir des Zeltes verwiesen. Allerdings versicherte uns der Sultan, dass er am nächsten Tag zu Gericht sitzen werde, um den Streit zwischen den Beni Achawi und den Beni Rafiya zu klären. Zunächst wussten wir mit unserer unerwartet freien Zeit wenig anzufangen. Ich zog mich in mein Quartier zurück, um zu meditieren, während Fernandez mit Travian zum wiederholten Male die Strategie für die Verhandlung am kommenden Tag durchging.
Irgendwann kam Shabra zu mir und berichtete ein Bote sei gekommen, wegen der besessenen Frau. Also machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum Gerberviertel, als uns ein sonderbarer Krieger auffiel, dem vier bewaffnete Männer folgten. Er trug einen weiten, schwarzen, novadischen Mantel, darunter eine Rüstung, deren Platte bläulich schimmerte und in die ein Drachenkopf geprägt war. Sein Gesicht wurde weitestgehend von seinem ebenfalls blauen Turbantuch verhüllt, das er auch über Mund und Nase gewickelt hatte. Er schritt an uns vorüber und begab sich zum Bethaus. Shabra konnte aufschnappen, wie der Mann von Umstehenden als „Ordenskrieger“ bezeichnet wurde.
Als wir die alte, weise Frau des Gerberviertels erreichten, denn als solche wurde sie verehrt, begann ich mit den Vorbereitungen für einen 'Elementarbann'. Es gelang mir, das Wesen aus ihr zurück in die zweite Sphäre zu schicken und die Frau dankte erleichtert. Nur befürchtete sie, bald von einem anderen Elementar heimgesucht zu werden. Offensichtlich zog sie elementare Mindergeister an, verdankte diesen jedoch auch ihr langes Leben und ihre gesellschaftliche Stellung als weise Ratgeberin und Führerin des Gerberviertels. Wir unterhielten uns lange mit ihr und ihrer Familie, ehe wir zur Karawanserei zurückkehrten.
Dort erwartete unser Wirt uns bereits ungeduldig, denn der Hairan der Beni Schuf verlangte uns zu sehen. Also begaben wir uns zum Zelt von Faisal ben Schuf der uns wenig freundlich willkommen hieß:
„Da seit ihr ja endlich, Ungläubige! Setzt euch nicht, es gibt nicht viel zu besprechen. Ich werde eure Ausgrabung auf meinem Land nicht dulden. Ebenso wenig gebe ich euch mein Vieh und meine Männer. Das ist alles und nun verschwindet!“
Doch Faisal hatte Travians Überredungskünste und seine eigene Goldgier unterschätzt. Die Verhandlungen waren hart und der Preis, den wir letztlich zahlen mussten hoch. Aber es gelang den Hairan umzustimmen. Wir erfuhren, dass der Sinneswandel des Beni Schuf von Scheich Beremal herbeigeführt worden war. Was auch immer diesen Scheich antrieb, er gab sich große Mühe, uns Steine in den Weg zu legen.
Als wir am nächsten Morgen von einem Botenjungen eine Nachricht erhielten, war der erste und naheliegende Gedanke, dass diese eine weitere Posse des Scheichs war. Denn in der Botschaft wurden wir eindringlich gewarnt von unserem Vorhaben abzulassen. Angeblich wusste der Verfasser, was wir wirklich suchen würden. Nun damit wusste er mehr als wir. Was auch immer das Vermächtnis Pyrdacors war, laut dem Absender stellte es eine Bedrohung für Dere dar und sollte unentdeckt bleiben. Was soll ich sagen, wir ignorierten diese Warnung und machten uns auf den Weg zum Prozess.
Gemeinsam mit Fernandez hatte ich auf Basis der 99 Gebote eine Strategie ausgearbeitet, die es ermöglichen sollte, die Blutfehde der Beni Rafiya mit den Beni Achawi zu beenden und letzteren zu ihrem Recht zu verhelfen. Travian, der für uns das Wort führte, gelang es, sein Gegenüber so in die Enge zu treiben, dass diesem nur noch die Forderung eines Gottesurteils als Ausweg blieb. Fernandez stellte sich selbstsicher als Kämpfer für die Beni Achawi zur Verfügung. Das Duell bis zum Tode sollte in den frühen Abendstunden stattfinden. Unabhängig davon wie es ausging, die Blutfehde wäre damit beendet. Sollte Fernandez gewinnen, würden die Beni Rafiya die umstrittenen Gebiete den Beni Achawi zugestehen. Doch war uns nicht wohl bei dem Gedanken, dass Fernandez alleine einen Kampf auf Leben und Tod austragen sollte. Ich speicherte vorsichtshalber einen 'Balsam' und einen 'Fulminictus Donnerkeil' in meinen Stab. Der 'Fulminictus' zählt nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Canti, doch im Gegensatz zum 'Ignifaxius' ist er unsichtbar und dies war entscheidend. Innerlich bat ich bereits Rondra und Farmelor um Vergebung, war es doch wenig im Sinne der Sturmherrin auf solch hinterhältige Weise in einen Zweikampf einzugreifen. Ich hoffte auch, nicht eingreifen zu müssen. Doch ich würde heute keinen Freund sterben lassen, selbst wenn ich gegen alle Gebote der Zwölfe verstoßen müsste.
So erwartet ich voller Spannung und Selbstzweifel das Duell. Die Massen drängten sich um den Kampfplatz und hätten wir als Beteiligte nicht Ehrenplätze in der ersten Reihe erhalten, hätte wohl keiner von uns – mit Ausnahme von Fernandez versteht sich – etwas vom kommenden Kampf gesehen. Es war nicht nur ein Duell zwischen zwei großen Kriegern, es war auch ein Duell zwischen Degen und Khunchomer, zwischen Rashtullah und den Zwölfen. Es war spannend. Fernandez war wesentlich schneller und schien zunächst den Kampf zu beherrschen. Dann wurde er von einem wuchtigen Hieb getroffen. Nun wendete sich das Kampfglück. Der Novadi gewann immer mehr die Oberhand. Beide Krieger wankten bereits und bluteten aus zahlreichen Wunden. Da holte der Novadi zu einem finalen Schlag aus. Anstatt auszuweichen sank Fernandez völlig erschöpfte auf die Knie. Ich hatte so gehofft, dass mir dies erspart bleiben würde! Aber ich wusste, wenn der Novadi seinen Schlag ausführen würde, stände Menacor bereit Fernandez zu Hesinde geleiten. Also entließ ich den 'Fulminictus' aus dem Stab und der Beni Rafiya brach tot zusammen.

Noch während wir den schwerverletzten Fernandez zur Karawanserei trugen, wirkte der vorbereite 'Balsam', nur reichte er längst nicht aus, um den verwegenen Draconiter wieder herzustellen. Kiain eilte voraus, um alles für die Versorgung der Wunden vorzubereiten, kehrte jedoch gleich zurück und meldete man hätte uns beraubt.
Tatsächlich war irgendjemand während des Duells in unser Quartier eingestiegen, hatte alles verwüstet und etliche wertvolle Gegenstände gestohlen. Kiain und Shabra kümmerten sich um Fernandez. Wir Übrigen versuchten erfolglos Spuren des Eindringlings zu finden und erstellten anschließend eine Liste der entwendeten Dinge. Der Dieb hatte einen groben Fehler begangen und mir ein Artefakt gestohlen, den Stein des Lebens, den ich vor langer Zeit von Bolden erhalten hatte. Auf Grund der starken Humusaffinität dieses Gegenstandes hegte ich die Hoffnung, ein Humuselementar könnte uns zu ihm geleiten.
So rief ich einen elementaren Diener und bat ihn, uns zu dem Artefakt zu führen. Allerdings hatte ich die fortgeschrittene Stunde und die niedrige Geschwindigkeit des Humuselementars nicht bedacht. Dieser ließ uns beim Morgengrauen in Mitten der Wüste stehen. Travian beschloss ebenfalls umzukehren. Heute sollte der Heiratsmarkt stattfinden und es war seine Aufgabe für möglichst viele Frauen der Beni Achawi einen Gatten zu finden, der bereit war seine eigene Sippe zu verlassen und sich jener seiner Frau anzuschließen. Ich bedauerte Travian, der sich frohen Mutes diesem hoffnungslosen Unterfangen zu stellen bereit war.
Da Kiain beim verletzten Fernandez geblieben war, zogen nur Gero, Shabra und ich in die Richtung weiter, in die der Elementar uns zuvor geführt hatte. Phex stand uns bei. Schließlich kamen wir zu einer Stelle an der offensichtlich vor kurzem gegraben worden war. Sogleich machten wir uns mit bloßen Händen daran das Loch wieder zu öffnen. Da hörten wir ein furchteinflößendes Gebrüll. Auf der nächsten Düne stand ein mächtiger Tiger. Nein, das war kein Tiger. Es war etwas Schlimmers, ein Tiger ähnlicher Dämon, ein Zant. Gero, der Streiter der Drachenqueste, ergriff seine mächtige Axt und stürmte laut schreiend los. Offenbar war der Zant jedoch nicht alleine, denn Gero schien einen Gegner an der gegenüberliegenden Düne ausgemacht zu haben. Jedenfalls lief er in die entgegen gesetzte Richtung. So blieben nur Shabra und ich. Die tapferste Frau Khunchoms zog trotzig ihren Waqqif, während ich meinen Stab in ein Flammenschwert verwandelte.
Ich weiß nicht wie, aber irgendwie gelang es uns gemeinsam mit Waqqif und Flammenschwert den Zant zu besiegen. Völlig erschöpft und schwer verletzt schauten wir uns nach Gero um, aber er war fort. Also gruben wir weiter, fanden unsere geraubte Habe und schleppten diese und unsere geschundenen Leiber zurück zur Oase. Überglücklich waren wir Gero dort wohlbehalten anzutreffen. Sein Gegner muss wohl zur Oase geflohen und hier entkommen sein, dachte ich bei mir, während ich auf mein Lager fiel und einschlief.
Als ich erwachte, berichtete Travian sehr stolz, dass er für über zwei Dutzend Frauen Ehemänner gefunden hätte. Nachdem er seine Schilderung beendet hatte, sah er mich kritisch an und fragte:
„Wie geht es dir denn? Denkst du noch an das Feuerwerk, das du dem Sultan für heute Mitternacht als krönenden Abschluss des Chorbash versprochen hast?“
Orkendreck! Das hatte ich ganz vergessen. Zwar hatte der Schlaf mein astrales Gefäß wieder etwas gefüllt, doch für den geplanten Feuerball reichte es bei Weitem noch nicht. Folglich zog ich mich in meine Kammer zurück um zu meditieren. Ich wusste, es würde knapp werden.
Kurz vor Mitternacht kam Gero von der Feier, auf der die Anderen sich ihrem Gesundheitszustand entsprechend amüsierten, und führte mich auf das Flachdach einer der Lehmhütten. Ich ließ mir Zeit, sammelt alles an Energie, was ich aufbringen konnte und sprach die Formel. Langsam stieg die Feuerkugel in großen Bahnen spiralförmig über dem See auf. Es wurde still und die Novadis blickten gebannt gen Himmel. Immer noch stieg der Feuerball, bis ich ihn in maximaler Höhe explodieren ließ. Das begeisterte Klatschen hörte ich nicht mehr. Ich brach erschöpft zusammen, während es golden vom Himmel regnete.

Rakkdan
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Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

C) Die Bruderschaft von Harmad und Pyrdacors Vermächtnis
Die nächsten Wochen waren ruhiger. Der Chorbash war vorbei, die Verhandlungen geführt und wer auch immer etwas gegen uns hatte, er gewährte uns eine Zeit des Friedens. Wir schrieben Hilbert eine Nachricht, dass er aufbrechen könne, doch der goldene Vogel wollte nicht fliegen. Shabra amüsierte sich königlich, während ich immer wieder das Losungswort sprach, um dem Artefakt aus Mherwed Leben einzuhauchen. Irgendwann trat sie dann lachend vor, nahm den Vogel, sprach ein Wort und er flog los. Schelmisch grinsend teilte sie uns mit, dass man sie uns hinterher geschickt hatte, da beim Losungswort ein Verwechslung geschehen war. Das also war ihr Geheimauftrag!
Gero nutzte die folgende Zeit, um die versprochenen Statuen zu fertigen. Es entstanden Meisterwerke, fast wie von Dschinnenhand erschaffen. Die Anderen begleiteten Scheich Serham ben Furka und seine Beni Terkui, um das nötige Holz zu organisieren. Ich verblieb in Birscha. Nun eigentlich verbrachte ich die meiste Zeit oben auf dem Tafelberg und studierte die Kraftlinien. Ein Dschinn brachte mir nach wenigen Tagen die gewünschten Bücher und die Nachricht, dass man tatsächlich bemüht sei, mir die Thesis des 'Oculus Astralis' zukommen zu lassen. In mühevoller Kleinstarbeit kartographierte ich die Kraftlinien.

Als eine Woche nach dem Ende des Chorbash unsere treuen Führer aus Keft wiederkehrten und die gewünschten Dinge brachten, ging Gero damit gleich zum Schmied. Dieses Mal konnte er uns nicht abweisen und widerwillig war er nun zur Kooperation bereit. Er verlangte jedoch, dass der Streiter der Drachenqueste ihn beim Herstellen der Werkzeuge unterstützte, was dieser nach Vollendung der Statuen auch tat.
Am 8. Travia 1033 BF erreichte Hilbert mit einer großen Karawane die Oase Birscha. In seinem Gefolge befand sich zur großen Freude Travians auch Dana, die ihm gleich um den Hals fiel. Mein Interesse galt eher den beiden Magiern, die Hilbert begleiteten. Der Eine, Chadim sal Mherech, war ein äußerst vielversprechender Studiosus aus Mherwed und sollte als Hilberts Assistent fungieren. Der Andere war ein Mittelreicher und nannte sich Pargonus von Gerasim. Dieses Mitglied des Ordens der Verteidiger der Lehre von den Grauen Stäben, wie man den Ordo Defensores Lecturia oder kurz ODL auch gemeinhin nennt, war ein bekannter Kartograph und hatte sich Hilbert ebenfalls in Mherwed angeschlossen.

Wenige Tage nach Hilberts Eintreffen war das Lager aufgeschlagen und die Ausgrabung begann. Doch auch die ersten Probleme ließen nicht lange auf sich warten. Am Abend des dritten Tages kam ein Haimamud, ein Märchenerzähler, ins Lager und gesellte sich unter die Arbeiter. Die Stimmung schien bestens zu sein, doch am nächsten Morgen war sowohl der Haimamud als auch ein großer Teil unserer Arbeiter verschwunden. Wie ich von Travian nun erfuhr, handelte es sich um Sklaven, die er Scheich Serham ben Furka abgekauft hatte. Da ich selbst meine Kindheit als Sklave verbracht hatte, bevor man mich ans Konzil holte, war ich nicht gerade glücklich darüber, dass wir hier Sklaven hielten. Travian versicherte mir aber, wir hätten uns sonst nicht genügend Arbeiter leisten können und er hätte nichts dagegen ihnen nach der Ausgrabung die Freiheit zu schenken.
Zunächst einmal mussten wir sie allerdings wieder einfangen. Wir ließen unsere Kamele satteln und nahmen noch zwei Lasttiere mit, um eine große Menge Wasser zu transportieren. Denn die entlaufenen Sklaven waren geradewegs in die Wüste marschiert. Als wir die Unglücklichen nach zwei Tagen unter der unerbittlichen Praiosscheibe fanden, waren sie dem Verdursten nahe. Wir gaben ihnen Wasser und behandelten die schlimmsten Verbrennungen mit kühlender Conchinismilch. Sie waren umgehend bereit, uns zurück zum Djurkaram-Massiv zu folgen. Der Haimamud, so erzählten sie, hätte ihnen von einem gelobten Land inmitten der Wüste erzählt und sie zum Aufbruch ermuntert, ehe er selbst nach Birscha zurück gekehrt war. Wir beschlossen ihm einen Besuch abzustatten.

Kaum waren wir wieder bei der Ausgrabungsstätte angekommen, erfuhren wir, dass ein Großteil der Werkzeuge gestohlen worden war. Wir vermuteten, dass dieselben Personen dafür verantwortlich waren, die auch die Sklaven zur Flucht in die Wüste überredet hatten. Doch konnten wir keine Spuren mehr finden und auch der Haimamud hatte Birscha bereits wieder verlassen. Dem Frieden nicht mehr trauend erhöhten wir die Zahl der Nachtwachen.
Es dauerte über einen Monat die Ausgrabungsfläche vom Sand zu befreien, doch am 16. Boron war es endlich soweit und wir begannen mit gezielten Suchschnitten. Bereits am nächsten Tag gab es den ersten Fund. Ein Mauerabschnitt wurde entdeckt und freigelegt. Sofort reiste Scheich Alim aus Birscha an, um das Entdeckte zu begutachten.
Auf die Freude dieser Entdeckung folgte der Schock. In der nächsten Nacht stand unser Vorrat an Bauholz in Flammen. Nein, ich habe geschlafen und war für dieses Feuer nicht verantwortlich, sondern half beim Löschen. Wie unsere Untersuchung am nächsten Tag ergab, war es jedoch eindeutig Brandstiftung. Wir fanden Überreste einer leicht entflammbaren, öligen Flüssigkeit, sowie deutliche Fußspuren. Kiain gelang es mit seinem einen, aber wohl umso schärferen Auge, die Spur bis zur Oase zu verfolgen. Es waren noch einige Nachforschungen notwendig, bis sich der Verdacht erhärtete, der Ordenskrieger Rohul al'Acha ben Jalif, der mit seinen vier Männern während des Chorbash nach Birscha gekommen war, könnte hinter diesem Sabotageakt stecken. Wir wussten, dass er als Gast Abu Hairirs mit seinen Männern in einem Nebentrakt des Gebetshauses wohnte. Natürlich stritt der fromme Novadi alles ab und der Mawdli war außer sich vor Zorn, wie wir seinen Gast nur so beleidigen könnten. Doch dann fand Kiains feine Nase im Schlafgemach der Männer Rohuls einen Stiefel, auf den offensichtlich jene ölige Flüssigkeit getropft war, die wir am Tatort gefunden hatten. Nun stritt der Ordenskrieger nicht weiter ab, uns übel mitgespielt zu haben, sondern erklärte seine Motive:
„Nun gut, Ungläubige, setzt euch und lasst mich erklären. Ich gehöre zur Bruderschaft von Harmad. Die Aufgabe der Bruderschaft ist es, jenen Ort, an dem ihr grabt, zu schützen und dafür zu sorgen, dass das, was dort verborgen ist, nicht in falsche Hände gerät. Einst war die Bruderschaft zahlreich und wir lebten in den Ruinen, in denen ihr jetzt grabt. Was auch immer dort verborgen ist, es geriet in Vergessenheit und wir übergaben den Ort dem Sand. Doch war stets einen Wächter in der Nähe. Die Aufgabe wurde von dem Vater an den Sohn weitergegeben, über viele Generationen. Irgendwann blieb die Wachablösung aus und so bin ich wohl der Letzte, der seinen Schwur, zu Schützen was unter dem Sand verborgen ist, geleistet hat. Ich hoffe, ihr versteht, dass es nichts Persönliches war. Ich erfülle nur meine Aufgabe und ich hatte euch während des Chorbash gewarnt, dass es besser wäre, manche Dinge im Dunkeln zu lassen. Aber ihr wolltet nicht hören und ich fürchte, es steht nun nicht mehr in meiner Macht euch aufzuhalten. Doch ich bitte euch, bei allem was euch heilig ist, unterschätzt nicht die Konsequenzen eures Handelns. Ihr tretet Steine los, die zu einer Lawine werden könnten, unter der ihr und viele Unschuldige ihr Ende finden. Aber ihr scheint entschlossen und als Zeichen meines guten Willens und im Vertrauen darauf, dass ihr das Richtige tun werdet, übergebe ich euch dieses Amulett. Ich erhielt es von meinem Vater und er von dem Seinen. Es ist ein Schlüssel, den ihr benötigen werdet. Hier, nehmt und vergebt mir, dass ich erst jetzt offen mit euch spreche. Ich musste erst herausfinden, ob ihr würdig seid.“
Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir baten Rohul selbst an der Ausgrabung teilzunehmen, um unsere Funde zu überwachen. Er lehnte dankend ab, die Verantwortung liege nun bei uns.
So zogen wir erleichtert, die Angelegenheit ohne Blutvergießen geregelt zu haben, zurück zur Ausgrabungsstätte, wo man die Arbeit bereits wieder aufgenommen hatte. Keine Woche später ruhte die Arbeit allerdings erneut, denn vom 22. - 24. Boron feiern die Novadis nicht nur den Beginn eines neuen Jahres, sondern auch Rastullahs Erscheinen. Es ist das höchste Fest der Wüstensöhne und so konnten wir den Arbeitern unmöglich das Feiern verbieten. Vielmehr reisten auch wir nach Birscha, um an den dortigen Festlichkeiten teilzunehmen. Denn auch wir hatten allen Grund zum Feiern, waren doch am vergangenen Tag die ersten Lesefunde, Keramiken und Besteck, entdeckt worden. Es war spät, als wir zur Ausgrabungsstätte zurückkehrten. Doch das volle Madamal tauchte die Wüste in solch wundersam silbriges Licht, dass der Elf wieder sein Kamel bestieg und hinaus in die Dünen ritt. Wir saßen ums Feuer und besprachen die jüngsten Ereignisse, als unser Führer angerannt kam und keuchend fragte, ob noch jemand unterwegs sei. Er wollte nämlich, wegen des nahenden Sandsturms, gerade die Kamele an einen geschützteren Ort bringen, als ihm auffiel, dass eines fehlte. Bei Aldinor, Kiain war noch da draußen. Wir rannten auf die nächste Düne und sahen am Horizont einen kleinen dunklen Punkt. Das könnte er sein. Von der Seite näherte sich in rasantem Tempo eine schwarze Wand. Hilbert meinte, der Elf würde nie rechtzeitig das geschützte Lager erreichen. Da konzentrierte ich mich auf den Punkt und ging das Wagnis ein, mich an einen unbekannten Ort zu teleportieren. Ich fand mich einige hundert Schritt vom Elfen entfernt wieder und eilte ihm laut rufend entgegen. Kiain war erstaunt mich zu sehen, ritt mir entgegen und zog mich zu sich hoch auf das Kamel. Er hatte den Sandsturm entdeckt und wollte nun so schnell wie möglich zurück zum Lager. Aber wir hatten keine Chance. Bereits nach wenigen Metern war die Luft so voller Sand, dass man kaum noch atmen konnte. Ich packte den Elfen am Arm und sprach erneut die Formel, um durch den Limbus zu reisen. Verwirrt blickte Kiain mich an, als wir in unserem Zelt aus dem Limbus traten.
„Aber was wird nun aus meinem Kamel? Warum hast du es nicht auch gerettet?“
Mir fehlten die Worte.

In den nächsten Wochen machten wir zahlreiche Entdeckungen. Mehr noch freute ich mich aber über den Dschinn aus Drakonia, der mir eine Schriftrolle mit der Thesis des 'Oculus Astralis' brachte. Während ich daraufhin in das Studium dieses mächtigen Cantus vertieft war, vertieften die Arbeiter die Schnitte und Gräben. Viele überkam ein eisiger Schauer als man auf mumifizierte, menschliche Überreste stieß. Vom Anblick zweier loser Hände angewidert, wich Shabra ein paar Schritt zurück und stürzte in die Tiefe.
Manch Einer mag nun sagen, eineinhalb Schritt seien nicht tief. Doch woher kam dieses Loch? War Shabra durch die Decke einer verschütteten Kammer gestürzt? Die Antwort war ernüchternd und besorgniserregend zugleich. Hier hatte jemand bereits heimlich gegraben und das Loch mit Zweigen und einer Decke wieder verschlossen. Mit Sand überstreut war das Ganze kaum vom Boden der Umgebung zu unterscheiden. Fernandez fiel sofort auf, dass das Loch nicht an einer beliebigen Stelle war, sondern deckungsgleich mit einem vor wenigen Tagen geplanten, weiteren Suchschnitt. Er stürmte in Hilberts Zelt. Die Karte mit den eingezeichneten Schnitten war noch da. Der Draconiter brachte sie mit auf die Fläche und man kontrollierte die übrigen Bereiche, an denen bald gegraben werden sollte. An allen war man uns zuvor gekommen. Hilbert lief vor Zorn rot an und Dana war lange damit beschäftigt ihn wieder zu beruhigen. Wir waren uns sicher, dass der Ordenskrieger dieses Mal nichts damit zu tun hatte. Dennoch informierten wir ihn über dieses Vorkommnis. Er empfand die Neuigkeiten durchaus als beunruhigend und ermahnte uns erneut, wachsam zu sein, damit das verborgene Gut nicht in falsche Hände geriet. So legten wir uns in den folgenden Nächten selbst auf die Lauer, um die Raubgräber auf frischer Tat zu ertappen, leider ohne Erfolg. Es beschämt mich, eingestehen zu müssen, dass wir es nicht mehr gewohnt waren nachts zu wachen und ein jeder von uns früher oder später vom Schlaf überwältigte wurde. Trotz dieses Makels war die Mühe nicht vergebens, denn die Raubgräber wagten nicht ihr Werk fortzusetzen.

Als am 30. Hesinde das Erleuchtungsfest anstand, wirkte Fernandez niedergeschlagen, ja regelrecht traurig. Besorgt gesellte ich mich zu ihm. Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander, ehe ich das Wort ergriff:
„Mein Freund, was ist mit dir? Du siehst bekümmert aus. Solltest du nicht als Draconiter den heutigen Tag feiern?“
„Ach Nazir, es fühlt sich einfach falsch an. Es ist heiß und wir sind umgeben von Sand. Dabei sollte es kalt sein, am besten sogar schneien. Überall müssten Kerzen brennen und die Menschen sich an prasselnden Kaminfeuern aufwärmen. Verstehst du, was ich meine, Nazir? Hier finde ich nicht die Stimmung und die Glückseligkeit die zum Erleuchtungsfest gehört.“

Die Worte des Freundes betrübten mich tief. Wir gingen ein paar Meter weiter, dann bat ich ihn, die Augen zu schließen und an seine Göttin zu denken. Ich wirkte eine Zonenvariante des 'Caldofrigo' und kühlte so die Umgebung um Fernandez unter den Gefrierpunkt. Dann schickte ich einen 'Aquasphaero' in den Himmel über ihn. Als der Draconiter die Augen öffnete schneite es um ihn und glücklich pries er seine Herrin. Seine Freude ward die meine und ich dankte den Sechsen, dass ich nicht nur Tod und Verderben unter die Menschen bringe, sondern meine Kraft auch nutzen kann, um Andere glücklich zu machen.

