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Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Der Plot will es! Diskussionen und Anregungen zu offiziellen und inoffiziellen Abenteuern.
Gueldenlaender
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Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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PILGER IN DUNKLER NACHT – EIN SPIELBERICHT ZUR QUANIONSQUESTE


Spoilerwarnung: Der nachfolgende Spielbericht ist grundsätzlich nicht für Spieler geeignet. Er enthüllt nicht nur zentrale Hintergrundinformationen zur Quanionsqueste, sondern enthält auch metaplotrelevante und Spielleitern vorbehaltene Bezüge zur aktuellen aventurischen Geschichte – u.a. auch zu Erzähllinien von Jenseits des Horizonts, der Königsmacher-Kampagne sowie zu den Geheimnissen um Khadan-Horas und der Schaffung der Urnen des Unwissbaren. Weitere für die Kampagne relevante Abenteuer sind voraussichtlich Verrat auf Arras de Mott, Gassenhelden, Zyklopenfeuer und Bunte Scherben (Anthologie Pilgerpfade). Aus den Bänden Schleiertanz und Im Schatten des Elfenbeinturms werden zudem einige Handlungselemente übernommen. Spielern, die diese Abenteuer noch gerne am Spieltisch erleben möchten, empfehle ich nicht weiterzulesen.


Vorbemerkungen: Im Jahr 1030 nach Bosparans Fall, fast drei Jahre nach dem Verschwinden des Ewigen Lichts, begeben sich drei Gefährten auf die Suche nach dem heiligsten Artefakt des Praios-Kultes. Bis auf den Heilig-Blut-Ritter in der Runde, der gerade erst in der Königsmacher-Kampagne den blutigen horasischen Thronfolgekrieg miterlebt hat, ist keiner von ihnen zum Helden geboren. Daher – und auch weil die Spielercharaktere mit einem eher geringen AP-Grundstock starten (1200-3700 AP) – beginnt die Kampagne zunächst noch relativ „unepisch“. Gerade in den ersten Jahren liegt der Fokus eher auf der Charakterentwicklung und den theologischen Diskussionen innerhalb der Kirche. Erst ab den Jahren 1033/34 BF wird die Handlung (hoffentlich) deutlich an Fahrt aufnehmen und auch Gelegenheit für größere Heldentaten bieten.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Kampagne ist der Themenkomplex um die „dunkle Nacht der Seele“ und der Kampf der Helden mit den eigenen Schwächen, Lastern und Schatten der Vergangenheit. Daher verwende ich als Spielleiter, zusätzlich zu den rollenspielerischen Tipps im Kampagnenband, das System der Verführungspunkte aus Schleiertanz. An manchen Stellen der Kampagnen können also Aktionen der Helden oder äußere Schicksalsschläge dazu führen, dass der Glaube der Charaktere nachhaltig erschüttert wird, die Verbitterung mit der Amtskirche zunimmt oder die Seele ein Stück mehr der Dunkelheit anheimfällt. Regeltechnisch hat dieses Anhäufen der Verführungspunkte zur Folge, dass der Wert einer bestimmten schlechte Eigenschaft deutlich ansteigt. Bei Ghiberto ist dies die Rachsucht, bei Boldrino der Nachteil Weltfremd und bei Lechdan der Gerechtigkeitswahn.




Die Verkündung durch hundert Zungen

Wenn die Welt sich wandelt und die Schatten länger werden,
ergreift Angst Besitz von den Herzen der Gläubigen.
Es wird Mitternacht im Garten von Gut und Böse.
Doch seht: Ein neuer Morgen dämmert schon!

Wohlverborgen ist der Keim, der Funke, der die Flamme neu entfacht.
Der Bogen des Lichts führt hinauf zum Paradies,
doch erst müsst ihr hinabsteigen in die dunkle Nacht der Seele,
auf dass in eurem Innerem Raum sei für das Leuchten.

Suchet das Licht, das alle Farben auslöscht und in sich vereint.
Schemen vergehen in der Sonne wie die falsche Schlangenbrut,
und wo Licht ins Mark der Erde dringt, fliehen die Geschöpfe der Tiefe.
Doch niemals darf der Götter Glanz vor der Finsternis weichen.

Eine neue Sonne wird das Firmament überstrahlen,
sie wird sein, wie sie war, bevor sie war, wo sie ist.
Dreifach ist ihre Herrlichkeit, und dreifach wird sie den Menschen wieder erscheinen.
Sumyrdalun.

Aus den Trümmern der alten Ordnung wird eine neue erstehen.
Dies ist das Los der Gläubigen, und dies ist das Los der Geweihten.
Aufrichtig lernend, vom Rechten nicht abkommend:
Auf diesem Weg werdet ihr sicher schreiten.
Zuletzt geändert von Gueldenlaender am 21.02.2014 11:52, insgesamt 3-mal geändert.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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QUAESITORES LUMINIS – DIE LICHTSUCHER



Ghiberto Grifone di Vianeï, Ritter vom Orden des Heiligen Blutes
(startet mit ca. 3700 AP)

Der Patriziersohn aus Sibur geriet schon früh unter die Fuchteln seines Onkels, des als pragmatischen und ehrgeizigen Kirchenpolitiker bekannten Lichthüters Adaon di Vianeï, dessen Einfluss ihm schließlich den Weg in den Heilig-Blut-Orden ebnete. Von ihm lernte er auch, dass Entschlossenheit einen Tugend ist und es in dieser Welt vor allem darauf ankommt, mit Kraft und Leidenschaft seine eigenen Ziele zu verfolgen. Im Laufe des Krieges der Drachen stritt er in mehreren Schlachten, zeichnete er sich wiederholt im Dienste Timor Firdayons aus und leistete einen wichtigen Beitrag bei der Entlarvung und Verfolgung der sogenannten Mantikor-Verschwörer.

Während des Aufstands der Nandus-Jünger in Sibur (nachzulesen in Masken der Macht) stellte sich die Familie di Vianeï, wie so viele andere alteingesessene Patriziergeschlechter, gegen die neue Ordnung. Adaon wurde mitsamt der anderen Praios-Geweihtenschaft aus der Stadt vertrieben und floh nach Vinsalt, wo er enge Beziehungen zu Staryun Loriano knüpfen konnte. Ghibertos Vater Gismondo wurde in seinem Patrizierturm zunächst belagert, doch als die vereinigten Heere der Gebrüder Marvinko vor den Stadttoren aufmarschierten, konnte ihn der Siburer Stadtmeister überzeugen, sich dem Widerstand anzuschließen, um die geliebte Heimat nicht in die Klauen des machthungrigen Grafen vom Sikram fallen zu lassen. Im Castello de Leones gelang es Gismondo di Vianeï, binnen kürzester Zeit eine Bürgermiliz aufzustellen. Doch es stellte sich bald heraus, dass sie den geübten und bestens ausgerüsteten Belagerern nicht gewachsen war. Als schließlich das Vorwerk der Stadt fiel, nutzten die radikalen Nandus-Jünger um Iridias Cornamusa die sich rasch in der Bevölkerung ausbreitenden Ängste, um mit lauter Hetze und dem Vorwurf des Verrats gegen die moderaten Kräfte der Stadtrepublik vorzugehen. Nachdem es ihnen gelungen war, Drugon von Radoleth in seinem Streitturm zu erschlagen, wurden auch immer mehr moderate Befürworter der Nandus-Republik in Schnellgerichtsverfahren zu Tode verurteilt. Ghiberto, der sich zu dieser Zeit mit einem geheimen Auftrag inkognito in der belagerten Stadt aufhielt, musste machtlos mitansehen, wie schließlich auch seinem Vater auf Betreiben des Fanatikers Iridias Cornamusa der Prozess gemacht und er vor seinen eigenen Augen hingerichtet wurde. Als Sibur schließlich von den Soldaten der Marvinko-Brüder gestürmt wurde, konnte Ghiberto im letzten Augenblick verhindern, dass Iridias, nachdem er schon die Halle des Götterfürsten entweiht hatte, in seinem Wahn auch noch den Rondra-Tempel niederbrannte. Doch Rache an dem Mörder seines Vaters zu nehmen, war ihm nicht vergönnt. Zwar gelang es ihm, dem Fanatiker eine Narbe im Gesicht zuzufügen, die ihn für immer zeichnen würde – doch dann stimmte Iridias eine gräßliche Litanei an und eine unheilige, namenlose Kälte bemächtigte sich Ghibertos Leib. Mit einem bösartigen Lächeln verschwand Iridias, nachdem er mit einer Fackel den Tempelvorhang in Brand gesetzt hatte, und nur unter Aufbietung der letzten Kräfte konnte er sich mit seinen Gefährten und den Priestern ein flammendes Inferno gerade noch verhindern. Seither lodert in seinem Herz die Flamme der Rache, und nur die Götter wissen, wie weit er gehen wird, um den Tod seines Vaters zu vergelten.

Theologische Strömung: Prinzipist / in Ansätzen auch Legalist (ein gewisser und zuweilen weltlich anmutender Pragmatismus)

Aussehen: dunkles Haar, durchdringende braune Augen, gepflegte Erscheinung, beherrschtes und meist tadelloses Auftreten
Alter: 25 (Geburtsjahr: 1005 BF)
Geburtsort: Sibur
Stand: Patrizier (SO 9)
Wichtige Eigenschaften: Mut, Intuition
Vorteile: Adlige Abstammung (Patrizier), Gebildet, Gut aussehend, Veteran
Nachteile: Prinzipientreue (Loyalität gegenüber dem Orden und seinen Prinzipien, Feinde (v.a. Comitor von Belhanka), Verpflichtungen (gegenüber der Familie), Arroganz, Neugier, Rachsucht
Wichtige Talente: Infanteriewaffen, Schwerter (Talentspezialisierung Langschwert), Reiten, Menschenkenntnis, Überreden, Etikette, Überzeugen, Götter / Kulte, Geschichtswissen, Kriegskunst, Staatskunst, Horathi, Bosparano, Kusliker Zeichen



Boldrino Voscari, Donator Lumini
(startet mit ca. 1200 AP)

Der junge Praios-Geweihte entstammt dem Patriziat von Cindano, einer kleinen, aber traditionsreichen Stadt im Süden der liebfeldischen Gerondrata. Bereits in jungen Jahren wurde der schüchterne Boldrino ins Noviziat des Siburer Praiostempels gegeben, wo er vom Custos Lumini Adaon di Vianeï ausgebildet und gefördert wurde. Viel wäre kaum über den jungen Mann zu erzählen, der immer nur gottergeben, demütig und diensteifrig seine Pflicht im Tempel tat, hätte ihn nicht der Götterfürst höchstselbst auserkoren, zur Mittagsstunde des 1. Praios 1028 BF vor den Stufen des Tempels die Suche nach dem Ewigen Licht zu verkünden. Von einem Tag zum anderen kannte ihn die ganze Stadt. Und völlig überfordert musste er mitansehen, wie ihm Alte und Gebrechliche ihre Hände entgegen streckten und ihm Mütter ihre Kinder reichten, um sie von ihm segnen zu lassen. Er, der bisher kaum die Welt außerhalb des Tempels erfahren hatte, konnte nicht verstehen, warum der Himmlische Richter gerade ihn auserwählt hatte, seinen Willen zu verkünden. Doch anstatt sich den Menschen zuzuwenden, flüchtete er sich noch tiefer in sich hinein und fand sein Glück in stiller Einkehr und frommen Gebeten. Nur einmal wurde er von äußeren Realitäten eingeholt, als der Tugendterror der Nandus-Jünger in Sibur wütete und die Geweihtenschaft des Praios die Stadt verlassen musste. In ihrem Vinsalter Exil machte Adaon di Vianeï den unsicher auftretenden Jüngling bei den Kirchenautoritäten bekannt und nutze dessen demütiges und gottesfürchtiges Auftreten zuweilen, um sich selbst ins rechte Licht zu setzen.

Als der Spuk in Sibur beendet war, folgte Boldrino den Geweihten nicht zurück in die Stadt, sondern schloss sich vielmehr einem Pilgerzug nach Balträa an, wo er hoffte, Antworten auf seine spirituellen Fragen zu finden. Monate lang übte er sich in Askese und innerer Einkehr, bis ihn die Priester – und er sich selbst – schließlich für würdig erachteten, den Gang zum heiligen Orakel anzutreten. Zur gleißenden Mittagsstunde trat er vor das Portal und senkte demütig sein Haupt. Doch nichts geschah. Das Orakel schwieg, und während nach Stunden des Ausharrens und Betens am Horizont die Sonne in einem Meer aus Rot und Purpur versank und die kalten Klauen der Dämmerung seinen Nacken herauf krochen, musste er sich eingestehen, dass ihn der Götterfürst nicht für würdig hielt, seinem Willen ein zweites Mal teilhaft zu werden. Als er schließlich niedergeschlagen und von sich selbst enttäuscht den Feuerberg wieder herabstieg, war sich Boldrino noch immer im Unklaren darüber, welche Rolle Praios für ihn vorgesehen hatte. Doch er ist bereit, für seinen Gott bis an die Grenzen dieser Welt zu gehen, vorausgesetzt dass er vorher nicht an seinen eigenen Grenzen zerbricht.

Theologische Strömung: Mystiker / Prinzipist

Aussehen: jung und schlaksig, trägt das einfache Ornat eines Lichtbringers, bescheidenes und zurückhaltendes Auftreten
Alter: 22 Jahre (Geburtsjahr: 1008 BF)
Geburtsort: Cindano
Stand: Patrizier (SO 8)
Wichtige Eigenschaften: Intuition, Charisma
Vorteile: Adlige Abstammung (Patrizier), Geweiht (Zwölfgöttliche Kirche), Gebildet, Guter Ruf (in Sibur), Prophezeien
Nachteile: Moralkodex (Praios-Kirche), Verpflichtungen (gegenüber der Kirche), Einbildungen, Autoritätsgläubig, Dunkelangst, Neugier, Weltfremd
Wichtige Talente: Selbstbeherrschung, Singen, Etikette, Götter / Kulte (Talentspezialisierung Praios-Kirche), Rechtskunde, Bosparano, Kusliker Zeichen, Prophezeien, Liturgiekenntnis (Praios)



Bruder Lechdan, gefallener Mönch vom Orden des Heiligen Hüters
(startet mit ca. 3300 AP)

Als zweites Kind eines Greifenfurter Ritters wurde Lechdan mit jungen Jahren in die Obhut des Ordo custos sancti zu Arras de Mott gegeben. Als entfernter Nachfahre des mörderischen Gilian von Greifenberg vertiefte er sich schon bald mit großem Eifer in das Studium der Zeit der Priesterkaiser und wähnte sich so manches Mal auf der Spur eines dunklen Geheimnisses, woraufhin der strenge Bibliothekarius immer wieder hart durchgreifen musste, um dem Wissensdrang des ungestümen Novizen Einhalt zu gebieten. Die Ereignisse im Jahre 1017 BF wandelten jedoch Lechdans Leben tiefgehend. Von Dämonen und untoten Hütern gehetzt, ließ der junge Mönch seine Ordensbrüder im Stich und floh aus der Abtei. Tief erschüttert und im Bewusstsein einer kaum wieder gut zu machenden Schuld zog er seither ziellos durchs Land. Da er vor entfesselter Dämonenmacht feige geflohen war, anstatt wie der Heilige Gilborn als Märtyrer in Praios’ göttliches Paradies einzutreten, sah er sich als gefallenen Diener des Herrn, welcher der göttlichen Gnade nicht mehr würdig war. Von jenem Tage an erbat er nie wieder ein Wunder und sprach nie wieder einen Segen. Als Zeichen seiner Buße behielt er seine Mönchskutte, die mit den Jahren zunehmend schmutziger und zerlumpter wurde.

Auf seinen Reisen durch das nördliche Mittelreich bot er sich immer wieder der armen Landbevölkerung als hilfreiche Hand an, schlichtete Streit und spendete Trost wo er nur konnte. Im Laufe der Jahre kam er zu der Einsicht, dass die einfache und schlichte Frömmigkeit des einfachen Volkes göttergefälliger war als die Dogmen der Amtskirche, die sich in seinem Herzen nur noch schal und leer anfühlten. Und so traf er schließlich auf den Kreis der Bekenner um Lechmin von Hartsteen, mit deren Zielen er zunehmend sympathisierte. Doch noch immer war auf dem Grunde seiner Seele ein gebrochener Mensch. Im Jahre 1027 BF pilgerte er nach Gareth und wurde Zeuge der Zerstörung der Stadt und dem Verschwinden des Ewigen Lichts. Beißendes Irrhalkenfeuer verzehrte einen Teil seines Gesichts und die dunkle Aura des Saatkorns der Rache hatte sich so stark in seine Seele eingebrannt, dass sein Augenlicht seither von dunklen Flecken geplagt wird, die zuweilen seine Sicht beeinträchtigen. Unter der geborstenen Kuppel des Tempels harrte er Tage lang im Gebet aus und flehte zum Götterfürsten, ihm, seinen unwürdigen Diener, zu vergeben. Irgendwann bemerkte Goswyn von Wetterau den verzweifelt und inniglich betenden Mann im Mönchsgewand und zeigte ihm einen Weg der Buße auf. Im Zeichen der Quanionsqueste zog er seither mit dem gefallenen Hüter durchs Land, und gemeinsam versuchten sie Praios’ Willen zu ergründen und an der Suche zu reifen – in der Hoffnung auf jenen lichten Tag, an der Götterfürst wieder mit Wohlgefallen auf die Werke der Sterblichen herabblicken mag.

Theologische Strömung: Braniborier / in Ansätzen auch Traditionalist (etwas abergläubische Abneigung gegen Magie)

Aussehen: Brandnarben im Gesicht, leicht untersetzt, in eine schmutzige, rotbraune Mönchskutte gewandet
Alter: 32 (Geburtsjahr: 998 BF)
Geburtsort: Burg Greifenberg in der Markgrafschaft Greifenfurt
Stand: Niederadel (SO 8)
Wichtige Eigenschaften: Mut, Klugheit
Vorteile: Adlige Abstammung (Landadel), Geweiht (Zwölfgöttliche Kirche), Gebildet, Hohe Lebenskraft, Besonderer Besitz (Offenbarung der Sonne)
Nachteile: Moralkodex (Praios-Kirche), Aberglaube, Eingeschränkter Sinn (Sicht), Neugier, Unansehlich, Verpflichtungen, Gerechtigkeitswahn
Wichtige Talente: Selbstbeherrschung, Schriftlicher Ausdruck, Überzeugen, Wildnisleben, Geschichtswissen, Götter und Kulte (Talentspezialisierung Praios-Kirche), Sagen und Legenden, Garethi, Bosparano, Kusliker Zeichen, Brauer, Malen und Zeichnen, Liturgiekenntnis (Praios)
Zuletzt geändert von Gueldenlaender am 21.11.2013 23:36, insgesamt 1-mal geändert.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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PROLOGUS: FESTIVUM DRACONUM – DAS FEST DER DRACHEN

Yaquirien im Spätsommer 1030 BF. Im ganzen Lieblichen Feld feiert das Volk den Frieden. Nachdem in Arivor der Friedensschluss zwischen den Anhängern Timor und Aldare Firdayons verkündet wurde, eskortieren Adler- und Heilig-Blut-Ritter den designierten Horas und König des Lieblichen Feldes, Khadan Varsinian Firdayon, nach Horasia. Als sie im Spiegelschloss zu Côntris halt machen, erfährt Ghiberto von Jatane di Côntris, der Enkelin des kürzlich verstorbenen Schlossherren, dass vor einigen Tagen Fremde nachts in den Palast eingebrochen seien und mehrere Gemächer im Westtrakt, in denen die Spiegelsammlung ihres Großvaters untergebracht war, durchsucht hätten. Offenbar seien sie jedoch nicht fündig geworden, denn sie haben nichts mitgenommen und auch die geheimnisvolle Spiegelmaske* befindet sich auf Timors Geheiß noch immer sicher verschlossen im Kellergewölbe des Schlosses. Ein Legat des Aldigonenserordens** sei bereits auf dem Weg, um das Artefakt nach Veliris zu bringen, wo es durch den Inquisitionsorden verwahrt und untersucht werden solle.

Wenige Tage später erreicht der junge Khadan die Kaiserresidenz von Sangreal, wo er von seinen Beratern und Priestern auf die in wenigen Tagen stattfindende Horaskränzung vorbereitet wird. In Horasia herrscht derweil ausgelassene Stimmung. Während Volk und Patriziat das Ende des Thronfolgekrieges feiert und der Horaskränzung entgegenfiebert, begeistern sich die Geweihten und Gelehrten der Stadt für die Güldenlandfahrt der Prinzessin Lamea, die vor einigen Wochen im Hafen von Kuslik eingelaufen war. Die unglaublichen Geschichten von den erbeuteten Schätzen und den Zaubern der sagenumwobenen alten Heimat im Westen, heizen die in großen Teilen des Patriziats bereits bestehende Renascentia-Begeisterung noch weiter an.

Am 8. Efferd wird der gesamte Weg von Sangreal bis zum Tempel des Horas von Menschenmengen gesäumt, die den Prozessionszug des jungen Khadan mit einem aus tausend Kehlen erklingenden Horasianna-Choral begleiten. Hinter den Bannerträgern in den Farben des Reiches marschiert Ghiberto gemeinsam mit den anderen Heilig-Blut-Rittern, gefolgt von den Rittern des Adlerordens, den Draconitern und den Famerlorianern, die an diesem Tag erstmals in Erscheinung treten. Unter einem prachtvollen Baldachin, der von vier Ucuriaten getragen wird, schreitet schließlich Khadan, gefolgt von den Edlen des Reiches, in die heilige Halle des Horas und besteigt einen Thron zu Füßen eines gigantischen steinernen Abbildes des Erzalveraniars. Der Wahrer der Ordnung, Staryun Loriano, tritt vor den Altar und preist vor den Versammelten die Gnade des Götterfürsten, der damals wie heute einen Gesandten zu den Sterblichen gesandt habe, um seinem Reich einen Herrscher zu geben. Die liturgischen Worte der altbosparanischen Horaskränzung rezitierend, salbt der Luminifactus den jungen Kaiser mit heiligem Öl aus den Weihgefäßen der Niothia-Horas, gürtet ihm die Klinge Horaquilan um und gibt ihm vom klaren Wasser des Morgens aus dem Kelche des Horas zu trinken. Daraufhin treten der gebückt laufende Magister der Magister, Hexander Scherenschleifer und die Hochgeweihte des Efferd zu Bethana hinzu und reichen dem jungen Herrscher nacheinander den Schlangen- und Delphinstab als Zeichen des Segens der Götter Hesinde und Efferd. Dies getan, setzt Staryun Loriano Khadan den Kranz des Horas aufs Haupt, als mit einem Mal helles Sonnenlicht das Innere der Halle erleuchtet. Der junge Kaiser nimmt die Hochrufe der versammelten Untertanen entgegen und verlässt schließlich, von frommen Chorälen begleitet, den Tempel, um sich dem jubelnden Volk zu zeigen.***

Gemeinsam mit den anderen Horas-Rittern begleitet Ghiberto Tags darauf den Zug des Horas nach Vinsalt. In den Reihen des Heilig-Blut-Ordens wächst derweil das Misstrauen gegenüber den geheimnisvollen Famerlorianer, die seit dem Frieden von Arivor die Nähe des Thronfolgers suchen. Diese Ritterschaft des Roten Drachen soll von einem zum Rondra-Glauben konvertierten Novadi angeführt werden, der nach einer Begegnung mit Shafir dem Prächtigen dazu übergegangen sei, in seinen Predigten die Verehrung von Rondra, Drachen und dem Horas ineinander zu verweben. Die Frage, ob man einem solchen Menschen trauen dürfte, ist unter den Heilig-Blut-Rittern sehr umstritten.