Bis Ende Firun entdeckten wir eine Treppe, etliche Mauerabschnitte und ein großes Tor, das in den Tafelberg führte. Hilbert war sich sicher, dass wir hinter dem Tor Pyrdacors Vermächtnis finden würden. Am 1. Tsa war es endlich soweit, das Tor war freigelegt und wir betraten, gemeinsam mit Hilbert und Pargonus den breiten Gang, der tief in den Berg führte.

Bald war der Schein der wenigen Fackeln und der ewigen Flamme meines Stabes unsere einzigen Lichtquellen. Aufmerksam folgten wir dem vier Schritt breiten und drei Schritt hohen Gang. Dann erreichten wir wieder ein Tor. Mit vereinten Kräften öffneten Gero und Travian die Pforte unter lautem Knarren.
Fernandez betrat als Erster einen großen, sicher fünfzehn Schritt durchmessenden Felsendom, machte einen Schritt nach vorne und verschwand laut schreiend in der Dunkelheit. Offenbar führte das Tor nicht am Boden in die Höhle. Hinter dem Tor gab es nur einen schmalen Sims. Teilweise war dieser keinen Schritt breit, ein Brüstung fehlte völlig. Wir rannten den Stieg in abschüssiger Richtung entlang bis er endete. Von dort aus konnten wir den Grund der Höhle erblicken. Er war übersät mit Kadavern und Knochen kleiner Tiere, wie Ratten, Spinnen und Fledermäusen. Dazwischen huschten immer wieder ein paar lebendige Ratten, die an den jüngeren Überresten nagten. Ekel stieg in mir auf, Fernandez aber stand kampfbereit inmitten dieses Albtraums. Er pries Darador, als wir mit Licht kamen, ihm ein Seil hinab ließen und beim Aufstieg halfen.
Nun folgten wir vorsichtig dem Sims nach oben. Doch noch bevor wir zurück am Tor zum Ausgang waren, entdeckten wir einen Gang, der von der Höhle aus in den Berg führte. Wir beschlossen uns aufzuteilen. Die Öffnung war eng und Shabra, Kiain und ich die Schlankesten. So begaben wir uns in den kleinen Gang, während die Übrigen der Rampe weiter nach oben folgten. Unser Tunnel wurde immer enger und führte steil bergauf. Bald konnten wir uns nur noch halb robbend, halb kletternd fortbewegen. Tatsächlich dachten wir schon ans Umkehren, als der Gang sich endlich weitete und wir zurück auf den Sims in der großen Höhle gelangten. Unter uns sahen wir die Fackeln der Anderen.
Wie die Gruppe um Hilbert jedoch feststellen musste, war der Stieg keineswegs durchgängig. Ihr Abschnitt endet vor einer weiteren Tür in den Berg hinein. Der kleine Raum hinter der Tür erinnerte an eine Wachstube, bot jedoch nichts von Interesse. Da unser Weg für so breitschultrige Menschen wie Gero kaum gangbar gewesen wäre, ließen wir ein Seil herab, sodass sie zu uns heraufklettern konnten.

Gemeinsam folgten wir dem Sims weiter nach oben, als uns ein schwacher Lichtschein auffiel. Er kam aus einem weiteren Gang, in den die Rampe mündete. Wir betraten unter größter Vorsicht die Öffnung. Unwillkürlich überfiel mich ein eisiger Schauer. Ein Blick zu den Gefährten verriet, dass auch sie froren. Mir schien die Kälte am meisten auszumachen, denn nach ein paar weiteren Schritten klapperte ich bereits mit den Zähnen.
„Psst, Nazir! Nicht so laut. Du klingst ja wie eine ganze Horde Skelette.“, meinte Travian mit einem süffisanten Lächeln. Also biss ich die Zähne zusammen und setzte meinen Weg fort. Der Gang mündete in eine kleine Kaverne, deren Breite vollständig von einem See eingenommen wurde. Inmitten des Sees war eine kristalline Stele, von der das seltsame Licht ausging. Um die Stele hatte sich Eis gebildet und einige Eisschollen trieben im Wasser. Fasziniert stellte Hilbert fest:
„Freunde, wir sind auf dem richtigen Weg! Nach allem was ich weiß, würde ich darauf wetten, dass es sich hierbei um eine Schutzvorrichtung gegen Echsenwesen handelt. Die würden hier mit tödlicher Sicherheit in eine Kältestarre verfallen und so zu leichten Gegnern werden. Aber so interessant ich dies auch finde, wir müssen weiter, ehe Nazir das gleiche Schicksal ereilt. Ich werde noch genug Gelegenheit haben, diese Kammer näher zu untersuchen.“
Der See stellte für uns kein wirkliches Hindernis dar, schien er doch nicht besonders tief zu sein. Trotzdem kostete es nicht nur mich einige Überwindung in das eisige Wasser zu steigen, das mir bis zur Hüfte reichte, und so schnell wie möglich durchzuwaten. Im gegenüberliegenden Gang wurde es mit jedem Schritt, den wir uns vom See entfernten, wärmer. Ich sprach einen 'Manifesto', auf das ein warmer Lufthauch uns wärmte und die Kleider wenigstens etwas trocknete.
Bald traten wir zurück in den Felsendom, wieder einige Schritt weiter oben. Nun ging es steil bergauf, bis wir vor dem nächsten Gang standen. Da die beiden bisherigen Gänge offensichtlich Schutz vor großen, schwerfälligen Wesen und Echsen geboten hatten, fragten wir uns, was uns wohl als Nächstes erwarten würde. Shabra lief voran, dicht gefolgt von Hilbert. Sie war vielleicht drei Schritt hinein gegangen, als sie einen lauten Schmerzensschrei ausstieß und leicht zurück geschleudert wurde. Hilbert begann etwas zu murmeln und erstarrte augenblicklich zu Stein. Auf ihm wirkte offensichtlich so etwas wie ein 'Paralysis'. War er das Opfer einer Falle geworden oder hatte er den Cantus aus seinem Stab entlassen, um sich selbst zu schützen? So oder so war er nicht in akuter Gefahr. Es bestand aber kein Zweifel daran, dass Shabra schwere, innere Verletzungen davon getragen hatte. Wir zogen sie auf den Sims zurück.
Fernandez ergriff eine Fackel und ging selbst in den Gang. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen und suchte nach dem Auslöser der Falle, als auch er vor Schmerz in die Knie ging. Der Draconiter warf seine Fackel soweit er konnte in den Gang hinein, ehe er zu uns zurück kroch. Nun sahen wir, dass der Gang in etwa zehn Schritt Entfernung einen scharfen Knick machte. In diesem Knick standen zwei Statuen, die je einen Menschen mit prächtigem Bart, in Rüstung, auf eine große Axt gestützt darstellten. Das Bildnis eines Drachen zierte die Brustpanzer, wie wir es bei Rohul gesehen hatten. Die Augen der Statuen funkelten im Fackelschein. Sie schienen aus Smaragden zu bestehen und etwas an ihnen ließ uns schaudern. Eine Statue blickte in unseren Gang, die andere in jenen um die Ecke. Fernandez schlug vor, man könne es einmal mit verbunden Augen versuchen, sodass kein Blickkontakt bestehe. Er setzte seinen Vorschlag in die Tat um, erfolglos, wieder traf ihn ein Schlag. Mittlerweile war ich mir sicher, dass es sich um so etwas wie einen 'Fulminictus' handelte. Kiain sang ein kurzes, elfisches Lied, dann rannte er mit einer übernatürlichen Geschwindigkeit los. Der Schlag traf ihn, der Elf zuckte zusammen, schrie kurz auf und rannte weiter. Zwei weitere Male wurde er getroffen, ehe er die Statuen erreichte und sich hinter ihnen verbarg. Das Blut lief ihm aus Mund und Nase. Kiain zog seine Tunika aus und wickelte sie der Statue um die Augen. Travian wagte darauf ein paar Schritte in den Gang, doch der Schlag traf auch ihn, worauf er sich wieder zurück zog. Frustriert kleidete sich Kiain wieder vollständig.
„Ihr müsst mich hier raus holen! Den Rückweg durch den Gang, werde ich nicht überleben!“
„Bleib ganz ruhig. Wir lassen dich schon nicht im Stich. Wie geht der Gang denn weiter?“
, fragte Shabra den Elfen.
„Ich denke er führt wieder in die große Höhle, denn ich sehe von dort schwachen Fackelschein.“
„Kannst du dich soweit heilen, dass du diesen Weg schaffst?“
„Ich werde es versuchen, aber wie kommt ihr dorthin? In eurem Tempo habt ihr keine Chance die Falle zu überleben!“
„Wie sieht es aus Nazir, hast du eine Idee?“

Ich hatte eine. Zugegeben, eigentlich behagte es mir nicht, bereits jetzt, ohne zu wissen was uns noch bevorstand, mächtige Magie zu wirken. Doch wollte ich auch keinen meiner Gefährten erneut dieser tödlichen Falle aussetzen. Also beschwor ich einen elementaren Diener des Erzes und bat ihn freundlich, uns doch einen Gang durch den Fels zu formen, der beide Tunnelenden auf geradem Weg miteinander verband. Kiain stimmte erneut ein Lied an, dann rannte er los und verschwand aus unserem Sichtfeld. Der Elementar hatte schon ungefähr die Hälfte des neuen Ganges erschaffen, als Kiain den Felsendom auf der uns gegenüberliegenden Seite erreichte. Der Elf keuchte schwer und schluchzte vor Schmerz, denn die zweite Statue hatte ihn ebenfalls getroffen. Wie wir im Schein seiner Fackel sehen konnten, war dort, wo er nun stand keine, weitere Rampe. Lediglich zwei Köpfe, waren aus dem Felsen gehauen und blickten zur gegenüberliegenden Seite. Dort befand ein verschlossenes Tor und ebenfalls zwei Köpfe.
„Fernandez, wie lautete nochmal die Inschrift auf dem Amulet, das Rohul uns gab?“
„Die Inschrift war in Urtulamidya gehalten, Kiain, und bedeutete soviel wie Übergang.“

Wir hörten wie Kiain, der zufälligerweise auch im Besitz des Amulettes war, laut das urtulamidische Wort für 'Übergang' sprach. Dann sahen wir mit Erstaunen, wie sich aus den Köpfen auf beiden Seiten ein leuchtendes, halbtransparentes, magisches Geflecht zu bilden begann, das schließlich eine Brücke über den Abgrund spannte. Vorsichtig ertastete der Elf, ob diese Brücke ihn halten würde. Und sie tat es. Er betrat sie und schritt freudig auf das Tor zu. Da formte sich wie aus dem Nichts ein riesiger Golem vor ihm, dessen Leib aus Millionen von Fliegen bestand. Von einem solchen Wesen hatte ich einst in einem alten Märchen aus längst vergangenen Tagen gehört, doch nicht geglaubt, dass so etwas noch existieren könnte. Kiain zog entsetzt seine Waffe, doch er war bereits zu angeschlagen um dieser Kreatur etwas entgegen zu setzen. Nach wenigen Augenblicken brach unser Gefährte bewusstlos zusammen.
Der elementare Diener hatte den Gang noch nicht beendet, dennoch krochen Gero, Fernandez und Travian bereits hinein, um dem Freund so schnell wie möglich beistehen zu können. So stürmten sie auf die Brücke, sobald der Durchgang offen war. Fernandez musste bald erkennen, dass mit seinem Florett hier nichts auszurichten war und zog sich aus dem Kampf zurück. Gero und Travian aber zerquetschten mit ihren wuchtigen Waffen so viele Fliegen bis der Golem nicht mehr war.
Erst jetzt endete die Wirkung von Hilberts 'Paralysis' und nach einer kurzen Erklärung, was geschehen war, eilte er zu Kiain, um ihn notdürftig zu heilen. Der Hüter des Codex Sauris versicherte uns anschließend, attackiert worden zu sein und sich nicht selbst paralysiert zu haben.
Völlig erschöpft von den bisherigen Strapazen öffneten wir das Tor und betraten ein offenbar einst häuslich eingerichtetes Höhlensystem. Travian zuckte zusammen, als er im Zwielicht der Fackeln einen Krieger sah, der an die Wand dem Tor gegenüber gelehnt saß. Dass der Mann in der Rüstung nicht mehr als ein Skelett war, verbesserte die Situation nicht gerade, wohl aber, dass dieser Wächter nicht zum Unleben erweckt wurde. In der zweiten Kammer, die vor vielen Jahren mal ein Schlafsaal gewesen sein musste, quartierten wir uns ein, um wenigsten ein paar Stunden zu ruhen und dem ein oder anderen etwas Schlaf zu gönnen.

Keiner von uns konnte wirklich sagen, wie lange wir rasteten. Doch irgendwann waren alle bereit weiter zu gehen. Wir fanden einen Lagerraum, dessen Inhalt von Satinav verzerrt worden war, sowie noch einen Schlafsaal. Hier lagen in einigen Betten weitere Skelette. Nichts deutete darauf hin, dass man sie einst gewaltsam zu Boron geschickt hätte. Vielmehr beschlich uns das Gefühl, die letzten Wächter des Ortes gefunden zu haben, die blieben als die Übrigen gingen.
Ein weiteres, großes Tor versperrte uns den Weg. Phex sei Dank hatten wir bei dem Skelett eines Ordenskriegers ein Schlüsselamulett gefunden, das zu dem Tor zu passen schien. Dennoch waren drei Mann nötig, um einen der beiden Flügel aufzudrücken. Zu unserer Verwunderung war es hier nicht mehr dunkel. Ein mystisches Licht flutete den Raum, eine Quelle fanden wir jedoch zunächst nicht. Dafür entdeckten wir zwei Kammern mit ungefähr 50 Sarkophagen. Deren Deckplatten zierten die steinernen Abbilder der Krieger der Bruderschaft von Harmad. Als wir um die nächste Biegung gingen, hielten wir erstaunt inne. Vor uns lagen auf zwei gigantischen Podesten je eine einbalsamierte vier Schritt große Kreatur. Tatsächlich handelte es sich um die Mumien zweier Trolle. Offensichtlich waren auch diese einst Krieger des Ordens gewesen, denn auch sie trugen Brustpanzer mit einem Drachen darauf. Ihre Bärte erinnerten uns an die Statuen im letzten Gang vor der Brücke. Bronzene Helme zierten die Häupter der Trolle, deren Hände auf der Brust liegend mächtige Schwerter umklammerten. Travian versprach Phex einen Großteil seines Gewinns, wenn die beiden Mumien liegen bleiben würden.
Wenige Schritt hinter den Trollen endete die Höhle vor einer glatten Wand. Zwar war die Wand aus einem Guss, aber zu glatt um natürlich zu sein. Hilbert analysierte sie und sprach von mächtiger Magie. Doch noch mächtiger war die arkane Kraft in einem seitlich Spalt, aus dem das Licht drang und in dem ein prächtiger Kristall schimmerte. Hilbert verriet mir, dass dieser Ort eindeutig der Schnittpunkt zweier großer Kraftlinien sein musste. Die schiere magische Energie hatte den Kristall aus dem Fels erzeugt und zum Leuchten gebracht. Travian kletterte in den Spalt und versuchte ein Stück des Kristalls abzuschlagen, gab jedoch nach einem dutzend Fehlschlägen auf und gesellte sich wieder zu uns.
Fasziniert wendeten wir uns wieder der glatten Wand zu. Gero ergriff nun die mitgeführte Spitzhacke und schlug kräftig auf die Wand ein. Das Echo dröhnte durch die Höhle. Ein weiterer Schlag folgte, als sich in unserem Rücken etwas bewegte.
„Feqz meint es heute wohl nicht besonders gut mit uns!“, meinte Shabra an Travian gewandt und deutete auf die sich langsam erhebenden Trollmumien. Einen ehrenhaften Zweikampf konnten wir uns gegen diese Ungetüme in unserem damaligen Zustand einfach nicht erlauben. Daher entließ ich einen 'Nihilogravo' aus meinem Stab. Die Trolle wankten mit erhobenen Waffen in den Zylinder der Schwerlosigkeit, der sich zwischen ihnen und uns befand. Kurz darauf schwebten die tollpatschigen Mumien vor uns im Raum.
Währenddessen schlug Gero unentwegt weiter auf die Wand ein. Kiain hatte seinen Bogen gespannt und spickte nun die Trolle mit Pfeilen. Travian unterstützte ihn mit seiner Armbrust. Wir Übrigen stießen die Ungetüme mit unseren Waffen immer wieder zurück in die Zone der Schwerelosigkeit. Die Leiber der furchteinflößenden Wächter glichen Igeln oder Stachelschweinen, als sie nach einer schieren Ewigkeit ihr untotes Dasein aushauchten.
Froh, dass die Sache so glimpflich ausgegangen war, blickten wir uns wieder zu Gero um. Dem Eisengießer war es gelungen eine kleine Öffnung in die Wand zu schlagen. Bald war das Loch groß genug, dass wir hindurch klettern konnten. Wieder befanden wir uns nun in einer Kammer mit einem großen Sarkophag. Er maß fünf Schritt in der Länge und zwei in der Breite. Auf der Deckplatte lagen verschieden große und geformte Steine in einer für uns willkürlichen Anordnung. In Hilberts Augen leuchtete es vor Begeisterung, als Gero und Travian mit Spitzhacke und Brecheisen versuchten, die schwere Platte zur Seite zu hebeln. Schließlich packten wir alle mit an, denn das Gewicht war enorm. Mit einem dumpfen Poltern fiel die Platte endlich auf den Boden und wir erblickten im Inneren des Sarkophags einen riesigen, zylinderförmigen Behälter. Die beiden Endstücke waren aus Gold oder wenigstens vergoldet und kunstvoll verziert. Der eigentliche Behälter aber war, wie ich erstaunt feststellte, aus der Haut eines ausgewachsenen Kaiserdrachen gefertigt. Hilbert war sprachlos!
Vorsichtig hoben wir das Vermächtnis Pyrdacors aus seinem Grab. Der Herr von Puspereiken ließ es sich nicht nehmen, persönlich eines der beiden goldenen Schlussstücke zu entfernen, wobei Gero schnell mit zugreifen musste, war dieses Endstück doch schwerer als der Magister gedacht hatte. Im Inneren der Rolle befand sich ein riesiges Pergament, das sich bei näherer Untersuchung als gespaltene Echsenhaut offenbarte. Wir zählten die Wicklungen und schnell wurde klar, dass wir hier nicht genug Platz haben würden, die Rolle auszubreiten. Dennoch entrollten wir den ersten Meter und zum Vorschein kamen violette Glyphen auf silbernem Grund. Die Symbole leuchteten flackernd und veränderten sich ständig, was es schier unmöglich machte sie längere Zeit zu betrachten. Mir kamen die Glyphen trotzdem recht vertraut vor, ähnelten sie doch jenen, die die Wände der Hallen und Gänge Drakonias schmücken. Mit einem lauten Seufzen gab der Hüter des Codex Sauris die Anweisung, das Pergament wieder aufzuwickeln, den Behälter zu schließen und in den Sarkophag zurück zu legen.
„Wie wollen wir weiter vorgehen? Die Rolle muss aus dieser Höhle raus!“
„Durch die Gänge bekommen wir sie nie.“
„Wir könnten den Baumeister beauftragen, eine Hebevorrichtung in der Mitte des Felsendoms zu errichten, mit deren Hilfe Menschen hoch und die Rolle herrunter gebracht werden kann.“
„Klingt vielversprechend, wird aber sicher einige Tage dauern.“
„Wir sollten solange abwechselnd hier wachen. Wir dürfen nichts riskieren.“
„Wer auch immer uns die Rolle weg nehmen möchte, hätte dasselbe Transportproblem.“
„Wohl wahr! Dennoch, was wenn unsere Gegenspieler einen anderen Weg finden oder, Hesinde bewahre, diesen Schatz nur vernichten wollen?“

So diskutierten wir noch eine Weile, ehe wir uns entschieden die Steinplatte wieder auf den Sarkophag zu hieven und uns gemeinsam auf den Rückweg zu machen. Wir waren gerade durch den Gang gekrochen, den der Elementar großzügiger Weise für uns erschaffen hatte, als neben Geros Kopf ein Pfeil in den Felsen einschlug. Auf einer der unteren Rampen erkannten wir eine Gruppe von vier Männern. Kiain und Travian spannten Bogen und Armbrust, um das Feuer zu erwidern, während Gero und Fernandez den Weg nach unten rannten. Hilbert erschuf mittels 'FlimFlam' eine Lichtkugel über den Angreifern, sodass unsere Schützen gut zielen konnten. Sowohl Travian als auch Kiain hatten bereits einen Gegner zu Boron geschickt, als unsere beiden Krieger bei den Attentätern eintrafen. Ein Schlag mit dem Schild und Gero warf seinen Gegenüber von der Rampe. Laut schreiend stürzte der Mann in die Tiefe. Wir hörten den Aufschlag. Dann war es einen Moment lang still, ehe der andere von der Klinge des Draconiters rutschte, die sich in sein Herz gebohrt hatte.
Als wir die Leichen untersuchten, konnten wir keine Hinweise auf ihre Herkunft oder Auftraggeber finden, außer dass die Toten Novadis waren. Auf weitere Angriffe vorbereitet setzten wir unseren Weg fort, bis wir ins Licht der Abendsonne blickten. Zu unserer Überraschung war Scheich Alim al'Mosja aus Birscha gekommen und erwartete nicht nur gespannt unseren Bericht, sondern auch eine persönliche Führung durch das neue Heiligtum seiner Sippe. Gerne überließen wir Hilbert den Ruhm und den erneuten Aufstieg. Stattdessen saßen wir müde ums Lagerfeuer und sprachen über die jüngsten Ereignisse, ehe wir zeitig zu Bett gingen.

Am nächsten Morgen erschien ein weiterer Gast im Lager, der Letzte der Bruderschaft von Harmad, Rohul al'Acha ben Jalif. Als wir ihn zu den Gräbern seiner Brüder geleiteten, wurde der ernste Mann noch entschlossener und verlangte von uns noch in der Grabkammer einen Schwur:
„Ihr habt entdeckt, was all diese Männer mit ihrem Leben schützten und im Verborgenen hielten. Seid ihr bereit, die Konsequenzen für euer Handeln zu übernehmen? Seid ihr bereit Dere, vor dem Vermächtnis des Güldenen zu schützen? Dann sprecht mir nach!
Bei Naclador und dem Wissen Deres,
bei Branibor und der all sehenden Gerechtigkeit,
bei Darador und dem Licht aller Welten,
bei Yalsicor und der all umfassenden Güte,
bei Famerlor, bei Kampf und Kraft,
bei Menacor und allem was mich umgibt
schwöre ich Pyrdacors Vermächtnis,
das hier gefundene Wissen zu bewahren,
im Herzen zu tragen ,
zu schützen und zu bewachen!“

Mit Bedacht und voller Ehrfurcht leisteten wir den Schwur auf die sechs Hohen Drachen. Von nun an war das Schicksal dieser Schriftrolle an das unsere geknüpft. Keiner von uns ahnte, wohin diese Verbindung uns treiben sollte.
Während die Bauarbeiten für den Seilzug und eine Transportkiste für die Schriftrolle begannen, planten wir, wohin sie wohl am besten zu bringen wäre. Hilbert schlug vor sie nach Khunchom zu schaffen. Aber Fernandez warf sogleich ein, dass sie dort nicht sicher sei, wie der Überfall Sultan Hasrabals gezeigt hatte. Er schlug vor, sie stattdessen nach Kuslik zu bringen, in die Halle des Drachen. Nun war es an mir, Einspruch zu erheben, kursierte doch das Gerücht, der Umbilicus, der Nabel der hesindianischen Glaubenswelt, sei vor kurzem aus eben jener Halle gestohlen worden. Mein Gegenvorschlag war Drakonia. Allein die Lage bot bereits hinlänglich Schutz vor den meisten Halunken. Außerdem ist Drakonia eine Festung, beschützt durch Elementare. Ich konnte mir keinen sichereren Ort auf Dere denken. Auch sprach für Drakonia, dass wir dort Experten im Drakned - den drachischen Glyphen - hatten und die Rolle nur eines von vielen drachischen Hinterlassenschaften wäre. Fernandez bestand jedoch auf die Anwesenheit eines hochrangigen Mitglieds der Draconiter. Letztlich wurde beschlossen, dass Nachricht nach Kuslik geschickt, der Orden informiert und eine Delegation nach Drakonia eingeladen werden sollte, während wir die Rolle in die Drachenfeste bringen würden.
In den nächsten Tagen herrschte geschäftiges Treiben. Neben den Bauarbeiten wurde auch bereits die Abreise, die Entlassung der Sklaven in die Freiheit sowie die Auflösung des Lagers vorbereitet. Fernandez und ich nutzten die verbleibenden Stunden, um mit der Erlaubnis Hilberts im Codex Sauris zu lesen. Wir hatten die Monate während der Ausgrabung genutzt, uns in echsischer Sprache und Schrift zu üben, sodass wir diese Belohnung für unsere Mühen nun tatsächlich gewinnbringend wahrnehmen konnten. Das so erworbene Wissen war mehr als nur interessant, es war beängstigend. Seit jener Zeit sehe ich den Erzmagus Rakorium Muntagonus, den ehemaligen Hüter des Codex Sauris, mit anderen Augen. Glücklich sind die Unwissenden.

Als wir am 6. Tsa 1033 BF in Birscha aufbrachen, bestand unsere kleine Karawane aus den beiden treuen Führern sowie Hilbert, Dana, Pargonus, Gero, Travian, Shabra, Frenandez, Kiain und meiner Wenigkeit. Auch Rohul und seine vier Begleiter hatten sich uns angeschlossen, wollte der Harmadan uns doch bis an die Grenzen der Khôm begeleiten. Die Schriftrolle war in einer großen Holzkiste verstaut, die wie eine Sänfte zwischen zwei Kamelen hing.
Nach wenigen Tagen erreichten wir Keft. Ein Sandsturm wütete in der Oase. Ich sah mich gezwungen wieder Kontakt zu dem verursachenden Luftdschinn aufzunehmen, der noch immer nach unserem verschwundenen Gefährten Anjun Lowanger suchte. Ich erlöste den braven Elementar aus seiner wohl unerfüllbaren Aufgabe, obwohl sie ihm offensichtlich Spass bereite hatte. So schenkten wir dem Zentrum des Glaubens der Novadis wieder Frieden. Am nächsten Tag halfen wir, nicht ganz ohne schlechtes Gewissen, bei den Aufräumarbeiten. Dann brachen wir Richtung Firun auf, die Oase Yiyimris als Ziel.
Nach zwei Tagen im Zentrum der Wüste erreichten wir eine Hügelgruppe, die sich entlang unserer Route zu einem Gebirge entwickelte. Plötzlich, kurz bevor die mittägliche Praiosscheibe uns zu einer Rast gezwungen hätte, schlug ein Pfeil im Hals von Hilberts Kamel ein. Wir wurden angegriffen. Sowohl vor als auch hinter uns stürmten vermummte Gestalten die Dünen herab und blockierten den Weg. Auf den Dünen zu beiden Seiten erschienen nun Schützen. Wir waren eingekreist. Rohul und seine Männer stellten sich den von hinten heranstürmenden Feinden. Travian, Fernandez und Gero warfen sich den von vorne Kommenden entgegen. In die Schützen zu unserer Rechten jagte ich einen Feuerball, während Kiain mit einer übernatürlichen Geschwindigkeit die linke Düne erklommen hatte und unter den dortigen Gegnern wütete. Ein beißender Schmerz durchfuhr meinen Körper. Da sah ich Pargonus, der bereits einen weiteren 'Fulminictus' auf den Lippen hatte. Hilbert war paralysiert. Der verdammte Kartograph war also die ganze Zeit über ein Feind in den eigenen Reihen gewesen. Ich wappntet mich innerlich für den nächsten Treffer und konnte nur hoffen ihn zu überleben, als eine zarte Hand mit einem Waqqif wie aus dem Nichts vor dem Hals des Verräters auftauchte und ihm die Kehle durchtrennte.
Shabra hatte bemerkt, dass der Magier Hilbert versteinert und mich angriffen hatte, sich von hinten an ihn herangeschlichen und ihn in Meuchlermanier ausgeschaltet. Vermutlich verdanke ich ihr mein Leben. Auch an den anderen Fronten gewannen die Gefährten langsam die Oberhand und schlugen die Angreifer tot oder in die Flucht. Allerdings rief Boron auch zwei von Rohuls Männern zu sich, deren Leiber wir ganz nach der hiesigen Sitte auf einem Hügel aufbahrten, auf dass die Geier ihre Seelen ins Totenreich bringen würden.
Bei den getöteten Angreifern fanden wir Armreife, die einen Drachen darstellten. Während bei den Übrigen die Augen des Drachen aus Jade bestanden, waren sie bei Pargonus Armreif aus Turmalin. Wir kramten in unseren Erinnerungen und gemeinsam mit Kiain, Gero und Fernandez kam ich zu dem Schluss, dass unsere Angreifer wohl zu den Uled ash'Shebah, der Saat des Throns, gehörten. Diese kultartige Gemeinschaft verehrt die Alten Drachen wie Götter, insbesondere Pyrdacor und Umbracor. Offensichtlich hatte es sich die Saat der Throns zum Ziel gemacht, Pyrdacors Vermächtnis in ihren Besitz zu bringen. Mit dem Gedanken bei unseren Widersachern und auf einen weiteren Angriff vorbereitet setzten wir unsere Reise fort.
Nach drei weiteren Tagen erreichten wir Yiyimris. Da die Oase fest in der Hand der strenggläubigen Kasimiten ist, lagerten wir etwas außerhalb bei einem versteckten Avesschrein. Insbesondere Fernandez und Travian waren froh, endlich wieder bei einem zwölfgöttliches Heiligtum beten zu können und der Tuchhändler spendet Phexens Sohn reichlich. Die eigentliche Oase betraten nur Rohul und unsere Führer. Als diese am nächsten Morgen unseren Proviant aufgefüllt hatten, brachen wir auch schon wieder auf. Es ging weiter zur Oase Alam-Terekh und von dort aus nach Omlad. Die Grenzstadt zu Almada erreichten wir am 7. Phex. Rohul, seine verbliebenen Männer und unsere Führer verabschiedeten sich nun, hatten wir doch die Wüste überwunden, in welche sie nun zurückkehrten.

Rakkdan
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Errungenschaften

Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

IV. Die Suche nach Antworten
A) Der Weg nach Drakonia
Bereits bei der Oase Alam-Terekh wendeten wir der Khôm den Rücken zu. Vor uns lag ein Gebirgszug aus rotem Sandstein, der den Namen Amhallassih-Kuppen trägt. Die spärliche Vegetation bestand aus vertrocknetem Savannengras und vereinzelten Kakteen. Der Weg schlängelte sich durch Täler und Schluchten. Weit oben erkannten wir kleine in den Fels gehauene Siedlungen. Später, als die ersten Hügel Schutz vor der Khôm boten, begegneten wir in zunehmendem Maße auch Feigen- und Olivenbäumen sowie unterschiedlichen Palmenarten. Auf so manchen Gipfeln ragten nun wie Kronen wehrhafte, kleine Sippenburgen, während Ziegenherden an den Hängen und in den Tälern grasten.
Als wir schließlich das Gebirge überwunden hatten, breitete sich vor uns eine fruchtbare Ebene aus, durch die der silbrig glänzende Yaquir floss. Zwischen Weinbergen und Kornfeldern dominierten prachtvolle Pferdeherden das Bild. Nach der kargen Wüste erschien mir dieser Reichtum an Humus wie eine elementare Zitadelle. Wir dankten Peraine, Tsa und Rahja für ihre Gaben und mit neuem Lebensmut erfüllt ritten wir auf Omlad zu.
Die Stadt mit ihren etwas über tausend Bewohnern vermengt auf beeindruckende Weise Baustil und Kultur der Novadis mit jenen des Mittelreiches unter dessen Herrschaft sie zur Zeit steht. Dennoch hat dieser Brückenkopf mit seinem bunten und zwielichtigen Treiben mehr Ähnlichkeit mit Fasar oder Khunchom, denn mit Ferdok oder Punin. Über der Stadt auf einem Felsen thront die Zitadelle San Telo als Bollwerk gegen die Novadis. Eine Brücke über den Yaquir sucht man vergebens, so dass wir uns erst nach einem Quartier für die Nacht und dann nach einer Überfahrt erkundigten.
Unsere novadischen Freunde wollten am nächsten Morgen wieder aufbrechen und auch wir begannen den Tag früh, mussten wir doch noch unsere Kamele verkaufen und zwei kräftige Maultiere besorgen, die die Truhe mit der Schriftrolle tragen sollten. Die Überfahrt über den Yaquir kostete ein kleines Vermögen. Dann ging es auf der Belen-Horas-Straße zu Fuß weiter in Richtung Punin. Wir passierten die Kaiserpfalz Cumrat und die Zollfeste Then auf unserem Weg durch die blühende Landschaft Almadas. Das Wetter war prächtig, die Wanderung ein Genuss für Körper und Seele. Bei Arbasim setzten wir erneut über und folgten nun dem Bosquir. Die ersten Hügel, Ausläufer des gut sichtbaren Raschtulswalls, und Schatten spendende Wälder ließen das Klima bald etwas rauer wirken. Am Abend erreichten wir ein kleines Dorf am Fuße der Burg Wildenfest. Der Dorfplatz war geschmückt und ein Weinfest in vollem Gange. Wir entschieden, über Nacht zu bleiben und quartierten uns im Gasthaus 'Zur Amazone' ein. Erst als wir uns entspannt auf einer Bank niedergelassen hatten und eine Runde Wein getrunken war, fiel uns auf, dass die Stimmung im Dorf trotz des Festes gedrückt zu sein schien. Vorsichtig erkundigten wir uns und erfuhren, dass seit einigen Tagen vier Kinder aus dem Dorf vermisst wurden. Bisher war die großangelegte Suche vergebens und zu allem Überfluss war der Praiosgeweihte Illumian de Torreblanca, der sich der Suche angeschlossen hatte, nun ebenfalls verschwunden. Wir beratschlagten kurz und waren uns dann einig den Dörflern zu helfen.
Am nächsten Morgen sprachen wir mit den Eltern der verschwundenen Kinder und untersuchten deren Quartiere, in der Hoffnung irgendeinen Hinweis zu erhalten. Auffällig war nur, dass die drei verschwundenen Jungen in den letzten Tagen immer wieder eine Frau gemalt hatten, die ihnen Rosen reichte. Das verschwundene Mädchen hingegen hatte die Frau nicht gemalt. Gegen Mittag kamen die Jäger, die noch immer nach den Kindern suchten, ins Dorf zurück. Wieder hatten sie keine Spur gefunden. Einer von ihnen wusste jedoch zu berichten, dass Illumian zuletzt Richtung Las Ramiras, einer kleinen Holzfällersiedlung, gesucht hatte. Da dies die einzige Spur war, die wir hatten, beschlossen wir auch nach Las Ramiras zu gehen. Hilbert und Dana blieben mit der Schriftrolle im Dorf zurück. Bei einer Furt, nicht weit von Wildenfest entfernt, überquerten wir den Bosquir. Bald tauchten wir ein in einen tiefen dunklen Wald, so urig, dass wir uns einen Weg durchs Unterholz schlagen mussten, bis wir auf einen Trampelpfad, womöglich einen Wildwechsel, stießen. Auf ihm setzten wir unseren Marsch fort, bis die Sonne unterging und wir ein Nachtlager an geschützter Stelle aufschlugen.
Geweckt wurde ich am frühen Morgen von herannahendem Donnergrollen, unter dem der Boden bebte. Aus unserem Versteck konnten wir sehen, wie eine Abteilung von über zwanzig Amazonen in wildem Galopp den Pfad entlang jagte. Der Anblick war prächtig. Fernandez erklärte mir, dass irgendwo hier in den Bergen eine Amazonenfestung läge, zu der die Reiterinnen sicher gehörten.
Nachdem sie vorüber und außer Hörweite waren, setzten wir unseren Weg fort und erreichten gegen Mittag Las Ramiras. Friedlich lagen die vier Blockhäuser vor uns auf einer kleinen Lichtung. Es war ruhig, zu ruhig. Wir sahen und hörten weder Mensch noch Tier. Keine Axt klang aus dem Wald und kein Rauch stieg aus den Kaminen empor. Lediglich ein großer Misthaufen hinter einer Blockhütte deutete darauf hin, dass dieser Ort nicht bereits vor Wochen oder Monaten aufgegeben worden war. Mit gezückten Waffen schlichen wir zu den Hütten. Ein großes Tor ließ uns eines der Gebäude als Stall oder Scheune identifizieren. Vorsichtig traten wir ein, nur um festzustellen, dass alle Tiere fort waren. Travian bemerkte eine Bewegung aus den Augenwinkeln und meinte, jemand oder etwas, sei soeben in das große Wohnhaus gehuscht. Natürlich war Kiain der Erste von uns, der das Haus betrat. Die Einrichtung war grob und recht düster, die Stimmung in unserer Runde gedrückt. Vom Dachboden hörte der Elf ein leises Rascheln. Eine klapprige, alte Leiter führte hinauf. Wir fanden uns in einer kleinen Schlafkammer wieder, doch außer einem Bett, einer Truhe und einem kleinen Fenster war nichts zu sehen. Fernandez bückte sich und warf einen Blick unter das Bett. Dort lag ein halb nacktes, zitterndes Kind, das ihn mit großen Augen anstarrte. Der Draconiter versuchte erfolglos den Jungen zu beruhigen. Als ich mir den Knaben ebenfalls anschaute, war mir klar, warum die sanften Worte des Horasiers ihre Wirkung verfehlten. Der Junge war eindeutig ein Ferkina, also ein Angehöriger jenes Barbarenvolkes, welches im Raschtulswall lebt. Da Drakonia gute Kontakte zu manchen Ferkinasippen pflegt, waren mir ein paar Grundzüge ihrer Sprache vertraut. Also sprach ich den Knaben in seiner Muttersprache an:
Beruhige dich. Wir sind Freunde, wir tun dir nichts! Wie ist dein Name?
Hazargul!“, lautete die ängstliche Antwort.
Was machst du hier? Was ist hier passiert? Wo ist deine Familie?
Ich spiele. Heute spiele ich Essen besorgen für die Königin.“, beim letzten Wort begannen seine Augen zu leuchten und der Hauch eines Lächelns glitt über sein Gesicht. Er zeigte uns zur Bestätigung seiner Aussage eine hölzerne Schale, deren Inhalt jedoch von einem Tuch verdeckt wurde.
Wer ist diese Königin?“, fragte ich neugierig, war mir doch nichts von einer Ferkinakönigin bekannt.
Sie ist wunderschön und so nett! Sie spielt immer ganz lustige Spiele mit uns.
Fernandez hob langsam das Tuch von der Schüssel an – Maden, Würmer, Käfer und ein toter Vogel kamen zum Vorschein. Bevor ich etwas sagen konnte, schnellte der Junge nach vorne, biss Fernandez in die Hand, sodass dieser entsetzt die Schale losließ, sprang auf und warf sich aus dem kleinen Fenster geradewegs in den Misthaufen. Zu unserem Erstaunen wühlte er sich dort hinein und verschwand im Mist.
Wir stürmten aus dem Haus und rannten zum Misthaufen. Obwohl er aussah wie ein gewöhnlicher Misthaufen, roch er verführerisch gut. Gero, Fernandez und Travian schnupperten ebenfalls angetan. Und ein Blick zu Kiain verriet, dass auch seine sensible Nase den wundersam betörenden Geruch genoss. Einzig Shabra verzog angewidert das Gesicht und ließ uns den Vortritt beim Durchwühlen des Mists auf der Suche nach dem Jungen. Doch anstelle des Ferkinas fanden wir am Boden des Haufens eine Falltür. Wir öffneten sie und stiegen hinab in einen fast runden Gang, dessen Decke, Boden und Wände aus gestampften Mist zu bestehen schienen. Der Gang verzweigte sich immer wieder und wir begannen das Gewirr systematisch zu erforschen. Irgendwann trafen wir auf eine Gruppe Ferkina-Knaben, die Mist an die Wände schmierten. Auch sie erzählten von der Königin, sagten, sie würden ihr helfen den Palast zu verschönern. An ihre Familien konnten sie sich nicht erinnern. Dennoch wirkten sie glücklich und zufrieden. Einer der Jungen führte uns dann zu einer großen Tür, vor der zwei stattlich gebaute Jugendliche standen und Wache hielten. Auch diese Beiden waren Ferkina. Einer von ihnen verschwand, um uns anzukündigen und kam wenige Augenblicke später mit einem Praiosgeweihten wieder, der sich als Illumian de Torreblanca vorstellte. Er erzählte uns, er diene der rechtmäßigen Königin Formica und helfe ihr, sich um die Kinder zu kümmern. Das alles war äußerst seltsam. Shabra ermahnte uns immer wieder zur Vorsicht. Doch dieser herrliche Duft, den die Wände verströmten, er raubte uns Männern die Sinne. Nachdem wir unsere Waffe abgelegt hatten, führte Illumian uns in eine Halle. Um eine große Tafel aus Mist saßen knapp zwei Dutzend Kinder, allesamt männlich, und aßen tote Singvögel sowie lebendige Würmer und Schnecken. Einer der Knaben biss gerade herzhaft einer Ratte den Kopf ab.
Eine Stimme, so lieblich und rein, lenkte unsere Blicke auf einen Vorhang am Ende der Tafel, hinter dem nun Formica, die Königin, zum Vorschein kam. Auf die Schönheit dieser Frau war mit Sicherheit Rahja selbst eifersüchtig. Ihr schlanker Körper war in ein überlanges, rosa Kleid aus feinster Seide gehüllt, bestickt mit tausend Rosen. Ihre Augen, ihr Haar und ihr Lächeln stellten alles in den Schatten, was ich bisher gesehen hatte. Den Anderen ging es ähnlich. Ihr Worte zogen uns förmlich in ihren Bann. Sie hieß uns willkommen, versicherte uns, die Kinder zu lieben und niemanden gegen seinen Willen festzuhalten. Wie sollte so ein vollkommenes Wesen lügen?
Wir unterhielten uns lange, bis sie sichtlich erschöpfte war und uns bat, sich zurück ziehen zu dürfen. Sie lud uns ein, in ihrer Abwesenheit den Palast zu erkunden. Den Draconiter aber fragte sie, ob er sie in ihr Schlafgemach begleiten würde. Ich gebe zu, ihn durchaus beneidet zu haben. Kaum waren sie gegangen, als Shabra Gero und mich an den Ohren packte und zum Ausgang aus diesem seltsamen und wundervollen Reich zerrte. Sie lies erst los, als wir zu dritt wieder zwischen den Blockhäusern standen. Dann gab sie jedem von uns ein paar deftige Ohrfeigen. Langsam kamen wir wieder zur Besinnung.
Was war das für ein Ort, wer oder was war Formica? Es stand außer Frage, dass sie einen sehr großen, ja einen unnatürlichen Einfluss auf Jungen und Männer hatte. Der Geruch des Misthaufens und des Höhlensystems mussten ihrer Magie entspringen. Wir stimmten Shabra zu, dass sowohl Fernandez, als auch alle Kinder, der Praiosgeweihte und natürlich Travian und Kiain in großer Gefahr schwebten. Wie aber sollten wir uns vor dem Einfluss Formicas schützen? Da uns nichts einfiel, hofften wir, dass es genügen würde, sich der Gefahr bewusst zu sein und geistig aktiv gegen eine neue Beeinflussung anzukämpfen.
Und tatsächlich gelang es Gero und mir einigermaßen bei Verstand zu bleiben. Zunächst holten wir uns unsere Waffen zurück. Dann suchten wir Kiain und Travian. Auch diese beiden brachten wir nach draußen und zur Vernunft. Wieder im Höhlensystem machten wir uns nun auf die Suche nach Fernandez, als wir ein leises Schluchzen vernahmen. Wir folgten den wehklagenden Klängen bis wir einen runden Raum entdeckten. In diesem hingen menschengroße Kokons von der Decke. Zwischen diesen Gebilden standen drei Jungen und wickelten sie in weitere Seidenfäden ein. Neben einem der Knaben kniete ein kleines Mädchen, weinte bitterlich und bat ihren Bruder, endlich mit nach Hause zu kommen und diesen schrecklichen Ort zu verlassen. Wir hatten die verschwundenen Kinder gefunden.
Als das Mädchen uns erblickte rannte es auf uns zu und bat uns um Hilfe. Shabra beruhigte die Kleine, versprach zu helfen und wollte wissen was hier vorgehe. Das Mädchen wusste nicht mehr als wir, versicherte uns aber, dass Formica nie etwas Böses getan hätte. Gero schnappte sich zwei, Travian einen Jungen und wir brachten die vier Kinder trotz des Widerstandes der Knaben aus der Höhle und sperrten sie in die Scheune, in der Hoffnung, dort wären sie vorerst sicher.
Da die Kokons unser Interesse geweckt hatten kehrten wir zu dem runden Raum zurück. Travian setzte ein Messer an und schnitt vorsichtig einen Kokon auf. Ich danke Hesinde, dass wir die Kinder vorher aus dem Raum gebracht hatten. Den Anblick, der sich uns bot, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Noch heute erwache ich manchmal schweißgebadet, weil ich diese Augenblicke im Traum wieder durchlebe. In dem Kokon steckte eine nackte Frau, ihr Brustkorb war von innen heraus aufgebrochen und der Kopf einer riesigen Ameise ragte aus der Öffnung empor und fraß gerade Hals und Unterkiefer der Unglücklichen. Geros Hammer fuhr auf den Schädel der Brut nieder und beendete ihr Leben bevor es richtig begonnen hatte. Nun gingen wir von Kokon zu Kokon, öffneten sie und blickten stets auf erwachsene Menschen, die von innen heraus zerfressen wurden. Die von Angst und Schmerz verzerrten Gesichter der Toten, es waren fasst ausschließlich Ferkina, ließen uns mit Schrecken realisieren, dass sie wohl noch lebendig und bei Bewusstsein gewesen waren, als die Larven begonnen hatten, ihre Eingeweide zu verspeisen. Wir töteten alle jungen Ameisen. Gero erhob gerade den Hammer für einen letzten Schlag, als wir Schritte vernahmen. Illumian betrat den Raum, auf der Schulter Fernandez, bis zum Hals eingewickelt in Seidenfäden. Mögen die Zwölfe uns verzeihen, wir schlugen den Priester des Praios nieder. Die beiden Bewusstlosen trugen wir aus der Höhle. Als wir im Licht des aufgehenden Madamals Fernandez aus den Fäden befreit hatten, sahen wir einen Einstich oder Biss in seinem Bauch. Zu unserer aller Erleichterung gelang es Kiain jedoch das Ei aus Fernandez zu entfernen. Als Illumian wieder zu sich kam, war der Einfluss Formicas auch von ihm abgefallen. Er bat seinen Herrn tausendfach um Verzeihung und die Chance, seine Untaten wieder gut machen zu dürfen.
Fernandez berichtete uns, dass Formica ihn mit zu sich ins Bett genommen, ihn zärtlich entkleidet und liebkost hatte. Sie war gerade dabei gewesen ihren eigenen Körper zu entblößen, als der Draconiter mit Entsetzen hatte feststellen müssen, dass ihr Unterleib nicht menschlich, sondern der einer Ameise war. Doch da hatte sie bereits zugebissen. Nur das Gefühl, dass sie ihm nichts Böses tun, sondern nur ihre Art erhalten wollte, hatte ihn begleitet bis er hier draußen wieder zu sich gekommen war.
Illumian bestätigte uns, dass Formica kein bösartiges Wesen sei. Sie war eine Chimäre aus Mensch und Riesenameise. Als solche folgte die unglückliche Kreatur nur ihren Instinkten. Illumian flehte Praios an ihm die Kraft zu geben, Mensch und Tier wieder zu trennen. Und obwohl die Praiosscheibe bereits vor Stunden im Westen verschwunden war, kamen für den Bruchteil eines Augenblicks letzte Sonnenstrahlen aus dieser Richtung. Wir erkannten das Zeichen und beschlossen dem Grauen noch heute ein Ende zu setzen. Gemeinsam mit dem Praiot stiegen wir erneut hinab und gingen geradewegs zur großen Halle. Die beiden Wächter wollten uns aufhalten, doch wir schlugen sie nieder. In der Halle schliefen die Kinder um den Tisch aus Mist herum. Am uns gegenüberliegenden Ende der Halle stand Formica und sang den Kindern ein Schlaflied. Nein, dieses Wesen war nicht böse, es war nur wider die Natur und die zwölfgöttliche Ordnung. Illumian stimmte eine Liturgie an. Formica gab einen Schrei von sich, der eher dämonisch als menschlich war. Sie hatte ihre Kinder gerufen, denn schon nach wenigen Augenblicken kamen aus zwei Türen mehrere Riesenameisen. Wir teilten uns auf, galt es schließlich die Kinder zu beschützen und Illumian die Zeit zu verschaffen seine Liturgie zu beenden. Gero, Travian, Fernandez und Kiain erschlugen in einem heldenhaften Kampf ein knappes Dutzend Riesenameisen, während ich Shabra unterstützte, Formica festzusetzen. Dann erhellte ein Lichtblitz den Raum und wir waren alle geblendet. Als wir wieder sehen konnten, lag vor uns eine schöne Frau, die von einer Riesenameise angegriffen wurde. Fernandez bohrte seine Klinge in das Maul des Tieres und der Spuk war vorbei.
Erst jetzt realisierte ich, dass die ganze Höhle nach Mist stank. Wie hatte Shabra das nur die ganze Zeit ertragen? Wir brachten die Kinder und die bewusstlose Frau nach draußen, kehrten selbst jedoch noch einmal in die Höhle zurück um sicher zu gehen, dass keine Riesenameisen mehr lebten. Tatsächlich fanden wir noch drei Räume mit Kokons. Fernandez musste sich übergeben, als er sah, was beinahe aus ihm geworden wäre. Wir vernichteten die Brut und kehrten an die Oberfläche zurück.
Als die Frau ihr Bewusstsein wieder erlangte, begann sie herzzerreißend zu schluchzen, denn sie war sich ihrer Handlungen im Nachhinein voll bewusst. Illumian meinte, diese Erinnerungen seien Strafe genug und ich bedauerte die Schöne zutiefst. Sie erzählte uns, auf dem Weg von Punin nach Fasar überfallen worden zu sein. Man hatte ihre Begleiter getötet und sie versklavt. Sie war an eine Magierin verkauft worden, die wochenlang an ihr herum experimentiert und schließlich Formica erschaffen hatte.
Wir verbrachten die Nacht mit den Kindern in der Scheune. Am nächsten Morgen brachen wir alle zusammen auf Richtung Wildenfest. Illumian plante dort ein Waisenhaus zu errichten und sich persönlich um die über zwanzig Ferkinakinder zu kümmern, deren Eltern Formicas Brut als Nahrung gedient hatten. Die verzweifelte Frau aber verabschiedete sich im Wald von uns:
Ich danke euch, dass ihr diesen Albtraum beendet habt. Ich danke euch, dass ihr mein Leben verschont habt, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob der Tod nicht eine Gnade gewesen wäre. Bitte, lasst mich gehen. Ich brauche Ruhe und Einsamkeit, um das alles zu begreifen und wenigstens in Ansätzen verarbeiten zu können. Ich schwöre euch bei den Zwölfen, von mir geht keine Gefahr mehr aus. Lebt wohl meine Retter!

Die Eltern der vier Kinder aus Wildenfest waren überglücklich ihre Lieblinge unbeschadet in die Arme schließen zu können. Wir blieben noch ein paar Tagen, ruhten uns aus und brachen dann Richtung Bosquirquelle auf. Am Abend nachdem wir das Dorf hinter uns gelassen hatten, schickte ich einen Elementaren Diener nach Drakonia mit der Bitte uns ein paar Dschinne zu senden um die Rolle und uns nach Drakonia zu bringen.
Als wir die Bosquirquelle erreichten, warteten tatsächlich zwei Dschinne auf uns. Sie übergaben mir einem Brief mit folgendem Inhalt:

Lieber Collega Nazir,
es freut mich außerordentlich Euch bald wieder auf Drakonia zu wissen. Und natürlich freut es mich um so mehr, da Ihr ein solch wertvolles Artefakt mit Euch führt. Ich kann die Analyse des solchen kaum erwarten, muss euch jedoch warnen nicht zu viel zu hoffen. Die Übersetzung drachischer Glyphen ist, wie Ihr wisst, zeitraubend und schwierig. Der gute Meister der Lohe lässt ausrichten, er habe genug damit zu tun, kürzlich entdeckten Hallen zu katalogisieren, als dass er sich einer weiteren Schriftrolle widmen könne.
Wie gewünscht habe ich bereits nach Llezean von Yyoffrynn-Thama geschickt, eine durchaus kompetente Saurologin. Allerdings bezweifle ich, dass sie, sollte sie in der Lage sein die Glyphen zu lesen, diese begreifen und verstehen kann. Der Sacer Ordo Draconis sendet Cadomar Viarius Erlenfang. Das wird eine durchaus große Versammlung für unsere Verhältnisse. Nichtsdestotrotz sollte diese Entdeckung unter allen Umständen geheim gehalten werden. Ich hoffe Ihr habt bereits alles Nötige getan, damit das Wissen, selbst wenn es nicht zugänglich sein sollte, nicht in die falschen Hände gelangt. Drakonia ist ein guter Aufbewahrungsort und das Konzil der elementaren Gewalten ein guter Wächter. Ich werde mich persönlich der Schriftrolle annehmen, als derzeitiger Stellvertretender Sprecher des Konzils und da die Übersetzung in das Fachgebiet fällt, zu dessen Großmeister ich demnächst ernannt werde.
Zum sicheren Transport der Schriftrolle sende ich Euch diese Dschinne. Ich hoffe ihr verzeiht, dass das Konzil derzeit nicht in der Lage ist weitere Dschinne für eure Reise und die eurer Begleiter zur Verfügung zu stellen. Ihr werdet die Höhen Drakonias aus eigener Kraft erklimmen müssen, da ich davon ausgehe, dass ihr an der Seite eurer Begleiter bleiben wollt. Macht Euch aber keine Sorgen, die Schriftrolle ist bei mir in den besten Händen.