Nachdem ihm auf dem Weg die Shenilo, Pertakis und Aldyra gehuldigt haben, zieht der junge Kaiser am 14. Efferd unter dem Jubel der Bevölkerung in das festlich geschmückte Vinsalt ein. Während der Hofstaat bis spät in die Nacht ausgelassen feiert, begibt sich Khadan-Horas schon früh zur Ruhe. Im Taumel der allgemeinen Freude übersieht so mancher, dass aus den östlichen Zyklopeninseln immer mehr beunruhigende Nachrichten das Festland erreichen. So sollen erst kürzlich Al’Anfaner die Kontrolle über Teremon übernommen haben und der umtriebige Grande Goldo Paligan soll, so heißt es, im Namen seiner Gemahlin Anspruch auf das Erbe des durch Timors Hand getöteten Herzogs Berytos Cosseïra erhoben haben.

Bejubelt von den Vinsalter Bürgern, führt der Krönungszug die goldene Kutsche des Kaisers am nächsten Tag von Dracoras durch den alten Triumphbogen der Garether hindurch bis hinauf auf den Tempelberg, den die alten Bosparaner den Brajatin nannten und auf dem nun Geweihte aller Zwölfgötter den Herrscher empfangen und vor die goldene Pforte des Tempels des Praios führen. Nach einem gemeinsamen Zwölfergebet betritt Khadan den Sakralbau, wo Staryun Loriano ein Gebet zum Himmlischen Richter spricht. Dann durchschreitet er die Große Tempelhalle bis zum Altarraum. Dort legt er sein Gewand ab und schreitet, nur noch in ein einfaches weißes Leinengewand gehüllt, vor den Altar, von dem in einer goldenen Schale der Funke des Ewigen Lichts hell leuchtet, und verharrt dort, mit ausgestreckten Armen auf dem geweihten Boden liegend, in Demut vor dem Antlitz des Götterfürsten, während die Priester und die versammelte Gemeinde den Choral der Götter anstimmen. Schließlich wird Khadan abermals gesalbt und empfängt den Segen der Geweihten, bis der Wahrer der Ordnung schließlich die traditionellen Krönungsworte spricht und ihm die Königskrone des Lieblichen Feldes auf das Haupt setzt. Der Tempelgong erklingt, als sich Khadan dem Volke zeigt und von der Geweihten der Rahja den Friedenskuss erhält. Mit einer abschließenden Messe zu Ehren des Götterfürsten geht die Zeremonie ihrem Ende entgegen. Geschickt gelingt es Staryun Loriano in seiner Predigt, die Preisung des jungen Herrschers mit einer Lobrede auf das alte bosparanischen Kaisertums und dessen vom göttlichen Horas empfangenen sakralen Heils zu verweben. Vor dem geistigen Auge der Gottesdienstteilnehmer schafft er es, den Glanz und die Glorie des alten Bosparan heraufzubeschwören. Auch erwähnt er die Rückkehr der Prinzessin Lamea vor wenigen Wochen und deutet sie als ein Zeichen des Himmlischen Richters, der von seinen Gläubigen in dieser Zeit der Dunkelheit die Rückbesinnung auf alte güldenländische Werte und Traditionen verlange. Er selbst habe durch göttliche Gnade eine Vision von einem wiedererstandenen Bosparan empfangen, das von einem ewig strahlendem Licht erhellt wurde und dem Auge des Götterfürsten schmeichelte. Nach der Messe tritt Ralman von Firdayon-Bethana als erster der Vasallen vor den König und schwört ihm als Fürst von Vinsalt die Treue. Khadan erhebt ihn daraufhin zum Regenten, der als Comto-Protector die Geschicke des Reiches zu lenken habe, bis zu dem Tag, da er selbst alt genug sei, um die Herrschaft anzutreten. Daraufhin empfängt er die Huldigungen der anderen Edlen des Reiches ihre Treuschwüre, bis er sich schließlich anschickt, unter dem unermüdlichen Jubel der Bevölkerung zurück in den Palast zu reiten.

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* Nachzulesen im Szenario „Spiegelgefecht“ aus Masken der Macht
** Die Aldigonenser sind ein inoffizieller Praios-Orden (http://liebliches-feld.net/wiki/index.php/Aldigonenser)
*** Die Beschreibung der Kränzungs- und Krönungszeremonien folgt ziemlich wörtlich Andree Hachmanns sehr schönem Krönungsartikel aus dem Bosparanischen Blatt no. 32.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM I: SACRUM ET ARCANUM – DAS HEILIGE UND DAS ARKANE

Sibur im Travia 1030 BF. Am Tag der Heimkehr besucht Ghiberto seine Familie in Sibur, die er seit fast einem Jahr wieder zu Gesicht bekommt. An der Grabplatte seines Vaters, der mit einigen anderen ‚Märtyrern’ der Stadt in der Krypta des durch den Frevler Iridias Cornamusa entweihten Praios-Tempels ruht, gedenkt er noch einmal des Wahnsinns der Nandus-Jünger vor einem Jahr: wie sie seinen Vater zum Richtblock geschleift hatten, wie er machtlos mitansehen musste, wie sein Vater starb. In seinen Erinnerungen erscheint die hämische Fratze des Iridias Cornamusa, der dem Scharfrichter aufforderte, sein blutiges Handwerk zu tun, als Ghibertos Onkel Adaon neben ihn tritt und mit fast väterlicher Fürsorge seine Hand auf seine Schulter legt. Der Praios-Geweihte nimmt seinen Neffen zur Seite und erzählt bei einem gemeinsamen Spaziergang zurück nach Sibur, dass er versucht habe mehr über Iridias Cornamusa herauszufinden, der ungestraft aus der brennenden Stadt entkommen war. Seitdem er sich in Vinsalt Einblick in geheime Inquisitionsakten verschaffen konnte, sei er sich nun fast sicher, dass hinter dem fanatischen Nandusjünger in Wirklichkeit ein mächtiger Diener des Namenlosen namens Comitor von Belhanka steckt, der vor einigen Jahren als dritter Hofmagus zu Gareth versucht habe, das Auge des Morgens zu stehlen. Zwar wurde er in die Inquisitionskerker der Stadt des Lichts geworfen, konnte jedoch fliehen, als die dämonischen Schrecken Gareth verheerten. Er könne verstehen, dass in Ghibertos Herz noch immer das Feuer der Rache lodert und rät ihm, es in sich zu bewahren, mit kühlem Geiste zu schüren und zum Quell seiner Stärke werden zu lassen.* Der Tag werde kommen, an dem dieser Frevler für seine mörderische Tat büßen muss.

Als sich Ghiberto nach einigen erholsamen Tagen in seiner Heimatstadt Sibur auf den Rückweg nach Vinsalt macht, erfährt er von seinem Onkel, dass dieser sich zur Monatsmitte ebenfalls in die Kaiserstadt begeben werde. In den letzten beiden Jahren habe sich er immer öfter in Vinsalt aufgehalten, da er im Zuge der Quanionsqueste und der Neuausrichtung der liebfeldischen Praios-Kirche zu einem wichtigen Berater Staryun Lorianos geworden war. Zurück in Vinsalt erfährt Ghiberto von der Rückeroberung der Insel Pailos’ durch horasische Söldner unter dem Befehl von Arakne Cosseïra. Obwohl damit die Oberhoheit der Krone wiederhergestellt ist, könne dieser Schritt noch große Probleme nach sich ziehen, weil die horasische Krone dadurch offen das Erbrecht von Goldo Paligans Gattin Iocanda Cosseïra umgangen habe. Um Teremon nicht den Al'Anfanern heimfallen zu lassen, steht Ralman von Firdayon-Bethana in Verhandlungen mit den mächtigsten pailischen Familien.

Derweil in Veliris befindet der Aldigonenser Anselmo Cortani nach eingehender Untersuchung, dass es sich bei der in Côntris aufgetauchten Spiegelmaske um ein machtvolles, womöglich gar heiliges Artefakt aus der Zeit der ersten Siedler handelt. In Wahrheit jedoch steht er bereits gänzlich unter dem Bann der dämonischen Maske, die ihm im Traum visionsartige Bilder von einem Herrscher auf einem Lilienthron schickt, der – angetan in Krönungsmantel, Spiegelmaske und Falkenkopfhaube – als Zeichen seiner Güte eine lieblich duftende Lilie in seiner rechten Hand hält. Anselmo glaubt in der Vision jene sagenhaften Zauberkaiser aus dem fernen Güldenland wiederzuerkennen, die seit der Rückkehr der Prinzessin Lamea in aller Munde sind, und steigert sich schließlich in den Wahn hinein, dass es sich bei Maske um ein praiosheiliges Artefakt aus der frühbosparanischen Antike oder gar des heiligen Horas höchstselbst handeln könnte. Die Lilie, so glaubt er, verweise auf die Lilienstadt Veliris, dem Sitz des Aldigonenserordens, der dazu erkoren sei, das himmlische Geschenk in Empfang zu nehmen uns zu behüten. Um seine Vermutungen zu untermauern, kann Anselmo schließlich ein antikes Schriftstück aus der dem fünften Jahrhundert vor Bosparans Fall präsentieren, das von legendären Masken der Macht berichtet, welche die Häupter der frühesten Horaskaiser zierten – eine Legende, die sich mit den jüngsten Berichten der Güldenlandfahrer zu decken scheint. Als er mit einer Auraprüfung seine Untersuchungen abschließen will, ist sein Wille bereits so sehr korrumpiert, dass sich die Spiegelmaske erfolgreich der Macht der Liturgie verschließen kann.

Zur Monatsmitte erreicht Ghibertos Onkel Adaon di Vianeï Vinsalt. Begleitet wird er von einem jungen Praios-Geweihten namens Boldrino Voscari, der, damals noch Novize, vor zwei Jahren vom Götterfürsten höchstselbst auserwählt worden war, um im Siburer Praios-Tempel die Verkündung durch hundert Zungen zu sprechen. Wie er erfährt, kommt Boldrino geradewegs von einer Wallfahrt nach Baltrea zurück, doch der junge Priester wirkt niedergeschlagen und übernächtigt. „Das Orakel hat geschwiegen“, sagt er nur lapidar und eilt schnellen Schrittes zum Tempel.

Zu seiner Überraschung wird Ghiberto zwei Tage später zu einer wichtigen Besprechung in den Palazzo Custodiale auf dem Tempelberg geladen. In den Amtsräumen des Wahrers der Ordnung trifft er neben seinem Onkel Adaon auf zwei weitere hochrangige Praios-Geweihte namens Ariosto ya Galetta und Greifmut Silem von Calven-Imirandi. Kurz darauf tritt Prinz Haridiyon Thaliyin ein und küsst den Ring des Luminifactus. Staryun Loriano erklärt den Versammelten, dass die Prinzessin Lamea einst zum Güldenland aufgebrochen war, um eine Prophezeiung Silem-Horas’ zu erfüllen. In dieser habe der Kaiser vor sieben Splittern des Grauens gewarnt, durch die das Böse in der Welt einen Nistplatz finden werde, und dazu aufgerufen, in die alte Heimat zu fahren und die Spur der rätselhaften Alten zu finden. Man hatte gehofft, im Güldenland eine Waffe gegen die unheiligen Splitter der Siebenstrahligen Dämonenkrone zu finden, habe aber feststellen müssen, dass das eigentliche Ziel der jahrelangen Irrfahrt das Wissens um die Macht des Ea’Myr, des sagenumwobenen Sterns der Alten, gewesen sei. Hier setzt Prinz Haridiyon ein und berichtet von den Gefahren und Herausforderungen vor den Fahrten an den Gestaden des Güldenlandes, von einem Greifenorakel und wie sie schließlich in Dorinthapolis, der Hauptstadt des gottgleichen Thearchen, das Mysterium der Gabe des Dritten Auges entdeckten: ein geheimnisvolles Erbe aus frühester Zeit, das in den Blutlinien der mächtigen Familien des myranischen Imperiums bis heute schlummern und dessen Entfaltung mit der Entfesselung unglaublicher arkaner Kräfte einher gehen soll, durch die selbst erzdämonische Artefakte vernichtet werden können. Haridiyon ist fest davon überzeugt, dass auch in der Linie der Horaskaiser - und damit im Geschlecht der Firdayon - diese Gabe schlummern soll, was jüngste Gerüchte über die vermeintlichen prophetischen und arkanen Gaben des jungen Kaiser Khadans zu bestätigen scheinen. Staryun Loriano fügt hinzu, dass sich diese Erkenntnisse in erstaunlicher Weise mit der Legende des Ucuri-Funkens decken. Der Ucuri-Funke sei ein streng gehütetes Geheimnis aus den Zeiten des alten Bosparan, eine Gnadengabe des göttlichen Falken, die der Legende nach im Heiligen Blut der Horaskaiser von Generation zu Generation weiter gegeben wurde und die bosparanischen Herrscher mit übermenschlichen Kräften, dem sagenumwobenen Kaiserheil, ausstattete. Schließlich kommt er auf Ghibertos Begegnung mit Myriana Sarostes auf dem Schloß Baliiri zu sprechen. Der Heilig-Blut-Ritter führt aus, was er an jenem Tag gesehen hatte und lässt auch nicht unerwähnt, dass ihre Prophezeiung einen direkten Bezug auf das Dritte Auge genommen hatte, als sie die Worte „Ea’Myr aphiknes“ – der Stern der Alten ist gekommen – aussprach.** Allerdings, so wirft der Luminifactus ein, sei die besagte Dame vor etwa einem Mond aus dem Noionitenkloster in den Goldfelsen verschwunden. Mehr habe leider auch er nicht in Erfahrung bringen können, denn der Orden vom Goldenen Adler habe Myrianas weiteres Schicksal zum Staatsgeheimnis erklärt und würde seither jede Einmischungsversuche von Seiten der Kirchen rigoros unterbinden. Er glaube jedoch, dass das Wissen um den Ea’Myr einen entscheidenden Schritt auf der Suche nach dem Ewigen Licht bedeutet. Denn war es nicht das Orakel des Götterfürsten gewesen, das die Fahrten der Prinzessin Lamea an den Küsten des Güldenlandes sicher geleitet hatte? Hatte nicht der Erzheilige Horas einst selbst die Phaossphäre den Menschen gebracht? Und weist nicht auch der Ucuri-Funken zurück in die Zeit des Gottgesandten? Die Prophezeiung durch hundert Zungen spricht von einem wohlverborgenen Keim, einem Funke, der die Flamme neu entfacht. Wäre es nicht denkbar, dass das Ea’Myr dieser Funke sei, der das Ewige Licht neu entfachen werde, fragt sich Loriano, bevor er schließlich die Anwesenden mit dem Segen des Götterfürsten entlässt.

Ende Travia wird das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen Vinsalt und Al'Anfa zusätzlich belastet, als die Nachricht von unverhohlenen Drohungen aus dem Süden im Kronrat publik gemacht wird. Ralman von Firdayon-Bethana lässt im Namen des Kaisers eilig eine außerordentliche Sitzung Kronkonvent einberufen, die Goldo Paligans Anspruch auf das Erbe des verräterischen Herzogs Berytos Cosseïra vehement von sich weißt. Während der Konvent dem Kaiser die Rückberufung des liebfeldischen Gesandten in Al’Anfa vorschlägt, ordnet der Comto-Protector die Admiralität an, umfassende Vorbereitungen für einen eventuellen Angriff der Al’Anfaner zur See einzuleiten. In den nächsten Wochen sammelt eine gewaltige Aufrüstung zur See sammelt alle Kräfte im Lieblichen Feld und Al’Anfa. Etliche neue Schiffe werden auf Kiel gelegt, Mannschaften angeworben, Klingen geschmiedet und Geschütze gezimmert. Viele durch den Friedensschluss erwerbslose Söldner treten in die Dienste der liebfeldischen Kriegsflotte. Noch mehr als beim Einfall der Almadaner in den Yaquirbruch vor einem Jahr wirkt die äußere Bedrohung durch das alanfanische Imperium als einigendes Band für Provinzen des Horasreiches.

Derweil erhält Staryun Loriano den Abschlussbericht des Aldigonensermönchs Anselmo Cortani. Trotz anfänglicher Begeisterung über die von Fra Anselmo behaupteten Bezüge zum bosparanischen Altertum, bleibt er misstrauisch und holt die Meinung eines Hesinde-Geweihten hinzu. Der von Loriano entsandte Priester trifft wenige Tage später in Veliris ein. Mit Hilfe der Liturgie ‚Sicht auf Madas Welt’ erhält er Einblick in das verfluchte Wesen der Spiegelmaske, die sich jedoch immer wieder seinem forschenden Blick zu entziehen versucht. Obwohl seine Seele beinahe in die Splitterwelt der Maske hineingezogen wird, kann er sich jedoch im letzten Augenblick aus ihr befreien. Umgehend teilt er setzt er sowohl an den Wahrer der Ordnung als auch an die Praetorin des Vinsalter Hesinde-Tempels Arba von Silas Briefe auf, in denen er ihnen mitteilt, dass dem Artefakt eine unberechenbare arkane Macht innewohnt, die sich womöglich als gefährlich herausstellen könne und eine eingehende Prüfung durch die Kirche der Allweisen verlange. Daraufhin entbrennt ein Streit zwischen dem Wahrer der Ordnung und Arba von Silas, die eine umgehende Überführung der Spiegelmaske in die Obhut ihrer Kirche fordert. Staryun Loriano besteht hingegen darauf, dass es allein Sache der Praios-Kirche sei, über die Aufbewahrung oder eventuelle Bannung dieses womöglich gefährlichen Gegenstandes zu befinden.

Im Streit um den Umgang mit der Spiegelmaske wenden sich die Verhandlungsführer der Hesinde-Kirche, Arba von Silas und Madaïon Sphÿritis, der Praetor des Argelianischen Gerichts, schließlich an die Heilige Inquisition, deren Hauptsitz sich seit der Zerstörung der Stadt des Lichts in Elenvina befindet. Der Orden des Heiligen Argelion, der gemeinsam mit den Thuranitern die Funktion der Inquisition in der Ordnung Bosparan erfüllt, fühlt sich übergangen und protestiert gegen diesen, als kirchenpolitische Intrige wahrgenommenen Schritt. Seit nunmehr 22 Jahren, als Amando Laconda da Vanya Fanatiker aufspürte, die auf die leibliche Wiederkunft des Erzheiligen Horas hofften, habe sich die Heilige Inquisition nicht mehr in die Belange der beiden Ordensgemeinschaften eingemischt.

Der Streit zwischen den beiden Kirchen zieht sich bis Mitte Boron hin. Nach zähem Ringen geben Staryun Loriano und der Aldigonenserorden schließlich nach, nachdem eine Donatora Lumini namens Warina Sonnenstolz aus Elenvina eingetroffen ist und dem Wahrer der Ordnung ein Schreiben des Großinquisitors da Vanya ausgehändigt hat. Dieses stellt unmissverständlich fest, dass die Spiegelmaske gemäß des Kirchenrechts umgehend der Obhut der Hesinde-Kirche zu überantworten sei, auf dass die Schlussfolgerungen des Aldigonenserordens überprüft werden können. Eine Abteilung Draconiter nimmt sich des rätselhaften Artefaktes an und lässt es von Veliris nach Kuslik schaffen, wo es vorerst in den Kellergewölben des Canyzeth-Klosters unter Verschluss gehalten werden soll. Doch nachdem die Maske weggebracht wurde, bereitet der bloße Gedanke daran dem Aligonenser Anselmo Cortani schlaflose Stunden. In seinen Nächten erliegt er Amazeroths Einflüsterungen, die ihm glauben machen, die ‚Reliquie aus der Zeit des Heiligen Horas’ aus den Händen der Schlangenpriester befreien zu müssen. In seiner Verzweiflung steigert er sich in den Glauben an eine Verschwörung der Hesinde-Kirche hinein und zieht Urras Ariosto von Radoleth, den Vinsalter Komtur des Heilig-Blut-Ordens, ins Vertrauen. Der Ordenskomtur ist jedoch im Geheimen gleichzeitig ein hochrangiges Mitglied der radikalen Bruderschaft der Söhne des Horas. Als er von der vermeintlichen Maske der Macht hört, kontaktiert er den Feuerfalken, das verhüllte Oberhaupt seines Kultes, und hält sich bereit, dessen Anweisungen auszuführen.

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* Ghiberto steigt mit zwei Verführungspunkten in die Kampagne ein
** Nachzulesen im Szenario „Im Kabinett der Kaiserin“ aus Masken der Macht
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CAPITULUM II: MONASTERIUM IN MONTIBUS – DAS KLOSTER IN DEN BERGEN

Vinsalt im Boron 1030 BF. Am zwanzigsten Tage des schweigsamen Raben erreicht ein Custos Lumini aus Gareth in Begleitung eines schweigsamen Mönchs in einer abgenutzten, rotbraunen Kutte die horasische Kaiserstadt. Da der Geweihte das Siegel des Heliodan trägt, erhält er sogleich eine Audienz bei Staryun Loriano. Dort stellt er sich als Goswyn von Wetterau vor, der als Mitglied der vom Boten des Lichts eingesetzten Societas Quanionis Luminis nach Hinweisen auf den Verbleib des Ewigen Lichts sucht. Dabei habe er von der Prophezeiung einer Frau namens Myriana Sarostes vernommen, die auf das Wort Sumyrdalun geendet hatte. Der Wahrer der Ordnung lässt umgehend nach Ghiberto Grifone di Vianeï rufen, der abermals darlegt, wie es zu der Prophezeiung gekommen war. Dann teilt Loriano dem Gesandten des Lichtboten mit, dass sich Myriana zuletzt in der Obhut der sorgenden Brüdern und Schwestern vom Orden der Heiligen Noiona in den Goldfelsen befunden hatte, von wo sie jedoch am 11. Rondra unter ungeklärten Umständen verschwand. Goswyn von Wetterau beschließt daraufhin, in drei Tagen in die Goldfelsen aufzubrechen, um nach weiteren Hinweisen auf den Verbleib Myrianas zu suchen.