Herzliche Grüße
Falleander Fulmacca


Innerlich kochte ich vor Zorn. Was bildete sich Falleander ein? Wir waren wie Brüder aufgewachsen, er war stets mein Vorbild und Ansporn zugleich und jetzt siezte er mich. Ich war mir sicher, er tat dies nur, weil er genau wusste, wie wütend ich auf ihn sein würde, wenn ich erführe, dass er vorhatte das Amt des Großmeisters, das Amt unseres Ziehvaters und Lehrers Pyriander zu übernehmen. Nur weil dieser seit über zehn Jahren als verschollen galt, war ich nicht bereit ihn für tot zu erklären. Ich war mir sicher, dass Pyriander noch lebte und irgendwann nach Hause zurückkehren würde. Es ist gegen die Regeln des Konzils einen Großmeister zu ernennen, solange der Vorgänger noch lebt und es war respektlos von Falleander dem Mann gegenüber, dem er alles zu verdanken hatte.
Aber damit nicht genug! Ich hatte gehofft uns die Strapazen eines Aufstiegs ersparen zu können. Offensichtlich ließen sich diese jedoch nicht vermeiden. Also übergaben wir den Dschinnen die Kiste mit der Rolle und sie flogen davon. Im Stillen war ich davon überzeugt, dass es der Wille der Großmeister war, dass alle Besucher Drakonias ihren ersten Aufstieg alleine bewältigen mussten und sie uns daher weitere Dschinne versagten. Allerdings war es auch möglich, dass Falleander mich noch nicht so schnell in seiner Nähe wissen wollte, aus Angst vor meinem Zorn bezüglich seines dreisten Planes.
Ich war den Weg als Kind einmal gemeinsam mit Pyriander gegangen und erinnerte mich nur noch wage, welcher Pfad zu wählen war. Seit Jahren schon reiste ich nur noch mit Dschinnen zum Tempel der Elemente. Doch lag es nun an mir, die Gefährten zu führen. Die beiden Maultiere ließen wir laufen. Dann folgten wir verschiedenen Wildwechseln immer tiefer ins Gebirge. Als Orientierungspunkt diente mir der Djer Tulam, der höchste Berg des südlichen Raschtulswall, auf den wir zuhielten. Tagelang durchstreiften wir die Wälder, ehe wir die Baumgrenze erreichten und vor uns ein wilder Bach aus einer tiefen Klamm sprudelte. Ich erinnerte mich, dass dies ein gefährlicher Ort war und Pyriander mich damals gewarnt hatte, doch ich hatte vergessen wovor. Es mag wenig rühmlich sein, aber ich war damals noch ein Kind gewesen und andere Dinge als die Worte meines Meisters hatten mich auf dieser Reise in ihren Bann gezogen. So oder so, wir mussten diese Klamm durchqueren. Ich sprach eine Warnung aus, es könne darin gefährlich sein und ging, mich krampfhaft zu erinnern versuchend, scheinbar selbstbewusst auf die Steilwand zu, welche von der Klamm wie von einem Tor zerschnitten wurde. Neben diesem Tor waren verwaschen und kaum noch leserlich in Ur-Tulamidya die Worte „Tal der Träume“ eingemeißelt. Auch dieser Hinweis genügte nicht meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. War ich wirklich ein so schlechter Schüler gewesen?
Anstatt meinem eigenen Rat zu folgen und mich auf die Umgebung zu konzentrieren, sinnierte ich weiter über die damalige Reise und meine Gedächtnislücken nach. Erst als Kiain meinte, hier würde es nach faulen Eiern stinken, nahm auch ich den scharfen Schwefelgeruch wahr, in den sich noch einige mir fremde Gerüche mengten. Nun wurde mir auch bewusst, dass es kein Nebel war, der die Sicht in der Klamm trübte, sondern eben jene Dämpfe. Aber es gab keine andere Möglichkeit, wir mussten weiter. Der Weg wurde immer schmaler und führte steil am Rand der Klamm nach oben, während das Wasser neben uns in der Tiefe tobte.
Urplötzlich rannte Shabra auf einen dürren Baum nahe dem Abgrund zu, riss ihm Blätter ab und stopfte sie sich in den Mund. Hier wolle sie bleiben und sich an den köstlichen Feigen satt essen, meinte sie. Fernandez versuchte Shabra zum Weitergehen zu bewegen, was ihm nur mit der Unterstützung von uns Übrigen gelang. Noch während wir auf die Händlerin einredeten, begann Kiain sich tänzelnd und pfeifend auf den Abgrund zuzubewegen. Gero ergriff ihn im letzten Moment an seinem Gürtel, als der Elf sich in die Schlucht fallen ließ. Statt sich zu bedanken erhob er auch noch Einspruch, er wolle fliegen und eins werden mit der Natur.
Noch bevor ich mich über das seltsame Benehmen meiner Gefährten wundern konnte, spürte ich wie der Nebel meine Sinne verschleierte. Es roch nach Feuer, die Felswende schienen sich mir entgegen zu neigen, fast als wollten sie mich zerdrücken. Hier herrschte Gefahr! Der Nebel nahm mir die Sicht zu den Anderen. Auch hörte ich sie nicht mehr, nur den Schlag meines eigenen Herzens. Ich musste raus aus dieser Klamm und versuchte das obere Ende zu erreichen.
Ich kann nicht sagen, wie lange ich panisch und orientierungslos durch den Nebel geirrt war, irgendwann lichtete er sich jedoch und ich befand mich am oberen Ende der Klamm. Hilbert, Shabra und Kiain waren ebenfalls dort. Die Anderen mussten noch irgendwo im Nebel stecken. Nachdem sich Sinne und Geist erholt hatten, machte ich mich mit Shabra und Kiain auf die Suche nach ihnen. Was wir fanden ließ uns das Blut in den Adern stocken. Gero wollte gerade mit seiner Axt Dana enthaupten und schrie:
Stirb, du falsche Schlange! Ich kenne deine Art! Mantra'ke, mich täuschst du nicht!
Travian aber warf sich, den Namen seiner Liebsten rufend, in Geros Schlag und parierte glücklicherweise. Leider achtete er deswegen nicht auf Fernandez, der sein Rapier in Travians Unterschenkel stieß und ebenfalls etwas von einem Verräter faselte. Es gelang uns kaum die Kämpfenden zu trennen und wir mussten bei dem Versuch selbst den ein oder anderen Schlag einstecken. Ich war erleichtert, als wir schließlich alle lebendig oberhalb der Klamm angekommen waren.
In der klaren Bergluft kamen alle langsam wieder zur Besinnung. Nun ja, die Wahrheit ist wohl, wir kamen nicht alle sogleich wieder zur Besinnung, den Gero sagte plötzlich:
Und das Weib ist doch eine Mantra'ke! Sie verschleiert nur ihre wahre Gestalt mit Hilfe von Magie.
Da ergriff Travian seine Axt und stürmte auf den Eisengießer los. Im letzten Moment konnte Gero seinen Schild hochreißen und entging so dem sicheren Tod. Vereint zogen wir die Kämpfer voneinander weg. Doch erst nachdem sowohl Hilbert als auch ich Dana genau analysiert und versichert hatten, es sei keine Magie an ihr, beruhigte sich Gero wieder. Zweifel und gegenseitiges Misstrauen blieben trotzdem noch einige Tage bestehen, während wir über nackten Fels, Geröll und Gletscher in immer höhere Gefilde vordrangen.

Es war am 1. Peraine als uns bei einer Rast nahe eines Passes eine seltsam anmutende Felswand auffiel. Bei näherer Betrachtung wirkte sie wie zu Stein erstarrtes Feuer. Eine magische Analyse ergab, dass hier mächtige, drachische Elementarmagie am Werk war. Wir vermuteten, die Wand könne ein Tor zu einer Drachenhöhle sein und unser Verdacht sollte sich bestätigen. Nach einer Weile des Rätselns und mehreren magischen Analysen berührten wir die Wand mit der ewigen Flamme meines Stabes, denn Feuer schien ein Auslöser zu sein.
Der Fels wandelte sich in eine Wand aus Flammen und bevor irgendeiner von uns auch nur ein Wort sprechen konnte, hatte Kiain sich bereits in eine Decke gehüllt und sprang durch das Feuer. Hinter dem tollkühnen Elfen erstarrte die Wand augenblicklich erneut zu Stein. Sorge um den seine Fähigkeiten gelegentlich überschätzenden Freund trieb uns zur Eile. Wer konnte schon sagen, was hinter der Wand lauerte, vielleicht ein Drache?
Ich sprach den 'Leib des Feuers' auf mich und berührte die Wand erneut mit der ewigen Flamme. Wieder wandelte sich Erz in Feuer, ich schritt hindurch und hinter mir erstarrte das Feuer wieder zu Erz. Vor mir stand Kiain, unversehrt. Mein Blick schweifte durch die Höhle, doch ich konnte keine unmittelbare Gefahr ausmachen. Wie vorher besprochen öffnete ich von innen das Flammentor, schritt hinaus und berichtete den Übrigen. Fernandez, Travian, Hilbert und Dana betraten nun ebenfalls in Decken gehüllt die Höhle. Gero wollte zunächst auch mitkommen, aber als er so vor der Feuersbrunst stand, hielt er es für sinnvoller Shabra dabei zu unterstützen, nach einem heimkehrenden Drachen Ausschau zu halten. Ich ging als Letzter zurück in die Höhle.
Ein dunkles, rotes Licht erfüllte die Felshalle und es herrschte eine enorme Hitze, die uns an die Mittagsstunden in der Khôm erinnerte. Der Raum hatte annähernd die Form eines liegenden Eies. Das letzte Drittel war durch einen Graben, in dem ein Lavastrom floss, vom Rest der Höhle getrennt. Die Lava war sowohl die Quelle des bedrohlich Lichtes als auch der Hitze. Inmitten des Stroms gab es eine steinerne Insel, auf der die Schalen riesiger Eier um einen Haufen Knochen verteilt lagen. Ich konnte es kaum glauben, aber alles deutete darauf hin, dass wir eine der seltenen und gut verborgenen drachischen Brutstätten entdeckt hatten. Welch sagenhafte Erkenntnisse hier schlummerten, nur um von uns gefunden zu werden. Wie ich auf Grund meiner Studien bezüglich Drachen wusste, überlebte aus einem Gelege stets nur ein Drache, der seine unterlegenen Geschwister tötete und fraß, was den Berg Knochen erklärte. Das wirklich Beeindruckende an der Höhle war jedoch, was sich in jenem durch den Graben abgetrennten, hinteren Bereich befand.
Die Wände dort waren bearbeitet, glichen mehr einer Palastfassade, denn einer Höhle. Sie waren kunstvoll bemalt mit einer paradiesischen Landschaftsszenerie im almadanischen oder horasischen Stil. Vor der Wand stand ein steinerner Pavillon, der an den Prunk des alten Reiches erinnerte und in dieser Art heutzutage wohl nur noch auf den Zyklopeninseln zu finden ist. Unter und neben dem Pavillon sahen wir die Überreste wertvoller Möbel, wie man sie im Hause eines Adeligen oder der Studierstube einer Spektabilität antrifft. Zwischen den Möbeltrümmern blinkten eine Schale und ein Kelch aus Gold.
Was hatte diese Szenerie zu bedeuten? Nun, bei genauerem Betrachten konnten wir trotz der Entfernung zwei massive silberne Ketten ausmachen, welche zentral im Boden des Pavillon verankert waren. Am anderen Ende der Ketten befanden sich Schellen, gerade groß genug um als menschliche Fußfessel dienen zu können. Tatsächlich erblickten wir auch unweit dieser Fußringe etwas, dass an Knochenreste erinnerte, die kleiner und zierlicher waren, als jene auf der Insel.
Mich packte die Neugierde und da der 'Leib des Feuers' mich noch immer schützte, sprang ich zum Erstaunen meiner Gefährten kurzerhand in die Lava und schwamm hinüber. Kaum hatte ich das Ufer erreicht, da fragten Travian und Fernandez auch schon nach dem goldenen Kelch und der Schale. Ich hatte zwar kein Verständnis für ihr gesteigertes Interesse an diesen Gegenständen, sah aber auch keinen Grund ihnen ihre Bitten abzuschlagen und warf Beides hinüber. Zu meiner Verwunderung bissen sie in das Geschirr hinein und brachen dann in Jubel aus, es sei echtes Gold. Natürlich war es das! Aber warum diese Aufregung? Erst als sie anfingen darüber zu diskutierten, was die Dinge wert wären, wurde mir langsam klar, dass sie vorhatten diesen unnützen Ballast mitzuschleppen.
Sag mal Nazir, was glaubst du, welchen Preis können wir für die Schale auf Drakonia erzielen?“, frage mich Travian.
Warum sollte man dir auf Drakonia etwas dafür geben?
Nun, die ist aus purem Gold und ziemlich schwer.
Ja, aber warum sollte auf Drakonia jemand Interesse an einer goldenen Schale haben? Wir haben in unserer Küche genug Schalen, um daraus zu essen. Und glaubst du wirklich, es gäbe auch nur einen Schüler auf Drakonia, der sich aus Gold etwas macht? Mein Freund, du musst noch viel lernen. Wenn wir Gold wollen, können wir es manifestieren. Wenn wir eine größere Menge dauerhaft brauchen, können wir einen Dschinn bitten, Eisen zu veredeln. Gold ist auf Drakonia nicht wertvoller als das Wasser in deinem Schlauch oder die Luft, die du atmest. Nein, Travian, auf Drakonia bekommst du dafür nicht einen Marawdi.
In den Gesichtern der Beiden stand ungläubiges Unverständnis. Achselzuckend wandte ich mich den Knochenresten zu und nahm noch aus einem Augenwinkel wahr, wie sie das Geschirr in ihren Rucksäcken verstauten.
Das größte Knochenstück war ein halber Schädel. Auf Grund meiner Erfahrungen im Kampf gegen Skelette war ich mir sicher, dass dieser Schädel menschlich war. So langsam keimte ein schrecklicher Verdacht in mir, der sich bestätigen sollte, als ich den zerbrochenen Schreibtisch untersuchte und die Überreste eines Tagebuchs fand.
Der Tote war mit großer Wahrscheinlichkeit der Autor und hörte zu Lebzeiten auf den Namen Odilius von Mordain. Allerdings ging aus seinen Aufzeichnungen hervor, dass er vor über siebenhundert Götterläufen gelebt hatte. Er wurde von einem Drachen hierher verschleppt und angekettet. Es fehlte ihm an nichts, der Drache hatte erlesene Weine und gute, haltbare Speisen, sowie Pergament und Federkiel der Unterhaltung dienend im Pavillon deponiert. Odilius beschrieb ausführlich seine Beobachtungen, wie die Drachen tagelang schlüpften und der Kräftigste die anderen tötete. Erst als das Jungtier seine Geschwister fast vollständig vertilgt hatte, wurde dem Beklagenswerten bewusst, dass er der Nächste sein würde. „Angst!“, war das Letzte, was er schrieb.
Ein Schauern überkam mich beim Gedanken an das Schicksal jenes Mannes. Doch ich war auch fasziniert davon, welchen Aufwand Drachen offensichtlich betrieben, nur um ihren Jungen einen Leckerbissen zu servieren.
Das Tagebuch und die Knochenreste übergab ich der Lava, natürlich nachdem ich mir Notizen zu dem beobachteten Schlüpfvorgang gemacht hatte. Anschließend bat ich gemeinsam mit den Übrigen die Zwölfe, sich der Seele des Gepeinigten anzunehmen. Dann verließen wir die Höhle.
Das Gesehene hatte uns alle tief beeindruckt und beschäftigte unsere Gedanken, sodass wir diesen und auch den folgenden Tag meist schweigend und ohne unsere Umgebung wirklich wahrzunehmen tiefer in den Raschtulswall vordrangen. So hätten wir beinahe die kleine, windschiefe Hütte übersehen. Überrascht blieb ich stehen und Fernandez, der hinter mir ging, stieß unsanft gegen mich.
Vor der Hütte graste eine Ziege und auf einer Bank saß eine alte Frau. Nur sehr wenige Menschen leben so hoch im Raschtulswall, fernab der Zivilisation. Sie hieß uns willkommen und teilte bereitwillig ihr mühsam gewonnenes Essen mit uns. Und obwohl die Frau auch sonst sehr freundlich war, misstrauten die Mittelreicher, Bornländer und Horasier unserer Gemeinschaft ihr. Sie nannten sie hinter vorgehaltener Hand eine Hexe. Diese aber erzählte uns, dass die Drachen unruhig und viel häufiger als normalerweise am Himmel zu sehen wären. Selbst der alte und mächtige Ysolphur hätte sich nach Jahren wieder in die Lüfte erhoben und dies bereits mehrfach.
Ich wusste, dass das Konzil gute Kontakte zu Ysolphur pflege und hoffte daher, dass die Großmeister eventuell ein Treffen arrangieren könnten, bei dem der Purpurwurm uns ein paar Fragen beantworten würde. Noch erschloss sich uns kein Gesamtbild, doch die Störung des Karfunkelschlafs in Khunchom, das Finden des Vermächtnis Pyrdacors, die Veränderungen in den Kraftlinien, die Häufung der Drachensichtungen, die Attentate auf uns, dies alles konnte kein Zufall sein. Irgendetwas Großes war im Gange, wir steckten mitten darin und wussten doch nicht, worum es eigentlich ging.

Früh am nächsten Morgen zogen wir weiter. Es brauchte noch vier Tage, bis wir die Geröllfelder des letzten Passes überquert, ein Nebel verhangenes Tal durchwandert und am Fuße eines Gletschers das untere Ende der Treppe zur Hochebene von Drakonia erreicht hatten.
Erst als das Licht der Morgensonne den Nebel vertrieb und den Blick auf die sechstausend Stufen umfassende Treppe freigab, begannen meine Gefährten zu ahnen, was ihnen bevorstand. Sie ist perfekt aus dem grünen Marmor des Raschtulswalls herausgearbeitet und spiegelglatt. Außerdem war der Aufstieg offensichtlich einst für größere Wesen als Menschen von Dschinnen angelegt worden, beträgt doch die Höhe der Stufen einen halben Schritt. Während die Treppe sich zur linken aus der steilen Felswand schiebt, geht es zu ihrer rechten noch steiler hinab in die Tiefe. Ein Geländer oder eine Brüstung gibt es nicht.
Dichter Hochnebel verhinderte immer noch den Blick zum oberen Ende der Treppe, als wir uns an den Aufstieg machten. Gegen Mittag jedoch durchbrachen wir die Wolkendecke und ein strahlend blauer Himmel hieß uns willkommen. Unter uns versank die Welt bis auf einige weit entfernte Gipfel im weißen, watteartigen Meer. Ich spürte die Macht der Elemente wachsen und es viel mir schwer, mich zurück zu halten und mit den Gefährten weiter zu steigen, anstatt einen Luftdschinn um Hilfe zu bitten. Die Heimat war nahe und sie rief mich.
Der Aufstieg war anstrengend. Immer wieder mussten wir uns gegenseitig motivieren durchzuhalten und nicht auf der Treppe das Nachtlager aufzuschlagen. Völlig erschöpft erklommen wir mit den letzten Strahlen der Praiosscheibe auch die letzte Stufe und vor uns öffnete sich die Hochebene Drakonias, ein Anblick der alle verstummen ließ.

Rakkdan
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Errungenschaften

Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

B) Das Konzil der elementaren Gewalten
Da lag sie – die Feste Drakonia – gigantisch und schön, wie seit über dreißigtausend Götterläufen. Mein Herz pochte beim Anblick der Mauern aus grünem Marmor, vermengt mit Obsidian und Achat, spiegelglatt und scheinbar aus dem Gebirge gewachsenen. Sie streckten sich über einhundert Schritt in den Himmel, überragt von mächtigen Türmen. Ein perfektes Hexagon mit eintausend Schritt Durchmesser bildet die Basis dieser Festung, die sich ansonsten in ihren Dimensionen und Formen dem Betrachter entzieht. Wie eine Krone herrscht sie über die weite, grüne Ebene, umweht von einem starken Wind. Gleich einem äußeren Mauerring wird dieses Plateau von drei Gletschern und drei Vulkanen umrahmt, von denen sich unter lautem Tosen Wasserfälle in die Ebene ergießen. Wie eine feine Linie lässt sich in der Ferne die Straße vom Tor des Lichtvogels zum Raschtul Kandscharot erkennen. Breit und perfekt eben, da von Dschinnenhand errichtet, führt sie zu dem größten der drei Vulkane, über dem immer eine Rauchsäule hängt, der durch Werden und Vergehen des Lichtvogels ganze Zeitalter einleitet und beendet.
Niemals werde ich den Angriff des Nachtdämonen vergessen, der das Ei des Lichtvogels stahl und niemals die Worte des Göttervaters Los aus dem Schnabel des von meinem Meister erretteten Geschöpf des Lichts. Damals war ich noch ein halbes Kind, macht- und wehrlos. Doch ich erkannte, dass ich meine Studien verstärken musste, um irgendwann den Elementen im Kampf gegen das Chaos hilfreich beiseite stehen zu können. Mir wurde bewusst, dass mein Weg der eines Kriegers werden würde, dass ich lernen musste keine Angst zu haben und meinem Element sein ganzes zerstörerisches Potential zu entlocken. Seit dieser Erkenntnis waren Jahre ins Land gezogen. Das Blut zahlreicher Feinde klebt an mir und nächtens sehe ich ihre Gesichter wie sie im Feuer vergehen. Nie habe ich leichtfertig getötet und trotzdem lastet jedes meiner Opfer schwer auf meinem Herzen. Wärme und Geborgenheit sollte ich mit dem Feuer in die Welt tragen, nicht Angst, Schrecken, Verzweiflung und Tod.

Für den Moment frei von solchen Selbstzweifeln und glücklich wieder zu Hause zu sein, stand ich Minuten lang mit den übrigen schweigend da und betrachtete die unendliche Schönheit und Kraft der Elemente. Ich sog ihr Gleichgewicht in mich auf und vergessen waren die Strapazen der Wüste und des Aufstiegs.
Auf diese Weise gestärkt marschierten wir voller Freude auf die Feste zu. Das Mondlicht ließ die mit Edelweiß übersäten Wiesen silbrig leuchten. Fast eine Stunde brauchten wir bis das Tor des Lichtvogels vor uns lag. Travian, der meine Erzählungen über Drakonia stets belächelt hatte, bekam den Mund nicht mehr zu, als er das riesige Portal erreichte und dessen materiellen Wert schätzte. Aus Diamant stellvertretend für das siebte Element, die Kraft, Rubin für das Feuer, Saphir für Wasser, Smaragd für Humus, Topas für Erz, Amethyst für Eis und Feueropal für Luft zusammengesetzt, zeigt das Tor den sich erneuernden Lichtvogel. Das Bildnis ist in einer solchen Perfektion gearbeitet, dass es wirkt wie aus einem Guss, nicht die kleinste Rille ist zu finden. Kein Riegel verschließt dieses Tor und keine derische Lebensform kann es öffnen. Sechs Dschinne und somit die sechs Elemente selbst gewähren Einlass oder verweigern ihn und dies seit Drakonia besteht. Als die sechs Wächter erschienen, fuhren meine Gefährten erschrocken zusammen. Manch einer hatte die Hand an seiner Waffe, als sechs Stimmen wie eine in unseren Köpfen erklangen: “Wer bist du und was ist dein Begehr?
Den Anblick der sechs Dschinne gewohnt, obwohl sie selbst mich immer wieder durch eine neue Gestalt überraschten, antwortete ich als Erster:
Ihr kennt mich, meine Freunde. Nach langer Reise kehre ich zum Konzil zurück, auf der Suche nach Erkenntnis und Schutz. Ich bitte euch, mir und meinen Gefährten Einlass zu gewähren.
Die übrigen folgten meinem Beispiel. Einer nach dem anderen stellte sich vor und bat um Einlass. Daraufhin bewegten sich die sechs Dschinne auf das riesige Portal zu und jeder tauchte in den Edelstein seines Elements ein. Fassungslosigkeit ergriff meine Gefährten als sich das Tor nach oben hin öffnete. Beim Durchschreiten sahen sie, dass das Bildnis eine Stärke von über drei Schritt aufweist und die Edelsteine durchgängig sind. Gero überschlug kurz das Gewicht des Tores, kam auf ungefähr 350 Quader und korrigierte damit Travians Schätzung des materiellen Wertes um einige Größenordnungen.

Jenseits des Tores stand Falleander. Mit seinen fast 1,9 Schritt überragte der Alamdaner mit den Sommersprossen und kupferroten Haaren mich wie eh und je. Er war fast zwanzig Jahre älter als ich und behandelte mich gerne wie kleines Kind. Jetzt aber empfing er uns förmlich. In Abwesenheit Pyrianders führte Falleander die Magier unter den Feuerelementaristen – wie ich gestehen muss vorbildlich und durchaus in dessen Sinne – und übernahm auch stellvertretend dessen Pflichten als Sprecher des Konzils. Ich schlug alle Förmlichkeit in den Wind, vergaß meine Wut und umarmte ich ihn brüderlich. Dann ließ ich ihn meine Gefährten in den Speisesaal führen, damit wir uns stärken konnten, ehe er ihnen ihre Quartiere zuwies. Sie wurden wie jeder Gast auf Drakonia angehalten ebenfalls weiße Roben zu tragen, die man ihnen zur Verfügung stellte, und zu ihrem eigenen Schutz nicht allein durch die endlosen Hallen und Gänge der Feste zu wandern. Ich verabschiedete mich von ihnen und ging in mein Quartier, wusch mich und legte eine saubere Robe an, ehe ich zum Tempel des Feuers ging, wo Sarlinya bereits auf mich wartete. Die bleiche Schönheit mit dem feuerroten Haar ist eine Druidin der Fakultät des Feuers und nur wenige Jahre älter als ich. Bereits als Kinder verband uns eine enge Freundschaft. Als wir heranwuchsen und Lust sowie Leidenschaft für uns entdeckten, war es für uns das Natürlichste auf Dere gemeinsam dem Feuer zu dienen, indem wir unsere Leiber vereinten. Dennoch sind wir stets nur Freunde geblieben, denn unsere Herzen sind und waren niemals eins.
Auch an jenem Tag ließ sie ihre weiße, durchscheinende Seidenrobe verführerisch zu Boden gleiten, als ich auf sie zuschritt. Sanft fuhren meine Hände über ihren makellosen Körper, während sie die steinerne Schnalle meines Gürtels öffnete. Dann riss sie mir mit einem Ruck die Robe vom Leib und wir fielen über einander her, als gäbe es kein Morgen. So ehrten wir die Leidenschaft als Aspekt des Feuers, bis ich völlig erschöpft aber glücklich in Sarlinyas Armen einschlief, um erst mit Beginn der Morgenandacht wieder zu erwachen.

Beim Frühstück traf ich dann auf meine Gefährten. Anschließend führte ich sie über den Hauptgang zu den Hallen der Elemente, ins Zentrum Drakonias. Jede dieser sechs Hallen durchmisst 66 Schritt, hat eine sechseckige Grundfläche und 80 Schritt Höhe. Jede einem Element geweiht, bilden diese Hallen gemeinsam wieder ein Hexagon in dessen Zentrum die Halle der Drachen liegt. Bevor ich meine Freunde jedoch dorthin brachte, zeigte ich ihnen jeden der sechs Tempel der Elemente, mit ihren riesigen Altären und erklärte ihnen die Funktion der Waagschalen, die das elementare Gleichgewicht Deres widerspiegeln. Hatte nicht bereits der gestrige Anblick Drakonias meine Freunde in Erstaunen versetzt, so doch spätestens das Tor des Lichtvogels. Die Hallen der Elemente aber ließen sie vollends verstummen. Zu überwältigend war, was sich all ihren Sinnen bot. Ich war und bin stolz einen solchen Ort meine Heimat nennen zu dürfen. Voller Freude ging ich voran in die Halle der Drachen. Diese ist genauso geschnitten wie die Hallen der Elemente nur an Stelle der Altäre befindet sich in jeder der Ecken die Statue eines der sechs Hohen Drachen, gefertigt aus Edelsteinen und größer als ein ausgewachsener Kaiserdrache. Ehrfurcht einflößend stehen sie da: Darador mit den hundertfarbigen Flügeln, Hüter des Lichts, Branibor mit den Eisenschwingen, Hüter der Gerechtigkeit, Yalsicor der Ziegenköpfige, Hüter der Freundschaft und der Hoffnung, Naclador Gemahl Hesindes, Hüter des Tempels der Weisheit, Menacor der sechsflügelige, Hüter des Limbus und Famelor der löwenhäuptige Gemahl Rondras, Hüter Alverans. Fernandez fiel vor Naclador auf die Knie und betete. Ich wendete mich Famelor zu und überließ meine Gefährten ihren Gedanken und Eindrücken.

Nachdem jeder seine persönliche Andacht beendete hatte, lenkte ich den Blick aller zur Decke der Halle, einem der großen Rätsel Drakonias. Von Säulen getragen ist dort ein Kuppeldach und unter dieser Kuppel schweben metallene Kugeln unterschiedlicher Größe. Schnell wird dem kundigen Betrachter klar, dass Sternen- und Planetenkonstellationen dargestellt werden. Doch entsprechen sie weder der aktuellen Konstellation, noch einer, die jemals an diesem Ort zu sehen gewesen sein kann. Es gelang uns Gelehrten bisher nicht einmal alle Kugeln einem Himmelskörper zuzuordnen.
Im Hauptgang trafen wir auf Falleander. Er brachte uns in eine große Halle, deren Wände voller drachischer Glyphen waren. Ich kannte den Ort und wusste, dass er zu den am besten dokumentierten in Drakonia zählte und schon lange kein aktives Forschungsobjekt mehr war. In der Bibliothek existierte mindestens eine mögliche Übersetzung für jede der Glyphen hier an der Wand. Inhaltlich ging es dabei um eine Verschiebung im elementaren Gleichgewicht vor mehreren Zeitaltern. Auf dem Boden der Halle lag völlig ausgebreitet, mit ungefähr fünfundzwanzig auf vier Schritt Pyrdacors Vermächtnis, die Schriftrolle aus Birscha.
Auch hier war es keinem von uns möglich, längere Zeit einzelne Glyphen auf der Rolle zu betrachten, denn sie schienen sich permanent zu wandeln und ihre Gestalt zu ändern. Bereits nach wenigen Augenblicken bekam ich starke Kopfschmerzen und musste den Blick abwenden. Den übrigen erging es ähnlich. Hilbert fragte Falleander, ob er bereits etwas über den Inhalt herausfinden konnte. Doch dieser schüttelte nur betrübt den Kopf, meinte dann aber:
Morgen erwarten wir die Ankunft Llezeans aus Vallusa. Vielleicht kann sie etwas herausfinden. Auch habe ich Eslam, den Meister der Lohe, noch einmal darum gebeten, einen Blick auf dieses beeindruckende Schriftstück zu werfen. Er ist mit Abstand der kompetenteste Mensch, den ich kenne, wenn es darum geht Drakned-Glyphen zu lesen.

Ein wenig enttäuscht machten wir uns auf den Weg in die umfangreiche Bibliothek Drakonias, um selbst ein paar Nachforschungen anzustellen. Gemeinsam mit Fernandez und Hilbert begann ich mit dem Studium des Compendiums Drakomagia, insbesondere der darin enthaltenen Lehre des Drakned.
Irgendwann zerriss Travians Stimme die gelehrsame Ruhe der Bibliothek:
Ist es wirklich möglich Kontakt zu Ysolphur aufzunehmen? Vielleicht kann er uns erklären, was die Drachen in Aufregung versetzt und was mit diesen Kraftlinien los ist, von denen du immer sprichst.“
Offenbar war er auf einen Hinweis zu diesem alten, mächtigen Drachen gestoßen und erinnerte sich daran, dass ich einmal erzählt hatte, dieser würde stets, wenn auch unregelmäßig intensiv, Kontakt zu den Bewohnern des Konzils pflegen.
Nun ich könnte einen Dschinn bitten ein Treffen mit dem Ehrwürdigen zu arrangieren. Wo ist eigentlich Flammenzunge?
Erst jetzt bemerke ich, dass der Dschinn, der im Auftrag Pyrianders früher auf mich aufgepasst hatte, wenn ich alleine durch die Hallen und Gänge Drakonias stromerte, der mich stets beschützt, vieles über die Natur der Elemente aber auch andere praktische Dinge gelehrt hatte und mir ein guter Freund geworden war, mich noch gar nicht begrüßt hatte. Kaum war jedoch sein Namen über meine Lippen gekommen, wuchs die Flamme einer Fackel an der Wand und nahm die Gestalt eines tulamidischen Sultans an, der mit geöffneten Armen auf mich zueilte:
Nazir, altes Haus, lass dich umarmen!
Nur mit großer Anstrengung war es mir möglich den Cantus 'Leib des Feuers' so zu modifizieren, dass er mich rechtzeitig schützte, als der Dschinn mich in Flammen hüllte. Die anderen waren erschrocken zurückgewichen. Freude strahlend stellte ich ihnen jetzt meinen Freund vor und bat diesen anschließend ein Treffen zwischen Ysolphur und uns zu vereinbaren. Flammenzunge versprach sein Möglichstes zu tun, gab aber gleich zu bedenken, der Purpurwurm sei in letzter Zeit aktiver und launischer als üblich. Dann stolzierte Flammenzunge laut pfeifend aus der Bibliothek, wobei er alle Fackeln und Kerzen in seiner Nähe hoch auflodern ließ. Ich konnte nur hoffen, dass niemand Thorhalla, der Hüterin der Schriften, davon berichten würde.

Als wir am nächsten Morgen beim gemeinsamen Frühstück saßen, flog plötzlich ein prächtiger Feuervogel durch die Tür und genau auf unseren Tisch zu. Nur wenige Finger vor mir stoppte Flammenzunge abrupt und verwandelte sich erneut in einen Sultan. Stolz berichtete der treue Freund, dass er für morgen eine Audienz bei Ysolphur arrangieren konnte. Ort der Begegnung sollte ein abgelegenes Tal sein, zu dem Flammenzunge uns führen würde. Die Aufregung in unserer Frühstücksrunde war groß. Als dann auch noch Falleander herein kam und meldete, sowohl die Großmeisterin der Grauen Stäbe zu Vallusa, Llezean von Yyoffrynn-Thama, als auch der Erzpräzeptor des Hortes Najem Orniah zu Punin, Cadomar Viarius Erlenfang, hätten die Hochebene erreicht, war die Stimmung auf dem Höhenpunkt. Bis die erwarteten Gäste eintrafen, begaben wir uns jedoch noch einmal in die Bibliothek, um uns mit Hilfe des Compendiums bestmöglich auf die Untersuchung der Schriftrolle vorzubereiten.
Voller Achtung begrüßten wir zwei Stunden später die beiden Koryphäen direkt in jener Halle, in der die Rolle lag. Tatsächlich ließ es sich, zu meiner Freude, auch Großmeister Eslam nicht nehmen, diese angesehenen Forschungskollegen persönlich willkommen zu heißen und mit ihnen gemeinsam die Schriftrolle zu untersuchen.
Das Ergebnis war vernichtend. Keinem dieser drei Experten im Entziffern von drachischen Glyphen gelang es, den Inhalt der Rolle auch nur ansatzweise zu erfassen. Alle drei waren sichtlich irritiert auf Grund der sich verändernden Zeichen und gleichsam fasziniert von dem einmaligen Stück als solchem. Eine schnelle Übersetzung war ausgeschlossen. Wir ließen die drei in Ruhe arbeiten und bereiteten unsere Wanderung sowie das Treffen mit dem Purpurwurm vor.

Noch am späten Nachmittag brachen wir auf. Hilbert und Dana entschieden sich auf Drakonia zu bleiben. Wir nahmen die Straße Richtung Raschtul Kandscharot und schlugen ganz in der Nähe des mächtigen Kraters unser Nachtlager auf. So blieb es nicht aus, dass wir nach dem Abendessen noch einen Spaziergang zu jenem Ort unternahmen, zu dem der Göttervater Los alljährlich am ersten Praios seinen Sendboten schickte, bis im Jahre 1021 BF das Karmakorthäon anbrach. Damit endete das elfte Zeitalter und der Lichtvogel wird erst wiederkehren, wenn entschieden ist, welches Volk die Vorherrschaft im zwölften Zeitalter übernimmt. Die Bedeutung dieses Ereignisses wird einem wohl erst bewusst, wenn man weiß, was man unter dem Begriff Zeitalter versteht. Da das Wissen um die Zeitalter jedoch nicht all zu weit verbreitet ist, diskutierten wir an jenem Abend ausführlich darüber. Die Geschichte des gesamten Kosmos lässt sich in dreizehn Zeitalter einteilen. Im Ersten erschlug Los Sumu. Dere ist ihr noch immer sterbender Leib. Götter, Giganten und die Elemente entstanden zu jener Zeit. Im zweiten Äon kämpften die Götter gegen die Giganten, während Riesen und Drachen entstanden. Meinen Nachforschungen zu Folge, fällt der erste Weltenbrand, also der erste Kampf zwischen Famerlor und Pyrdacor, in das Karmakorthäon zwischen zweiten und dritten Zeitalter. Kein Mensch kennt den genauen Verlauf der folgenden Zeitalter oder der Kriege, die in den Karmakorthäonen das Schicksal Deres bestimmten. Gewiss ist jedoch, dass stets ein Volk das vorherrschende eines Zeitalters ist und dass die Lebensdauer der Angehörigen dieser Völker von Äon zu Äon immer kürzer wird, wie das Leben in Sumus Leib abnimmt. Die Seelen der herrschenden Völker aber werden gesammelt für die finale Schlacht gegen die Horden der siebten Sphäre im dreizehnten Zeitalter, wenn die Welt vergehen wird. Das zehnte Zeitalter gehörte den Echsen und das kürzlich beendete elfte den Elfen und Zwergen. Pyrdacor, vom Namenlosen verführt, versuchte die Herrschaft der Echsen auf das elfte Zeitalter auszudehnen. Famerlor griff ein. So kam es zum zweiten Weltenbrand. Wieder befinden wir uns in einer Weltzeitwende und wieder schien uns Pyrdacor von Bedeutung. Die Worte von Fuldigors Prophezeiung kamen mir in den Sinn: „Unvermeydlich ist ihr drittes Treffen, unvermeydlich Weltenbrand, doch aufschiebbar.

In der Hoffnung auf Antworten setzten wir uns noch vor Sonnenaufgang wieder in Bewegung. Über schmale Pfade und tückische Geröllhalden führte Flammenzunge uns in eines jener verborgenen Täler, die mit Gras überzogen und von einem klaren Gebirgsbach durchschnitten ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit, fernab der Sorgen Deres, in den Herzen keimen lassen. An einem solch idyllischen Ort ist an Kampf, List oder Hinterhalt nicht zu denken. Ich war froh, dass Ysolphur sich für einen solches Tal entschieden hatte, denn es nahm meinen Gefährten die Angst vor dem Treffen mit dem mächtigen Purpurwurm.
Umso überraschter war ich, als Flammenzunge mir zuflüsterte:
Mach dir keine Sorgen Kleiner. Ich werde deine Freunde vor dem Feuer des Drachen schützen. Du hast doch gestern noch einen 'Leib des Feuers' in deinen Stab gespeichert?
Ja. Aber glaubst du wirklich, dass Ysolphur uns angreifen wird? Warum sollte er so etwas tun?
Nein, glaube ich nicht! Aber ich meine, dir mal beigebracht zu haben, stets auf der Hut zu sein. Und Drachen sind launisch, dieser im Besonderen.
Flammenzunges Worte erreichten mich kaum. Ich war aufgeregt und neugierig auf das Treffen. Noch nie zuvor hatte ich ein Gespräch mit einem leibhaftigen Purpurwurm geführt. Ihren Namen verdanken diese ungefähr fünfzehn Schritt großen Drachen ihren flieder- bis purpurfarbenen Schuppen. Sie gelten selbst für Drachen als äußerst intelligent und magiebegabt, allem voran im Bereich der Herrschaftsmagie. Zwei mächtige Schwingen erlauben es ihnen ihren Leib in die Lüfte zu erheben und sechs kräftige Beine machen diese feuerspeienden Wesen in den Bergen zu guten Kletterern.
Wir sollten nicht irgendeinen Purpurwurm treffen, sondern Ysolphur, eines der ältesten und mächtigsten dieser wundervollen Geschöpfe. Man sagt, er lebte bereits in dieser Gegend, als die ersten Menschen Drakonia erreichten. Seit diesen Tagen gab es immer wieder von Dschinnen vermittelte Treffen zwischen den Großmeistern und dem Wurm, um Wissen auszutauschen. Ich konnte es kaum glauben, dass mir die Ehre zu teil werden sollte, nun eine solche Begegnung selbst zu erleben.

Schon von weitem sahen wir auf einem kleinen Hügel inmitten des Tals einen Drachen sitzen. Mein Herz schlug wie wild. Doch als wir näher kamen, machte sich Enttäuschung in mir breit. Der Drache vor uns hatte nur vier Beine, war höchstens sieben Schritt groß und hatte perlmuttfarbene Schuppen. Ysolphur war nicht selbst gekommen, sondern hatte einen seiner Diener, einen Perldrachen, geschickt. Mit wenigen Worten erklärte ich den übrigen die Situation, während wir uns langsam und ehrfurchtsvoll näherten.
Am Fuße des Hügels blieben wir stehen. Einer nach dem anderen verneigten wir uns tief und stellten uns vor. Aufmerksam musterte der Drache uns dabei und ich war mir sicher, dass Ysolphur in diesem Moment durch diese Augen blickte. Plötzlich verengten sich die Augen des Perldrachen und begannen furchteinflößend zu funkeln. Eisig erklang die Stimme Ysolphurs in unseren Köpfen: „ Stirb, Mörder, Dämonenbündler, Abschaum!
So kalt und voller Hass diese Worte waren, so heiß war der Feuerodem, den der Perldrache uns entgegen warf. Der 'Leib des Feuers' in meinem Stab rettete mir das Leben und Flammenzunge jenes meiner Gefährten. Verdammt! Was war passiert? Womit hatten wir den Zorn des alten Purpurwurms geweckt?
Rückzug!“, Travian fasste das einzige Sinnvolle, das wir tun konnten, in Worte. Wir waren nicht gekommen um zu kämpfen, waren nur leicht gerüstet und kaum bewaffnet. Darum rannten wir zum Ausgang des Tals und stellten mit großer Erleichterung fest, dass der Drache uns nicht verfolgte. Einige Sekunden standen wir keuchend und nach Luft ringend da, ehe Fernandez das Wort ergriff: „Hattest du nicht gesagt, der Drache sei uns wohlgesonnen?
Davon ging ich aus.
Er schien irgendeinen von uns zu erkennen.“, warf Travian ein. Kiain schluckte und ungewohnt unsicher kamen die Worte über seine Lippen: „Nun, Ysolphur ist alt, sehr alt. Vielleicht, ja vielleicht lag er einst im Streit mit den Hochelfen.“ Ein Frösteln durchfuhr den Leib des Elfen. „Vielleicht glaubt er, ich sei einer seiner alten Feinde.
Genauso gut könnte er auch erkannt haben, dass ein Dämon mir meinen Schatten nahm!“, erwiderte ich, „Und jetzt glaubt er, ich wäre mit der siebten Sphäre im Bunde.
Ihr spinnt ja beide!“, warf Shabra ein, „Macht euch lieber mal ernsthaft Gedanken. Und jetzt los. Hier sind wir nicht sicher!
Wortlos und in Gedanken versunken machten wir uns an den Rückweg zur Titanenfestung. Als wir gegen Mittag gerade ein Geröllfeld passierten blieb Gero, der die Führung übernommen hatte, abrupt stehen und drehte sich um:
Oh! – Ich glaube, ich habe seinen Enkel getötet!

Peinlich berührt erzählte uns Gero von seinem Kampf gegen den von einem Dämonen besessenen Drachen Japhgur. Gemeinsam mit dem zwergischen Prinzen Arom Sohn des Arombolosch hatte er ihn in der Nähe von Tallon erschlagen. Vor lauter Aufregung und Abenteuern in den letzten Monden war dem ansonsten von Hesinde gesegneten Streiter der Drachenqueste entfallen, dass Japhgur der Enkel Ysolphurs war. Warum ihn dies in den Augen des Purpurwurms zu einem Dämonenbündler machte, ist unklar. Da uns jedoch keine bessere Erklärung für Ysolphurs Verhalten einfiel, ließen wir es dabei bewenden.
Natürlich war es an mir, den Großmeistern von dieser unerfreulichen Begegnung zu berichten und sie kochten vor Zorn. Man warf mir vor, ich hätte meine Gefährten nicht unter Kontrolle, würde sie kaum kennen und die Sicherheit des Konzils gefährden. Eine Gruppe Druiden wurde ausgesandt, um Ysolphur zu beobachten, in ein paar Tagen Kontakt zu ihm aufzunehmen und den Konflikt beizulegen.
Betrübt zog ich mich in meine Kammer zurück, legte mich auf mein Bett und dachte darüber nach, was ich falsch gemacht hatte. Irgendwann kam Sarlinya herein und setzte sich zu mir. Ich berichtete ihr was geschehen war, sie grinste mich an: „Ach Nazir, die Menschen von außerhalb werde ich nie begreifen. Aber ich weiß was du jetzt brauchst!“ Und ihr Kopf unter meiner Robe ließ mich meine Sorgen für diese Nacht vergessen.

Zwei Wochen verbrachten wir noch auf Drakonia, die meiste Zeit beschäftigt mit intensiven Studien in der Bibliothek. Täglich hofften wir auf Neuigkeiten über den Inhalt der Schriftrolle oder die Verhandlungen mit Ysolphur. Letztlich war der Drache noch nicht bereit wieder Menschen zu empfangen und die Gelehrten mussten sich eingestehen, die Rolle niemals entziffern zu können. Llezean schlug vor, wir sollten sie nach Vallusa begleiten. Von dort würde sie Kontakt mit Dracodan von Misaquell aufnehmen, dem Gesandten des menschenfreundlichen Kaiserdrachen und Markwart der Drachensteine Apeps des Ewigen.
Dieser alte und weise Kaiserdrache war ein Bruder Atlassars, dessen Karfunkel wir damals in Khunchom zurück in die Karfunkelhalle gebracht hatten. Llezean war sich sicher, Apep würde sich für die Rolle interessieren und in der Lage sein, sie zu lesen. Da niemand eine bessere Idee hatte, stimmten wir zu. Die Rolle sollte aus Sicherheitsgrüngen auf Drakonia verbleiben, bis der Kontakt mit Apep hergestellt war. Dann sollten Dschinne die Kiste mit der Rolle zu uns bringen.
Stundenlang diskutierten wir nun über die zu nehmende Route und entschieden uns für den Seeweg. Mittels Dschinnen wollten wir zurück nach Khunchom reisen, um dort einen Blick auf jene Schriftrolle zu werfen, die in ihrer Art der unseren ähnlich war und jahrelang einer Novadi-Sippe als Zelt diente, bevor die Drachenei-Akademi sie entdeckte, kaufte und seitdem untersuchte. Vor allem Llezean lockte die Vorstellung auf ihrer Reise noch eine weitere Akademie zu besuchen, einen weiteren unbekannten Ort und ein weiteres drachisches Artefakt zu sehen. Von Khunchom aus sollte es auf einem Schiff weiter gehen bis Vallusa. Hilbert und Dana entschieden sich noch eine Weile auf Drakonia zu verweilen, zu fasziniert war der Hüter des Codex Sauris von der Feste. So stand Travian ein schmerzvoller Abschied bevor. Auch mir fiel es nicht leicht Sarlinya, Flammenzunge und Falleander nach so kurzer Zeit schon wieder Lebewohl zu sagen. Doch am Morgen des 24. Peraine 1033 BF standen die Luftdschinne in Form kleiner Boote bereit und eine neue Reise begann.

Rakkdan
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Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

C) Auf See
Ein kalter Wind blies uns entgegen, als wir in einer Höhe von fast zwei Meilen über Mhanadistan und die Gor gen Khunchom flogen. Selbst eine so gigantische Stadt wie Fasar wirkte von hier oben wie Spielzeug: klein, unwirklich und irgendwie zerbrechlich. Für die meisten meiner Gefährten war es die erste Reise durch die Lüfte und sie schwankten zwischen Faszination und Panik. Ich hatte das Gefühl, dass letztlich alle froh waren, als uns die Dschinne am Morgen des vierten Tages unserer Reise wenige Meilen vor den Toren Khunchoms wieder auf festem Grund absetzten.
Ich war der Einzige, der es bedauerte, die Ruhe Drakonias und die Abgeschiedenheit unserer luftigen Reise gegen das Gewühl und den Lärm Khunchoms einzutauschen. Shabra konnte es gar nicht erwarten, wieder nach Hause zu kommen und sich um ihre Geschäfte zu kümmern. Fernandez, Kiain und Llezean zog es in die Akademie. Der kurze Blick, den man uns auf die dortige, drachische Schriftrolle gewährte, war eher ernüchternd. Das Dasein als Zeltplane war ihr nicht gerade zuträglich gewesen, was es noch schwerer machte, irgendetwas auf ihr zu entziffern. Gero berichtete seinem alten Freund, dem Erzmagus Rakorium, ausführlich von unseren Erlebnissen, während Travian ein Schiff organisierte, das uns über Llanka nach Vallusa bringen sollte.
Bereits zwei Tage nach unserer Ankunft lief das Schiff aus. Dennoch fanden wir die Zeit vorher ein paar Einkäufe zu tätigen. Kiain kaufte an der Akademie ein Tasse, die ihren Inhalt erhitzt und auf dem Basar Minze sowie andere Kräuter zur Bereitung eines Tees. Fernandez erwarb einen Schwamm, der es ihm ermöglicht, einmal in der Woche einen 'Sapefacta Zauberschwamm' auf sich zu wirken, was seinem Drang zur Reinlichkeit sehr entgegen kommt. Mir lieh Gero die bescheidene Summe von fünfhundert Dukaten, die mir noch für einen roten Kapuzenumhang fehlten, der den Träger durch Magie wärmt. Kälte war noch nie mein Freund und ich hatte ernsthaft Sorge im Norden permanent zu frieren.
Khadil Okharim bat uns, den verwirrten Limbusreisenden, den wir in der Nacht, als Hasrabal, der Sultan Goriens, den Karfunkel Atlassars entwendet hatte, neben einer dunklen Pforte gefunden hatten, mit nach Vallusa zu nehmen. Einigen Khunchomer Magiern war es in der Zwischenzeit mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen gelungen, aus den zusammenhangslosen Gestammel des Mannes herauszuhören, dass er Damiano heißt und ein Schüler des legendären Taphîrel ar'Ralahan sei. Llezean, die Meister und Schüler persönlich kannte, bestätigt diese Erkenntnis und drang darauf Damiano zu Taphîrel zu bringen. Dieser gilt als einer der größten Limbologen aller Zeiten und lebt in einem sagenumwobenen Turm in der Nähe von Vallusa. Selbstverständlich sagten wir unsere Hilfe zu und in mir keimte die Hoffnung, diese Größe der arkanen Zunft persönlich kennen zu lernen.
Travian hatte uns eine nordische Kogge, die Bornwind organisiert und bei herrlichem Wetter stachen wir am 29. Peraine 1033 in See. Der Wind stand günstig und mein Herz klopfte mir wie wild in der Brust beim Gedanken daran, in wenigen Tagen meine geliebte Belima wieder in die Arme schließen zu können.