Boldrino Voscari, der junge Lichtbringer aus Sibur, betet im Vinsalter Praios-Tempel am Schrein des Heiligen Quanion, als plötzlich ein Mönch in einer roten Kutte und tief in die Stirn gezogenen Kapuze neben ihm vor dem Schrein niederkniet. Boldrino erinnert sich an den geheimnisvollen Begleiter des Custos Lumini aus Gareth. Doch als er ihm einen kurzen Seitenblick zuwirft, fährt ihm ein Schrecken durch Mark und Bein. Das Gesicht von Brandblasen entstellt, glaubt er für einen Augenblick, in den Abgrund der Niederhöllen zu blicken. Lechdan spürt das stille Entsetzen des Geweihten und spricht ihn unumwunden an: „Mein entstelltes Antlitz mag euch Furcht bereiten. Doch glaubt mir, erst wenn ihr von Angesicht zu Angesicht den Kreaturen der Finsternis gegenüber gestanden habt, erst dann könnt ihr wissen, was wahrer Schrecken ist.“*

Mit seinem Begleiter Bruder Lechdan bricht Goswyn von Wetterau zum entfernten Bergkloster der Noioniten auf. Auf Empfehlung Adaon di Vianeïs stellt der Luminifactus den beiden Reisenden den Heilig-Blut-Ritter Ghiberto mit zwei Ordensdienern als Bedeckung zur Seite. Und auch der junge Lichtbringer aus Sibur Boldrino Voscari schließt sich der Reisegruppe an, hofft er doch ebenfalls auf Erleuchtung bei seiner Suche nach dem Ewigen Licht, auf die er sich vor rund zwei Jahren begeben hatte. Nach einem Tag der Wanderung erreichen die Reisenden die Ortschaft Cophirya am Sikram und sehen sich nach einem Waldläufer um, der sie gegen gutes Gold in die Berge führt. An der Quelle des Sikram betreten die Reisenden bald darauf einen Gebirgspfad, der sie empor zum Kloster der Noioniten führt. Während des Aufstiegs erzählt Goswyn den beiden Liebfeldern Boldrino und Ghiberto von seiner letzten Reise durch die Wildermark, bei der er auf der Suche nach einer Elfin war, deren Leib von gleißendem Licht verzehrt wurde.

Sicher und wohlbehalten erreicht Goswyn von Wetterau mit seinen Begleitern schließlich die abgelegene Abtei des Noionitenordens, von deren Zinnen man bei klarem Wetter einen herrlichen Blick über das grüne Tannenmeer des Bosparanshains werfen kann. Kaum angekommen, erwartet den Lichthüter jedoch eine erste Enttäuschung, als sich die Äbtissin schlicht weigert, Auskunft über das Schicksal der ehemaligen Insassin Myriana Sarostes zu geben. In den letzten Tagen des Rondramondes habe der Adlerritter Targe von Oberfels das Kloster erreicht und bereits umfassende Befragungen zu der Dame durchgeführt. Daraufhin habe er den Fall mit der Autorität des kaiserlichen Siegels zur Angelegenheit der Krone erklärt und den Bewohnern des Klosters auf Strafe verboten, über die Ereignisse mit Außenstehenden zu reden.

Auch bei den anderen Ordensbrüdern und -schwestern des Klosters stoßen Goswyn und seine Begleiter auf taube Ohren. Allerdings können sie in Erfahrung bringen, dass in der Nacht von Myrianas Verschwinden ein Brand in einem Bereich des Klosters gewütet habe und sich einige Wochen später ein Ordensmitglied namens Bruder Rabenstein dazu entschloss, der Abtei den Rücken zu kehren und nach Vinsalt zu gehen. Zudem gerät Lechdan an einen offenbar schwachsinnigen Stallknecht, der undeutliche Sätze von einem Auge vor sich hin murmelt, das hell wie die Sonne leuchtete und ihn noch in seinen Alpträumen verfolge. Als die Äbtissin schließlich Meldungen über Goswyns forsches Nachfragen unter den Ordensmitgliedern und gar Schutzbefohlenen des Klosters erhält, zitiert sie den Geweihten mitsamt seiner Begleiter in ihre Amtsstube. Sie habe genug vom Treiben der Praioten und bittet sie, die Gastfreundschaft des Klosters nicht weiter auszunutzen. Sie seien noch eingeladen, den Feiertag der Heiligen Noiona von Selem am letzten Tag des Boronmondes im Kreise der Ordensgemeinschaft zu begehen, dann aber sollten sie sich ohnehin beeilen, da bald der erste Schneefall zu erwarten sei und der Gebirgspfad danach für gebirgsunkundige Reisende nur noch unter größten Mühen passierbar sei. Goswyn bleibt nichts anderes übrig, als sich dem Urteil der Äbtissin zu beugen.

Am ersten Hesinde verlassen Goswyn von Wetterau und seine Begleiter die Abtei der Noioniten und beginnen mit dem Abstieg zur Sikramquelle. Nach einigen Meilen erspähen die Reisenden einen stolzen Falken, der über einen Gipfel eines gewaltigen Berges kreist. Den Blick starr auf den Falken gerichtet, tritt Goswyn fehl und kommt auf dem schmalen Gebirgspfad ins Rutschen. Von Geröll erfasst, stürzt er mehrere Schritt tief und bricht sich sein rechtes Bein. Auf der weiteren Rückreise muss er von den beiden Ordensdienern des Heilig-Blut-Ordens gestützt werden, wodurch die Gruppe erst Tage später – und von frostigem Schneeregen geplagt – Cophirya erreicht. Auf dem Weg dorthin begegnet ihnen ein entgegenkommender Wagen, der von zwei Noioniten gefahren wird. Auf der Wagenfläche stehen und sitzen mehrere Gestalten mit zum Teil gebundenen Händen und Füßen. Es seien geistig Verwirrte, sagt einer der Ordensleute, denen auf der Abtei Segen und Heilung zukommen soll. Boldrino fällt vor allem eine Gestalt auf: ein verwahrloster Zwerg mit goldenem Bart, der mit gebanntem Blick in die Ferne schaut.

Während Goswyn von Wetterau beschließt, gemeinsam mit den beiden Servitori des Heilig-Blut-Ordens in Cophirya zu verbleiben, bis er wieder eigenständig gehen kann, hören sich Ghiberto, Boldrino und Lechdan in der Siedlung nach dem gesuchten Bruder Rabenstein um, von dem sie sich Aufschluss über den Verbleib Myriana Sarostes’ erhoffen. Ein Schuster des Ortes kann sich tatsächlich an den Noionit erinnern. Er ließ einen ausgelatschten Wanderstiefel bei ihm reparieren und betonte, dass er möglichst schnell weiter nach Vinsalt wollte.

Zurück in der Kaiserstadt erstatten Ghiberto, Boldrino und Lechdan dem Wahrer der Ordnung Bericht über ihre nur mäßigen Erkenntnisse in den Goldfelsen. Dabei erfahren sie auch vom Tod des Magisters der Magister am 7. Hesinde. In der Halle des Raben zum Fuße des Kaiserkopfes in Alt-Bosparan trifft Ghiberto den Boron-Geweihten Golgarion wieder, der ihn schon vor zwei Jahren geholfen hatte, einen verdeckt in Vinsalt lebenden Agenten des alanfanischen Imperiums aufzuspüren. Von dem Priester erfährt er, dass im Rondra tatsächlich ein Noionitenmönch namens Rabenstein für einige Tage im Tempel untergekommen war. Er sei auf der Suche nach einem seiner Schützlinge gewesen, der aus dem Kloster ausgebrochen war. Nach etwa einer Woche sei er weiter in Richtung Westen aufgebrochen.

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* Aufgrund der schrecklichen Erfahrungen der Vergangenheit und seiner allgemeinen Verbitterung steigt Lechdan mit zwei Verführungspunkten in die Kampagne ein
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Gueldenlaender
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CAPITULUM III: INSIDIAE SERPENTIS – DIE SCHLICHE DER SCHLANGE

Kuslik im Hesinde 1030 BF. Die Spur des Noionien führt Ghiberto, Boldrino und Lechdan schließlich bis zur Yaquirmündung, wo sie im Boron-Tempel vor den Toren der Hafenstadt Kuslik auf Bruder Rabenstein treffen. Der Noionit erzählt, dass er noch immer nach Myriana suche und sich inzwischen fast sicher sei, dass sie sich irgendwo in Kuslik aufhalten muss. Den Tag ihres Verschwindens werde er nie vergessen. Stunden lang erschallten unmenschliche Schreie aus ihrer Zelle. Dann wurde es für eine kurze ganz still und im nächsten Augenblick zerbarst mit einer großen Wucht die Tür zu Myrianas Zelle, in deren Innerem eine schreckliche Feuersbrunst wütete. Mit entrücktem Blick schritt Myriana durch die Flammen in die Freiheit. Bruder Rabenstein ist sich sicher, dass er damals ein seltsames Leuchten auf ihrer Stirn gesehen habe, das ihn blendete und ihm fast die Sicht nahm. Er glaubt, dass in dem Mädchen Kräfte am Werk seien, die sie allein nicht kontrollieren könne und die ihren ohnehin nicht klaren Geist früher oder später vollständig verzehren werden. Daher fühle er sich für sie verantwortlich und wolle ihr beistehen, ihre Kräfte in Zaum und ihren Geist wach zu halten.

In Kuslik können die drei Suchenden in Erfahrung bringen, dass sich Myriana womöglich während des Traviamondes für mehrere Tage in dem auf der Yaquirinsel Morrisca gelegenen Canyzeth-Kloster aufgehalten habe. Dort kann ihnen eine Ordensschwester bestätigen, einer von einer langen Reise völlig zerrütteten jungen Frau eine Wohnzelle zugewiesen zu haben. Ihr Gesicht war fast vollständig von eine Kapuze verdeckt, die sie auch dann nicht abnehmen wollte, als sich die in der Heilkunst bewanderte Geweihte der vielen Wunden und Schrammen annehmen wollte, die ihren ausgemergelten Leib bedeckten. Im Kloster treffen sie auch auf den Aldigonenser Anselmo Cortani, der sich vor einigen Wochen mit Genehmigung der Hesinde-Kirche in die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern begeben hatte, um die Untersuchung der Spiegelmaske kritisch zu begleiten. Von ihm erfahren sie, dass am Nandustag, dem ersten Tag des Hesindemondes, der Hohe Lehrmeister und Abt des Klosters Vascal Argelione Thirindar, von inneren Dämonen geplagt, nach dem Magister der Magister Hexander Scherenschleifer gerufen hatte, um sich von ihm die Beichte abnehmen zu lassen. Plötzlich waren aus der Wohn- und Betstube des Abtes Schreie zu hören. Zwei Draconiter, welche den Magister des Magisters als Leibgarde begleiteten, stürmten herein und fanden ihren Herren aus dem Mundwinkel blutend am Boden liegen – daneben der Abt, der unter wirren Zuckungen schließlich in eine tiefe Umnachtung fiel. Hexander war nur leicht verletzt, doch der Sturz hatte dem greisenhaften Leib des Patriarchen stark zugesetzt. Eine Woche lang wurde er von den besten Medici der Stadt behandelt, doch konnten auch sie nicht verhindern, dass es der Allweisen gefiel, ihren treuen Diener am Tage von Rohals Verhüllung zu sich zu holen. Vascal Argelione Thirindar verblieb in der Obhut des Klosters und ringt seither mit den dunklen Schatten, die sich über seine Seele gelegt hatten. Anselmo besuche oft den Abt an seinem Krankenlager und könne regelrecht zusehen, wie der Umnachtete mit seiner Spiegelseele ringt, die – ungeachtet der frommen Gebete der Ordensbrüder und –schwestern – mit der zunehmenden Umnachtung des Abtes an Stärke zu gewinnen scheint.

Während Ghiberto, Boldrino und Lechdan in Kuslik weiterhin, jedoch ohne größere Erfolge zu erzielen, nach der vermissten Myriana suchen, ereignet sich im Canyzeth-Kloster ein folgenschweres Ereignis, das im Laufe der nächsten Tage ihre ungeteilte Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. In der Halle der Weisheit sind die Vorbereitungen für das bevorstehende Erleuchtungsfest in vollem Gange, anlässlich dessen der Hohe Schlangenrat der Hesinde-Kirche zusammentreten wird, um über einen Nachfolger des kürzlich verstorbenen Magisters der Magister zu befinden, als plötzlich im Canyzeth-Kloster ein Feuer ausbricht. Nachdem die Flammen schließlich gelöscht werden können, stellen die Ordensmitglieder entsetzt fest, dass ihr Abt verschwunden ist ohne eine Spur zu hinterlassen. Mit ihm sei auch die geheimnisvolle Spiegelmaske verschwunden, zu deren Aufenthaltsort in den Kellergewölben unter dem Kloster nur er allein Zugang gehabt hatte. Die furchtsamen Geweihten beschwören das Schicksal des Hergalf de Brisk herauf, der ebenfalls in einen tiefen Wahnsinn gefallenen war und dann eines Tages, wie manche glauben, geradewegs in die Niederhöllen hinabgefahren war. Während die Draconiter noch am selben Abend scharenweise die gesamte Stadt durchkämmen, glauben Ghiberto, Boldrino und Lechdan mit Hilfe von Anselmo Cortani, der sie auf eine falsche Fährte führt, rekonstruieren zu können, dass der Abt womöglich selbst Feuer gelegt haben könnte, um daraufhin mitsamt der Spiegelmaske aus dem Kloster zu fliehen.

In Wirklichkeit hatte Anselmo Cortani die vergangenen Tage genutzt, um den Wahnsinn des Abtes für sich zu nutzen und sich in sein Vertrauen zu schleichen. Gemeinsam mit dem Komtur der Vinsalter Heilig-Blut-Ritter, Urras Ariosto von Radoleth, hatte er geplant, im Kloster einen Brand als Ablenkungsmanöver zu inszenieren, um gemeinsam mit dem Abt die Spiegelmaske aus den Kellergewölben zu entwenden. Kurz nach der Übergabe der Spiegelmaske an Urras wird Vascal Argelione Thirindar vor Anselmos Augen von den Söhnen des Horas ermordet. Anselmo ist entsetzt – zumal ihm sein Verbündeter im Vorfeld garantiert hatte, dass dem Abt nichts geschehen werde – und fürchtet nun um sein Seelenheil. Auf Geheiß des Feuerfalken, des mysteriösen Oberhauptes der Bruderschaft, will nun der Komtur mit Hilfe des Artefakts Myriana Sarostes, die er für die Erwählte des Eingottes Horas hält, für die Ziele der geheimen Bruderschaft gewinnen.

Drei Tage nach dem Verschwinden des Abtes unternimmt Ghiberto einen Abendspaziergang am Ufer des Yaquirflusses, als er zwei vermummte Gestalten erspäht, die gerade eine Leiche den Fluten übergeben wollen. Beherzt schreitet der Heilig-Blut-Ritter ein. Nachdem er einen der Fremden tödlich verwundet hat, flieht der andere. Der Leichnam erweist sich zu Ghibertos Erstaunen als die leblose Hülle des Abtes. Sein Körper ist von mehreren Stichwunden übersät, seine Augen noch im Augenblick des Todes wie wirr aufgerissen. Als kurze Zeit später Anselmo Cortani die schlimm zugerichtete Leiche erblickt, kommen in ihm Zweifel auf. Von Radoleth hatte ihm zugesichert, dass niemand zu Schaden kommen würde, doch nun steht er vor den Scherben seines eigenen Tuns, an dem er zunehmend verzweifelt. Bei der Untersuchung des vermummten Fremden entdeckt Ghiberto an dessen Schulter die Tätowierung eines aus Flammen aufsteigenden Adlers: das Zeichen der Söhne des Horas. Umgehend setzt er ein Schreiben an Staryun Loriano auf, um ihn von den Vorkommnissen in Kenntnis zu setzen, und informiert die Draconiter.

Am 29. Hesinde bittet Anselmo Boldrino Voscari zu sich. Er habe gehört, dass der junge Priester aus Sibur das Wohlwollen des Götterfürsten genieße und sehne sich nach seinem Licht, denn in seiner Seele fühle er nur schmerzende Dunkelheit. Trotz seiner jungen Jahre versucht Boldrino, dem Verzweifelten Mut zuzusprechen, und kann ihm schließlich ein vollständiges Geständnis entlocken. Anselmo gibt zu, was er lange Zeit nicht sehen wollte: Er sei dem Bann der Spiegelmaske anheimgefallen und habe das Wort der Hesinde-Priester nicht akzeptieren wollen, die behauptet hatten, dass hinter einem Gespinst von Täuschungen etwas abgrundtief Unheiliges in dieser Maske schlummert. In seinem Wahn und seinem Hochmut habe er sich mit den Söhnen des Horas gemein gemacht, die jedoch in Wirklichkeit ganz andere Ziele verfolgten als er. In den letzten Wochen habe er sehen können, wie die Einflüsterungen der Maske den Verstand des Abts zersetzt hätten. Und am Schicksal des Hesinde-Geweihten habe er schließlich erkannt, wie tief und unrettbar er selbst bereits gefallen war. Die Söhne des Horas hätten sich der Maske habhaft gemacht und wollten sie nutzen, um eine junge Frau namens Myriana Sarostes auf ihre Seite zu ziehen. In ihr sehe die Bruderschaft eine Erwählte und direkte Nachfahrin des Heiligen Horas. Doch wenn sie ihre Hände nach der Maske ausstrecken sollte, werde ihre Seele ebenso der Finsternis anheimfallen wie die seine und die des Abtes. Schließlich bittet Anselmo den Priester, ihm den Segen des Götterfürsten zu geben, und beschwört ihn, das Treffen zu verhindern, das in der letzten Nacht des Hesindemondes in den Überresten eines alten bosparanisches Theaters nördlich der Stadt stattfinden soll.

Zum Erleuchtungsfest am letzten Tage des hesindianischen Jahres tritt der Hohe Schlangenrat zusammen, um gemäß der Tradition in sechsstündiger Versenkung und sechsstündiger Beratung den nächsten Magister der Magister zu bestimmen. Derweil ziehen die Gläubigen und Geweihten in Fackelzügen durch die Stadt oder entzünden Strohfeuer auf den Plätzen, um den ‚Stroh der Torheit’ symbolisch zu verbrennen. In den Ruinen nördlich von Kuslik belauschen Boldrino und seine beiden Gefährten das geheime Treffen zwischen mehreren Gestalten mit dunklen Umhängen und einer ebenfalls in einen Umhang gehüllten Frau, in der Ghiberto Myriana wieder erkennt. Der Anführer der Gruppe kniet vor ihr nieder, redet sie als Erwählte an, reicht ihr die Spiegelmaske dar und beschwört sie, sich den Zielen der geheimen Bruderschaft anzuschließen. In ihrem Blick streiten sich Furcht und Verlangen. „In meinen Träumen sah ich diese Maske“, sagt sie, während sie ihre Hände nach dem Artefakt ausstreckt und die Gabe in Empfang nimmt. Kaum hat sie sie sich jedoch aufgesetzt, beginnt der Saphir, der die Stirn der Spiegelmaske ziert, blutrot zu leuchten. Schreiende, schemenhafte Fratzen, die Lechdan als unheilige Grimänen identifizieren kann, lösen sich aus der Maske, schwirren zischend durch die Luft und fallen über die Söhne des Horas her, die von inneren Qualen zerrissen sich wild am Boden wälzen oder die Flucht antreten. Als Ghiberto, Boldrino und Lechdan durch das allgemeine Chaois bis zu Myriana durchgedrungen sind, ist es dem Anführer der Bruderschaft bereits gelungen, unerkannt zu entkommen. Ghiberto widersteht den Grimänen, die unablässig auf ihn eindringen, und reißt der in all dem Getümmel bewegungslos dastehenden Myriana die Maske vom Gesicht. Im selben Augenblick lösen sich die Grimänen in Schwefelrauch auf. Voller Unglauben blickt er in ein grell leuchtendes Stirnauge, dessen schierer Anblick ihn mehrere Schritte zurückweichen lässt. Mit starrem Blick schaut das Stirnauge auf ihn, Lechdan und Boldrino herab, als Myriana in einem urtümlichen Aureliani und mit einer tiefen, dunklen Stimme, die nicht die ihre zu sein scheint, Worte spricht, die den dreien noch lange im Gedächtnis bleiben werden: „Tris heloi este, omos ô skotos êkatos phaos katanaliskei. Imêra teleftei. Âra speydete, speydete tacheïs pros ton orizonta oste na aireo tên aktina panystata. Alla na este prosêkitoi, dioti oi diadromes esontai monoi tas phantasmai kai tas aposkiasmai, ean dia esoptron kelainôphaon peripasete. Sumyrdalun.“

Als sie das letzte Wort gesprochen hat, fällt Myriana mit einem tiefen Seufzen in Ohnmacht. Doch während sich Ghiberto, Boldrino und Lechdan, noch immer verwirrt, ihr annehmen wollen, schälen sich aus der Dunkelheit ein halbes Dutzend weiterer Gestalten, deren bunt zusammen genähte Gewandung entfernt an Narrenkostüme erinnert. Ohne viele Worte zu verlieren nehmen sie die umnachtete Myriana liebevoll in ihre Obhut, helfen ihr auf und führen sie fort. Unterdessen findet Ghiberto auf dem Boden ein Stück Metall, das einer der Vermummten verloren haben musste und das sich zu seiner Verwunderung als Abzeichen des Heilig-Blut-Ordens herausstellt. Boldrino nimmt die Spiegelmaske an sich und drängt seine Gefährten zur Rückkehr nach Kuslik. Während sie über die Felder reiten, verspürt Boldrino ein seltsames Wispern, das sich in seine Gedanken schleicht. Ein unwillkürlicher Drang bemächtigt sich seiner, nach der Maske zu greifen. Für einen Augenblick vermeint er, sich in die Lage Anselmos hineinversetzen zu können, und nur indem er sich dessen Schicksal ins Gedächtnis ruft, kann er seinem inneren Drang wiederstehen, sich die Maske aufzusetzen. Als sie die Halle der Weisheit erreichen, wurde gerade Aldare Firdayon durch den Hohen Schlangenrat zur Magisterin der Magister bestimmt. Als sie vor die versammelte Geweihtenschaft treten und die Maske übergeben, spürt Boldrino, wie sich mit einem Male ein schemenhaftes Gewicht von seiner Seele legt. Doch als er später am Abend die Unterkunft Anselmos aufsucht, muss er feststellen, dass sich der Aldigonenser an einem Kleiderhaken aufgeknüpft hat. Frater Anselmo war seiner Verzweiflung nicht gewachsen und hatte als letzten Ausweg die Flucht aus dem Leben gewählt.

Noch immer benommen von den Ereignissen der letzten Nacht, macht sich Boldrino am nächsten Tag schwere Vorwürfe. Er habe es nicht vermocht, Anselmo das nötige Gottvertrauen zuzusprechen und fühle sich als Geweihter des Götterfürsten gescheitert. Ghiberto und Lechdan bemühen sich redlich, seine Zweifel zu zerstreuen. Dabei erinnern sie ihn an die Prophezeiung Myrianas und versuchen, sie zu rekonstruieren und zu übersetzen: "Drei Sonnen seid ihr, doch die Finsternis frisst jedes Licht. Der Tag neigt sich dem Ende zu. Also lauft, lauft rasch dem Horizont entgegen, um noch einen letzten Lichtstrahl zu erhaschen. Doch seid achtsam, denn eure Pfade werden nur noch Schemen und Schatten sein, wenn ihr durch den Spiegel des Zwielichts schreitet. Sumyrdalun."

Das Motiv der drei Sonnen erinnert sie an die Prophezeiung durch hundert Zungen, die ebenfalls von einer Sonne sprach, deren Herrlichkeit dreifach den Menschen wieder erscheinen werde. Möglicherweise sei Myrianas Prophezeiung ein Zeichen des Götterfürsten, mit dem er sie – Lechdan, Ghiberto und Boldrino – zur Suche nach dem Ewigen Licht aufgerufen habe. Doch zu Recht wirft der noch immer zweifelnde Boldrino ein, dass die Prophezeiung vor allem von Dunkelheit handelt und daher vielleicht eher Warnung als Verheißung bedeutet. Dennoch gehen sie am Abend gemeinsam in die Halle des Götterfürsten und treten vor den Altar des Heiligen Quanion. Dort entzünden sie drei Kerzen, deren Flammen zitternd in der düsteren Tempelhalle flackern, und beschließen von nun an, ihr Leben der Suche nach dem Ewigen Licht zu weihen. Gemeinsam versprechen sie feierlich, zueinander zu halten und gemeinsam den Schemen und Schatten zu trotzen, die sie von dieser heiligen Queste abzubringen versuchten.

Einige Tage später erhalten die Gefährten Besuch vom düsteren Teucras de Solstono, dem der Ghiberto zuletzt auf dem Schlachtfeld der zweiten Schlacht von Pertakis begegnet war, als der grausame Condottiere Coramar ya Strozza versuchte, Aldare und ihren Sohn Khadan zu ermorden. Dieses Mal trägt jedoch Teucras das Ornat eines Heilig-Blut-Ritters, in dessen Amt er nach dem Thronfolgekrieg durch Staryun Loriano persönlich berufen worden war. Die drei Gefährten werden nach den Vorkommnissen um die Söhne des Horas befragt und übergeben Teucras das in den Ruinen gefundene Abzeichen des Heilig-Blut-Ordens, das dieser in Verwahrung nimmt.

Am 11. Firun erreichen Ghiberto, Boldrino und Lechdan schließlich Vinsalt, wo sie Staryun Loriano, Goswyn von Wetterau und Adaon di Vianeï von den Ereignissen in Kuslik getreulich Bericht erstatten. Die düstere Prophezeiung der Myriana Sarostes bereitet dem Wahrer der Ordnung große Sorgen. Seit dem Verschwinden des Ewigen Lichtes häuften sich die Angriffe Unbekannter auf Geweihte des Götterfürsten, andere Priester seien vom Glauben abgefallen und führten aufrührerische oder götterlästerliche Reden. Die Worte der wahnsinnigen Prophetin vom unausweichlichen Nahen einer finsteren Nacht kündigten weiteres Unheil an. Doch, wendet Adaon ein, sei es nicht schon ein hoffnungsvolles Zeichen, dass Praios zu uns spreche, anstatt gänzlich zu schweigen? Und hieße es nicht auch, dass wir die Finsternisse, die da am Horizont dräuten, auf uns nehmen müssten? Dass wir hinabsteigen müssten in die dunkle Nacht der Seele, auf dass in unserem Inneren Raum werde für ein Leuchten? Da lächelt Loriano, erteilt Boldrino, Ghiberto und Lechdan, die er mit väterlicher Milde seine ‚Lichtsucher’ nennt, seinen Segen und spricht: „Wer sich nach Licht sehnt, ist nicht lichtlos. Denn die Sehnsucht nach Licht ist bereits Licht. Mögen uns diese Worte des Heiligen Quanion Mahnung und Hoffnung zugleich sein.“

Am Rande der Audienz teilt Bruder Lechdan seinem Wegbegleiter Goswyn mit, dass er sein Schicksal nun an der Seite Boldrinos und Ghibertos sieht, mit denen er sich in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden fühlt. Schweren Herzens akzeptiert Goswyn die Entscheidung des ehemaligen Mönchs. Mit einem vielsagenden Seitenblick auf den Wahrer der Ordnung erklärt er, dass die Queste des Heiligen Quanion auch eine Prüfung für die Gemeinschaft des Lichtes als Ganzes sei. Denn er sei sich sicher, dass es Praios’ Wille ist, dass die Suche nach dem Ewigen Licht auch zu einer Besinnung auf das eigentliche Wesen der Kirche und des Glaubens führe. Daher müsse ein jeder Pilger und ein jeder Gläubige seinen eigenen Weg wählen auf der Suche nach dem Ewigem Licht, so habe es der Götterfürst bestimmt, als er seine Prophezeiung nicht einem, sondern hunderten in den Mund legte – doch sei er zuversichtlich, dass sich ihre Wege eines nicht allzu fernen Tages wieder kreuzen werden.

In den kommenden Wochen wird Teucras de Solstono auf Anordnung des Luminifactus ordensinterne Untersuchungen durchführen. Bis zum Ende des Winters werden drei Heilig-Blut-Ritter und vier weitere Personen überführt, dem Geheimbund der Söhne des Horas anzugehören. Doch die Beschuldigten weigern sich, ihre Hintermänner zu nennen und bleiben selbst unter Folter standhaft. Die überführten Söhne des Horas werden schließlich einem weltlichen Gericht unterstellt und wegen Hochverrats hingerichtet. Währenddessen berät der Hohe Schlangenrat in Kuslik, wie mit der Spiegelmaske zu verfahren sei, die man inzwischen als unheiliges Artefakt des Amazeroth identifizieren konnte.
Zuletzt geändert von Gueldenlaender am 16.10.2013 19:47, insgesamt 5-mal geändert.

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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Ungelesener Beitrag von Gwydon »

Bin schon sehr gespannt - der Anfang ist ja schon äußerst vielversprechend! :)

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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Ungelesener Beitrag von Mindflip »

Hi Gueldenländer (was auch für ein praoisgefälliger Name!),
das sieht sher vielversprechend aus; gerade weil ich wohl demnächst selbst Pilger auf die Suche schicken werde und Spielberichte als die bestmöglichste Inspiration für die eigene Kampagnen sehe (man könnte auch sagen, dass ich schamlos klaue)bin ich schon sehr gespannt auf deinen Thread.
Nur: Im Vorwort erwähnst du eventuelle Spoiler auf den Schleiertanz - ein Abenteuer das ich sehr warscheinlich noch spielen will. Sehr ungern würde ich das Risiko einer Vorabinfo eingehen oder auf deinen Bericht verzichten. Hättest du die Güte, die auf den Schleiertanz bezogenen Infos noch nachträglich MI-mäßig auszublenden? Sofern es welche gibt - du sprichst ja von "könnte"... Wäre zu Dank verpflichtet!

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Ungelesener Beitrag von Gueldenlaender »

Danke Gwydion und Mindflip für die Vorschusslorbeeren. Eine Ehre, dass der Bandredakteur hier mitliest! :) Ich hoffe, es bleibt auch weiterhin noch einigermaßen unterhaltsam.

Hey Mindflip, bei Schleiertanz ist das so ein Sache, weil ich wahrscheinlich nur einige Motive und Handlungsbausteine verwenden werde.

Als ich das Abenteuer gelesen hatte, wollte ich es zunächst irgendwie in QQ-Handlung einbauen und es 1) ins Horasreich verlegen und 2) den Plot „praiotisieren“. Herausgekommen ist am Ende etwas, das inhaltlich nicht mehr viel mit dem Ursprungsabenteuer zu tun hat. Es gibt zwar noch einige Elemente, die ich übernommen habe und die vielleicht einem Spieler von Schleiertanz seltsam vertraut vorkommen könnten, insgesamt wird die Lektüre des Spielberichts aber *relativ* gefahrlos für dich sein.

Das wird in etwa ähnlich ablaufen, wie das Finale mit Myriana Sarostes (s.o.), wo ich einige Elemente aus Spiegelseelen (Pilgerfade) geklaut habe – die Entfesselung der Grimänen, den Hesindianer, der mit seiner Spiegelseele im Clinch liegt –, das aber mit der eigentlichen Vorlage letztendlich nicht mehr sehr viel zu tun hat.

Möglicherweise - aber soweit sind wir noch nicht, das wird frühestens Ende 1032/Anfang 1033 BF passieren – werde ich jedoch ein kleines Nebenszenario (das ab S. 71 – ich sage besser nicht den Titel, um nicht zu spoilern) verwenden und auch das Finale von Schleiertanz wird/könnte in seiner ganz groben Grundkonstellation ähnlich verlaufen. In diesen Fällen werde ich aber vor die einzelnen Kapitel noch extra Spoilerwarnungen setzen. MI-Ausblendung wird aber leider schwierig sein, weil es wohl keine konkreten Stellen gibt, die ich übernehme, und ich deswegen ganze Kapitel weißen müsste...

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Ungelesener Beitrag von Gueldenlaender »

CAPITULUM IV: DONUM DRACONUM CAELESTIUM – DIE GABE DER HIMMELSDRACHEN

Kuslik im Phex 1030 BF. Ein halbes Jahr nach dem friedlichen Ausgang des Thronfolgekriegs befindet sich Horasreich abermals in Aufruhr. Die Rabenflotte erobert Sylla, einen wichtigen Verbündeten der Goldenen Allianz, besiegt die Flotte der horasischen Vizekönigin Nandora ya Strozza und setzt Kurs um das Kap Brabak herum gen Norden.

In dieser für das Horasreich schwierigen Stunde werden Boldrino, Ghiberto und Bruder Lechdan nach Kuslik gerufen. In der Halle der Weisheit treten sie gemeinsam mit der Ardaritin Elvena d’Abbastanza, des Hesinde-Geweihten Hesindior Calvino de Rosalia sowie der Magierin Larissa Uchakbar vor den Hohen Schlangenrat, dem Gylduria von Firdayon-Bethana, Vorsteherin des Praios-Tempels zu Kuslik und Schwester des Comto-Protectors, beisitzt. Aldare Firdayon begrüßt die Anwesenden und präsentiert ein geweihtes und mit magischen Bannzeichen versehenes Gefäß, das mit der Hilfe Larissa Uchakbars angefertigt wurde. In dessen Innerem befinde sich ein gefährliches Artefakt, das vor nunmehr über einem halben Jahr im Schloss zu Côntris geborgen werden konnte und sich nun wieder im Besitz der Hesinde-Kirche befindet. Der Hohe Schlangenrat habe nach eingehender Prüfung und durch die Gnade der Allweisen unzweifelhaft feststellen können, dass es sich hierbei um die Spiegelmaske des Vielgestaltigen Blenders handelt: Teil des erzdämonsichen Frevlergewandes, von dem uralte Prophezeiungen künden. Daher habe der Hohe Schlangerat beschlossen, dass unheilige Artefakt der Obhut des Drachen Shafir anzuvertrauen, der dieses niederhöllische Artefakt sicher für alle Zeiten sicher verwahren möge, auf dass es kein Übel mehr in der Welt anrichten könne. Daraufhin stellt sie Gylduria von Firdayon-Bethana vor, die als Stellvertreter der Krone die diesjährige Gesandtschaft zum Kaiserdrachen anführen werde. Angesichts der jüngsten Unstimmigkeiten zwischen den Kirchen der himmlischen Geschwister Praios und Hesinde, sei sie erfreut, dass in diesem Jahr nicht nur ein Mitglied des Hauses Firdayon, sondern auch eine allseits respektierte Geweihte des Lichtherren den Zug leite. Und um Ghibertos, Boldrinos und Bruder Lechdan’ Einsatz zu würdigen, mögen sie, wenn sie dies wünschen, ebenfalls den Zug begleiten. Einvernehmlich erklären die Gefährten ihre Bereitschaft, an der Gesandtschaft teilzunehmen, und werden in die näheren Einzelheiten der Reise eingeweiht.

Bald darauf verlässt die Gesandtschaft, begleitet mit einer Eskorte von zehn Horas-Rittern unter dem Befehl von Ghiberto Grifone di Vianeï sowie einer kleineren Schar Draconiter und Ardariten, die Stadt Kuslik und erreicht ohne größere Zwischenfälle wenige Tage später die chababische Grafenstadt Thegûn, wo sie im Oktogon, dem Stammkloster des Draconiter-Ordens, vom Abtprimas Erechthon empfangen wird. In den nächsten drei Tagen verbleiben die Gesandten als Gäste im Oktogon, lauschen in der Halle des Drachen den erbaulichen Lesungen der Draconiter aus den Annalen des Götteralters und dem Kodex der Tugend oder vertreiben sich die Zeit mit Spaziergängen im Wandelgarten des Gräflichen Schlosses.

Zum Versenkungsfest finden sie sich schließlich in der Halle des Drachen ein, um gemeinsam mit den Draconitern den ersten Feiertag des Hesindianischen Jahres zu feiern. Nach einer Messe, die Abtprimas Erechthon persönlich leitet, ziehen sich alle Anwesenden zurück und verbringen den Rest des Tages in stiller Einkehr. Am Abend vor dem Aufbruch zur Kabashpforte vertraut sich Boldrino der Lichthüterin Gylduria von Firdayon-Bethana an und bittet um ihren Beistand. Er habe in den letzten Nächten immer wieder von der unheiligen Spiegelmaske geträumt. In einem Traume irrte er durch graue Finsternisse, bis er in ein kühlendes und erfrischendes Wasser tauchte. Am Grunde des Wassers fühlte er mit seiner Hand das Gesicht eines geliebten Menschen, der Vater, Mutter, aber auch jeder andere Mensch sein konnte. Doch als er die Augen öffnete, entpuppte sich das Gesicht als eine Maske, und als er sie aufsetzte und durch ihre Augen blickte, waren die Nacht und das Wasser plötzlich in goldenes Licht getaucht, das gleichzeitig aus ihm heraus und in ihn hineinzuströmen schien. Und er spürte am Leib und in seiner Seele, dass er nicht mehr er selbst war. Seit einigen Tagen schon verspüre er zunehmend die Einflüsterungen der Spiegelmaske und mehr als einmal habe er sich versucht gefühlt, alle Warnungen in den Wind zu schlagen und sich der Maske zu bemächtigen. Das einzige, was ihn davon abgehalten habe, war das Bild des toten Anselmo, das er sich immer wieder vor Augen gerufen habe, um dem Drängen der Maske nicht nachzugehen. Da er fürchte, irgendwann ihrer verderblichen Macht zu erliegen, fühle er sich nicht mehr in der Lage, die Gesandtschaft weiter zu begleiten. Doch die Custora Lumini beruhigt den jungen Geweihten. Durch viel gutes Zureden kann sie ihn schließlich doch noch überzeugen, sich dieser Prüfung zu stellen, und verspricht ihm, auf ihn aufzupassen, wenn er im Gegenzug auch auf sie acht gibt. Auch heißt sie ihn, regelmäßig das Gebet der inneren Ruhe zusprechen, um seiner Seele durch Praios’ Gnade zumindest vorübergehend Erleichterung zu verschaffen.*

Am 3. Peraine erreicht die Gesandtschaft schließlich die Drachenschlucht, an deren Ende ein karrenbreiter Pfad hinauf ins Gebirge führt. Für Boldrino ist die Reise nicht nur eine körperliche, sondern auch eine geistige Qual. Doch dank Gyldurias Hilfe gelingt es ihm, sich während des gesamten Weges unter Kontrolle zu halten und seinen Drang zu zügeln, den Versuchungen der Spiegelmaske nachzugehen. Auf dem Weg zum Sitz des Drachen erzählen sich die Draconiter allerhand Legenden von Shafir dem Prächtigen und dem Hohen Drachen Naclador, der der Schutzherr ihres Ordens ist. Nachts heulen in der Ferne Wölfe.

Von der Drachenschlucht aus folgt die Gesandtschaft einen gewundenen Pfad in die Berge der Hohen Eternen hinauf, bis die Reisenden schließlich erschöpft einen Felskessel unterhalb des Berges Khomblick erreichen, wo sie ihr Lager aufschlagen. Hier befindet sich auch das Grabmal des Märtyrers Broderico von Tikalen, der hier vor zehn Jahren sein Leben ließ, als er die Gesandtschaft, die damals von Aldare Firdayon angeführt wurde, gegen blutrünstige Geschöpfe der Finsternis verteidigte. Am Abend beim Lagerfeuer erklärt Gylduria von Firdayon-Bethana, warum sie den Wunsch geäußert habe, die diesjährige Gesandtschaft zur Höhle des Kaiserdrachen zu führen. Im Winter habe sie eine Pilgerfahrt nach Baltrea unternommen, wo sie lange Zeit zu Füßen des Orakels betete. Zwar habe sie weder eine Vision noch eine Prophezeiung erhalten, doch sei durch Kontemplation und innere Sammlung zu der Einsicht gelangt, dass die Hohen Drachen Naclador und Darador, die beiden himmlischen Geschwister, die über Erkenntnis und Erleuchtung, Weisheit und Wahrheit wachen und deren Altäre im Tempel von Baltrea stehen, eine tiefere Bedeutung für ihre persönliche Suche nach dem Ewigen Licht haben. Legenden erzählen, dass in Shafirs Blut der Geist Nacladors schlummert. Daher wolle sie dem Drachen gegenübertreten und ihn um einen Einblick in das Mysterium von Erkenntnis und Erleuchtung bitten, so er sie denn für würdig erachte.

Am Morgen des 5. Peraine legt die Gesandtschaft den letzten Teil des Weges zu der Höhle des Drachen zurück. Gylduria von Firdayon-Bethana trägt, in ein zeremonielles Gewand gehüllt, das geweihte Gefäß, in dem die unheilige Spiegelmaske ruht. Vor ihr schreitet Magister Hesindior mit dem Buch der Schlange in seinen ausgestreckten Händen. Hinter ihnen folgen die Ardaritin, Larissa Uchakbar, Boldrino, Lechdan und Ghiberto sowie in respektvollem Abstand die Eskorte der Draconiter und Heilig-Blut-Ritter. Nachdem sie die Höhle betreten haben und der Hesinde-Geweihte dem Brauch gemäß dreimal in ein Horn aus Mondsilber geblasen hat, offenbart sich ihnen der Herr vom Khomblick in all seiner kraftvollen Pracht und uralten Herrlichkeit. Lodernden Feueratem hauchend, nimmt er die Gabe nach langem Zögern an, gleichwohl er spürt, welch niederhöllisches Unheil sie birgt. Er lässt durchblicken, dass selbst er, der mächtige und uralte Kaiserdrache, sich vor den Einflüsterungen des Artefakts fürchtet, und heißt Larissa Uchakbar eine Närrin, weil das Banngefäß brüchig und unvollkommen sei. Zudem verlangt er als Gegenleistung, dass sich sein Sohn Khadan-Horas noch vor dessen zwölften Geburtstag zu ihm begeben solle, um von ihm zu lernen.

Derweil leidet Boldrino bei dem Gedanken, die Maske für immer zu verlieren, fast körperliche Qualen. Plötzlich erschrickt er innerlich, als er Shafirs prüfenden Blick auf sich ruhen fühlt, und reißt sich zusammen. Gylduria dankt schließlich dem Kaiserdrachen für die Annahme des Artefaktes und formuliert ihre Frage nach Naclador und Darador, die für sie gemeinsam für das Mysterium von Erkenntnis und Erleuchtung stehen. Da entgegnet Shafir, die Flamme der Erleuchtung und das Licht der Erkenntnis kämen immer zu einem Preis, und fragt sie, ob sie bereit sei, dafür durch Feuer und Dunkelheit zum Licht zu gehen. Die Geweihte bejaht und erhält die Möglichkeit einen auszuwählen, der sie bei dieser Prüfung begleite. Ihre Wahl fällt überraschenderweise auf Boldrino, und gemeinsam werden sie schließlich ins Innere der Höhle geleitet, wo sie wenig später durch einen geheimnisvollen Torborgen treten. Dahinter gelangen sie auf einen schmalen Steg, der über einen Abgrund führt, von dessen klaffenden Tiefen beißender Schwefel aufsteigt. Am Ende des Stegs sehen sich Gylduria und Boldrino einem gewaltigen, aus dem Fels herausgeformten Drachenschädel gegenüber, in dessen Rachen gierige Flammen lodern. Obwohl der Anblick ihnen schreckliche Angst einjagt, fassen sie sich ein Herz und schreiten durch das magische Feuer, das ihnen nichts anhaben kann, hindurch in eine feuchte, dunkle Grotte, deren Boden gänzlich von Wasser bedeckt ist. Das Wasser ist trübe und milchig.

„Ist dieses Wasser nicht geradezu eine Metapher für den Geist und die Seele desjenigen, der mit seinem begrenzten Verstand nach Erkenntnis strebt, ohne ganz auf die Gnade der Götter zu vertrauen?“ fragt sich Boldrino und bringt damit seine Begleiterin auf eine Idee. Mit der Hilfe des jungen Geweihten wirkt Gylduria die Liturgie des Lichts des Herrn. Und durch die Gnade des Götterfürsten wird plötzlich das Wasser dort, wo das göttliche Licht es berührt, klar und reflektiert das Licht zur kristallenen Decke und zu den ebenfalls kristallene Wänden, die wie Daradors lichter Flügelschlag in hundert Farben aufstrahlen und das Licht zurückwerfen. Am anderen Ende der Höhle offenbart sich durch den Fall des Lichts ein Durchgang, durch den die beiden Geweihten in eine gewaltige Halle treten, das ein Heiligtum mit lebensgroßen, in einem Halbkreis angeordneten Drachenstatuen enthält, bei denen es sich wohl um Darstellungen der sechs Hohen Drachen handelt. Neben dem Abbild Daradors steht Branibor mit seinen eisernen Flügeln, daneben der löwenhäuptige Famerlor, Hüter der Himmelspforte Melliador. Neben ihm erblicken sie Naclador, den Hohen Drache der Weisheit und Erkenntnis, und auch den ziegenhäuptigen Yalsincor sowie den Drachen Menancor mit seinen sechs Flügeln – ein Tempel der Himmelsdrachen.

Während Gylduria vor dem Abbild Nacladors niederkniet, verharrt Boldrino vor der Statue Daradors, auf deren Sockel die Frage geschrieben steht: ‚Was ist der Weg zur Erleuchtung?’ Er schließt die Augen, um in sich zu gehen, doch in der Dunkelheit seiner Gedanken findet er keine Antwort. Dann, irgendwann, vernimmt er ein Wispern, und als er die die Augen öffnet, erblickt er vor sich die Spiegelmaske zwischen den Klauen Daradors, nach der er nur noch seine Hände ausstrecken muss. Doch dann hält er inne. Sein Blick fällt wieder auf die Frage auf dem Sockel. Dann spricht er das Gebet der inneren Ruhe und verscheucht den Spuk mit einer einfachen Handbewegung. Wieder öffnet er die Augen und sieht vor sich das Antlitz Daradors. „Läuterung“, ist seine Antwort. Und fasst zeitgleich spricht neben ihm Gylduria: „Prüfung.“ – Denn auf dem Sockel der Statue Nacladors steht geschrieben: „Was ist der Weg zur Erkenntnis?“ "Nur was geprüft ist, kann gereinigt werden", spricht Boldrino fast lautlos. "Nur was rein ist, kann erleuchtet werden", ergänzt Gylduria ebenso lautlos murmelnd, als vor Boldrino mit einem Male das Abbild Daradors in gleißendem Licht erstrahlt. Lange blickt er ergriffen in die Augen des Hohen Drachen, die wie goldener Bernstein leuchten, dann tanzt das Licht vor seinen Augen und formt eine mäandernde, in allen Farben der Welt erstrahlende Linie, die sich zu einer fremdartigen, in der Luft schwebenden Glyphe formt, vor der Boldrino demütig sein Haupt senkt, als das Lichtzeichen sich langsam nähert, sich sanft auf seine Stirn legt, um schließlich mit einem zuckenden Lodern darin zu verschwinden. Da spürt Boldrino, dass die Glyphe kein toter Buchstabe, sondern ein lebendiger Gedanken ist, der seinen Geist mit Licht erfüllt. Und er weiß nun, dass die Finsternisse, die seine Seele plagen, nur schwache Schemen sind im Vergleich zum gleißenden Licht des Herrn.