Vor Jahren bat uns ein Erhabener Fasars, nachdem wir uns einen Namen gemacht hatten, indem wir einen Namenlosen-Kult in der Mutter aller Städte ausgelöscht hatten, seine beiden Nichten zu unterstützen und zu beschützen. Die eine war zur Wesirin Llankas ernannt worden, die andere ihre engste Vertraute. Doch fanden sich beide Schwestern in einem Hornissennest wieder, denn Llanka wurde damals von grausigen Kulten, Schmugglern und Piraten beherrscht. Überbleibsel der altoronischen Herrschaft mischten sich mit Chaos und Anarchie. Straßenkämpfe waren an der Tagesordnung. Die viel zu kleine Stadtgarde war mit Ausnahme der Agahi größtenteils korrupt. Und als wäre dies nicht schlimm genug, lebte noch ein riesiger Malmer im Hafenbecken, versenkte Schiffe und brachte so den Seehandel zum Erliegen.
Meine damaligen Gefährten und ich wurden also entsandt, um zu helfen und Ordnung im Chaos zu schaffen. Letztlich waren wir völlig überfordert und noch bevor wir wirklich wussten, wer gegen und wer mit wem agierte, erfuhren wir von einem Belkelel-Kult, der in der Arena eine rituelle Hinrichtung, ein Opfer an die Erzdämonin plante. Wir verbündeten uns mit den in Llanka lebenden Thorwalern und planten den Kult zu vernichten. Nie werde ich diesen Abend vergessen. Mit Masken und Schleiern verhüllt trafen sich an die hundert Kultisten in der Arena. Wir sahen keine Chance ihr Opfer zu retten und stimmten alle darin überein, stattdessen so viele Kultisten wie möglich zu Boron zu schicken. Ich lag auf dem Dach eines benachbarten Hauses und eröffnete von dort, wie besprochen, den Reigen mit einem Feuerball. Ich weiß nicht, ob es die Götter waren oder das Feuer selbst, das die Kultisten tot sehen wollte. Niemals zuvor und niemals seit diesem Tag erschuf ich einen solch verheerenden Feuerball. Sechzig Menschen fanden durch ihn den Tod, der Sand der Arena war zu Glas geworden. Die wenigen Überlebenden wurden von meinen Freunden und unseren Verbündeten niedergemetzelt. An diesem Abend wurde mir klar, dass ich eine Bestie war, vor der man Dere beschützen muss.
Mehr wie eine Organisation hatte an diesem Tag ihren Kopf verloren. Neue Kräfte strömten in das entstandene Machtvakuum und Llanka versank nun vollends im Chaos. Das Schlimmste aber war, dass die Schwester der Wesirin in den Flammen starb, war sie doch eine der Anführerinnen des Belkelel-Kultes gewesen. Wir wurden festgenommen und die Wesirin richtete über uns. Es war schwer, sie von der Niedertracht ihrer Schwester und unserer Treue ihr und den Göttern gegenüber zu überzeugen. Am Ende des Prozesses waren wir jedoch frei. Es sollte aber noch über ein halbes Jahr dauern, bis wir das Böse in der Stadt unter Kontrolle gebracht, die Stadtwache gereinigt und den Malmer vertrieben hatten. In dieser Zeit waren die Wesirin und ich uns sehr nahe gekommen. Sie hatte mir den Tod ihrer Schwester verziehen, wir verliebten uns ineinander und waren glücklich. Sie übertrug mir das Amt des Hofmagus und ich erhielt meine eigenen Gemächer im Blauen Palast. Mit der Stadt ging es aufwärts und langsam kamen durch unsere unermüdlichen Bemühungen Handel und Wohlstand zurück. Auf diesem beschwerlichen Weg machten wir uns allerdings nicht nur Freunde sondern auch teils einflussreiche Feinde. Eines Tages wurden wir von Zorganer Truppen festgenommen, des Landesverrats beschuldigt und in die Hauptstadt Araniens gebracht. Als Mitglied der grauen Gilde stand mir das Urteil eines Gildengerichts zu und so wurde ich von den Freunden getrennt und nach Drakonia geschickt.

Nun endlich sollte ich Llanka und meine Belima, die Perle Araniens, die schönste Rose des Kontinents wiedersehen und ich hoffte auch, den ein oder anderen der alten Gefährten wiederzutreffen. Außer Xornimosch, der kurz nach unserer Trennung einen heldenhaften Tod im Kampf gegen erzdämonische Umtriebe fand, waren alle wieder frei und soweit ich wusste regelmäßig in Llanka. Sie nutzten die Stadt als Basis, um von dort aus Jagd auf Belkelel-Anhänger zu machen. Hätte ich nicht geschworen die Rolle zu beschützen und ihr Geheimnis zu entschlüsseln, liebend gerne hätte ich mich den alten Gefährten wieder angeschlossen.

Ein Frösteln weckte mich aus meinen Träumen. Es war kalt geworden. Das Schiff lag ruhig, fast wie im Hafen. Ich wickelte mich in meinen neuen Mantel und augenblicklich wurde mir wärmer. Gähnend rollte ich mich zur Seite, um noch einmal die Augen zu schließen, als ich von Deck den Ruf des Kapitäns vernahm: „Alle Mann auf Gefechtsposition!“
Mit einem Schlag war ich hellwach, sprang auf, ergriff meinen Stab und stürmte aus der Kajüte. Im Gang stieß ich mit Gero zusammen, der mich einfach umrannte. Als ich schließlich das Deck erreichte, packte mich das Grauen. Die Reling, Taue und Segel waren von Eis überzogen und in die windlose Stille hinein knackte es gespenstisch. Haie umkreisten uns und dichter Nebel hüllte die Bornwind ein. Aus dem Weiß schälte sich hinter uns das verwitterte Skelett eines Dreimasters, umgeben von einem Panzer aus Eis. Selbst die Segel schienen aus Eis zu sein, ächzten und krachten. Unheilvoll bewegten sich das Schiff trotz der Flaute auf uns zu, scheinbar von großen, dunklen Schatten gezogen, die vor ihm in den Fluten schwammen.
Die Besatzung des Eisschiffes war mindestens genauso furchteinflößend, wie die Kreaturen im Wasser. Am Heck stand eine große, hagere Gestalt in einer schwarzen, mit leuchtenden Edelsteinen verzierten Rüstung. Die Kapuze eines ebenfalls schwarzen Mantels verbarg das Gesicht, doch seine Worte in einer fremden und bösartigen Sprache erfüllten die Luft. Insekten und entstellte Gargyle aus Eis schwirrten umher und liefen über Deck. An der Reling waren Menschen zu sehen, bereit zum Angriff. Im Licht der aufgehenden Praiosscheibe funkelten ihre Drachenarmreife. Wie in der Khôm war unsere Feind die Uled ash'Shebah.
Ich war entschlossen dem Spuk ein schnelles Ende zu bereiten und schleuderte dem Eisschiff einen Feuerball entgegen, der zu meinem Entsetzen fast wirkungslos verpuffte. Ein zweiter Feuerball auf das Heck des Schiffes zeigte überhaupt keine Wirkung. Famerlor steh uns bei!Welche finsteren Mächte waren hier am Werk?
Der schwarz Gerüstete war offensichtlich der Anführer und so entschied ich mich, alles auf eine Karte zu setzen und meine verbliebene Kraft in einen einzigen 'Ignisfaxius' zu stecken. Die Feuerlanze hatte ihr Ziel noch nicht erreicht, als ich die Antwort aus Eis auf mich zu schnellen sah. Mir blieb keine Zeit mehr in Deckung zu gehen. Die Eislanze traf mich mit voller Wucht. Schmerz explodierte in meiner Brust. Es wurde schwarz vor meinen Augen, das Eis überzog meinen Körper und ich spürte nur noch, wie mein Kopf auf Deck aufschlug.

Kälte. Stille. Dunkelheit. Unendlichkeit. Dann ein leises Knistern, es wurde lauter und ein prasselndes Feuer näherte sich mir in der Finsternis. Außer den Flammen selbst war nichts. Diese aber umhüllten mich, wärmten mich und gaben mir Kraft. Eine Stimme ertönte in meinem Kopf oder waren es tausende?
„Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Es gibt noch viel zu tun!“

Der Geruch einer Wasserpfeife stieg mir in die Nase. Ich sog den Rauch ein und öffnete dann langsam die Augen. Ich lag auf einem Berg aus Kissen, die Wände waren mit kostbaren Teppichen behangen und die niedrige Holzdecke bunt bemalt. Durch die Spitzbogenfenster flutete das Licht der Praiosscheibe den Raum. Auf den Kissen neben mir saß im Schneidersitz, Pfeife rauchend kein geringerer als Ruban Dhachmani, der Rieslandfahrer. Er lächelte mich an und meinte: „Willkommen auf der Diamant, Nazir!“
Ich blickte ihn fragend an: „Was ist geschehen? Wo sind meine Gefährten? Geht es ihnen gut?“
„Beruhige dich, hitzköpfiger Feuerspucker. Alles ist in bester Ordnung. Nachdem du niedergestreckt wurdest, rammte das Firun verfuchte Eisschiff die Bornwind und riss ihr ein Loch in den Rumpf, das größer war als euer Hauptsegel. Den folgenden erbitterten Enterkampf konnten deine Freunde nur mit knapper Not und gemeinsam mit der tapfer kämpfenden Besatzung für sich entscheiden. Euer verwirrter Passagier, dieser Domino oder so, hatte wohl durch die drohende Gefahr zu ertrinken einen lichten Moment, denn dieser Sohn eines nordischen Barbaren stopfte das Loch im Bug mit einer unsichtbaren Wand. Als dein finsterere Widersacher erkannte, dass ihr siegen würdet, bekam er es mit der Angst zu tun und sprang zu den Haien ins Meer. Noch im Sprung verwandelte der Schurke sich in einen schwarzen Delphin, das heilige Tier unseres Herrn Efferd. Unbehelligt schwamm er von dannen, während das dämonische Eisschiff zu schmelzen begann. Es gelang deinen Gefährten gerade noch rechtzeitig auf die Bornwind zurückzukommen, als Golgari sich bereits im Sturzflug befand, um sie zu holen, da das marode Frack binnen Sekunden sank. Nicht einmal eine Handvoll der unglückseligen Kultisten überlebte. Doch nachdem die unsichtbare Wand sich nach geraumer Zeit wieder auflöste, begann die insgesamt schwer beschädigte Bornwind ebenfalls in Efferds Reich zu sinken.
Ich kam mit der Diamant und zwei weiteren Schiffen um euch zu erretten, ihr Söhne des Glücks. Wir kamen aus dem Norden, sahen ein Schiff in Seenot und boten unsere Hilfe an. Ich half umso lieber, erblickte ich zu meinem Verzücken vertraute Gesichter an Bord. Gemeinsam gelang es die Bornwind so zu stabilisieren, dass wir sie in das herrliche Llanka schleppen können.
Der einäugige Elf und die Tocher Khunchoms haben alles versucht, um dich Eisklotz am Leben zu erhalten. Zeitweise schien die Verletzung zu schwer. Du warst mehr tot als lebendig. Aber wie durch ein Wunder wurde dein Herzschlag wieder kräftiger und die Wärme kehrte in deinen Körper zurück. Zwei Tage und zwei Nächte lang hast du Faulpelz geschlafen. Wie fühlst du dich?“

„Mir ist etwas schwindelig und ich habe Durst. Wie lange brauchen wir noch bis Llanka?“
„Blicke aus dem Fenster. Man kann den Blauen Palast bereits sehen.“
Unter Schmerzen richtete ich mich auf, schleppte meinen jämmerlichen Körper zum Fenster und erblickte Llanka. Der Anblick der auf einer Klippe gebauten Stadt, beherrscht von dem Blauen Palast erwärmte mein Herz. Ruban trat neben mich und legte mir die Hand auf die Schulter.
„Euer Phex gefälliger Rat hier einen Kontor zu eröffnen hat sich für mich bereits bezahlt gemacht. Die Wesirin, eine wahre Perle, war sehr entgegenkommend. Nimm du nun auch einen Rat von einem alten Mann an:
Der Wesirin liegt viel an dir. Dies sollte dein Heimathafen sein! Vermutlich kannst du das Reisen und die Abenteuer genauso wenig aufgeben wie ich. Doch es lohnt sich nur, wenn man einen Ort hat, an dem jemand auf deine Rückkehr wartet. Lass sie nicht zu oft und zu lange warten, sonst könntest du Taugenichts sie verlieren.“


Ich stand am Bug der Diamant als wir am Kai anlegten. Auch wenn Drakonia meine Heimat ist, Llanka ist gleichermaßen mein zu Hause. Ich führte die Freunde hinauf zum Palast und ließ uns anmelden. Zunächst trafen wir auf die Agahi. Ruban berichtete ihr gemeinsam mit Travian und Fernandez vom Angriff des Eisschiffes, woraufhin sie Anweisungen gab, die überlebenden Kultisten in die hiesigen Verliese zu bringen. Dann flog die Tür zum Audienzsaal auf und Belima stürmte uns in voller Amtstracht entgegen. Sie umarmte mich so stürmisch, dass ich vor Schmerzen aufschrie.
Im Innenhof des Palastes wurde unter Palmen eine riesige Tafel gedeckt und uns ein wahrlich fürstliches Mahl bereitete. Ich erfuhr, dass die alten Gefährten zur Zeit in Fasar weilten. Dort arbeiteten sie wie früher mit Samira zusammen, einer wunderschönen und mächtigen Hexe, die stets in Begleitung eines schwarzen Panthers unterwegs ist. Samira hatte es weit gebracht, während wir in Llanka beschäftigt waren, und galt als rechte Hand des fasarer Mondsilberwesirs Habled ben Cherek. So steckten die Freunde bis zum Hals in den Machtkämpfen der Erhabenen Fasars und der Mada Basari. Ich vernahm die Neuigkeiten mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn gerne hätte ich die Gefährten von einst wieder gesehen. Doch so war es mir möglich mich ganz und gar Belima zu widmen.
Acht Tage verbrachten wir in Llanka, während die Bornwind in Stand gesetzt wurde. Acht Tage lang bekam ich die Gefährten kaum zu Gesicht, fesselten meine Verletzungen und Belima mich doch ans Bett. Ruban war bereits nach einem Tag mit der Diamant und seinen beiden anderen Schiffen wieder nach Khunchom aufgebrochen. Die Kultisten wurden verhörten, weigerten sich jedoch irgendetwas über ihre Motive oder die Gestalt in schwarzer Rüstung preiszugeben. Letztlich wurden sie, zur großen Genugtuung Travians, als Piraten gehängt. Ansonsten erholten sich die Freunde im Palast, genossen die Sonne, das gute Essen und den kühlen Wein unter Palmen.
Zum Abschied überreichte Belima mir einen Beutel mit fünfhundert Dukaten, damit ich meine Schulden bei Gero begleichen konnte. Mein Herz weinte, als wir uns Lebewohl sagen mussten. Dennoch gaben mir die vergangen acht Tage die Kraft und den Mut, mich einem so mächtigen Feind wie diesem schwarz Gerüsteten auch zukünftig zu stellen. Denn ich wusste wofür ich kämpfte. Nicht nur für das elementare Gleichgewicht, das Feuer und die göttliche Ordnung, nein, ich kämpfte für sie. Was ich getan habe und was ich tun werde, tue ich, um Übel von ihr abzuwenden, bevor es ihr überhaupt bewusst ist.

Die Fahrt in den Norden entlang der Piratenküste verlief angenehm ereignislos. Am Mittag des 12. Ingrimm 1033 sahen wir in der Ferne einen Leuchtturm. Verwundert fragte ich Fernandez warum dieser Leuchtturm auch am Tage entzündet war. Der Draconiter lachte schallend und erklärte mir, dass dies kein Leuchtturm sondern ein Ingerimm Heiligtum wäre, das Wahrzeichen Vallusas.
Wie ein Schiff im Hafen lag die Stadt in der Mündung der Misa. Zwei Brücken verbanden sie wie Taue mit den Ufern. Die felsige Insel als Basis, umrahmt von einer mächtigen Mauer, war die Fläche der Stadt nicht besonders groß. Die Gassen waren eng die Häuser hoch, doch kein Gebäude höher als der Feuerturm.
Llezean führte uns zum Gasthaus 'Schlange und Federkiel', einer sehr gemütlichen Örtlichkeit an der sich Gelehrte zu einem Disput und einem guten Glas Wein trafen. Tatsächlich dauerte es nicht lange bis so offensichtlich Fremde wie wir in anregende, wissenschaftliche Diskussionen mit anderen Gästen vertieft waren. Die Großmeisterin der Grauen Stäbe verabschiedete sich bald, zog es sie doch nach Hause. Sie versprach jedoch, uns in zwei Tagen hier persönlich abzuholen und zu Taphîrel zu führen. Der Wein war gut und der Abend wurde lang.
Am nächsten Tag nahmen wir uns die Zeit, die Stadt zu besichtigen. Insbesondere der Feuerturm reizte mich, wohingegen Fernandez die Niederlassung seines Ordens aufsuchte. Travian und Gero verbrachten einen Großteil der Zeit mit dem Kauf von Pferden. Die Tiere waren zwar nicht mit den edlen Rössern der Tulamiden, Novadis oder Alamadaner vergleichbar, aber sie waren zäh, ausdauernd und passten irgendwie in diese kalte, trübe Landschaft. Kiain gab seiner Märe den geschichtsträchtigen Namen Pardona und meinte spöttisch, er wollte schon immer einmal Pardona reiten. Noch ahnte keiner von uns, dass die wahre Pardona, eine von Pyrdacor geschaffen und vom Namenlosen verführte Hochelfe, mächtig, verführerisch und abgrundtief böse, uns in nicht all zu ferner Zukunft näher kommen sollte, als uns lieb war.
Shabra erinnerte uns daran, dass wir unsere Kleidung der hiesigen Landestracht anpassen mussten und außer mir kleideten sich alle neu ein. Ich vertraute auf meinen neuen Umhang und sah außerdem keine Alternative zur weißen Beschwörerrobe.
Nach einer weiteren kurzen Nacht stand Llezean wieder in der Gaststube. Sie überreichte uns zwei Schriftstücke, die ihr Siegel als Großmeisterin und Drachensteinrätin trugen. Das eine Dokument sollte uns in Perainefurten und beim Herrn von Misaquell, der dort lebte, als Freunde ausweisen, das andere uns die Unterstützung der ODL Niederlassung in jener Stadt garantieren. Mit den politischen Gegebenheiten dieses Gegend nicht vertraut, war keinem von uns die Notwendigkeit dieser Schreiben bewusst. Ich sah in dem Treffen mit dem Herrn vom Misaquell nicht mehr als einen bürokratischen Akt auf dem Weg zu Apep dem Ewigen, dem Markwart der Drachensteine, vermutetet ich doch fälschlicher Weise, dass dieser Dracodan ein verweichlichter, hochnäsiger Aristokrat sei, der nur bedingt hilfreich sein konnte und seinen Hintern nur zum Austreten aus seinem Sessel erhob.
Nach einem ausführlichen Frühstück brachen wir auf. Meine gute Laune war verschwunden, bevor wir der Stadt vollends den Rücken gekehrt hatten. Der Nebel war dicht, unsere Kleidung nach wenigen Schritten klamm und ich fror, als wir Vallusa über die Brücke gen Tobrien verließen, einem grauen, trostlosen Land, in dem die Sonnen niemals zu scheinen schien.

Rakkdan
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Errungenschaften

Re: Spielbericht aus Sicht eines Charakters

Ungelesener Beitrag von Rakkdan »

D) Apep der Ewige
Am Abend des zweiten Tages auf der Straße nach Westen quartierten wir uns wie am Vorabend in einer so genannten 'Warunker Hütte' ein, einem einfachen, leeren Blockhaus am Wegesrand mit einem Kamin. Feuerholz war vorhanden und die Großmeisterin erklärte uns, dass wir das verbrauchte Holz am nächsten Tag wieder ergänzen sollten, sodass auch nachkommende Reisende immer ein wärmendes Feuer entzünden könnten. Ich gebe zu, davon beeindruckt zu sein, dass Menschen sich ohne Kontrolle an dieses ungeschriebene Gesetz hielten. Denn stets fanden wir in diesen Hütten einen großen Holzvorrat vor und hielten uns selbstverständlich auch an den Brauch, ihn wieder aufzufüllen.
Am nächsten Morgen verließen wir nach der Holzsuche die Straße und folgten einem kleinen Bachlauf. Der Untergrund wurde zunächst morastig und nur sanft erhoben sich die ersten Hügel. Der Nebel schien sich an diesem Tag gar nicht lichten zu wollen und ich wünschte mich zurück nach Llanka.

Gegen Nachmittag erklärte Llezean mit einem verschmitzten Lächeln, wir seien an unserem Zielort angelangt. Shabra blickte sie verwirrt an: „Aber hier ist nichts!
Warte es ab. Ich habe Meister Taphîrel bereits von Vallusa aus verständigt. Er wird bald eintreffen. Eh, Kiain, sei doch bitte so gut und halte dich von diesen Fundamenten fern, auf denen du gerade stehst. Glaub mir, es ist nur zu deinem Besten!
Tatsächlich stand der Elf auf einem gemauerten Podest. Sollte dies der Ort von Taphîrels Turm sein, wenn er in der dritte Sphäre weilt? Während ich den Übrigen von den Geschichten erzählte, die ich über diesen wundersamen Turm kannte, der mit seinem Meister durch den Limbus reist, wurden die Schatten immer dichter. Ein Frösteln überkam mich und der Nebel schien fast zu gefrieren. Auch die Gefährten wurden unruhig. Travian und Gero zogen ihre Waffen. Da erschien auf einem benachbarten Hügel wieder jene hagere Gestalt in schwarzer Rüstung und mit ihr traten mehr als dreißig maskierte Krieger aus dem Nebel. Sie hatten uns umstellt. Keiner von ihnen wirkte wie ein Tulamide. Nein, diese Menschen stammten von hier. Die Stimme des schwarzen Mannes durchbrach die gespenstische Stille:
So sehen wir uns wieder. Heute seid ihr in der Unterzahl. Doch wenn ihr mir die Schriftrolle aushändigt, lasse ich euch in Frieden ziehen. Wir müssen keine Feinde sein!
Ich weiß nicht, ob es Mut, Torheit oder ein wenig von beidem war, aber wir antworteten einstimmig: „Niemals!
Da befahl er den Angriff. Noch bevor die Männer uns erreichen konnten, zuckten Blitze über den Himmel und die Welt schien zu zerreißen. Graues Wabern drang in die Wirklichkeit ein und in seiner Mitte ein mächtiger Turm. Der schwarz Gerüstete wirkte lediglich irritiert, doch fast die Hälfte seiner Männer ergriff die Flucht bei diesem atemberaubenden Schauspiel. Taphîrels Turm war gekommen.

Jene Unglücklichen, die gerade über sein Fundament auf uns zu gestürmt kamen, hatte das Bauwerk unter sich begraben. Wir zogen uns zum Turm zurück, damit seine Mauern uns den Rücken freihielten. Die verbliebenen Angreifer stürmten in einem Pulk auf uns zu. Ich entfesselte zwischen den Maskierten und uns den 'Nihilogravo' aus meinem Stab. Das Blatt hatte sich gewendet. Als der schwarze Mann sah, wie seine verbliebenen Truppen im Zylinder der Schwerlosigkeit den Kontakt zum Boden verloren, beim Versuch rechtzeitig zu stoppen übereinander fielen und sich trotzdem hinein stießen oder ob des neuen Hexenwerks flohen, verschwand er im Nebel.
Die Freunde aber sorgten dafür, dass in kürzester Zeit alle verbliebenen Kultisten hilflos in der Schwerelosigkeit trieben. Mit Bogen und Armbrust metzelten sie dann die Wehrlosen nieder. Wie Nebel breitete sich das Blut in der Schwerlosigkeit aus, sodass man bald nichts mehr erkennen konnte. Bei diesem Anblick wurde mir schlecht und es gelang mir nur mit Mühe, mich nicht zu übergeben.
Als die Wirkung des Zaubers endete, fielen die Leiber zu Boden und es regnete Blut. Der Sturz gab so manchem bis dahin noch lebenden Angreifer den Rest. Gerade einmal zwei Kultisten überlebten. Sie wurden verhört, doch viel war nicht von ihnen zu erfahren. Sie waren Bauern, keine Krieger und gehörten einem Kult an, der sich 'Krallen des Drachen' nannte. Ihr Anführer, ein gewisser Dagor, der zu den Toten zählte, war dem schwarzen Mann treu ergeben und hatte sie in den letzten Tagen zusammen gerufen. Mehr wussten diese armen Narren nicht. Schwerverletzt ließen wir sie laufen.

Nun endlich hatten wir die Zeit uns den sagenhaften Turm Taphîrels näher zu betrachten. Wie man auf Grund des Fundamentes bereits vermuten konnte, hatte der Turm eine quadratische Grundfläche mit einer Kantenlänge von ungefähr dreißig Schritt, wobei seine Höhe nur knapp das Doppelte betrug, was dem Ganzen einen klobigen, massiven Charakter verlieh, der durch den grauen Stein noch verstärkt wurde. Die Anordnung der mit hölzernen Läden verschlossenen Fenster ließ fünf bis sechs Stockwerke vermuten. Eine Rampe führte zu einer Tür, die groß genug war, dass wir unsere Pferde hindurch führen konnten. Tatsächlich packte Llezean ihr Tier am Zügel und führte es hinauf. Wie von selbst sprang die Tür auf und gab den Blick frei in einen Gang, den Flammen ausfüllten. Eine Stimme erklang und verlangte ein Losungswort. Die Großmeisterin sprach es und schritt unversehrt mit ihrem Pferd durchs Feuer. Wir folgten ihrem Beispiel und stellten verblüfft fest, dass der Turm innen nicht so geräumig war, wie von außen vermutet, waren die Mauern doch gut und gerne sieben Schritt stark. Im untersten Geschoss gab es eine Art Stall, wo wir gerade unsere Pferde anbanden, als der Boden zu zittern begann und ein lauter Donnerschlag erschallte. Mein Gefühl sagte mir, dass der Turm die dritte Sphäre wieder verlassen hatte.
Aralea, die rothaarige Gehilfin Taphîrels kam eine Wendeltreppe herab, um uns zu begrüßen. Anschließend führte sie uns hinauf in einen rustikalen Speisesaal, wo der Meister höchst selbst uns willkommen hieß. Er war alt und wirkte zerbrechlich. Sein Gesicht war gelblich und zusammengefallen, der silberne Haarkranz dünn und die hellen, blauen Augen blind. Dennoch musterte er uns eindringlich. So schwach er auch äußerlich schien, so stark war die Macht und die Bedrohung, die von ihm ausging.
Er bedankte sich für das Zurückbringen seines Schülers, um dessen Wohlergehen er sich nach unserer Abreise persönlich kümmern wollte. Ich hatte tausend Fragen an den Meister, aber fast alle beantwortete er nur kryptisch oder wich ihnen ganz aus. Wir erfuhren, dass Damiano, als er verschwand, im Besitz eines äußerst mächtigen und kostbaren Artefakts, eines Äthrolabiums, also einer Art Kompass für den Limbus, gewesen war. Ausführlich beschrieb uns Taphîrel das Gerät aus Endurium und Mondsilber, mit den sechs Flügeln Menacors darauf und bat uns, falls wir irgendwann darauf stoßen sollten, es ihm zurück zu bringen. Zwar hielten wir es für unwahrscheinlich, dass wir ein solches Instrument auf unserem Weg nach Perainefurten finden würden, dennoch leisteten wir das Versprechen.
Die Zeit im Turm verging viel zu schnell, zu viel gab es zu sehen und zu hören. Entsprechend enttäuscht war ich, als Taphîrel sich nach knapp sieben Stunden verabschiedete und uns eine gute Reise wünschte. Der Turm stand wieder in Tobrien. Zu unserem Erstaunen war jedoch die Nacht noch nicht herein gebrochen. Vielmehr schienen nur wenige Minuten seit dem Kampf gegen die Krallen des Drachen vergangen zu sein.
Begeistert betrachteten wir das Spektakel, als der Turm wieder im Limbus verschwand. Das verbliebene Tageslicht nutzten wir anschließend, um zurück Richtung Straße zu reisen und einen halbwegs sicheren Lagerplatz für die Nacht zu suchen.