Als Boldrino am nächsten Tag wieder zu sich kommt, findet er sich im Lager der Gesandtschaft am Fuße des Khomblicks wieder. Gylduria wacht an seinem Lager und teilt ihm mit, dass auch sie im selben Augenblick, in dem sie die Frage der Drachenstatue beantwortete, eine Vision Nacladors erhalten hatte. Doch noch sei in ihr das Wasser der Erkenntnis trübe, sie brauche sicher noch eine Weile, um zu verstehen. Ermattet fragt Boldrino, warum Shafir diese Prüfung verlangt habe. Gylduria überlegt und antwortet schließlich, dass Erleuchtung und Erkenntnis keine Gaben seien, die von selber kämen. Man müsse sich auf den Weg machen – auch wenn der Weg mit Prüfung, Läuterung und manch anderem Mühsal gepflastert sei. Denn die Anstrengung auf dem Weg zu Erleuchtung und Erkenntnis seien bereits Teil derselben.

Erst zwei Tage nach der Audienz bei Shafir dem Prächtigen kann die Gesandtschaft die Rückreise antreten. Bis dahin war Boldrino, der noch immer von seiner göttlichen Vision entrückt ist, kaum in der Lage, sich von seiner Lagerstatt zu erheben. Und auch während des mühsamen Abstiegs von den Bergen spricht Boldrino kaum ein Wort. Denn seine Seele labt sich noch immer an dem reinen Licht, das ihm Darador gespendet hatte. Am 10. Peraine erreicht die Gesandtschaft schließlich Thegûn. Der immer noch kaum ansprechbare Boldrino wird von seinen Gefährten in sein Gemach im Oktogon geleitet. Erechthon rät Lechdan und Ghiberto, ihren Gefährten im Zustand der Entrückung zu belassen, denn eine solche Gnade verdiene es, von der Seele gänzlich ausgekostet zu werden. Denn nur was in sich ruhe, könne gereinigt werden. Und was rein sei, möge in sich ruhen. Ghiberto lässt sich derweil über den Stand des Angriffs der Schwarzen Armada unterrichten. Den Alanfanern sei es überraschend schnell gelungen, ihre Flotte ins Askanische Meer zu versetzen. Eine große Entscheidungsschlacht scheint kurz bevorzustehen. Etwa zwei Tage später erreicht ein Bote mit der Nachricht von der siegreichen Seeschlacht bei Phrygaios die Stadt. Das ganze Volk feiert den Sieg über den verhassten Erzfeind.

Zur Monatsmitte trennen sich die Gefährten. Während Bruder Lechdan weiter in Thegûn verweilen und über den jungen Geweihten wachen will, der sich immer noch im Zustand tiefer Entrückung befindet, eskortiert Ghiberto Gylduria von Firdayon-Bethana mitsamt der anderen Mitglieder der Gesandtschaft zurück nach Kuslik.

________________________________________________
* Boldrino erhält durch die Einflüsterungen der Spiegelmaske drei Verführungspunkte, die schließlich durch Meditation, Glydurias Beistand und durch die Ereignisse in der Drachenhöhle auf 1 reduziert werden

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM V: AVIDITAS CAECA – BLINDE GIER

Vinsalt im Rahja 1030 BF. Nach einem längeren Aufenthalt in Thegûn erreichen Lechdan und Boldrino die Kaiserstadt Vinsalt. Im Ordenshaus der Heilig-Blut-Ritter treffen sie auf Ghiberto. Boldrino kommt bald auf seine Vision in der Drachenhöhle zu sprechen und erklärt, dass die Lichtglyphe, die er vor seinem geistigen Auge erblickt hatte, ein Gedankenbild gewesen sei, die ihm der Hohe Drache Darador eingegeben hätte. Dieses Bild sei so voller Licht gewesen, dass sein unvollkommener Geist zunächst nur geblendet in Unwissenheit verharrte. Erst durch wochenlange Kontemplation und innere Sammlung habe er seinen Geist läutern und frei machen können. Und so wie man für gewöhnlich eine Zeit lang braucht, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, so konnten auch die Augen seiner Seele erst nach vielen Mühen in seinen lichtdurchfluteten Erinnerungen Formen und Umrisse erkennen. Nun aber läge es klar vor ihm: Zunächst erblickte er einen Falken, der vom Himmel herabstürzte. Dann sah er Pilger in alten bosparanischen Gewändern, die durch eine endlose Wüste wanderten und schließlich erschöpft in den heißen Wüstensand fielen. Und schließlich das Bild eines blinden Zwerges, der durch eine kahle Gebirgslandschaft irrte, plötzlich durch den Schrei eines Falken aufgeschreckt wurde, stürzte und reglos liegen blieb. Boldrino erklärt, dass der Anfang der Vision unzweifelhaft auf das Falkenwunder zu Nordek verweist. Der Sage nach begab sich einst ein von Ucuri ausgesandter Falke auf die Suche nach der Stadt der Sonne, die Heimstatt des Praios auf Deren. Dabei kam er Praios’ flammendem Antlitz jedoch zu nahe, verglühte und stürzte herab. In der Nähe des Ortes Nordek fanden ihnen fünf Kindern und pflegten ihn, bis er sich wieder in die Lüfte erheben konnte. Während für Boldrino das zweite Bild keinen Sinn ergeben will, ist er sich sicher, den Angroschim schon einmal gesehen zu haben. Tatsächlich war der Zwerg unter der Gruppe der Verwirrten, die ihnen Anfang Hesinde kurz vor Cophirya auf dem Rückweg von der Noionitenabtei begegnet waren.*

Daher plant Boldrino, ein weiteres Mal zur Abtei der Heiligen Noiona von Selem aufzubrechen. Doch zunächst begibt er sich gemeinsam mit seinen beiden Gefährten ins näher gelegene Nordek, um die dortigen Geweihten um Rat zu fragen. Im Falkentempel des beschaulichen Pilgerortes spricht er mit der Ucuriatin Lamea Aurandis und beschreibt ihr seine Vision in der Drachenhöhle. Das Bild vom Falken, der vom Himmel stürzt, erinnert auch sie an die Legende des gefallenen Falken, die sie als Warnung vor Hochmut versteht. In dem göttergefälligen Verhalten der Kinder, die den Falken aufnahmen und pflegten, erkennt sie aber auch einen Hinweis auf das Fürsorgegebot der Kirche, durch das auch Seelen, die vom rechten Wege abgefallen sind, durch die Hilfsbereitschaft der Gemeinde sicher aufgehoben und mit Geduld und Verständnis auf den rechten Wege zurückgebracht werden sollen.

Während sich die Gefährten bemühen, mehr über die Falkenlegende und die Geschichte Nordeks zu erfahren, erreicht eine Gruppe aufgebrachter Ordensleute des Noionitenklosters den Pilgerort. Sie suchen nach einem Zwerg namens Aurasch, der vor wenigen Tagen aus der Pflege der Brüder und Schwestern entflohen war. Bis nach Tashbek seien sie ihm gefolgt, dann verloren sich seine Spuren. Dem Geweihtenrat von Nordek ist dieser Zwerg kein Unbekannter, versuchte er doch im letzten Winter, aus nicht näher bekannten Gründen in den Ucuri-Tempel einzudringen. Dabei wurde ihm eine Falkenmaske abgenommen, die ein Vinsalter Gelehrter auf die frühe Siedlerzeit datierte und zu den dreiäugigen Masken der güldenländischen Optimaten, den sogenannten Triopten, in Bezug setzte. Doch auch die Falkenmaske verschwand vor einigen Wochen aus unerklärlichen Gründen aus der Sakristei. Ghiberto erfährt aus einem Gespräch mit einem Pilger, dass dieser wenige Meilen entfernt vom Castell Arreth einen Zwerg gesehen hat, auf den Auraschs Beschreibung passt. Noch am selben Tag erreichen die Gefährten die Festung, der Stammsitz der zu Zeiten Salmans des Blutigen zu Macht und Einfluss gekommenen Familie Romeroza. Doch der Kastellan der Burg behauptet steif und fest, keinen Zwerg gesehen zu haben.

Nachdem sie auch im weiteren Umland keinen Hinweis auf den Verbleib des Zwergs erhalten, machen sich Ghiberto, Boldrino und Lechdan auf den Rückweg nach Vinsalt, um im den Gassen der Kapitale weiter nach dem Vermissten zu suchen. Nach Tagen erfolgloser Suche wird Ghiberto von einem jungen Mann aufgesucht, der sich als Thalion, Diener des Kastellans von Arreth, vorstellt. Er habe mitbekommen, dass der Heilig-Blut-Ritter nach einem verwirrten Zwerg suche, und sei ausgebüxt, weil er sich sicher sei, dass ihnen der Kastellan nicht die Wahrheit gesagt habe. Er wüsste, wohin sie Aurasch gebracht hätten, verlangt aber als Gegenleistung, dass ihm Ghiberto ermögliche, als Page in den Heilig-Blut-Orden aufgenommen zu werden. Denn der Kastellan sei ein grausamer Menschenschinder, der ihm alle Knochen brechen werde, falls er es wagen würde, je wieder zurück zum Kastell zu gehen. Ghiberto geht mit ihm zum Ordenshaus der Horas-Ritter und lässt ihn prüfen. Doch weder sein Stand noch seine Fähigkeiten mit dem Schwert befähigen ihn zum Eintritt in den Orden. Am Ende kann ihm Ghiberto einen verhältnismäßig gut bezahlten Posten als Amtsschreiber im Palazzo Custodiale vermitteln. Thalion erklärt sich einverstanden und berichtet schließlich, dass vor einigen Tagen unweit des Castell Arreths ein ausgemergelter und halbwahnsinniger Zwerg aufgegriffen wurde, nachdem man ihn in den Wäldern der Familie Romeroza beim Wildern erwischt hatte. Wenige Tage darauf belauschte er ein Gespräch zwischen dem Kastellan und einem jungen Krieger, der das Zeichen eines goldenen Pferdes auf seinen Mantel trug. In diesem Gespräch ging es um den Zwerg. Der Krieger habe den Verdacht geäußert, dass dieser Zwerg kein einfacher Verrückter sei, und der Kastellan habe ihm entgegnet, dass er ihn gerne mitnehmen könne. Ein Beutel voller Gold wechselte den Besitzer und wenig später wurde der zeternde Zwerg in eine Kutsche gesteckt, die mit dem Krieger in Richtung Norden davon preschte.

Ghiberto, Boldrino und Lechdan verlassen Vinsalt und reisen den Yaquir flussaufwärts, um die Spur des Zwergs wiederaufzunehmen. Am zweiten Reisetag erreichen die Gefährten das geschundene Bomed. Nachdem sie einige Almosen an die Bettler verteilt und in einer Gaststätte eine Mahlzeit eingenommen haben, können sie bei einem Schmied in Oberbomed in Erfahrung bringen, dass dieser vor etwa einer Woche für einen jungen, stattlichen Reiter, der das Wappen eines goldenen Pferden auf dem Wams trug und mit einer Karosse des Hauses Romeroza auf Durchreise war, die Hufeisen erneuert habe. Der Sohn des Schmieds habe versucht, einen Blick in das Innere der Kutsche zu erhaschen, und sich dabei den Schreck seines Lebens geholt habe. Die Gefährten lassen den Jungen herbeiführen und fragen ihn danach, was er in der Kutsche gesehen habe. Doch der Junge scheint völlig verstört und spricht nur immer wieder von schrecklich brennenden Augen.

Die Spur führt die Gefährten schließlich zum Anwesen der Familie Romeroza in Unterfels. Dort empfängt sie die junge Edeldame Savinya Romeroza. Sie kann ihren Gästen bestätigen, dass ihre Tante vor mehreren Tagen die Überführung des Zwergs nach Unterfels veranlasst habe. Er befinde sich nun in der Obhut des berüchtigten Condottieres Horasio della Pena, der im Schloss Tsadanja auf der östlichen Flussseite residiert. Horasio schien ein besonderes Interesse an dem Zwerg zu haben, und da beide Familien nicht nur durch verwandtschaftliche Bande, sondern auch durch gemeinsame politische Interessen verbunden sind, sei es doch selbstverständlich, dass man sich ab und an einen kleinen Gefallen täte. Da sie von den redlichen Absichten ihrer Besucher überzeugt ist, verspricht sie ihnen, zu Horasio Kontakt herzustellen, und lädt sie ein, während ihres Aufenthalts in der Stadt, in ihrem Palazzo zu Gast zu sein.

Am letzten Tag des Rahjamondes begleiten Ghiberto, Boldrino und Lechdan die Patrizierin ins prachtvolle Schloss Tsadanja, wo sie auf Horasio della Pena treffen. Dieser befindet sich in Begleitung seines jungen Leutnants, Mondino von Calven, bei dem es sich um den Mann mit dem Pferdewappen zu handeln scheint. Der Condottiere begrüßt seine Gäste verwundert und erfährt von ihrer Suche nach dem Ewigen Licht und Boldrinos Vision in der Drachenhöhle. Verschmitzt entgegnet Horasio, dass auch er sich auf einer heiligen Queste befinde, und erzählt von seinem Astrologen. Dieser habe ihm vor zwei Wochen ein Horoskop erstellt, in dem der Wandelstern Ucuri in Harmonie zum Sternenbild des Nachen steht, der auf eine bevorstehende Reise oder einen einzuschlagenden Weg verweist. Wenige Tage später fiel ihm der Zwerg Aurasch in die Hände, der ihm in seinen wenigen wachen Momenten von einer güldenen Stadt in einem Meer aus Wüstensand berichtete. Horasio lässt seine Gäste schließlich zu Auraschs Kammer bringen, wo sie einen mit starrem Blick vor sich hin brabbelnden, kaum ansprechbaren Zwerg vorfinden. An die Wand hat er das Bild eines blutenden Falken gekritzelt, der von Menschen geborgen wird. Boldrino versucht, zu Aurasch Kontakt aufzunehmen und fragt, ob er zurück nach Nordek wolle. Bei diesem Wort hält der Zwerg abrupt inne und starrt Boldrino eine Weile wortlos aus seinen bernsteinfarbenen Augen an. Dann gleitet sein Blick wieder ins Leere. Was sie auch tun, aus dem Zwerg ist nichts herauszukriegen.

Bei einem gemeinsamen Essen klagt Horasio seinen Gästen sein Leid. Er sei von Cusimo Garlischgrötz, dem großen Herzog des Westens, zum Statthalter des Yaquirbruchs ernannt worden, doch die almadanischen Invasoren unter Josmina von Bregelsaum im Norden und die Anhänger des selbsternannten Grafen Rimon Sâlingor in Bomed und Sewamund hätten ihm die Fehde erklärt. Er sei überzeugt, dass der Fund des Zwergs eine Möglichkeit sei, sich in den Augen des Wahrers der Ordnung als würdig zu erweisen und vielleicht sogar die Unterstützung der Praios-Kirche im Streit um die Grafenkrone von Bomed zu gewinnen. Dies sei auch der Grund, warum er sein Geheimnis mit ihnen teile. Sie können mit dem Zwerg machen, was ihnen beliebt, vorausgesetzt, dass sie gegenüber Staryun Loriano seinen Anteil an ihrer praiosgefälligen Queste herausstellen, auf dass die Augen der Kirche gnädiger auf seine Bemühungen blickten, dem Yaquirbruch Frieden und Ordnung zu schenken. Ghiberto und seine Gefährten versprechen, dem Wunsch des Condottieres Folge zu leisten und erhalten im Gegenzug die Erlaubnis, mit dem Zwerg nach Nordek zu reisen, wo sie herausfinden wollen, was dieser dort gesucht hatte.

Trotz des Beginns der Namenlosen Tage drängen Ghiberto und Boldrino zur Weiterreise nach Nordek. Lechdan’ Einwände, während der verfluchten Zeit zwischen den Jahren besser nicht durch das Land zu reisen, tut Ghiberto als Aberglauben ab. Man sei hier nicht im Mittelreich, wo sich hinter jedem Baum Hexen und Kobolde versteckten, entgegnet er scherzend. Aurasch wird in eine Kutsche gesetzt, in die auch der Mönch einsteigt, während Boldrino und Ghiberto mit ihren Pferden vorausreiten. Während der Fahrt bemüht sich Lechdan vergeblich, sich mit dem Zwerg zu verständigen. Mit viel Mühe kann er jedoch dessen vermeintlich sinnentleertes Gebrabbel als ein mit Bosparano- und Aurelianiwörtern durchsetztes Rogolan identifizieren. Dabei wiederholt er immer wieder die Wörter Kloster, Wüste, Sonne und Falke, um die sich die Gedanken des irren Zwerges zu drehen scheinen.

Trotz der Bedenken Bruder Lechdans erreichen die Gefährten nahezu ohne Zwischenfälle den kleinen Wallfahrtsort Nordek. Dort ist man jedoch von Auraschs Rückkehr nur wenig angetan. Unter der Dorfgemeinde, die sich in großer Zahl in der Tempelhalle versammelt hat, um betend die Namenlosen Tage zu verbringen, regt sich lautstarker Protest gegen den geheimnisvollen Zwerg, dessen Einbruch man noch gut in Erinnerung hat und dessen abermaliges Erscheinen nun allgemein als böses Omen wahrgenommen wird. Es kommt zu einem Handgemenge, das nur mühsam von den Ucuriaten unterbunden werden kann. Mit Mühe können die Gefährten schließlich doch den Geweihtenrat davon überzeugen, dem Zwerg über die Namenlosen Tage Obdach zu gewähren.

Gemeinsam mit Aurasch schreitet Boldrino durch den Ucuri-Tempel von Nordek, um herauszufinden, was der Zwerg bei seinem Einbruch im letzten Winter gesucht haben mag. In der Bibliothek angekommen, steuert der Zwerg umgehend einen Stapel mit alten Pergamenten an und zieht mit zitternden Händen und einer schlafwandlerischen Zielgenauigkeit eine Schriftrolle heraus, die er gierig zu lesen beginnt. Zu Boldrinos großer Überraschung handelt es sich hierbei um die Abschrift eines altertümlichen Manuskripts, das von frommen Männern erzählt, die der aufgehenden Sonne folgten, um Praios' Reich auf Deren zu finden. Von Bethana kommend zogen sie den Yaquir flussaufwärts, gründeten die Stadt Bosparan und erreichten die Goldfelsen. Hinter diesem „Wall aus Gold“ erhofften sie, die Heimstatt des Götterfürsten zu finden. Und so zogen sie über die Berge, wanderten lange durch die Wüste und erreichten schließlich eine Stadt, deren Gebäude aus lauterem Gold waren. An dieser Stelle bricht das Dokument ab. Der Bibliothekarius erwähnt, dass sich vor drei Wochen eine Geweihte aus Almada für das gleiche Dokument interessiert hatte. Sie habe auch nach alten Chroniken der Geschichte des Yaquirbruchs gesucht, sei jedoch bereits nach einigen Tagen nach Bomed weitergereist.

Während der Messe zur Feier der Sommersonnenwende, des Hohen Festtags der Praios-Kirche, kommt es zu einem weiteren Zwischenfall. Die Ucuriatin Lamea Aurandis schreitet, den Segen Ucuris und des Götterfürsten spendend, mit einer geweihten Monstranz durch die Reihen der Gläubigen, als Ghiberto bemerkt, wie neben ihm der Zwerg Aurasch zunehmend unruhig wird. Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn und seine Hände beginnen zu zittern, während sich die Ucuriatin allmählich nähert. Als sie schon fast heran ist, springt er auf, zeigt mit weit aufgerissenen Augen auf die Monstranz, die sie in den Händen hält und ruft völlig außer sich, aber mit überraschend klaren Worten: „Ich sehe einen Falken, aus seinen Wunden tropft Blut auf die Erde! Ich sehe Jungen, die ihn pflegen. Ich sehe güldene Berge. Ich sehe eine güldene Stadt!“ Kaum hat er dies gesagt, bricht er unter heftigen Zuckungen seines ganzen Leibes zusammen. Der Gottesdienst löst sich in Tumult auf, der Zwerg wird eilig in seine Kammer getragen.

Lechdan vermutet, dass der Zwerg unter einer Form des Raschen Wahns zu leiden scheint. Einige Stunden später lassen sich Ghiberto, Lechdan und Boldrino von Lamea Aurandis in die Sakristei führen, wo sie die Monstranz begutachten, deren Anblick Auraschs Vision augenscheinlich ausgelöst hatte. Der liturgische Gegenstand scheint die Form eines Bauwerks nachzuahmen, dessen fremdartige, gleichsam schlichte wie verschnörkelte Architektur einem fantasievollen Geiste entsprungen zu sein scheint. In seiner Mitte prangt das Zeichen einer geflügelten Sonne – ein seltenes Motiv, das die Ucuriaten als Symbol Praios’ und Ucuris deuten. Die Gefährten vertrauen schließlich Aurasch der Obhut der Ucuriaten an, die versprechen, ihn vorerst nicht den Noioniten auszuliefern, und begeben sich noch am selben Tag nach Bomed, um den Spuren der Praiotin aus Almada nachzugehen.

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* Siehe Capitulum II
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CAPITULUM VI: SEPULCRUM SANCTI – DAS GRAB DES HEILIGEN

Bomed im Praios 1031 BF. Einen Tag nach ihrer Abreise aus Nordek erreichen die Lichtsucher die geschundene Grafenstadt am Yaquirfluss und suchen den Custos Lumini des örtlichen Praios-Tempels auf. Von diesem erfahren sie, dass sich vor einiger Zeit tatsächlich eine Geweihte aus Almada in der Stadt aufgehalten habe. Die Priesterin, deren Name Amelthona Honoria Tadjeri ist, habe sich als einfache Pilgerin auf den Spuren Sankt Quanions vorgestellt und ihm anvertraut, dass sie auf der Suche nach der sagenumwobenen Stadt der Sonne sei, die sie irgendwo in der Wüste Khom vermutet. Vor zwei Jahren habe sie an einer Expedition teilgenommen, die auf einen tief versteckt unter dem Wüstensand liegenden Kulttempel stieß, in dem ein uraltes Echsenvolk einst seinem Sonnengötzen huldigte. Seither setze sie alles daran, die wahre Heimstadt Praios’ auf Deren zu finden und sei schließlich in Nordek auf eine Spur gestoßen. Der Tempelvorsteher kann auch berichten, dass Amelthona vor allem in der Bibliothek des Hesinde-Tempels auf der anderen Flussseite ihren Nachforschungen nachging. Nach dem Gespräch spricht Ghiberto am Horas-Schrein ein kurzes Gebet und entdeckt dort eine verwitterte Inschrift, die ihm zu denken gibt: „Falco iter ad urbem sanctam domini monstrat“ – Der Falke weist den Weg zur heiligen Stadt des Herrn.

Im Hesinde-Tempel erfahren die Gefährten, dass Amelthona etwa eine Woche lang die Bestände der Bibliothek nutzte und dafür auch Zugang zu antiken Chroniken und Handschriften erhielt, die üblicherweise nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Ghibertos Überzeugungsgabe ist es zu verdanken, dass der Bibliothekarius auch den Gefährten Zutritt zu diesen verschlossenen Trakten gewährt. Da sie sich im Unklaren darüber sind, welche Schriftquellen Amelthona genau gesucht haben könnte, fallen ihnen die Nachforschungen zunächst schwer. Am dritten Tag sind sie kurz davor aufzugeben, als ihnen ihnen eine Passage einer altbosparanischen Chronik aus Bomed in die Hände fällt. Diese berichtet von einem Auserwählten Brajans, der sterbend vor den Mauern der Stadt gefunden wurde. Er trug ein goldenes Gewand, das eine geflügelte Praiosscheibe zierte, und eine diamantene Gemme an einer Kette, die der Chronist als heiliges Artefakt bezeichnete. In allen Einzelheiten beschreibt das Schriftstück, wie er ihm auf dem Boronanger eine prächtige Gruft bereitet wurde, in der er beigesetzt wurde. Anhand anderer Schriftstücke können die Gefährten rekonstruieren, das sich der einstige Boronanger an der gleichen Stelle befand, an der sich heute immer noch die Grüfte der alten Bomeder Grafen befinden.

Unter all den Grabmälern können die Gefährten schließlich einen von Trümmern und Brettern verdeckten Bodenspalt freilegen. Auf einigen Bruchstücken ist das Symbol einer geflügelten Sonne zu sehen, mit dem auch die Monstranz des Nordeker Tempels geschmückt war. Hinter dem Spalt finden die Gefährten einen gewundenen Gang. Dieser führt sie in ein stickiges Gewölbe, in dessen Mitte ein Sarkophag aus weißem Marmor steht, der mit einem Relief aus Falken und geflügelten Sonnenscheiben verziert ist. Für einen Augenblick glaubt Boldrino, in der Ferne ein leises, seltsam traurig anmutendes Glockenläuten zu hören, das aber sofort wieder erlischt, als er sich bewusst auf die wundersamen Klänge zu konzentrieren versucht. Der Deckel des Sarkophags lässt dich leicht öffnen, was darauf schließen lässt, dass sich bereits jemand an ihm zu schaffen gemacht hatte. Neben dem Skelett eines Toten und einigen Fetzen aus golddurchwirkten Stoff ist das Grabmal jedoch leer. Welche Geheimnisse das Grab auch immer barg, so schließen sie, Amelthona muss sie gefunden und mit sich genommen haben. Während Boldrino und Lechdan in Bomed verbleiben, reitet Ghiberto nach Vinsalt, um den Wahrer der Ordnung über den Fund in Kenntnis zu setzen.

Am Vorabend der Feierlichkeiten zum Horastag erreicht Ghiberto den Palazzo Custodiale und wird in die privaten Gemächer Staryun Lorianos vorgelassen. Der Wahrer der Ordnung zeigt sich begeistert über den Fund des Grabes, gleichwohl auch er keine Ahnung hat, wer dieser Auserwählte aus alter Zeit sein könnte. Doch seine Neugier ist geweckt. Er äußert sein Missfallen darüber, dass ihn die Geweihte Amelthona offensichtlich nicht von ihrer Suche in Nordek und Bomed in Kenntnis gesetzt hatte, und beauftragt Ghiberto, bei seiner Suche nach der Hinterlassenschaft dieses Auserwählten nicht nachzulassen. Die Hilfsbereitschaft des Condottiere Horasio della Pena nehme er wohlwollend zur Kenntnis, könne und wolle daraus jedoch keine vorschnelle Parteinahme im Grafenstreit ableiten, zumal die Entscheidungsgewalt in dieser höchst diffizilen Angelegenheit ohnehin allein beim jungen Kaiser liege. Er verspricht jedoch, sich bei der nächsten Gelegenheit gegenüber Khadan-Horas lobend über die Gottesfürchtigkeit des umtriebigen Statthalters zu äußern, was bereits viel wert sei.

Mit großen Prunk, der die jüngsten Kirchenskandale vergessen machen soll, begeht der Heilig-Blut-Orden am nächsten Tag die feierliche Prozession zum Gedenken an den Erzheiligen Horas. Staryun di Loriano predigt vom Brajansglauben der ersten güldenländischen Siedler. Die Suche nach dem Ewigen Licht, so schließt er, bedeute nicht nur eine Prüfung der Gläubigen, sondern würde auch von jedem einzelnen Liebfelder abverlangen, sich auf das Erbe der Geschichte zu besinnen. Denn es könne sich wohl kaum um einen Zufall handeln, dass der Götterfürst seinen treuesten Dienern ein Zeichen in der Sprache der der ersten Siedler sandte und damit auf die unumstößliche Wahrheit hindeutete, dass es sei des Horas’ Licht ist, das in dieser Welt verloschen sei und aus dem Dunkel der Geschichte wieder geborgen werden müsse. Daraufhin verkündet Staryun Loriano das Renascentia-Edikt*, das die vor mehr als einem Jahr begonnene Rückkehr zu den Ursprüngen des Glaubens konsequent weiterführt. Als Lehre aus den jüngsten Streitigkeiten mit der Hesinde-Kirche und der Heiligen Inquisition in Elenvina weitet er die Befugnisse der Aldigonenser und Turaniter aus und erhöht die Zahl der Inquisitoren, um den Umtrieben der Puristen im Wilden Süden vorzubeugen. Die Praios-Kirche nehme von nun an auch die Aufgabe der Erforschung der bosparanischen Vergangenheit auf sich. Alle Fundstücke des Altertums seien durch die Kirche zu sammeln und zu prüfen, auf dass, wie es im Falle der Spiegelmaske des Amazeroth geschehen sei, keine götterlästerlichen oder gar verfluchten Artefakte in falsche Hände geraten könnten. Gleichwohl die Komture des Heilig-Blut-Ordens seit längerem schon eine Besetzung des vakanten Postens des Großkomturs erwarten, schweigt sich Loriano darüber aus. Offenbar sei er mit der Reform und Umgestaltung des Ordens noch nicht so weit fortgeschritten, dass er die faktische Ausübung der Ordensgewalt in andere Hände geben wolle.

Am 10. Praios kehrt Ghiberto nach Bomed zurück, wo er seine beiden Gefährten vom Edikt des Luminifactus unterrichtet. Aber auch Boldrino und Lechdan sind in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. In einer Söldnerkaschemme haben sie erfahren, dass Amelthona auf der Suche nach einem Strozzacken namens Rodorigo Sewakiani war. Nachdem ein ehemaliger Kumpane des Söldners ihr erzählt hatte, dass sich der Gesuchte irgendwo im Grenzland an der Gugella aufhalte, sei sie umgehend weiter nach Norden gereist.

Wenige Tage später erreichen die Gefährten die Grenzstadt Oberfels. Kaum angekommen, sucht Ghiberto seinen Ordensbruder und einstigen Kampfgefährten Muracin ya Trallapaz auf, der nach dem Krieg der Drachen in den Rang eines Komturs erhoben worden war. Muracin erinnert sich an die almadanische Geweihte, die ihn vor knapp zwei Wochen um Unterstützung im Kampf gegen die Räuberbande der Culmadieros gebeten hatte, deren Anführer im Besitz eines vermeintlich praiosheiligen Artefaktes sei. Er habe der Geweihten entgegnet, dass sich der Orden strikt aus den Streitigkeiten der Taifados heraushalte und dass er nichts unternehmen werde, solange er nicht einen direkten Befehl der hiesigen Autoritäten der Praios-Kirche erhalte. Obwohl er ihr angeboten habe, ein diesbezügliches Schreiben an den Wahrer der Ordnung aufzusetzen, verzichtete die Geweihte jedoch, aus welchen Gründen auch immer, und habe stattdessen auf eigene Faust eine Handvoll Söldner angeworben. Mehr wisse er nicht zu sagen.

Nachdem sie sich vier Tage lang in den Oberfelser Tavernen herumgehört haben, geraten die Gefährten an ein ehemaliges Bandenmitglied der Culmadieros. Dieses verrät ihnen für eine Handvoll Dukaten, dass sich der geheime Unterschlupf der Räuberbande in einer Kasematte am Oberlauf der Gugella befindet. Auch erfahren sie, dass der Anführer der Culmadieros, Rodorigo Sewakiani, während des Krieges der Drachen unter dem berüchtigten Condottiere Croenar ya Strozza in Bomed gekämpft hatte. Auch sei er bei der Plünderung des alten Castello Bregelsaums am Belensee beteiligt gewesen und habe nicht einmal davor zurückgeschreckt, die eine oder andere Grafengruft zu öffnen.

Die Gefährten machen sich auf die Suche nach dem den Unterschlupf der Culmadieros. Vor ihrer Abreise setzt Ghiberto Komtur Muracin ya Trallapaz von seinem riskanten Vorhaben in Kenntnis. Muracin verspricht, seine Ordensritter auszusenden, solle er in einigen Tagen nicht wieder zurückkommen. Bei ihrer Suche nach der Kasematte werden sie jedoch wenige Meilen nördlich von Kullbach unversehens von einer bunt zusammengewürfelten Räuberbande umstellt. Angesichts der Armbrüste, die auf sie gerichtet sind, steigen die Gefährten ab und lassen sich mit verbundenen Augen in das Versteck der Räuber führen. Dort empfängt sie Rodorigo Sewakiani und heißt sie als Gast der Culmadieros in seiner bescheidenen Behausung willkommen. Den Gefährten fällt eine kostbare und in vielen Farben leuchtende Gemme auf, die der Räuberhauptmann an einer Kette um den Hals trägt. Als sie im Namen der Gemeinschaft des Lichts Anspruch auf das Artefakt erheben, lacht Rodorigo nur und erzählt, dass bereits eine Geweihte aus Almada den gleichen Anspruch erhoben habe. Mit den Worten, sie sollten erst einmal unter sich ausmachen, wer denn den Diamanten bekommen solle, lässt er sie abführen und in einen abgesperrten Raum führen, wo sie auf die Donatora Lumini Amelthona Tadjeri treffen. Sie berichtet ihnen, dass sie auch auf der Suche nach der diamantenen Gemme sei, die Rodorigo während der Kämpfe um Bomed vor nunmehr fast drei Jahren aus der Gruft des unbekannten Heiligen geraubt habe. Sie habe in Oberfels Söldner angeworben, die sie jedoch verraten hätten, als sie von einer Übermacht der Culmadieros überrascht wurden.

Am fünften Tage ihrer Gefangenschaft lässt Rodorigo die Zelle aufsperren, fragt die Gefangenen nach ihrem Befinden und entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten. Er habe beileibe kein gutes Gefühl dabei, Diener des Götterfürsten festzusetzen. Andererseits hätten sie ihn aber auch wissentlich in dieses Dilemma gebracht, indem sie seinen Unterschlupf aufgestöbert hätten. Ließe er sie frei, könne er sich nicht sicher sein, ob sie nicht sein Versteck verrieten oder gar Vergeltung nehmen würden. Töten wolle er sie aber auch nicht, zumal ihm an seinem Seelenheil durchaus noch etwas zu liegen scheint. Ghiberto versucht, mit dem Hauptmann zu verhandeln, als plötzlich vom Eingangstor der Kasematte Schreie und Kampfeslärm ertönt. Schnell wird ihm klar, dass Muracin mit seinen Heilig-Blut-Rittern den Stützpunkt angreift. Mit einer blitzschnellen Bewegung zieht er Rodorigo das Schwert aus der Scheide und sticht es ihm in die Brust. Boldrino, der noch nie in seinem Leben einen Menschen einen anderen Menschen hat töten sehen, blickt seinen Gefährten entsetzt an.** Während Ghiberto das entstehende Chaos nutzt und mit erhobenem Schwert aus der Zelle stürmt, beugt sich Boldrino über den sterbenden Rodorigo und spricht ein Gebet, in dem er den Götterfürsten anfleht, die Seele dieses armen Sünders nicht den Niederhöllen anheim fallen zu lassen. Wenig später haben sich die letzten noch lebenden Culmadieros ergeben. Muracin ya Trallapaz lässt sie gefangen nehmen und führt sie gemeinsam mit Ghiberto, Boldrino, Lechdan und Amelthona zurück nach Oberfels, nachdem Ghiberto die diamantene Gemme an sich gebracht hat.

Zurück in Oberfels fordert Amelthona das Artefakt für sich. Lechdan schlägt ihr vor, sich ihnen anzuschließen, doch sie scheint von dem Ehrgeiz zerfressen, allein das Geheimnis um die Stadt der Sonne zu lüften und sich dadurch vor dem Götterfürsten auszuzeichnen. Nach einem kurzen, aber heftigen Streit verlangt Amelthona schließlich ein Gottesurteil. Obwohl diese Ordale von der Praios-Kirche zuweilen kritisch gesehen werden und Ghiberto ausdrücklich davon abrät und darauf hinweist, dass er und seine Gefährten dabei nur zu verlieren hätten, meldet sich überraschend Boldrino zu Wort und erklärt, dass er einverstanden sei. Vor dem Altar des Adlerherren entzünden Boldrino und Amelthona daraufhin jeweils eine Kerze. Beide verharren kniend im Gebet. Während Amelthona zu Ucuri betet, wendet sich Boldrino an Darador, den Hüter des Lichts, durch dessen Vision er und seine Gefährten erst auf den Weg bis hierher gebracht worden sind. Doch am Ende ist es Amelthonas Kerze, die länger brennt. Der Götterfürst hat sein Urteil gesprochen und die Gefährten müssen der Donatora Lumini schweren Herzens die Gemme überlassen. Zum ersten Mal kommt es zu einem Streit zwischen Ghiberto und Boldrino. Der Heilig-Blut-Ritter wirft seinem Mitstreiter vor, das Artefakt leichtfertig verspielt zu haben. Sie hätten die Gemme bis eben fest in ihren Besitz gehabt, Amelthonas Forderung nach einem Gottesurteil sei eine geschickte Finte gewesen, mit der sie ihre anfängliche Aussichtslosigkeit zu einer Wahrscheinlichkeit von eins zu zwei steigern konnte. Boldrino beruhigt den Horas-Ritter schließlich wieder und sagt, dass dies nicht der Zufall, sondern allein der Wille des Götterfürsten entschieden habe. Er müsse Vertrauen haben, dürfe nicht zweifeln, denn alles, was durch der Götter Macht geschehe, habe letztendlich einen Sinn, auch wenn dieser nicht immer den Menschen offenbar werde.

Kurz vor ihrer Abreise am Gedenktagtag des Baliiri-Schwurs werden Ghiberto, Boldrino und Lechdan Zeuge der Bluttat von Oberfels.*** Ordonyo di Juantillas, der ehemalige almadanische Stadtkommandant von Josmina von Bregelsaum wird auf Befehl von Mondino von Calven, der zu Jahresbeginn von Horasio della Pena zu dessen Stellvertreter in Oberfels ernannt worden war, aus dem Kerker gezerrt und ohne viel Federlesens zum Tode verurteilt. Als der Leichnam des Almadaners am Galgen baumelt, beschließen die Gefährten mit kaltem Grausen, dass es nun an der Zeit ist, der Stadt den Rücken zu kehren. Auf dem Rückweg zurück nach Vinsalt erblicken Boldrino und Ghiberto in der Ferne einen Falken, der mit majestätisch gespreizten Flügeln den Hängen der Goldfelsen zustrebt. „Nordek“, flüstert er Ghiberto zu, der zustimmend nickt und neue Hoffnung fasst. Beide schauen sich vielsagend an und geben ihren Pferden die Sporen. „Wartet, meine Freunde, so wartet doch auf mich!“ ruft ihnen Bruder Lechdan vom Rücken seines treuen Maultiers hinterher, das er nur mit Mühe von der Betrachtung der vereinzelt am Wegesrand wachsenden, saftig grünen Grasbüscheln losreißen kann.


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* http://liebliches-feld.net/wiki/index.p ... ntia-Edikt
** Ghibertos Verführungspunkte steigen um 1 auf 3.
*** http://www.punin.de/index.php/Oberfelser_Bluttat
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CAPITULUM VII: ALAE FALCONIS – DIE SCHWINGEN DES FALKEN

Nordek im Praios 1031 BF. Am vorletzten Tag des Praios-Mondes erreichen die Gefährten die malerische Pilgerstätte im Bosparanshain. Gleich bei ihrer Ankunft erfahren sie von Lamea Aurandis, dass Aurasch den Ucuriaten in der Zwischenzeit nur Scherereien bereitet habe. Vor einigen Tagen sei der Zwerg gar mit geballten Fäusten auf den Novizen Aldarion losgegangen und habe dabei wilde, unverständliche Flüche von sich gegeben, während er gegenüber anderen Ordensmitgliedern wiederum lammfromm war. Die Gefährten fragen sich, warum gerade dieser Novize den Zorn des Zwerges auf sich gezogen haben mag, und erinnern sich der Falkenmaske, die Aurasch nach dessen Einbruch in den Falkentempel abgenommen wurde und schließlich auf unerklärliche Weise verschwunden war.

Im Gespräch mit dem jungen Aldarion fällt Lechdan auf, dass dieser seltsam angespannt ist, und stellt ihn zur Rede. Der Novize ringt daraufhin um Worte, offensichtlich hat er zu große Furcht davor, den ehemaligen Mönch zu belügen. Und schließlich bricht es aus ihm heraus. In einem Anflug von Gier, die er sich nicht erklären konnte, der er sich aber auch nicht habe entziehen können, habe er die Falkenmaske an sich genommen und in seiner Schlafkammer versteckt. Ursprünglich habe er die Maske nur untersuchen wollen, weil er in einem alten tulamidischen Märchen von einem ganz ähnlichen Artefakt gelesen hatte. Dann aber habe er gezögert, sie zurückzulegen, und als der Diebstahl bekannt wurde, sei es bereits zu spät gewesen. An dem Artefakt sei etwas besonderes, stammelt er hilflos, während er sie zu dem Versteck führt. Als die Gefährten die Maske schließlich in den Händen halten, stellen sie fest, dass sich der Gegenstand, obwohl er aus Holz zu sein scheint, seltsam metallisch anfühlt. Die Überreste der einst güldenen Verzierungen erinnern an Falkenfedern. Und während die Augenlöcher mit transparentem Glas gefüllt sind, liegt auf der Stirnpartie in Form eines schwarz schimmernden Kristalls ein drittes Auge, bei dem es sich ganz offensichtlich um ein angedeutetes Ea'Myr handelt. Schließlich lassen sie sich auch das Märchen geben, das von einem Geist erzählt, dessen Antlitz durch eine goldene, vieläugigen Maske verdeckt war. Fast noch interessanter jedoch ist ein ergänzendes Kommentar, das vermutet, dass die Legende aus der nahen Oase Virinlassih stammt, und einen tatsächlichen Augenzeugenbericht erwähnt, dem zufolge ein Krieger auf eine unter dem Wüstensand liegende Festung stieß und dort einer geisterhaften Gestalt begegnete, deren Antlitz hinter einer Falkenmaske verborgen war und die ihm ein großes 'Geheimnis des Glaubens' verraten habe.

Am nächsten Tag urteilt der Geweihtenrat über Aldarions Schicksal. Man wird sich schnell einig, dass ein geringeres Vergehen mit einer mehrtägigen Buße oder Wallfahrt abgegolten hätte werden können, doch dass im Fall eines Reliquienraubs die Schuld so schwer liege, dass der Rat gar keine andere Wahl habe, als den Novizen aus der Ordensgemeinschaft zu verstoßen. Bruder Lechdan dauert Aldarion Schicksal sehr. Und so versucht er, ihm zu Hilfe zu eilen, indem er vor dem Rat erzählt, wie er selbst vor vielen Jahren seine Mitbrüder im Stich ließ und dadurch große Schuld auf sich lud. Doch er sei sich gewiss, dass die Götter auch dem größten Sünder vergeben können, wenn dieser aufrichtige Bereitschaft zur Buße zeigte. Seine Worte werden zur Kenntnis genommen, können jedoch an dem Beschluss nichts mehr ändern. Wortlos packt Aldiron seine wenigen Sachen zusammen und verlässt, mit Wut im Herzen und ohne sich auch nur einmal umzublicken, den Tempel.

In den nächsten Tagen suchen die Gefährten immer wieder das Gespräch mit Aurasch und bemühen sich herauszufinden, wo dieser die Falkenmaske gefunden habe. Boldrino fällt auf, dass sich Auraschs Blick immer wieder sehnsuchtsvoll an die hohen Gipfel der Goldfelsen heftet. Immer wieder stammelt der Zwerg die Worte Kyrios Arakoi, was im Aureliani soviel wie 'Herr der Falken' bedeutet. Die Gefährten beschleicht das Gefühl, dass Aurasch trotz seines zerrütteten Verstandes etwas zu wissen scheint, und vermuten das Geheimnis des Zwerges irgendwo in den Goldfelsen. Schließlich können sie über ihre Kontakte mit Lamea Aurandis den Geweihtenrat überzeugen, eine kleine Expedition in die Berge auszurüsten. Neben Packeseln für Ausrüstung und Verpflegung wird ihnen die Jägerin Kyrill Lafieri an die Seite gestellt, die sie sicher ins Gebirge führen kann.

Während überall im Lieblichen Feld die Theaterfestspiele beginnen, verlassen die Gefährten Nordek in Richtung Süden, wo sie schließlich auf die Bergbausiedlung Tashbek treffen und von dort aus dem Sikram flussaufwärts ins Gebirge folgen. Und während sie höher und höher steigen, verhält sich Aurasch immer auffälliger. Den leeren Blick starr zur Sonne erhoben, scheint der blinde Zwerg Schatten zu meiden und sich nur auf der Sonnenseite des schmalen Gebirgspfads bewegen zu wollen. Den Lichtsuchern kommt es so vor, als habe er ein konkretes Ziel vor Augen, und so begnügen sie sich schließlich, dem wirren Zwerg zu folgen. Während der Durchquerung einer Schlucht löst sich plötzlich ein Steinschlag und rast auf die Reisenden nieder. Der Großteil der Gruppe kommt mit leichten Schürfwunden davon, doch Lechdan hat es recht stark erwischt. Der verwundete Hüter ist sich im Nachhinein sicher, dass er an der Stelle, von der der Steinschlag hinunter raste, für einen kurzen Augenblick eine schattenhafte menschliche Gestalt gesehen habe.

Nach einigen Tagen im Gebirge erreichen die Gefährten hoch in den Bergen das berühmte Goldfelser Observatorium, wo sie von Prätor Borgard, dem Leiter der Warte, erfahren, dass Tags zuvor Amelthona in Begleitung einiger Gefährten hier gewesen ist. Neben zwei gebirgskundigen Führern habe sich in ihrer Begleitung auch ein zornig dreinblickender Jüngling befunden, dessen Beschreibung auf Aldarion zu passen scheint. Dank Borgard können sie die derzeitige Sternenkonstellation in Erfahrung bringen, der zufolge seit letzter Nacht der Stern Simia Ucuri verdeckt, während sich der Kaiserstern im Sternbild des Eisbären befindet. Gemeinsam mit dem Prätor der Sternwarte versuchen sie, die Konstellation zu deuten. Da der Kaiserstern für Macht und Herrschaft steht und der Eisbär, als dem Gotte Firun zugeordnetes Emblem Jäger, auch als Fanal erbitterter Jagd gedeutet werden kann, vermuten die Gefährten in der Konstellation eine Warnung vor der Gier als blinder Jagd nach Macht. Simia hingegen gilt als Schutzpatron des Volkes der Brillantzwerge, dem auch Aurasch angehört. Bezieht sich also das Bild der Simia im Ucuri auf die blinde Gier des Zwergs nach dem Geheimnis des gefallenen Falken von Nordek? Andererseits heißt es auch, dass der Kaiserstern fast senkrecht über Gareth und damit auch über der Stadt des Lichtes stehe. Da der Eisbär auch mit dem Aspekt der Unbeirrbarkeit verbunden ist, könnte man, statt von einer Jagd, auch von einer Suche sprechen, von der Suche nach dem Ewigen Licht, das sich einst in Gareth befand - freilich verbunden mit der Mahnung, dass diese Suche nicht in blinde Gier umschlagen dürfe. Der Wandelstern Simia steht laut Borgard gemeinhin für einen Neubeginn oder für ein Entstehen. Auch dies könnte auf die Quanionsqueste verweisen, denn hieß es nicht in der Verkündung durch hundert Zungen „Doch seht: Ein neuer Morgen dämmert schon!“ Wird sich dieser Neubeginn im Zeichen des göttlichen Falken vollziehen? Oder täuscht der Wandelstern nur vor, Ucuri zu sein, indem er sich an dessen Platz setzt?