Sobald wir am nächsten Tag auf die Straße stießen, verabschiedete sich die Großmeisterin und kehrte nach Vallusa zurück, während wir unseren Weg nach Perainefurten auf der Straße parallel zur Misa fortsetzten. Als wir den Ort Fischbach erreichten, hielten es die Gefährten für weise, dass Kiain und ich den Ort umgehen sollten, da wir, einäugig und schattenlos, wie wir waren, für die abergläubige Bevölkerung zu sehr nach Dienern des namenlosen Gottes, der in die Sternenleere gekettet auf Rache an den übrigen Göttern sinnt, aussehen würden. Unsere Vorräte musste jedoch aufgefüllt werden, daher konnten wir das Dorf nicht gemeinsam umgehen. Kiain bat Fernandez ihm etwas Spannendes, etwas zum Spielen, und etwas Süßes mitzubringen. Fernandez verstand und der Elf strahlte vor Glück, als der Draconiter ihm später ein Hühnerei überreichte:
Wärme es gut, dann wirst du bald etwas Süßes zum Spielen haben, sei gespannt!
Am Abend des folgenden Tages schlüpfte tatsächlich aus dem Ei, dass der Elf bei sich trug, ein Küken. Kiain gab ihm den Namen des großzügigen Spenders, dem er diese Freude verdankte: Fernandez.
Wir passierten Schilfsend und noch bevor wir Derdingen erreichten, kamen wir zu einer Brücke, bei der man allen Ernstes pro Fuß und Huf, der sie berührte, Brückenzoll zahlen sollte. Die Wächter gingen sogar so weit, dass sie auch Silber für jene Füße verlangten, die hinüber getragen wurden. Da half auch kein Geleitschreiben einer Drachensteinrätin. Selbst ein tulamidischer Teppichhändler wäre zu einer solchen Dreistigkeit nicht fähig. Mein Zorn loderte und ich teleportierte mich kurzerhand auf die andere Seite, während Gero mein Pferd mit sich führte. Diese unsympathischen Menschen, die in diesem von den Göttern verlassenen Land lebten, taten mir irgendwie sogar Leid. Ihnen fehlte es offensichtlich am Licht des Herrn Praios, an Wärme und an Fröhlichkeit. Kalt und abweisend waren sie, wie das Wetter.

Meine Einschätzung der hiesigen Menschen sollte sich bestätigen, als wir am 20. Ingrimm vor den Toren von Perainefurten ankamen. Trotz des Schreibens der Großmeisterin wollte man uns nur Zutritt in die Stadt gewähren, wenn wir unsere Absichten von Magiern untersuchen lassen würden. Während meine leichtsinnigen Gefährten zustimmten, dass man in ihren Geist eindrang, war dies für mich inakzeptabel. Zuviel Wissen schlummert in mir, dass nicht die Reihen des Konzils verlassen darf. Zu viele Geheimnisse, die in den falschen Händen zu großem Schaden gereichen könnten, bewahrt mein Haupt. Ich hatte Eide geschworen, so Manches nicht weiter zu geben! Wie sollte ich da ein paar daher gelaufenen Fremden gestatten in meinen Erinnerungen zu wühlen? Die Freunde jedoch wollten es einfach nicht begreifen, beknieten mich regelrecht, nicht so stur zu sein. Ich blieb standhaft und suchte mir ein Quartier im Flüchtlingslager außerhalb der Stadtmauern.
Ich war gerade am Essen, als Fernandez in meiner Unterkunft erschien.
Nazir, da bist du ja! Ich habe dich überall gesucht! Wir haben mit der Stadtverwaltung und dem ODL verhandelt. Du musst dich prüfen lassen, sonst wird man dir keinen Zutritt gewähren. Sie haben zu große Angst, dass ein Dämonenanbeter in die Stadt gelangen könnte. Hier herrscht Krieg, Nazir. Da wird man vorsichtig.
Wenn sie einen Freund nicht von einem Feind unterscheiden können, ohne seinen Schädel auseinander genommen zu haben, verzichte ich gerne auf ihre Gastfreundschaft!
Ich habe befürchtet, dass du so etwas sagen würdest, alter Dickkopf. Nun gut, wir haben uns den Weg zum Haus des Herrn von Misaquell beschreiben lassen und werden ihn noch heute aufsuchen. Ich komme danach bei dir vorbei, um zu berichten.
Kopfschüttelnd verließ Fernandez die Wirtsstube und ging in Richtung Tor. War ich wirklich ein Dickkopf? Sollte ich nachgeben und darauf vertrauen, dass die untersuchenden Magier mir keine Geheimnisse entreißen würden? Nein, das Risiko konnte ich einfach nicht eingehen. Auf der anderen Seite verstand ich allmählich auch die hier lebenden Menschen und ihre Vorsichtsmaßnahmen, denn der Wirt gab mir bereitwillig Auskunft. Dieser Landstrich nennt sich Tobrien und war einst ein Herzugtum des Mittelreiches. Genaugenommen war es das immer noch. Nur war es dem Dämonenmeister vor einigen Jahren, während der großen Borbaradkrise, gelungen weite Teile Tobriens zu erobern. Selbst nach der Bannung des Nandussohnes blieb Tobrien geteilt, denn die Erben des Dämonenmeisters gaben es nicht frei. Im sogenannten Schwarztobrien herrschten nun Dämonenanbeter, die sich insbesondere dem Schänder der Elemente, Agrimoth, verschrieben hatten. Seit über zehn Jahren regierte hier Krieg und Verrat. Wen wundert es da, dass man misstrauisch gegenüber Fremden wurde? Bei der Befriedung Llankas im Kampf mit den Anhängern der Erzdämonin Belkelel, der Herrin der Schwarzfaulen Lust, waren wir einst selbst an einen Punkt gekommen, da wir niemandem mehr vertrauten.
Perainefurten war die Hauptstadt des mittelreichischen Tobriens. Hierher kamen all die Flüchtlinge aus Schwarztobrien. Im Norden der Stadtmauer hatten sie eine riesige Zeltstadt errichtet. Und von hier aus wurde die Rückeroberung geplant und langsam vorangetrieben. Ich verstand nun nicht nur das Misstrauen und die Kontrollen, sondern hielt diese Kontrollen sogar für sinnvoll. Dennoch war ich nicht bereit, mich ihnen zu unterwerfen.

Es waren keine zwei Stunden vergangen und ich saß noch in Gedanken versunken bei meinem dritten Bier, als Shabra und Fernandez herein gestürmt kamen. Aufgeregt berichteten sie mir, dass der Herr von Misaquell wohl entführt worden wäre. Schlagartig hatten die beiden meine volle Aufmerksamkeit und ich ließ mir berichten, was sich ereignet hatte.
Der Kanzler Tobriens, bei dem die Freunde zunächst eine Audienz gehabt hatten, hatte ihnen Dracodan von Misaquell als einen farbenfrohen, jungen Kavalier beschrieben, der stets einen eleganten Umhang, ein Schwertgehänge und einen modischen Federhut trug, wenn er das Haus verließ. Außerdem sei er im Gesicht auf eindeutige Art gezeichnet. Speisen würde der werte Herr stets zu Hause und ohne Gesellschaft, weshalb der Kanzler riet, ihn abends aufzusuchen, da er dann meistens anzutreffen wäre.
Als die Gefährten das Anwesen des Herrn von Misaquell erreichten, nahmen sie trotz der fortgeschrittenen Stunde keinen Lichtschein durch die Fenster war. Sollte Phex die Gefährten verlassen haben und der feine Herr war heute doch ausgeflogen? Ein wenig enttäuscht schritten sie durch den kleinen, mit Kräutern überwucherten Vorgarten auf das Fachwerkhaus zu und klopften an die Tür. Diese gab sofort nach und schwang nach innen auf. Sie riefen nach dem Herrn von Misaquell, doch drinnen rührte sich nichts. Im Flur hing an einem Haken besagter Umhang und Federhut, darunter standen zwei edle Stiefel und an einem zweiten Haken hing der Schwertgurt inklusive Waffe. Noch einmal riefen die Freunde nach dem Hausherrn. Wieder blieb jede Reaktion aus. Mit gezogenen Waffen schlichen die Freunde herein. Die Dielen knarzten verräterisch unter ihren Füßen. Neben einer Küche, einem Schlafgemach, einem Dachboden und einem kleinen aber gut bestückten Weinkeller, gab es noch einen zentralen Wohnraum. Auf dem Esstisch waren die beiden Kerzen völlig herunter gebrannt und erloschen. Ein Weinglass lag umgeworfen in einer dunkelroten Lache. Daneben stand ein Eimer, halb voll mit rohem Fleisch, das stank und schlecht geworden war. Dicke Fliegen schwirrten um Fleisch und Wein. Der Stuhl, der einst vor dem Eimer und dem Weinglas gestanden haben mochte, war umgeworfen. Kein menschliches Wesen war zu sehen. Aber alles deutete darauf hin, dass der Herr sein Haus nicht freiwillig und auch nicht erst heute verlassen hatte. Während mir berichtet wurde, waren Travian und Kiain unterwegs, den Kanzler zu benachrichtigen und Gero, die Stadtwache zu informieren. Da die Nacht sich bereits ihrer Mitte näherte, wurden weitere Nachforschungen auf den kommenden Tag verschoben.

Am nächsten Tag sprachen meine Gefährten mit den Menschen, von denen es hieß, sie hätten den Herrn von Misaquell in letzter Zeit gesehen. Auch kauften sie sich weitere Informationen im Phextempel ein. Ich erkundigte mich an den Toren, ob der Gesandte die Stadt verlassen hätte. Als wir uns mittags in meinem Quartier trafen und unsere Erkenntnisse zusammen trugen, zeichnete sich folgendes Bild:
Nach einer Ratssitzung vor zwei Tagen hatte sich dieser Dracodan zum Speisen in sein Haus zurückgezogen. Keine zwei Stunden später wurde er jedoch gesehen, wie er volltrunken, von zwei Saufkumpanen gestützt mehr durch die Straßen getragen wurde, als dass er lief. Vermutlich war er betäubt worden und die vermeintlichen Freunde, waren in Wirklichkeit heimtückische Entführer. Eines der Tore hatte er nicht passiert, jedoch war am Fluss Tizam ein Boot gestohlen worden. Verband man den Anleger des verschwundenen Flusskahns mit der Baustelle, wo Dracodan scheinbar betrunken gesehen worden war und dem Haus des Herrn Abgesandten, ergab sich eine Linie. Also war der werte Herr vermutlich betäubt zum Fluss getragen und dann mit dem Boot aus der Stadt gebracht worden.
Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Auch auf Bitten des Kanzlers hin, der um jeden Preis vermeiden wollte, dass Apep von dem Vorfall etwas erfuhr, nahmen wir die Verfolgung auf. Die Gefährten mieteten einen Flusskahn, verluden unsere Pferde und ließen mich außerhalb der Mauern Perainefurtens zusteigen. Auf Anweisung des Kanzlers begleitete uns ein Mitglied der herzöglichen Leibgarde, der sogenannten Wolfengarden. Der Ritter hörte auf den Namen Kuno Rudesen von Künßberg und war ein schweigsamer aber tatkräftiger Mensch, der Land und Leute kannte.
Der Tag ging bereits zur Neige, als Travian am Ufer einen halb versenkten Flusskahn entdeckte. Sofort ließen wir anlegen. Wir untersuchten das Wrack und entdeckten den Namen des gestohlenen Schiffes. Unsere Pferde wurden ans Ufer gebracht und wir folgten der Straße in Richtung Ebelried. Kuno wies uns darauf hin, dass wir noch vor der Stadt das Herzögliche Gestüt erreichen würden. Womöglich hätten sich die Entführer dort mit Pferden versorgt. Dieser Verdacht sollte sich bestätigen. In den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages hatte es einen Überfall gegeben. Zwei Wachen, der Großknecht und seine Frau hatten den Tod gefunden, wohingegen die Mörder ungesehen mit sechs gesattelten Pferden entkommen waren. Wir verbrachten die Nacht auf dem Gestüt und folgten dann der im weichen Boden noch gut sichtbaren Fährte der Mörder und Entführer querfeldein Richtung Protzingen. Von da an ging es auf der Straße über das Kloster Göttertrutz weiter nach Kleinwardstein. Überall erkundigten wir uns nach sechs Reitern mit Pferden, die das herzogliche Brandzeichen trugen. Wir erfuhren, dass Dracodan wohl noch immer benommen sein musste und als ein schwer kranker Hesindegeweihter ausgegeben wurde.


Wir folgten der Spur unserer Feinde entlang der Tobimora, hinein ins Reich der Dämonenanbeter. Es kam zu einem kleinen Zwischenfall mit einem tollwütigen Fuchs und ich hätte beinahe die Kontrolle über mich verloren, als wir in einem Dorf im Namen von Erzdämonen begrüßt wurden. Meine Gefährten mussten mich beruhigen, damit ich nicht das Dorf durch Flammen reinigte. Sie hatten recht. Diese armen Bauern waren nur Opfer. So zog es mich nach Yol-Ghurmak, der Hauptstadt des Dämonenkaiserreichs. Dort regiert der einstmals große Mechanicus Leonardo von Havena gemeinsam mit dem mächtigen Magier Balphemor von Punin und dem Werwolf Arngrimm von Ehrenstein, einem Verwandten des tobrischen Herzogs. Das Feuer in mir brannte und ich wollte diese Dämonendiener tot sehen. Travian, Fernandez, Gero und Shabra redeten auf mich ein, zur Vernunft zu kommen. Ohne Plan in die Hauptstadt des Feindes zu marschieren wäre Selbstmord gewesen und so ließ ich schweren Herzens von meinem Vorhaben ab. Wir hatten eine Aufgabe und deren Gelingen durfte ich nicht gefährden. Doch noch heute zweifele ich, ob es nicht ein größerer Dienst an Dere gewesen wäre, die Gefährten alleine weiter ziehen zu lassen und mich zu opfern, um wenigstens einen der drei Dämonenknechte mit in den Tod zu nehmen.


Am 25. Ingerimm 1033 erreichten wir das kleine Dorf Eberfels, wo wir erfuhren, dass die sechs Reiter auf dem Weg zur nahe liegenden Burg Tobelstein gewesen waren. Vorbei an den Nardesfällen, beeindruckende Wasserfälle, in denen einst ein Kaiser des Mittelreichs verschwunden sein soll, führte ein steiler und steiniger Weg hinein in die Schwarze Sichel und zur Burg Tobelstein. Wie Travian zu berichten wusste, war die Herrin der Burg eine gewisse Praiodane von Falkenstein. Einst war sie im Mittelreich Reichsrichterin und Gräfin von Baliho, stellte sich dann auf die Seite des Usurpators Answin von Rabenmund und wurde nach dessen Niederlage in die Verbannung geschickt. Als Baronin von Tobelstein und Reichsrichterin des Dämonenreiches diente sie später dem Heptarchen und Dämonenpaktierer Gaius Cordovan Eslam Galotta, der sich selbst als Dämonenkaiser bezeichnete und den Tod fand als er mit seiner fliegenden Festung das Herz des Mittelreichs verwüstete.

Wir erkundeten die Gegend und beobachteten die Burg, fanden jedoch keine Schwachstellen. Wie sollten wir in die Burg gelangen und den Herrn von Misaquell befreien? Vielleicht würde eine ruhige Nacht unseren Geist erhellen und so schlugen wir abseits des Weges ein Lager auf. In der Ferne hörten wir Wölfe heulen und von der Burg drang Musik und Gelächter an unsere Ohren. Dennoch waren die Mauern gut besetzt und die Wachen schienen aufmerksam. Wir hatten es mit einer gut durchdachten Verteidigungsanlage und einer vorsichtigen Burgherrin zu tun.
Am nächsten Morgen hatte ich eine Idee. Gerade wenn die Festung überlegt geplant war, besaß sie sicher einen Geheimgang, um in Zeiten der Not entkommen zu können. Ich rief einen niederen Erzelementar und bat ihn, uns einen Geheimgang in die Burg zu zeigen, falls ein solcher existieren sollte. Wir warteten Stunden auf die Rückkehr des felsigen Freundes, den nichts aus der Ruhe zu bringen schien, ehe er uns freudestrahlend in ein aufgegebenes Silberbergwerk führte. Dieses ging in eine Vielzahl natürlicher Höhlen über. Das Höhlensystem war weit verzweigt und während Ritter Kuno mit unseren Pferden und dem kleinen Fernandez gleich im Eingangsbereich der Stollen sein Lager aufgeschlagen hatte, wurden wir von dem Elementar tief in das dunkle Labyrinth hinein gebracht. Erst als wir wieder eine offensichtlich behauene Kammer erreicht hatten, verabschiedete sich der treue Gehilfe und ich dankte im tausendfach, während er mit dem Fels verschmolz.

Von der Kammer aus führte eine Wendeltreppe nach oben und durch eine Geheimtür gelangte man in den großen Turm der Burg. In Zweiergruppen und teilweise durch Magie unsichtbar erforschten wir Teile der Burg. Schnell erkannten wir aber, dass wir auf Grund der vielen Wachen auf diesem Wege Dracodan nie finden würden. Wir bekamen jedoch mit, dass waffenfähige Männer die Burg erreichten und um Aufnahme in die Besatzung baten, welche ihnen gewährt wurde. So beschlossen wir, dass auch Travian, Fernandez und Gero ihre Dienste anbieten sollten und Shabra sich vielleicht als Magd nützlich machen könnte. Während die Freunde so in den Kreis der Burgbewohner aufgenommen wurden und nützliche Informationen sammelten, agierten Kiain und ich weiterhin aus der Kammer heraus. Wir koordinierten den Informationsaustausch und am dritten Tag, als wir nichts weiter tun konnten, als auf die Übrigen zu warten, zog Kiain los, die Höhlen zu erforschen.

Durch mehrere Missgeschicke, die der Elf beinahe mit seinem Leben bezahlt hätte, gelangte er über unterirdische Wasserläufe und Seen zu einer Insel in einem Felsendom, in deren Mitte sich eine große Öffnung befand. Er beobachtete, wie von der Decke das Felsendoms an einem Seil ein riesiger Korb herabgelassen wurde, der durch die Öffnung weiter in der Tiefe verschwand. In dem Korb befand sich ein Wächter mit etwas zu Essen. Nachdem der Wächter wieder hinauf gezogen worden war, stieg Kiain durch das Loch hinab in eine behauene Kammer, in der auf einer hölzernen Pritsche und in schweren Ketten ein Gefangener lag und schlief. Der Mann war fast 1,90 Schritt groß, muskulös, hatte dunkle Haare und eine auffällige gezackte Zeichnung auf der linken Gesichtshälfte. Der Beschreibung nach musste es sich um den Herrn von Misaquell handeln. Der Elf wusste sich keinen Rat, stand er doch nackt und mittellos da. Also kehrte er mit letzter Kraft zu mir zurück, beschrieb mir den Weg und ich brach sofort auf. Tropfend nass und erschöpft erreichte ich den Gesandten Apeps. Ich machte mir die Einschränkung des Cantus 'Transversalis Teleport' zu nutzen, der es mir zwar erlaubt eine weitere Person mit durch den Limbus zu nehmen, jedoch nur maximal fünfzig Stein Gepäck. So teleportierte ich mich, den Schlafenden samt Ketten und fünfzig Stein Fels, der an den Ketten hing, zu Kiain in unsere Kammer. Gemeinsam versuchten wir dann die Ketten zu öffnen, ohne Erfolg. Unsichtbar schlich ich mich durch die Geheimtür in die Burg und informierte die Gefährten. Einer nach dem Anderen kamen sie unbemerkt in die Kammer. Gero hatte geistesgegenwärtig eine Metallfeile aus der Burgschmiede mitgenommen und machte sich sogleich an die Arbeit Dracodan zu befreien. Insgesamt wirkten die Freunde jedoch fast etwas enttäuscht, dass Kiain und nicht sie, den Herrn von Misaquell gefunden hatten. Immerhin hatten sie schon gewusst, dass er unterhalb des Bergfriedes gefangengehalten worden war und hatten sich für die dortige Wache einteilen lassen. Ihr Verschwinden, sowie das von Dracodan würde sicher bald auffallen und wir wussten nicht, ob die Geheimtür und unsere Kammer der aktuellen Burgbesatzung bekannt waren. Daher arbeitete Gero angestrengt, während ich noch einmal unsichtbar durch einen 'Visibili Vanitar' in die Burg zurückkehrte. Von den Freunden hatte ich von einem Unheiligtum, einem Dämonenschrein, innerhalb der Burg erfahren. Mein Ziel war es, diesen Frevel an den Göttern und den Elementen zu vernichten. In meinem Stab hatte ich einen zweiten Unsichtbarkeitszauber für den Rückweg. Im Unheiligtum befanden sich gerade drei Krieger, die den Dämonen opferten. Ich zögerte nicht und jagte einen Feuerball in ihre Mitte. Der Raum ging sofort in Flammen auf und auch die Deckenbalken brannten. Überzeugt etwas Gutes getan und für eine Ablenkung gesorgt zu haben, begab ich mich zurück zu den anderen.
Gero hatte die Ketten durchgefeilt und wir brachen, den noch immer bewusstlosen Dracodan tragend, auf zu Ritter Kuno, unseren Pferden und dem kleinen Fernandez. Zwei Tage lang ritten wir ohne größere Pause oder Nachtlager durch die Wälder am Fuße der Schwarzen Sichel um mögliche Verfolger abzuhängen. Erst als wir und unsere Tiere völlig erschöpft waren, schlugen wir ein Lager auf.

Dracodan von Misaquell ging es immer noch nicht gut. Er war benebelt, schwach und nicht wirklich ansprechbar. Wir flößten ihm frisches Wasser ein und ich nutzte die Rast um ihn magisch zu untersuchen. Dracodan war offensichtlich ein Magieanwender, doch seine astrale Kraft war völlig aufgebraucht. Die schwere goldene Halskette, die er trug, war ein mächtiges magisches Artefakt, das nur zu einem Zweck erschaffen wurde, nämlich um zu verhindern, dass sich die Astralmacht seines Trägers regeneriert. Wir befreiten den armen Menschen von seinem bösartigen Schmuckstück und verwahrten es seitdem gut, waren wir uns doch einig, dass ein solches Artefakt nochmal nützlich sein könnte.
Dracodan erholte sich danach rasch und mit jeder Minute, die es ihm besser ging, bedauerte ich mehr, ihn von der Kette befreit zu haben. Der Herr von Misaquell dankte uns kurz und sprach fortan nur noch mit Fernandez, da dieser wie er von Adel war. Gelegentlich ließ er sich noch dazu herab, mit einem einfachen Magier wie mir zu sprechen, alle anderen waren jedoch unter seiner Würde. Er beschwerte sich andauernd, weil wir ihn nicht früher gerettet hatten, ihm seinen Hut nicht mitgebracht hatten und wegen einer zahllosen Reihe von Kleinigkeiten, die wir seiner Meinung nach, bei seiner Rettung falsch gemacht hätten. Eine Horde elementarer Mindergeister ist verträglicher, freundlicher und liebenswürdiger als dieser eingebildete und aufgeblasene Pfau, der die Nase so hoch trägt, dass sie bei Regen voll Wasser läuft.
Und doch muss ich offen bekennen, so unsympathisch der Herr von Misaquell mir auch sein mag, so nützlich ist er auch. In seiner Begleitung verlangte bei unserer Rückkehr nach Perainefurten niemand mehr meinen Geist zu durchforsten und die Niederlassung des ODL wie auch der Kanzler überboten sich regelrecht, uns eine Unterkunft anzubieten. Natürlich mussten wir berichten, was sich zugetragen hatte, doch fanden wir auch ausreichend Zeit, Dracodan darüber zu unterrichten, warum wir ihn gesucht hatten. Der Gesandte Apeps war nicht bereit uns zu seinem Herrn zu führen, sondern bot an, stattdessen selbst einen Blick auf die Schriftrolle zu werfen. Er behauptete ein Drachling, also ein Halbdrache und Kind Apeps zu sein. Als solcher glaubte er sich in der Lage, die Schriftrolle zu lesen.

In den Hallen der Grauen Stäbe rief ich zwei Dschinne herbei und bat sie die Schriftrolle, Pyrdacors Vermächtnis, aus Drakonia in eben diese Halle zu bringen. Ich machte mir ernsthaft Sorgen, als am Morgen des dritten Tages, nachdem die Dschinne aufgebrochen waren, nur einer von ihnen und dieser sichtlich angeschlagen aber mit der Schriftrolle zurückkehrte. Der treue Gehilfe berichtete noch, dass sie kurz nach dem Verlassen Drakonias von einem anderen Dschinn angegriffen worden waren. Sein Gefährte hatte den Angreifer aufgehalten, sodass er mit der Rolle hatte entkommen können. Ich dankte dem tapferen Streiter, der sich in sein Element zurückzog. Wer aber wusste, dass die Schriftrolle auf Drakonia gewesen war und hatte es gewagt dort einen Dschinn gegen das Konzil zu befehligen? Oder sollte es gar einen Feind in den Reihen des Konzils geben? Nein, nicht einmal ein Druide des Wassers könnte so geblendet sein, dass er mit Gewalt gegen ein anderes Konzilsmitglied vorgehen würde. Dennoch entschied ich mich einen Elementaren Diener mit einer Botschaft für Falleander nach Drakonia zu schicken, um ihn über den Zwischenfall zu informieren.

Dracodan brannte vor Neugier darauf, die Schriftrolle lesen zu dürfen. Doch als sie in der großen Halle ausgebreitet vor ihm lag, begannen seine Augen zunehmend wild zu zucken, während seine Miene immer mehr versteinerte. Irgendwann wandte er das Gesicht ab und stürmte schweigend aus der Halle. Wir folgten ihm und Fernandez fragte, was er gelesen habe. Widerwillig blieb der Herr von Misaquell stehen: „Ich werde Apep den Ewigen bitten, sich dieses Dokument anzuschauen. Denn es zu lesen übersteigt meine enormen Fähigkeiten!“
Ich muss gestehen, diese Worte taten gut. War es Schadenfreude, die ich darüber empfand, dass dieser Pfau eine Niederlage eingestehen musste? Schon möglich, in jedem Fall war es eine gewisse Genugtuung.