Am nächsten Morgen kommt es zu einem kleinen Disput zwischen den Lichtsuchern, als Prätor Borgard den Verdacht äußert, dass es sich bei der Falkenmaske möglicherweise um ein magisches Artefakt handeln könnte. Lechdan spricht dagegen und sagt, dass der Besitz eines Erwählten des Götterfürsten niemals von Madas Frevel beschmutzt sein könne. Als überzeugte Prinzipisten halten Ghiberto und Boldrino ihm entgegen, dass in der bosparanischen Antike Praios' Wirken durchaus nicht immer konträr zum Gebrauch von Magie stand. Die alten Horaskaiser seien nicht selten gleichzeitig Boten des Lichts und mächtige Zauberer gewesen. Borgard schlägt schließlich vor, eine Liturgie zu wirken, um die Gabe des Blicks der Weberin erflehen. Durch die Gnade der Göttin erfährt er, dass die Maske tatsächlich von Magie durchdrungen ist, die sich auf das Stirnauge konzentriert. Auch habe er eine Präsenz gespürt, die in der Tiefe des Artefakts schlummerte. Während sie noch darüber diskutieren, was dies zu bedeuten habe, fällt Lechdan in der Ferne ein Falke auf, der nach Süden fliegt. Ghiberto erinnert sich an die Inschrift des Bomeder Horas-Schreins und setzt die Maske auf. Durch die gläsernen Augen der Falkenlarve erblickt er in der Flugrichtung des Vogels ein fernes Bauwerk, das golden in der Mittagssonne glänzt. Gleichzeitig vernimmt er ein seltsames Wispern im Inneren seiner Gedanken und nimmt die Maske bestürzt vom Gesicht. Das Gebäude ist verschwunden. Offenbar zeigt die Maske ihrem Träger längst vergangene Dinge, die einst der ehemalige Besitzer erblickt haben mochte. Zwar hat Borgard von diesem Gebäude noch nie etwas gehört, doch erinnert es ihn an eine alte Legende von einem unsichtbaren Zauberschloss, das sich irgendwo in den Goldfelsen befinden soll. Nachdem er ihnen mit Hilfe des Teleskops und geographischer Berechnungen den Weg zu dem Gipfel, an dem Ghiberto das Bauwerk gesehen hat, skizziert und den Weg dorthin auf etwa zwei Tagesmärsche bemessen hat, verlassen die Gefährten das Observatorium und machen sich gemeinsam mit Aurasch auf den beschwerlichen Weg nach Süden.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM VIII: SOMNIUM DE URBE AUREA – DER TRAUM VON DER GOLDENEN STADT

Die Goldfelsen im Rondra 1031 BF. Auf dem Weg zu dem mysteriösen Bauwerk verschlechtert sich der Zustand des Zwerges zusehends. Immer wieder bricht er zusammen, schreit gequält auf, zittert, verdreht die Augen oder wird von plötzlichen Anfällen erschüttert. Boldrino fragt sich insgeheim, ob Aurasch nicht die Qualen des Falken von Nordek nacherlebt, der, vom flammenden Auge des Götterfürsten gefällt, elend zu Boden ging und dort fast verendet wäre, hätten sich nicht die fünf Kinder von Nordek hingebungsvoll um ihn gekümmert. Er versucht, dem Zwerg gut zuzureden, schafft es aber nicht, seinen Zustand zu verbessern. Auch Lechdan hat Mühe, voran zu kommen, da seine Verletzungen, die er infolge des Steinschlags erlitten hatte, noch nicht vollständig verheilt sind. Im Laufe des Nachmittags gelangen die Reisenden an eine abgebrannte Brücke, die möglicherweise von Amelthona oder ihren Begleitern zerstört wurde, um ihren Konkurrenten den Weg zu dem geheimnisvollen Bauwerk abzuschneiden. Die Gefährten müssen dadurch einen langwierigen Umweg nehmen. Einige Stunden später finden sie den Leichnam eines Mannes in Reisekleidung, der vermutlich von den hiesigen Sandwölfen angefallen wurde. Wenn dieser Mann tatsächlich zu Amelthonas Begleitern gehören sollte, so fragen sich die Gefährten, warum habe sie ihn dann hier liegen lassen, anstatt ihn ordnungsgemäß zu begraben, wie es ihre Pflicht als Dienerin des Götterfürsten sei? Obwohl zunächst Uneinigkeit darüber besteht, ob man sich nicht lieber zu einem späteren Zeitpunkt um die Bestattung der Leiche kümmern solle, um keine Zeit zu verlieren, heben sie schließlich ein Grab aus, über das Boldrino den Segen des Götterfürsten und dessen schweigsamen Bruders spricht. In der Nacht vernehmen sie in der Ferne das schaurige Heulen der Wölfe.

Zur Mittagsstunde des 7. Rondra erreichen die Reisenden ein Hochplateau, über das sich majestätisch der gesuchte Berg befindet. Im Schatten eines dürren Baumes finden sie Amelthona, die ins Gebet vertieft ist, während ihre beiden Begleiter die Umgebung absuchen. Die Almadanerin zeigt sich zunächst nicht sehr erfreut, ihre Konkurrenten hier zu sehen, lässt sich aber schließlich von Ghiberto davon überzeugen, dass sie nur ans Ziel gelangen können, wenn sie ihre Kräfte zusammenlegen. In diesem Augenblick kommt Aldarion von seiner Suche zurück und funkelt sie zornig an. Auf Lechdans Nachfrage erzählt Amelthona, dass sie den Jungen unweit von Nordek getroffen habe. Er habe sie mit seiner Geschichte gerührt und da er seine Taten aufrichtig zu bereuen schien, habe sie ihm als Zeichen der Buße vorgeschlagen, sie auf ihrer heiligen Queste zu begleiten. Als Lechdan erwähnt, dass ihn ein Steinschlag fast das Leben gekostet habe, blickt Aldarion mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck zu Boden, während Amelthona beteuert, nichts davon zu wissen und auch nichts in dieser Art angeordnet zu haben. Ein Blick auf Aurasch, der wie durch ein Wunder wieder ruhigen Verstandes zu sein scheint, verrät, dass die Gefährten tatsächlich am Ziel sind. Als schließlich Ghiberto die Falkenmaske aufsetzt, offenbart sich am Gipfel des Berges ein gewaltiges Bauwerk, das ihn an die Monstranz aus dem Ucuri-Tempel zu Nordek erinnert.

Nachdem einem mühseligen Aufstieg stoßen sie bald auf einen Obelisken, der aussieht, als sei er aus flüssigem Gestein geformt worden. An der Oberfläche des Obelisken befinden sich eine Aussparung, in die Amelthona die diamantene Gemme aus dem Grab in Bomed hineinlegt. Der Kristall glüht auf und offenbart für einen kurzen Augenblick geheimnisvolle Zeichen, in der Lechdan die Schrift der Elfen zu erkennen glaubt. Dann schält sich langsam ein majestätisches Bauwerk aus der Leere des Raums heraus. Fünf Felsspitzen wachsen zu prachtvollen Türmen mit von mächtigen Karyatiden gestützten und von Säulenreihen gezierten Vorsprüngen empor und gruppieren sich in einem Halbkreis um das Hauptgebäude, zu dem kunstvoll geschwungenen Brückenbögen verlaufen. Ehrfurchtsvoll betreten sie das Bauwerk, über dessen gewaltigem Portal das selbe Zeichen einer geflügelten Sonne prangt, dessen sie bereits in Nordek und Bomed ansichtig geworden waren.

Im Inneren stellen sie fest, dass das Bauwerk unbewohnt ist und wohl einst von frommen Praiosgläubigen als eine Art Kloster genutzt wurde. In einem Andachtsraum finden sie Darstellungen der Alveraniden Darador, Urischar, Schelachar und der Horasmutter Gylduria, doch fallen Boldrino und Lechdan einige Unstimmigkeiten bei der Darstellung auf, die sie jedoch auf die Eigenheiten der frühbosparanischen Götterverehrung zurückführen. Ein weiterer Raum birgt ein Relief aus weißem Marmor, das eine Stadt inmitten tropischer Wälder zeigt, dessen Kuppeln strahlend im Mittagslicht schimmern. Auch die Inschrift eines vom Zeichen eines dreiäugigen Adlers gezierten Grabsteins, in der die Angehörigen der Verstorbenen versprechen, sich unverzagt der ‚aufgehenden Sonne’ zuzuwenden, lässt vermuten, dass die Bewohner des Gebäudes auf der Suche nach der sagenumwobenen Goldenen Stadt des Götterfürsten waren. Ein weiterer Saal scheint der Meditation und inneren Einkehr gedient zu haben. Doch das Besondere an dem Raum ist, dass er von ständiger Helligkeit durchflutet ist, obwohl kein Fenster und keine Fackel Licht hineinbringen. Auch scheint das mäandernde Muster aus schwarzen und weißen Kacheln, das sich vom Fußboden über die Wände bis zur Decke erstreckt, wie von Zauberhand ständig seine Form zu verändern. Spätestens als sie im Kellergewölbe ein Verlies mit den schaurigen Knochen ehemaliger Gefangener entdecken, beginnt Lechdan sich merklich unwohl bei dem Gedanken zu fühlen, länger an diesem verwunschenen Ort zu bleiben. Doch seine Gefährten können ihn überzeugen, die Suche nach dem Verbleib der Bewohner fortzusetzen. Als sie sich am Ende des Tages erschöpft zur Ruhe legen, glaubt Boldrino, in der Ferne das seltsam traurig anmutende Glockengeläut zu vernehmen, das er schon in der Gruft in Bomed gehört hatte. In der Nacht haben alle Anwesenden merkwürdige Träume, die alle eines gemeinsam haben: das Marmorrelief, das ein Abbild der sagenumwobenen Goldenen Stadt zu sein scheint.

Als die Gefährten am nächsten Morgen aus ihren unruhigen Träumen erwachen, stellen sie fest, dass Aurasch fort ist. Auch von Amelthona und ihren Begleitern fehlt jede Spur. Sie scheint die Gemme wieder aus dem Obelisken entfernt zu haben, denn als die Gefährten das Bauwerk verlassen, löst es sich vor ihren Augen schlagartig in Luft auf. Durch die Unterstützung ihrer Gebirgsführerin Kyrill Lafieri stoßen sie jedoch bald auf Fußspuren, die geradewegs nach Osten weisen. Offenbar hat Amelthona Aurasch entführt, um sich von ihn geradewegs zur Goldenen Stadt führen zu lassen, die zu finden die einstigen Bewohner des Klosters ebenfalls aufgebrochen waren. Kyrill führt die Lichtsucher schließlich bis zum östlichen Rand des Gebirges und beschreibt ihnen den Weg zu einer Karawanenroute, die zwischen der Oase Virinlassih und der horasischen Zollfeste Leomarenstein verläuft. Weiter in die Wüste hinein werde sie sie nicht führen, erklärt sie und überreicht Ghiberto, Boldrino und Lechdan ihre letzten Wasservorräte.

Ausgehungert und erschöpft stoßen die Gefährten am nächsten Tag auf eine rastende novadische Karawane, die ebenfalls auf den Weg nach Osten ist. Der Händler Yali al-Fessir begrüßt die Ankömmlinge überschwänglich und erzählt ihnen, dass er von diesem Zusammentreffen geträumt habe. Auch wenn sie Ungläubige seien, so wolle er ihnen doch seine Unterstützung anbieten, denn Rasthullas Wege seien wahrlich unergründlich.

Fast drei Tage lang begleiten die Gefährten bereits die Karawane und haben fast schon ihre Hoffnung fahren lassen, Aurasch je wieder lebend zu finden. Die Sonne brennt unbarmherzig auf sie herab, während sie mit ihren schaukelnden Kamelen weiter durch die leblose Einöde reiten. Im Laufe des Nachmittags werden die Karawanenführer unruhig. Am Horizont zeichnet sich ein Sandsturm ab. Yali al-Fessir drängt zur Eile, um möglichst schnell die nahe Oase zu erreichen, doch der Sturm trifft sie mit der geballten Macht eines Wüstenorkans. Die Novadis springen von ihren Kamelen ab und brüllen lautlose Befehle gegen den Sturm, der Sand peitscht den Gefährten ins Gesicht. Es gelingt ihnen nicht, ihre unbeirrt vorwärts galoppierenden Reittiere unter Kontrolle zu halten. Und da der Wüstensand ihnen jede Sicht nimmt, verlieren sie bald den Anschluss zu den anderen Mitgliedern der Karawane. Ihre verzweifelten Rufe verhallen im Nichts.

Irgendwann stoßen sie auf den halb von Wüstensand bedeckten Leichnam des Zwerges Aurasch. Die Gefährten sind erschüttert. Ihren eigenen Tod vor Augen blicken sie ungläubig empor, als sich aus dem Chaos des Sandsturms unvermittelt fünf schattenhafte Gestalten schälen und ihnen schweigend entgegentreten. Sie tragen altertümliche Gewänder aus bosparanischer Zeit mit Mantelschließen in Form von dreiäugigen Falken. Der Anführer der Schemen deutet fordernd auf Ghiberto, der ihm schließlich mit zitternden Händen die Falkenmaske entgegen streckt. Der Schatten nimmt das Artefakt entgegen und nickt den Lichtsuchern dankbar zu. Doch plötzlich heult um sie herum erneut der Sandsturm auf und alles vor ihnen beginnt zu verschwimmen. Sie spüren noch, wie sie kraftlos in den Wüstensand sinken und der Sturm tosend über sie hinweg weht. Dann löst sich ihre Sicht endgültig von der Betrachtung der äußeren Dinge und vor ihrem geistigen Auge erblicken sie den Auszug der Bosparaner aus dem Kloster in den Goldfelsen. Ein in kostbare Gewänder gehüllter Priester, der Mann aus dem Grab von Bomed, sieht ihnen nach, während sie allmählich am Horizont verschwinden. Mit jedem Schritt, den die Bosparaner mehr durch die unbarmherzige Khôm gehen, schwindet ihre Kraft und ihre Hoffnung. Dann plötzlich erblicken sie in der Ferne eine prunkvolle Stadt mit goldenen Kuppeln und Türmen, deren himmelhohe Mauern in der heißen Wüstenluft wabern. Eine letzte gemeinsame Anstrengung, doch dann löst sich die Stadt vor ihnen auf. Eine Illusion in der Sonnenglut. Nacheinander fallen die Pilger kraftlos in den Sand, manche versuchen, sich weiter dem Horizont entgegen zu schleppen und sacken am Ende doch kraftlos in sich zusammen, bis der Wüstensand auch den letzten Verzweifelten unter sich begraben hat.

Als die Gefährten wieder zu sich kommen, sind die Schemen verschwunden. Alles ist ruhig. Die Begegnung mit den Geistern, die Entdeckung von Auraschs Leichnam und selbst der Sturm fühlen sich in ihrer Erinnerung seltsam unwirklich an und kommen ihnen im Nachhinein beinahe wie ein böser Traum vor. Schnell wird den Gefährten klar, dass die Bosparaner entgegen der Legende die Goldene Stadt nie erreicht hatten. Ihre Suche nach der Heimstatt Praios’ auf Deren war nichts als ein Fiebertraum, der sie ins Verderben riss. Wie der Falke von Nordek fielen sie, vom gleißenden Auge des Götterfürsten niedergestreckt, ihrem eigenen, wahnhaften Hochmut zum Opfer. Nicht alle Fragen wurden beantwortet. Doch am Ende ihrer Kräfte beschließen die Gefährten, bevor sie ein ähnliches Schicksal ereilt, ihre Suche nach der Goldenen Stadt aufzugeben. Boldrino verharrt eine Weile, demütig kniend in die Sonne blickend, und wispert ein stilles Gebet. Nach einiger Zeit erhebt er sich wieder und weist seinen Gefährten die Richtung, die sie gehen müssen. Und irgendwann erreichen sie tatsächlich die gesuchte Oase. Novadis bringen ihnen Schläuche mit Wasser, das sie mit dankbaren Blicken ihre Kehlen hinab fließen lassen.

Am nächsten Tag erreicht auch Yali al-Fessirs Karawane die Oase Virinlassih. Er ist überglücklich, seine verlorenen Schützlinge am Leben zu wissen, und berichtet ihnen, dass er nach dem Sandsturm eine halb verdurstete Almadanerin gefunden habe, die ebenfalls eine Priesterin des heidnischen Sonnengottes ist. Als die Gefährten die völlig entkräftete Amelthona aufsuchen, zeigt sich diese am Boden zerstört. Als ihre Wasservorräte knapp wurden, habe sie ihr Führer verlassen. Einen ganzen Tag lang seien sie einer Fatamorgana gefolgt, bis sie schließlich durch einen plötzlich aufziehenden Sandsturm von Aurasch und Aldarion getrennt wurde. Sie sei sich bewusst, dass ihr Ehrgeiz die goldene Stadt zu finden ihre Begleiter in den Tod getrieben habe, und wolle nun Buße tun. Wurde nicht auch der Falke von Nordek von gottesfürchtigen Kindern gerettet und gesund gepflegt, denkt sich Boldrino, als er der gefallenen Geweihten anbietet, ihr die Beichte abzunehmen.
Zuletzt geändert von Gueldenlaender am 08.12.2013 19:06, insgesamt 1-mal geändert.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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INTERLUDIUM: ALDARION

Es war kalt. Der Sturm hatte sich gelegt, doch die Nacht war hereingebrochen. Er hatte den wahnsinnigen Zwerg getötet, um an die Wasserschläuche zu kommen, die ihm Amelthona zugestanden hatte. Doch wie lange mochte das Wasser reichen? Der Mond schien hell über die endlose Ebene aus Wüstensand und Aldarion zitterte am ganzen Leib. Er fluchte auf Ucuri, auf Praios und all die anderen schweigenden Götter, doch an wen sollte er sich wenden, zu wem sollte er beten? Wer würde ihn in seiner Verzweiflung erhören? Da erscholl ein Lachen. Zunächst war es so leise, dass er es im ersten Augenblick für eine Einbildung seiner Gedanken hielt. Doch dann wurde es lauter. Es schien von weither zu kommen und gleichzeitig war es neben ihm. Vor ihm. Hinter ihm. In ihm. Für einen Augenblick musste er an Xeledon den Spötter denken, doch dann wurde ihm mit bangem Gefühl bewusst, das dies etwas anderes war. Etwas fremdes, fast feindseliges. Und zugleich seltsam vertrautes. Kalte Angst kroch seine Glieder hoch und griff nach seinem klammen Herzen.

"Was! Was ist das?" Seine Stimme überschlug sich.

Das Lachen verstummte. Alles, was Aldarion nun hörte, war sein eigener Atem und das laute Pochen seines Herzens.

"Du fürchtest dich", sagte schließlich eine Stimme in die Stille hinein, "dabei solltest du dich besser vor dir selber fürchten."

"Ich fürchte den Durst, die Hitze, die erbarmungslos brennende Sonne. Den Zorn der Götter. Helft mir, Herr, bitte helft mir, dieser Wüste zu entfliehen."

"Wohl vermag ich, dich aus dieser Wüste heraus zu geleiten. Doch wer errettet dich aus der Wüste deines Herzens?"

"Aus dieser Wüste soll ein neuer Garten erblühen. Aus meinem Leid will ich neue Stärke schöpfen. Ich werde euch dienen, mit all meiner Kraft."

"Deine Kraft?" Die Stimme lachte verächtlich. "Du bist schwach, kleiner Falke. Deine Flügel sind gebrochen."

"Ich gebe euch alles. Mein Leben soll das eure sein. Errettet mich, bitte!"

"Es ist nicht dein Leben, das ich will.“

"Was dann?" Aldarions Lippen zitterten.

"Deine Seele."
Zuletzt geändert von Gueldenlaender am 21.02.2014 11:53, insgesamt 1-mal geändert.

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Myene
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Ungelesener Beitrag von Myene »

Danke für den Bericht! Er ist spannend zu lesen und macht Spaß. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil. :)

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Ungelesener Beitrag von Gueldenlaender »

Danke, Myene, das freut mich sehr. Hier kommt auch schon der nächste Teil (kleine Spoilerwarnung: es handelt sich hierbei um eine Art Kombination aus "Berge und Propheten" von Gero Ebling und Uli Lindners Ferkina-Abenteuer aus "Unter Barbaren"):


CAPITULUM IX: VIATOR FALSUS – DER FALSCHE PILGER

Oase Virinlassih im Rondra 1031 BF. Dankbar nimmt Amelthona Boldrinos Angebot an und schüttelt ihm ihr Herz aus. Sie bereut zutiefst, dass sie Menschen getäuscht und ihr Leben gefährdet habe. Ihr Hochmut habe sie dazu verleitet, sich von den Grundsätzen der Communio Luminis zu entfernen, ihre maßlose Gier habe sie in die Dunkelheit der Gottesferne geführt. Doch wähnte sie sich von Praios auserwählt, die Goldene Stadt zu finden. Auf ihrer Suche sei sie immer wieder von Menschen verraten und in Stich gelassen worden. Vor einigen Jahren nahm sie, von einer Vision geleitet, an einer Expedition in die Wüste teil, in deren Verlauf eine uralte Kultstätte gefunden wurde, die einem echsischen Sonnengötzen geweiht war.* Dort stieß sie auf eine uralte Steintafel, die sie in ihrer Vision gesehen hatte. In die Tafel waren fremdartige echsische Glyphen eingemeißelt, die keiner der Expeditionsteilnehmer entziffern konnte. Doch sie war sich sicher, dass dieses Artefakt in einem Zusammenhang mit der Suche nach dem Ewigen Licht stünde. Daher plante sie, die Tafel nach Punin zu bringen, um sie dort von Gelehrten und Geweihten prüfen zu lassen, aber eines Nachts wurde sie von einem ihrer eigenen Gehilfen aus dem Lager gestohlen. Seitdem sei sie voller Misstrauen gegenüber alles und jeden gewesen. Dieses Misstrauen habe sie schließlich auch dazu verleitet, Aurasch zu entführen, um die Goldene Stadt allein zu finden. Doch nun habe sie erkannt, dass sie von Praios geprüft wurde und gescheitert war. Um seine Gunst wieder zu erlangen, müsste sie wieder lernen, den Menschen zu vertrauen und bei der Verfolgung ihrer eigenen Ziele fortan ein göttergefälliges Maß zu halten.