Wir warteten mehrere Tage, ehe der Herr von Misaquell sich wieder zu einer Unterredung bereit fand. Er teilte uns mit, dass der Markwart der Drachsteine uns empfangen würde, wenn wir alleine den Weg zu ihm fänden und die Schriftrolle mitbrächten. Die Wegbeschreibung, die wir erhielten war mehr ein Rätsel, denn eine Auskunft. Trotzdem brachen wir wohlgemutes auf. Unsere Pferde verkauften wir zuvor in Perainefurten und erwarben dafür zwei Esel, die die Rolle trugen. Kiain bedauerte zutiefst, in Zukunft nicht mehr Pardona reiten zu können. Unser Weg führte uns in die Drachensteine. Nach drei Tagen erreichten wir die von den Draconitern, Golgariten und der Herzogsgarde gehaltene Festung Drachenhaupt. Als Kiain dort freilaufende Hühner erblickte und sah wie wohl sich der kleine Fernandez bei diesen fühlte, erkannte er schweren Herzens, dass das Abenteuerleben vielleicht doch nicht das richtige für ein Küken ist und ließ ihn bei den seinen. So verlor der Elf in wenigen Tage Mähre und Hähnchen.
Die Golgariten, als kämpferischer Orden des schweigenden Totengottes Boron, auf der einen und die Wissen sammelnden Draconiter, die auch als militärischer Arm der Hesindekirche gesehen werden können, auf der anderen Seite boten eine interessante und außergewöhnliche Burgmannschaft. Die Burg selbst ist auf mehreren Terrassen am Hang errichtet und hatte eine Steilwand als Schutz gen Norden. In den Fels sind Höhlen geschlagen, welche die Gebäude der Burg ergänzen. Die Draconiter nahmen uns in ihren Räumlichkeiten freundlich auf und gewährten uns auch Unterstützung beim Lösen des Rätsels, wie wir zu Apep gelangen sollten.

Dennoch brachen wir am nächsten Tag in die falsche Richtung auf. Wir hatten gerade den Deckel der Truhe, in der sich die Schriftrolle befand, als provisorische Brücke über eine Felsspalte genutzt, als wir feststellen mussten, dass man über uns lachte. Ein Meckerdrache hielt sich in unserer Nähe auf und verspottete uns. Seine frechen Worte gaben uns jedoch die entscheidenden Hinweise, dass wir vor Burg Drachenhaupt die falsche Abzweigung genommen hatten. Wie wir später erfuhren war diese Nervensäge von Drache Goldmäulchen, ein Gefährte Dracodans und Herold Apeps.
Dem Rätsel folgend verließen wir an einer durch Drachenodem zusammengeschmolzenen Mulde, der sogenannten Drachenrast, den Pfad und kletterte über Geröllhalden und einem kleinen Bach folgend immer tiefer ins Gebirge. Unser Ziel war der Gipfel Apeps Säule. Zunächst erblickten wir in einem kleinen Tal einen zwanzig Schritt großen, dunklen Drachen, der auf einem Fels saß. Wir brauchten einen Augenblick, um zu erkennen, dass der Drache aus dem selben Fels gehauen war, so kunstvoll war er gearbeitet. Als wir näher traten, fanden wir einen Eingang in den Felsen. Doch das war nicht irgendein Felsen und irgendeine Höhle. Nein, der Fels, auf dem der Drache saß, hatte die Form einer toten Löwin, geschlagen vom Drachen. Das mit Zähnen bewährte Maul der Löwin bildete den Eingang, den wir erblickt hatten. Gero bemerkte, dass die ganze Szene einst noch viel leibhaftiger gewirkt haben musste, so verwaschen wie der Stein war. Die Statue musste mehrere tausend Götterläufe alt sein. Als wir die Höhle betraten fand wir Bildnisse von Mantra'kim in blauen und roten Rüstungen, die Pyrdacor dem Güldnen dienten. Durch einen Spalt in der Decke, schien der steinerne Drache uns mit grausamem Blick zu beobachten. Wir dankten den Göttern, dass dies nur eine Skulptur aus Fels und kein leibhaftiger Feind war.
Wir zogen weiter. Auf einem schmalen Felssims ging es immer weiter bergauf, bis wir eine schmale, scheinbar natürliche Felsbrücke über einen tiefen Abgrund erreichten. Jenseits der Brücke war ein kleines Plateau. Dort endete der für Esel gangbare Weg und eine Kletterpartie schien nötig. Aber diese Brücke, sie roch geradezu nach einer Falle. Kiain betrat sie als Erster, ging hinüber und kam zurück: „Dort ist nichts weiter als Fels und die Brücke ist stabil. Lasst uns gehen!
Wir folgten dem einäugigen Elfen, doch kaum waren die Esel mit der Rolle auf der Brücke, als sich vor uns Gestalten aus dem Fels schälten. Es waren insgesamt gut und gerne zehn Männer und Frauen, bis zu den Zähnen bewaffnet und in schwarze Wappenröcke gehüllt, auf denen ein Goldener Drache mit roten Klauen zu sehen war. Gleichzeitig entstanden aus dem Gletscher in unserem Rücken Wesen aus Eis und versperrten uns den Rückweg. Hinter diesen frostigen Gesellen tauchte wieder eine Gestalt in schwarzer Rüstung auf, dieses Mal jedoch ohne Helm. Seine Haut war bleich, die Ohren spitz und sein langes, silbernes Haar wehte im Wind. Bei den sechs Hohen Drachen, das war ein Dunkelelf und er begann in einer dämonischen Sprache zu singen.

Während Travian, Shabra und Kiain die Kultisten, die offensichtlich wieder zur Kralle des Drachen gehörten, angriffen, stürzten sich Gero und Fernandez auf die Eiskreaturen. Bevor die Freunde sie erreichten, detonierte mein Feuerball der wenigstens ein Eiswesen tötete und die anderen antaute. Ich wandelte dann mit einer sehr alten und nur noch auf Drakonia bekannten Variante des 'Manifesto' oberhalb des Nachtalben einen Raumschritt Luft in Fels, der sofort auf ihn niederstürzte. Zu meiner Verwunderung blieb der Quader jedoch wenige Finger über dem Feind auf einer magischen Barriere liegen. Die Edelsteine in der Rüstung des Elfen leuchteten und mir wurde bewusst, dass hier Schutzzauber wirkten. Den Stab zum Flammenschwert gewandelt griff ich den Halbdämon aus der Ferne an, aber meine Attacken kamen nicht durch und meine Kraft schwand. Letztlich war meine Astralkraft völlig verbraucht und der Dunkelelf hatte nicht einmal einen Kratzer. Ich zog mich verzweifelt zur Kiste mit der Rolle zurück, setzte mich auf diese und begann zu grübeln, während die Gefährten tapfer eine gnadenlose Schlacht fochten.
Als Travian gewahr wurde, dass Kiain und Shabra mit den verbliebenen Kultisten alleine fertig wurden, sprang er Gero und Fernandez bei, die einen harten Stand gegen die Eiswesen hatten. Auf solche Weise unterstützt gelang es Gero, der es bisher mit Zweien dieser Kreaturen gleichzeitig aufnehmen musste und schon schwer verletzt war, eine von ihnen zu bezwingen. Dann wandte sich der Streiter der Drachenqueste dem Dunkelelf zu.

Fernandez gelang es seinen Gegner so nahe an den Abgrund zu locken, dass dieser bei seinem nächsten Angriff das Gleichgewicht verlor und in die Tiefen stürzte. Gerade noch rechtzeitig wandte sich der Draconiter Travian zu. Denn dieser war in arge Bedrängnis geraden und ging eben blutend zu Boden, als Fernandez den Feind auf sich lenkte.
Während ich dem Kampfgetümmel zusah, erkannte ich plötzlich, dass der Dschinn der Nacht, von dem wir bereits in der Khôm gehört hatten, nicht wie wir zunächst vermutet hatten Kiain, sondern dieser Dunkelelf gewesen sein muss. Nannten die Ungebildeten unter den Novadis nicht alle Elfen Dschinne? Und was lag näher, als dieses bleiche, das Sonnenlicht meidende Geschöpf in seiner schwarzen Rüstung als Wesen der Nacht zu bezeichnen. In dem Fall wurden wir schon eine lange Zeit von diesem Dunkelelfen verfolgt und beobachtet. Sollte er hier nun schlussendlich den Sieg davon tragen? Mir musste etwas einfallen, wie wir, angeschlagen wie wir waren, gegen diesen Halbdämon vorgehen konnten und zwar schnell. Dunkelelfen waren die Geschöpfe einer der mächtigsten Dienerinnen des Namenlosen, Pardonas. Diese mächtige, bald viertausend Jahre alte Elfe wurde einst von Pyrdacor erschaffen, vom Namenlosen korrumpiert und führte dann den Alten Drachen selbst dem Namenlosen zu. Sie war eine Meisterin der Chimärologie, erschuf unter anderem die Harpyien aus Menschen und Adlern, aber auch die Dunkelelfen aus Elfen und Dämonen. Aber sie war auch eine Meisterin der Lüge und der Intrige. Pardonas Verrat, führte zum Untergang mindestens einer der Städte der Hochelfen. Welches Interesse aber hatte sie an der Schriftrolle und wie hatte sie davon erfahren?
All dies schien auf einmal wichtig und war doch im Augenblick ohne Belang. Wir mussten diesen Dunkelelfen besiegen. Ich wühlte in meinem Gedächtnis, ob mir nicht noch irgendetwas über Dunkelelfen einfiel. Tatsächlich fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen: Metall, verhüttetes, nicht magisches Metall, das war die Lösung! Dunkelelfen sind sehr magische Wesen. Ihre Rüstung und Waffen sind aus einem magischen Metall, Endurium, welches dereweit an nur einem bekannten Ort abgebaut wird. Aber sie sind empfindlich gegenüber profanem Stahl. Ich rief Gero gerade zu, dass er den Dunkelelfen im ungeschützten Gesicht treffen müsse, als ein mächtiger Hieb von diesem ihn auf die Knie zwang. Wieder war der Draconiter zur Stellte, um den Freund zu beschützen und den Feind auf sich zu lenken. Er hatte meine Worte vernommen und traf den Feind mit einem gezielten Stich nach dem anderen mit dem Florett ins Gesicht. Die Wirkung war verheerend. Der Stahl schien die bleiche Haut geradezu zu verbrennen. Laut schreiend stürzte der Elf vom Sims in den Tod. Der Kampf war gewonnen.


Kiain und Shabra eilten herbei, um die Verwundeten zu versorgen, während ich mit Fernandez gerade auf der Brücke stand und über Dunkelelfen debattierte, als sich plötzlich der Himmel verfinsterte. Eine Hitzewelle erreichte uns, goldene Schuppen rasten über uns hinweg. Die Brücke erbebte und vor uns landete ein Kaiserdrache. Er blickte finster drein und seine Stimme dröhnte in unseren Schädeln. Er nannte uns Würmer und lästige Insekten. Wir hätten zu oft seine Pläne durchkreuzt, erst mit der Befreiung Dracodans und nun durch den Tod des Dunkelelfen. Offensichtlich war dies nicht Apep. Der Drache sog Luft ein. Ich spielte meine letzte Karte und entließ einen 'Leib des Feuers' aus meinem Stab, als der Drachenodem Fernandez und mich in Flammen hüllte. Die Wucht der Feuerwolke warf uns von der Brücke und wir stürzten. So sollte es also enden, zerschellt auf einem Felsen?

Wir fielen, als wie aus dem Nichts zwei schwarze Schemen an uns vorbei rauschten. Dann wurde unser Sturz langsam abgebremst und wir landeten auf den heißen perlmuttfarbenen Schuppen zweier Perldrachen, die uns anwiesen uns gut festzuhalten. Besorgt erkannte ich schwere Verbrennungen bei Fernandez, als wir wieder hinauf flogen. Die beiden Perldrachen setzten uns bei den anderen ab und umkreisten den Kaiserdrachen. Schließlich landete einer der beiden Perldrachen auf der Kiste mit der Schriftrolle, streckte sich und spreizte die Flügel. Er beschimpfte den sehr viel größeren und mit Sicherheit mächtigeren Kaiserdrachen. Apep dulde seine Gegenwart hier nicht länger und würde ihn noch heute vernichten, wenn er nicht sofort dieses Gebirge verlasse. Da erhob sich der goldene Kaiserdrache laut schnaubend in die Lüfte und flog von dannen.

Wie wir später von Dracodan erfahren sollten, war dieser Kaiserdrache kein geringerer als Apeps Sohn Lessankan, der den Gebirgszug Schwarze Sichel beherrschte. Vater und Sohn hatten wohl schon seit längerem Meinungsverschiedenheiten und waren sich offensichtlich auch nicht einig, wie mit uns zu verfahren sei.
Nachdem auch die Perldrachen sich verabschiedet hatten, behandelte ich Fernandez großzügig mit einer Chonchinissalbe, die ich für den Fall von Brandverletzungen immer bei mir trage. Wir waren ein schöner Haufen, die meisten mehr tot als lebendig. Ein Esel war davon gelaufen, der andere im Drachenfeuer gebraten. Mit letzter Kraft schoben wir die versengte Kiste mit der Schriftrolle von der Brücke auf das Plateau. Dort schlugen wir unser Lager auf und hofften, dass kein Feind mehr in der Nähe war, denn für eine Nachtwache fehlte uns allen die Kraft.


Als die aufgehende Sonne den gegenüberliegenden Gletscher in ein tiefes Rot tauchte, erwachten wir und der neue Tag gab uns Mut und Kraft zurück. Ich machte ein Feuer für das Frühstück, während Kiain und Travian darüber diskutierten, wie man am besten die Rüstung des Dunkelelfen bergen könnte. Allerdings kamen beide – und für Kiain war dies schon erstaunlich – zu dem Schluss, dass wir derzeit nicht in der Lage waren, die Steilwand hinab und mit der Rüstung wieder hinauf zu klettern. Außerdem hatten wir ein Ziel, nämlich den Hort Apeps zu finden. Und so wurde das Bergen der Enduriumrüstung auf den Rückweg verschoben.

Während Gero mit Shabra eine halbwegs gangbare Kletterpassage für den weiteren Aufstieg suchte und mit in den Fels geschlagenen Kletterhaken sicherte, stimmte ich mich auf die Flammen unseres kleinen Feuers ein und meditierte. Schließlich waren es die Worte Fernandez', die mich in die Wirklichkeit zurück rissen: „Und wie wollen wir jetzt die Rolle dort hinauf bekommen?
Meine Kraft reicht bei weitem noch nicht aus, um einen Zauber zu weben, der mächtig genug dafür wäre.
Komm schon Nazir, dir fällt bestimmt etwas ein.
Gib mir noch drei Tage und ich rufe einen Dschinn, der uns die Rolle hoch trägt.
Was für einen Dschinn?“, warf plötzlich Kiain ein.
Letztlich wäre das egal. Ich würde in diesem Fall aber vermutlich einen Luft-Dschinn bitten. Doch das spielt keine Rolle. Wir sollten hier nicht drei weitere Tage rasten!
Nun, wenn es egal ist, kann ich vielleicht behilflich sein.
Kiain, weder du noch der Dunkelelf sind in Wirklichkeit Dschinne, auch wenn die Unwissenden unter den Tulamiden und Novadis euch so bezeichnen.
Das mag richtig sein, aber Mutter Gerberowa, die Großmeisterin des Humus, gab mir kurz vor unserer Abreise auf Drakonia diesen Ring. Sie sagte, darin sei ein Humus-Dschinn, der uns helfen könnte, wenn meine Heilkräfte einmal nicht ausreichend wären. Nicht das dies jemals passieren könnte, aber hier wäre der Dschinn vielleicht doch ganz nützlich?
Überrascht starrte ich auf den kleinen, filigran gestalteten Holzring in Kiains Hand. Warum hatte er oder Mutter Gerberowa ihn mir gegenüber nie erwähnt? Kiain übergab mir den Ring, da er der Meinung war, ich hätte mehr Erfahrung im Formulieren von Wünschen.

Wir packten unsere Sachen und machten uns an den Aufstieg. Trotz der Seile und Haken war es eine schwierige, anstrengende Kletterpartie und gerade die Verletzten unter uns brauchten immer wieder eine Pause. Doch schließlich war es geschafft. Vor uns führte ein flacher Anstieg direkt zu einem akkuraten, sechseckigen Höhleneingang. Dies musste das Tor zu Apep Heim sein. Ich blickte die Klippe hinab zur Kiste mit der Schriftrolle und aktivierte den Ring. Aus einer kleinen, unscheinbaren Kiefer schälte sich eine atemberaubende Schönheit mit Haaren aus bunten Blumen. Der Geruch, der von ihr ausging, erinnerte an eine Blumenwiese im Frühsommer und belebte meinen Geist.
Herrin der Blumen und Bäume, du Schönste unter den Schönen, ich wage es kaum dich mit so einer profanen Bitte zu belästigen, bist du doch im Stande wahre Wunder zu vollbringen und Leben zu erretten. Doch bitte, sei so gütig und hilf uns, diese Kiste dort unten mitsamt der sich darin befindlichen Schriftrolle hier hoch und bis zu diesem Höhleneingang zu bringen.
Sie antwortete nicht, sondern lächelte nur. Dann wandelte sie sich in einen kleinen, bunten Vogel und flog hinab. Neben der Kiste begann nun ein Strauch zu wachsen, der in Windeseile die Felswand mit Ranken überzog. Vier Ranken lösten sich, griffen nach der Truhe und hoben sie hoch, wo andere Ranken sie übernahmen. So ging es weiter, bis die Truhe bei uns stand. Der bunte Vogel ließ sich auf der Truhe nieder und sie begann, sich Richtung Höhleneingang zu schieben. Es ging nicht sehr schnell voran, eher schubweise, doch wo die Truhe über den nackten Fels geschoben wurde, wuchs danach ein Meer aus Blumen. Als wir das Ziel erreicht hatten, bedankte ich mich bei dem bunten Vöglein und es flog singend davon.

Wir schoben gemeinsam die Truhe in die Höhle hinein, wobei mir Höhle die falsche Bezeichnung für dieses beeindruckende Gebilde im Berg zu sein scheint. Die Wände und der Boden des sechseckigen Gangs waren aus einem glatt polierten, orangefarbenen Edelstein, der von innen heraus leuchtete und alles in ein warmes Licht tauchte. Wie die Mauern Drakonias schien alles fugenlos aus einem einzigen Stein geformt zu sein. Der Boden wies Kratzer, ja fast schon Furchen auf, die wohl von den Klauen eines riesigen Drachen verursacht wurden. Der Gang führt steil bergauf und wir waren völlig erschöpft, als wir die Kiste endlich in eine riesige, diamantförmige Halle schoben. Auch diese Halle war aus dem mir fremden, orangenen Stein. Eine Vielzahl weiterer sechseckiger Gänge zweigte von hier ab. In mitten der Halle stand Dracodan, der Herr von Misaquell. Er begrüßte uns freundlich und gab uns die Zeit durchzuatmen, ehe er uns in einen ebenen Gang führte. Dieser endete in einem großen sechseckigen Schacht, der gerade nach oben führte. Kaum in den Schacht getreten spürten wir ein uns vertrautes Gefühl der Schwerelosigkeit und Dracodan forderte uns auf, uns leicht abzustoßen.

Langsam schwebten wir hinauf, die Kiste in unserer Mitte, bis wir einen sicher vierzig Schritt durchmessenden, ovalen Raum erreichten. Überall wuchsen hier unterschiedlichste Kristalle aus dem Fels, in denen sich das Licht mehrerer magischer Feuer brach und ein unglaubliches Farbenspiel erzeugte. Mehrere Gänge zweigten aus diesem Felsendom ab, doch Dracodan hielt uns an, hier zu warten. Schon erzitterte der Boden. Stapfen, Kratzen und ein Poltern waren zu hören, ebenso wie ein langsamer Atem, der immer näher kam. Dann loderten die magischen Feuer empor und ein gleißend helles Licht durchflutete die Halle.

Als sich unsere Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, stand vor uns ein bestimmt dreißig Schritt großer rotgoldener Kaiserdrache, der uns mit seinen bernsteinfarbenen Augen neugierig anfunkelte. Der Markwart der Drachensteine, Apep der Ewige, ragte vor uns auf und wir begriffen, dass wir ihm auf Gedeih und Verderben ausgeliefert waren. Nichts hatten wir dieser Naturgewalt entgegenzusetzen. Ehrfurchtsvoll sanken wir auf unsere Knie. Dracodan ergriff das Wort und stellte uns vor. Apep hörte zu und schwieg. Dann berichtete Travian kurz von der Entdeckung der Schriftrolle, den Angriffen des Dunkelelfen und bat schließlich den Drachen, einmal einen Blick auf die Rolle zu werfen. Zwei Dampfwolken stiegen aus dessen Nüstern empor und wir beeilten uns, die Rolle aus der Kiste zu heben und vor ihm auszubreiten. Interessiert beugte sich der mannsgroße Kopf über das Pergament. Die glühenden Augen sprangen schnell von einer Stelle auf der Schriftrolle zur anderen. Schnauben und fast so etwas wie ein gequältes Stöhnen gab das mächtige Wesen von sich, während es immer weiter las.

Schließlich erhob Apep sein Haupt wieder und seine Gedanken samt Gefühlen wurden Wort und Bild in unseren Köpfen. Es war ein unbeschreibliches Erlebnis! Alte Blutlinien und Drachendynastien wären auf dieser Schriftrolle verzeichnet, aber auch ein geheimnisvoller Ort, an dem diese Blutlinien ihren Anfang genommen hätten und vollständig verzeichnet wären, wurde erwähnt. Die Schriftrolle sei tatsächlich ein Nachlass Pyrdacors und vielleicht deswegen für Pardona von Interesse. Diese suche übrigens derzeit nach drachischen Verbündeten. Uns blieb die Luft weg. Wenn Apep auf Pardonas Seite stünde, wäre alles verloren. Wir hätten die Rolle dem Feind gebracht, der uns nach dieser Erkenntnis mit Sicherheit töten würde.

In unserem Geist sahen wir einen von Pardonas Dunkelelfen vor Apep treten, der begann ihm ein Angebot zu unterbreiten. Der Drache aber hörte dem Nachtalp nicht zu. Als Apep sich zu langweilen begann, noch bevor der Bote seinen Bündnisvorschlag vollständig ausgeführt hatte, verschlang er ihn mit einem Bissen. Kurz darauf spukte der Kaiserdrache vor unserem geistigem Auge beiläufig einen schwarzen Klumpen aus, die Überreste der Enduriumrüstung des Botschafters geschmolzen in der Glut des Drachen. Unwillkürlich wendeten wir unsere Blicke der Stelle zu, an der das Endurium in unserem Geiste liegen geblieben war. Dort hinter ein paar Kristallen lag noch immer der schwarze Klumpen und daneben ein zweiter.

Apep las offensichtlich unsere Gedanken, denn wir sahen nun, wie einer der beiden Perldrachen die Leiche des in die Schlucht gestürzten Dunkelelfen vor Apep ablegte. Der Bilderstrom brach ab und kurz flackerte die Szene mit dem goldenen Drachen auf der Brücke auf, begleitet von einem verzehrenden, übermächtigen Zorn. Lessankan, der eigene Sohn hatte sich mit Pardona verbündet.
Die Heftigkeit der Gefühlte flaute ab. Sorge ersetzte Zorn und in unserem Geist sahen wir einen anderen mächtigen Kaiserdrache, der noch etwas größer und älter als Apep wirkte. Apep vermittelte uns, dass dies sein ältester Bruder sei. Er wollte ihn vor Pardona gewarnt wissen, könne ihn jedoch nicht selbst aufsuchen, da er Lessankan sonst hier das Feld überlassen würde. Dracodan würde uns zu ihm begleiten, in den Raschtulswall.

Und eine weitere Aufgabe hatte der Herr der Drachensteine für uns. Selbst ihm blieb es verwehrt, die Schriftrolle vollständig lesen zu können und ihren Inhalt zur Gänze zu erfassen. Vieles ergab auch für ihn keinen Sinn. Zu einem der Alten Drachen, weit weg, gut so, sollten wir ziehen. Nur sie könnten die Schriftrolle vollends verstehen. Ins Eherne Schwert, zu Fuldigor dem Beender sollte unser Weg uns führen. Die Schriftrolle wäre hier in Apeps Hort in Sicherheit. Für Fuldigor würde Apep sie in Dracodans Gedächtnis brennen, auf dass wir die Kiste nicht zu ihm tragen müssten.


Ich vernahm die Worte, aber es dauerte Tage, bis ich ansatzweise begriff, was Apep uns aufgetragen hatte. Wir sollten uns nicht nur einem Wesen stellen, das ihm mindestens ebenbürdig, jedoch nicht so menschenfreundlich wie Apep und eventuell schon ein Bündnis mit Pardona eingegangen war. Nein, wir sollten uns auch auf die Suche nach einem der Alten Drachen machen! Diese dürften die mit Abstand mächtigsten Wesen der dritten Sphäre sein. Die Giganten, die Kinder Sumu, zeugten die zwölf Alten Drachen. Aus dem Krieg der Götter gegen die Giganten hielten sich diese jedoch fern. Als aber Götter und Giganten eine gemeinsame Herrschaft begannen, riefen sie sechs der Alten Drachen zu sich nach Alveran, der Festung der Götter in der fünften Sphäre. Diese sechs, deren Statuen in der Halle der Drachen auf Drakonia zu finden sind, wurden fortan die Hohen Drachen genannt. Auf Dere zurück blieben die Sechs, welche noch heute die Alten Drachen heißen und über das Schicksal der Welt wachen. Da ist Aldinor der Retter, Nosulgor der Spender, Teclador der Vorausschauende, Umbracor der Zerstörer, den Gero aus seinem Karfunkelschlaf geweckt und zu einem neuen Körper verholfen hatte, Pyrdacor der Bewahrer, der von Famerlor zerrissen worden war und dessen Vermächtnis diese Schriftrolle zu sein schien und schließlich Fuldigor der Beender. Der Legende nach greift Fuldigor ins Geschehen der Welt ein, wenn etwas oder jemand länger existiert, als dies von der göttlichen Vorsehung gewollt ist. Pyriander war einst mit der Lichtvogelexpedition bei diesem göttlichen Wesen gewesen. Er berichtete, die Gestalt des Drachen trotze jeder Beschreibung und seine Worte seien gewaltig, für alle Zeit unvergänglich in den schwachen menschlichen Geist gebrannt. Groß wie ein Berg, grüne Schuppen, goldene Augen, auf dem Rücken eine tausendjährige Eiche erzitterte selbst der Dämonenmeister damals vor Fuldigors Macht und gab auf dessen Befehl hin das Ei des Lichtvogels wieder frei. Allein die Vorstellung, diesem Alten Drachen zu begegnen, übertraf alles, was ich mir je erträumt habe.

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