Etwa eine Woche verbleiben die geschwächten Lichtsucher in der Obhut der Novadis von Virinlassih und staunen während dieser Zeit immer wieder über die fremdartigen Bräuche und nicht zuletzt über die unerwartete Gastfreundschaft der Heiden. Als sie wieder zu Kräften kommt, entschließt sich Amelthona zu einer Visionssuche. In den knisternden Flammen des Opferfeuers erkennt sie schließlich ihre Bestimmung. Wie der heilige Falke von Nordek sei sie für ihre Hybris bestraft worden. Doch wie der heilige Falke von Nordek werde sie sich wieder geläutert aus dem Wüstensand erheben. Als Zeichen der Buße für ihre frevlerische Gier nach der Goldenen Stadt, die sie die Gebote des Himmlischen Richters vergessen ließ, wolle sie jene, denen sie so viel Unrecht getan hatte, zum Raschtulsturm führen. Alte almadanische, aber auch tulamidische Legenden erzählen von einem König der Falken, der dort hausen soll. Sein Antlitz habe sie im Opferfeuer gesehen. In anderen Sagen wird der Raschtulsturm gar als Alveranische Treppe und Thron Ucuris auf Deren bezeichnet. Und hatte nicht auch Aurasch von einem Kyrios Arakoi, einem Herrn der Falken, gesprochen? Amelthona glaubt fest, dass es eine Verbindung zwischen der Sage vom Falkenkönig und der Legende von Nordek geben muss, und kann schließlich die Lichtsucher überzeugen, sich gemeinsam zum Raschtulsturm aufzumachen. Gemeinsam mit Yali al-Fessir und seinen Männern machen sie sich auf den Weg nach Amhalla, von wo sie den Yaquir entlang weiter nach Osten reisen wollen.

Nachdem sie die Amhallassi-Kuppen überquert haben, erreichen die Reisenden Amhalla, das ihnen mit seinen prachtvollen Palästen, fremdartigen Gerüchen und farbenprächtigen Märkten wie eine Stadt aus einem alten tulamidischen Märchen vorkommt. Amelthona hingegen ist ihr verletzter Stolz als Almadanerin deutlich anzumerken, als sie erzählt, wie vor etwa hundert Jahren die südliche Grenzmark von hier bis Omland von einfallenden Wüstenkriegern erobert wurde und ihre Vorfahren über den Yaquir fliehen mussten. In Amhalla verabschieden sich die Gefährten schließlich von Yali al-Fessir und setzen mit einer Fähre über den Yaquir. In Brig-Lo lassen sie sich von Amelthona über das Schlachtfeld der zweiten Dämonenschlacht führen und sprechen im Vierertempel ein gemeinsames Gebet.

Nach einigen Tagen der Wanderschaft durch das beschauliche Yaquirtal setzen die Pilger bei Omland ein weiteres Mal über den Fluss. Einige Tage verbringen sie in der Grenzstadt, um ihre Reise in das wilde Land des Raschtulturms zu planen und Erkundigungen über mögliche Gefahren einzuholen. Auf dem Basar erzählt ihnen ein tulamidischer Geschichtenerzähler die Legende vom Falkenkönig, zu dessen Thron am höchsten Gipfel des Raschtulsturms seit Alters her Menschen gingen, um Rat zu suchen. Doch nur denjenigen, die sich in seinen Augen als würdig erweisen, lässt er Rat und Hilfe angedeihen. Auch erfahren sie, dass im Gebirge einige Ferkinastämme hausen, die jedoch anders als ihre Brüdern weiter östlich im Ruf stehen, verhältnismäßig friedlich seien. Dies komme daher, dass die dort ansässigen Sippen keine blutrünstigen Götzen, sondern vielmehr den mythischen König der Falken verehrten und daher Pilger, die den Sitz des Falkenkönigs suchen, oftmals unbehelligt ließen. Zur Vorsicht sollten Reisende jedoch stets etwas billigen Schmuck dabei tragen, um sich nötigenfalls frei kaufen zu können.

Kurz vor ihrer Abreise Ende Rondra werden die Lichtsucher von einem vornehmen Mann in einem einfachen, rein weißen Pilgergewand angesprochen. Er stellt sich ihnen als Hesindian von Böcklingen vor und sagt, dass er von ihren Reiseplänen gehört habe und sich mit seiner Schar von sieben weiteren Pilgern gerne anschließen würde. Die Pilger seien allesamt entwurzelte Menschen aus Garetien und der Wildermark. Die Schrecken und Entbehrungen der vergangenen Jahre hätten ihnen nichts gelassen außer ihre Hoffnung auf das Paradies des Götterfürsten. Daher habe er ihnen versprochen, sie zur Himmlischen Treppe nach Alveran zu führen, wie der Raschtulsturm auch genannt wird, wo sich die Menschen als Einsiedler niederlassen und im ständigen Dienst an Praios ein gottesfürchtiges Leben verbringen wollen. Die Gefährten verweisen auf die möglichen Gefahren während der Reise, erklären sich jedoch schließlich bereit, die Pilger mitzunehmen. Einen Tag darauf verlässt eine Schar von zwölf Pilgern die Grenzstadt Omland und folgt einem alten tulamidischen Handelsweg nach Südosten über die Amhallassi-Kuppen.

Über den Gebirgspfad gelangen die Pilger bald in ein lang gestrecktes Tal. Hier verlassen sie den Handelspfad und wandern gen Nordost, den hohen Gipfeln des Raschtulsturms entgegen. Immer wieder erblicken sie am Himmel Königsadler und Falken, die majestätisch ihre Kreise ziehen. Hesindian stellt sich als intelligenter und angenehmer Gesprächspartner heraus, der sich selbst auf einer inneren Suche nach dem Ewigen Licht wähnt und daher ein besonderes Interesse an den vergangenen Questen der Gefährten zeigt. Dabei findet er insbesondere bei Amelthona Achtung, mit der er immer wieder lange theologische Gespräche führt und deren Gemüt in seiner Gesellschaft auf wundersame Weise aufzublühen scheint. Eines Nachts werden zwei Tragesel von Khoramsbestien angefallen, woraufhin die Gefährten einen Teil ihrer Ausrüstung zurücklassen müssen. Am nächsten Tag entdecken sie einen verwitterten Opferaltar, in den Falken und weitere praiosgefällige Motive gemeißelt wurden. Auf der Seite befinden sich die Überreste einer Inschrift in Bosparano, die jedoch nicht mehr lesbar ist. Daneben steht jedoch die Zahl CVIII, die wohl auf das Jahr der Errichtung des Altars hinzuweisen scheint. Lechdan fällt auf, dass diese Jahreszahl in die achtjährige Queste Sankt Quanions fällt. War es womöglich gar der Heilige selbst, der sich hier verewigt hatte? Suchte auch er nach dem König der Falken, um von ihm Rat auf seiner heiligen Queste zu erbitten? Während Lechdan, Boldrino und Ghiberto keine voreiligen Schlüsse ziehen wollen, ist Amelthona fest davon überzeugt auf den Spuren des Heiligen zu wandeln, denn schließlich gilt der Raschtulsturm auch als Himmlische Treppe nach Alveran. „Der Bogen des Lichts führt hinauf zum Paradies“, zitiert sie immer wieder, bis sie durch Lechdan unterbrochen wird, der mit lakonischem Tonfall ergänzt: „Doch erst müsst ihr herabsteigen in die dunkle Nacht der Seele, auf dass in eurem Inneren Raum sei für das Leuchten.“

Auf ihrer Reise durch das Vorgebirge des Raschtulsturms treffen sie schließlich auf einen betenden, etwa fünfzigjährigen Mann, der in eine zerrissene Geweihtenrobe gehüllt ist, die gar in einem noch schlechteren Zustand ist, als Lechdans abgetragene Mönchskutte. Als sie ihn ansprechen, bemerken sie, dass er blind ist. Er stellt sich ihnen als Vater Jesper vor, einem Diener des Götterfürsten, der bis vor kurzem als Eremit im Khoram-Gebirge hauste. Doch dann führte ihn ein Traum hierher, in dem er einen stolzen Falken mit einer Krone aus reinem Licht gesehen hatte, der ihn aus seinen ruhigen Augen erwartungsvoll anblickte. Schließlich öffnete der gekrönte Falke seinen Schnabel, doch anstelle von Worten schwebten golden leuchtende Schriftzüge dem Träumenden entgegen, die sich in seine Stirn hineinsenkten und in seinen Geist eingingen. Boldrino ist verblüfft, ähnelt doch dieser Traum auf frappierende Weise seiner Vision in der Drachenhöhle. Es mag wohl kaum ein Zufall, dass sich ihre Wege kreuzen, vermutet er. Die Gefährten zeigen sich auch beeindruckt, dass der Einsiedler trotz seiner Blindheit den Weg hierher gefunden habe, und vermuten, dass wohl Praios’ Wille ihn hierher geführt habe.

Im Verlaufe des Gesprächs wird offenbar, dass der völlig abgeschieden lebende Jesper noch nicht einmal von dem Verschwinden des Ewigen Lichts und der Prophezeiung durch hundert Zungen gehört hatte. Doch zeigt er sich wenig überrascht, denn düstere Traumgesichte hätten ihm bereits vor Jahren offenbart, dass die Ordnung der Welt erschüttert und aus dem Lot gebracht wurde. Auf seinen asketisches Leben als Einsiedler angesprochen, spricht er davon, dass es nicht nur den einen Menschen, sondern vielmehr derer zwei gäbe: einen ‚äußeren’ und einen ‚inneren’ Menschen. Der äußere Mensch sei allein dem Diesseits verhaftet. Er sei ein Knecht des Begehrens und des Lasters, gehorche den äußeren Sinnen und den niederen Bedürfnissen des Lebens, die ihn wie Sklaventreiber durch die Wirren dieser Welt scheuchten. Doch der Glaube weise den Weg zum inneren Menschen, der zumeist so tief in uns versteckt sei, dass wir ihn selbst kaum wahrnähmen. Anders als der äußere Mensch, der sich in die mannigfaltigen, aber eitlen Verlockungen der sichtbaren Welt verstrickt, dürstete es dem inneren Menschen nur nach einer Nahrung und diese Nahrung sei nicht von dieser Welt. Er schmecke sie mit einer Zunge, die nicht die Zunge des Leibes sei. Und er erfreue sich an einem Glanz, der nicht der Glanz der Augen sei. Einst sei Jesper von einem finsteren Magier gefangen, gefoltert und geblendet worden. Und wie der Unhold seinen äußeren Körper zerstörte, spürte er, wie ein neues Leben tief in ihm erwachte. Und wie sein Augenlicht entschwand, so erstrahlte doch im Gegenzug ein anderes, ein tieferes und wahreres Licht. Und daher habe er sich für den Weg des Einsiedlers entschlossen. Durch Gebet, Gleichmut, Auszehrung und Einsamkeit wolle er den äußeren Menschen hinter sich lassen, den Lastern und Leidenschaften abschwören, um seinen Geist nach innen zu wenden und ganz im gleißenden Licht des Herrn aufzugehen.

Gemeinsam mit Vater Jesper, der ebenfalls auf der Suche nach dem Falkenkönig ist, setzen die Pilger ihren schließlich Weg fort. Die Gefährten haben den Eindruck, einen Menschen vor sich haben, der vor dem Auge des Götterfürsten vollkommener ist, als sie es jemals sein werden. Doch die Anwesenheit des blinden Einsiedlers führt auch zu Verunsicherung innerhalb der Pilgerschar. „Nun sind wir dreizehn“, raunt Hesindian Amelthona zu, die daraufhin ängstliche Blicke zum Himmel wirft.

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* Siehe das Abenteuer Die Goldene Stadt

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM X: ARA DEI ADIMENTIS – DER ALTAR DES NEHMENDEN GOTTES

Am östlichen Rand der Amhalassih-Kuppen, Efferd 1031 BF. Nach langer Wanderschaft baut sich schließlich vor den Augen Pilgern eine weite Gebirgskette auf, hinter der sie das Hauptmassiv des Raschtulsturms vermuten. Amelthona drängt darauf, den Gebirgszug zu erklimmen, doch Vater Jesper verrät ihr, dass er in seinen Träumen einen anderen Weg gesehen habe, der geradewegs durch die Berge hindurch führt. Amelthona ist skeptisch und bemerkt, dass – in Zeiten, in denen Bishdariel unachtsam ist – Träume auch oftmals das Einfallstor für allerlei dämonische Einflüsterungen sein können und man ihnen daher nicht bedingungslos trauen dürfte. Da sie jedoch überstimmt wird, fügt sie sich schließlich mit grimmer Miene dem Vorschlag des Einsiedlers. Während einer Rast spricht Jesper Ghiberto unvermittelt an und fragt ihn, was ihn so bedrückt. Da erzählt der Horas-Ritter vom Mörder seines Vaters und seinem Schwur, die Gräueltat zu rächen. Ghiberto beschleicht das Gefühl, der Geweihte würde ihn trotz seiner Blindheit aus seinen leeren Augenhöhlen mit prüfenden Blicken mustern und tief in seinem Inneren etwas erkennen. Und schließlich spricht Vater Jesper mit ernster Stimme: „Ich verstehe den Zorn in deinem Herzen. Doch bedenke, dass nur das Werk der Gerechtigkeit dem Herrn wohlgefällig ist. Der Widersacher besitzt mannigfaltige Mittel, jenen, der auf den Spuren Praios’ wandelt, von seinem Wege abzubringen. So wird er ihn versuchen, er wird ihn täuschen und zu hintergehen trachten. Gerechtigkeit gerät zur Rache. Die Mahnung zur Besserung weicht der mitleidlosen Strafe. Er schürt den heiligen Zorn, bis die Flamme sich selbst verzehrt und alles Asche wird. Nur der wahrhaft Gläubige ist stark genug, dem zu widerstehen. Gedenke dieser Worte, wenn du vor die Wahl gestellt wirst, dem Herrn des Lichts zu dienen oder deiner Lust nach Rache zu gehorchen.“

Vater Jesper führt die Pilger schließlich mit bemerkenswerter Sicherheit zu einem Bach, an dem steile Felswände emporragen. Inmitten des Baches erblicken sie eine vom Wasser umspülte steinerne Stele, in die kindlich anmutende und womöglich von den ansässigen Ferkinas angefertigte Bilder von Falken eingemeißelt wurden, die sich mit zornigem Eifer auf dunkle Schatten am Erdboden werfen. Nach einiger Zeit findet der Einsiedler schließlich einen Durchgang im Fels. Dahinter stoßen die Pilger auf ein weit verzweigtes Netz von Gängen und Schächten, in dem sie immer wieder auf Fußspuren stoßen und das sie schließlich auf die andere Seite der Gebirgskette führt. Als sie ins Freie treten, offenbart sich ihnen ein wahrhaft erhabener Anblick. Das gewaltige und schroffe Felsmassiv des Raschtulsturms, dessen höchste Gipfel bis in die Wolken reichen, entblättert sich vor ihren Augen aus dem Nebel. Zu ebener Erde das satte Grün von Weideflächen, auf denen Rinder und Ziegen grasen, in der Ferne ganze Schwärme von Greifvögeln, die am Himmel ihre Kreise ziehen. Und bei all dieser Pracht beschleicht die Pilger kaum ein Zweifel, dass sie nicht vor jener Himmlischen Treppe stünden, die der Sage nach geradewegs in die alveranischen Gefilde führt.

Nach einer kurzen Rast setzen sie ihren Weg fort, als ihnen plötzlich ein strubbeliger Ferkinajunge den Weg versperrt und mit drohender Miene eine Schleuder über seinen Kopf kreisen lässt. Jesper tritt väterlich auf den Jungen zu und spricht einige Worte in der rauen Sprache der Ferkinas. Der Junge scheint vor dem Geweihten Respekt zu haben und erklärt sich bereit, die Fremden zu seinem Stamm zu führen. Als die Pilgerschar den Eingang zur Höhlensiedlung der Ferkinas erreicht, treten ihnen zwei Krieger mit erhobenen Waffen entgegen. Doch als Vater Jesper seine Hand zum Gruße erhebt, lässt einer der Wächter seinen Speer fallen, sinkt vor dem Einsiedler auf die Knie und ruft: „Iban Shuhân!“ Kurz darauf versammelt sich die ganze Sippe. Kinder und Mütter strecken ihre Hände nach Jesper aus, küssen seine Füße und reden aufgeregt auf ihn ein. Schließlich erscheint ein alter Mann, geht langsam auf den Einsiedler zu und schaut ihn lange prüfend an, bis er sich schließlich auch zu Boden wirft und mit feierlichem Ton die Worte „Assalam Iban Shuhân!“ ruft. Jesper verrät seinen Gefährten, dass die Ferkinas ihn offensichtlich für den prophezeiten Sohn des Falken halten. Der Älteste, bei dem es sich um eine Art Priester zu handeln scheint, führt die Gefährten schließlich in eine Kulthalle, deren Wände von Falkendarstellungen übersät sind, von denen ein Bild eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zur Legende von Nordek besitzt. Der Älteste führt Jesper daraufhin zu einer zentral über einen Schrein angebrachten Metallplatte, die aus der Zeit des Diamantenen Sultanats zu stammen scheint, wie Bruder Lechdan nach fachkundiger Prüfung feststellt. Die Platte stellt einen besonders großen Falken dar, der eine Krone aus lauterem Licht auf seinem Haupt trägt und über einen Schwarm kleinerer Falken gebietet. Sein Blick ruht huldvoll auf einem älteren Mann mit leeren Augenhöhlen, der Vater Jesper täuschend ähnlich sieht und der mit seiner ausgestreckten Fast den Thron des Falkenkönigs von dunklen Schatten beschirmt, die nach ihm zu greifen scheinen. Jesper und seine Gefährten werden schließlich in eine großzügig ausgestattete Höhle geführt, in der ihnen eine reichhaltige Mahlzeit aufgetischt wird. Der Älteste schickt unterdessen einen Boten zum Häuptling, der sich mit den meisten Kriegern des Stammes gerade auf einem Opferfest zu Ehren des Moghul ul Shuhân, des Herrschers der Falken, befände, das auf einem heiligen Felsvorsprung hoch auf den Bergen abgehalten werde. Offenbar, setzt er hinzu, seien seine Bitten erhört worden.

Bis zur Rückkehr der Krieger lernen die Gefährten das Leben der Ferkinas kennen, die ihnen mit Neugier, Verehrung und Gastfreundschaft begegnen. Einzig Amelthona, Hesindian und dem Großteil der Pilger behagt dies alles nicht. Sie argwöhnen, dass der Alte sie nur hinhalten wolle, bis die Krieger zurückkämen, um sie alle ihren Blutgötzen zu opfern. Boldrino überhört schließlich ein Gespräch, in dem Hesindian gegenüber zwei weiteren Pilgern erklärt, dass er es als große Sünde ansehe, dass Vater Jesper nicht gegen die offenkundige Verwechslung anredet und sich stattdessen in seinem Hochmut von den leichtgläubigen Heiden wie ein Heiliger oder gar wie ein Gott verehren lässt. Amelthona versucht derweil, die Ferkinas zum wahren Glauben zu bekehren, doch scheitern ihre Missionierungsversuche immer wieder an der Sprachbarriere und der Ungeduld der Geweihten. Nachdem Boldrino, Lechdan und Ghiberto beschwichtigend auf sie eingewirkt haben, lässt sie schließlich von ihrem Vorhaben ab und unternimmt stattdessen immer wieder gemeinsam mit Hesindian und einigen anderen Pilgern Ausflüge ins Tal, um die Umgebung zu erkunden und einen geeigneten Ort zu finden, an dem sich die Pilger niederlassen können. Währenddessen bittet Boldrino Jesper, den Ältesten nach den unheilverkündenden Schatten auf der Metallplatte zu fragen. Es gäbe einen uralten Ort des Bösen, antwortet dieser, der schon existierte, bevor sich die Ferkinas zu Füßen des Raschtulstrums niederließen. Dort ruhten Schatten, düstere Geister, die durch die Macht des Falkenkönigs vom Antlitz der Welt getilgt worden seien. Damit der Bann nicht schwächer werde, müsse man dem Moghul ul Shuhân regelmäßige Opfer darbieten. Als einige Pilger später davon erfahren, sehen sie sich in ihrem Verdacht bestätigt, dass die Ferkinas sie opfern wollen. In der Nacht vor der erwarteten Rückkehr des Häuptlings versucht auch Amelthona, ihre Gefährten zur Flucht zu überzeugen. Als sie jedoch einsehen muss, dass sie auf taube Ohren stößt, stiehlt sie sich in den frühen Morgenstunden gemeinsam mit Hesindian und den anderen Pilgern aus der Höhlensiedlung.

Am vierten Tag nach der Ankunft der Pilger bei den Ferkinas kehrt der Häuptling mit seinen Kriegern in die Siedlung zurück. Nachdem er einige Worte mit dem Ältesten gewechselt hat, erweist auch er Vater Jesper seine Ehre, und die gesamte Kriegerschar legt ihm nacheinander feierlich ihre Jagdspeere und Bögen zu Füßen. Währenddessen fällt den Gefährten die Abwesenheit der Pilger auf, die sie sich zunächst damit erklären, dass die Gruppe um Hesindian immer noch einen geeigneten Ort für ihre Einsiedelei sucht. Doch als sie auch am Abend nicht zurückkommen, brechen sie mit Vater Jesper auf, um die verlorenen Schäfchen aufzuspüren. Da sich der Falkenkönig nicht zum Opferfest gezeigt hatte, reagiert der Häuptling sichtlich beunruhigt und lässt sie von dem junger Krieger Darekh begleiten. Trotz der bald einsetzenden Dämmerung findet der Ferkina bald die Spuren der Vermissten, denen sie bis in jene Gegend folgen, die von den Stammesangehörigen abergläubisch gemieden wird. So gelangen sie bis zu einer schroffen Felswand mit einem geöffneten steinernen Tor, das mit alten tulamidischen Schriftzeichen bedeckt ist. Vor dem Höhleneingang scheint ein Kampf stattgefunden zu haben. Einige mit Falkenfedern geschmückte Pfähle der Ferkina, die hier wohl als Warnung in den Boden gepflanzt wurden, wurden achtlos umgestoßen oder aus dem Boden gerissen. Die Ferkina-Krieger sind entsetzt. „Mir träumte von einer gähnenden Finsternis", flüstert Vater Jesper gedankenverloren wie zu sich selbst.

Plötzlich ertönen von jenseits der Pforte Schreie des Schmerzes und des Schreckens. Zögerlich betreten die Gefährten das Halbdunkel des alten Höhlentempels, dessen Felswände von den Abbildungen unzähliger Augen übersät sind. An der gegenüberliegenden Wand erblicken sie einen Opferstein, der mit frischem Blut bedeckt ist, davor liegen die ausgebluteten Leichen der Pilger. Auf dem Stein liegt Amelthona, sie ist geschwächt, scheint aber noch zu leben. Über sie gebeugt steht Hesindian von Bröcklingen. Er hält ihren Kopf mit einer Hand, mit der anderen drückt er einen schweren Dolch an ihre Kehle. „Keinen Schritt weiter!“ ruft er. Zur Rede gestellt, erklärt er mit einem Seitenblick auf die Toten, dass die Rachegeister des Tempels erwacht seien und sich in ihrem Zorn auf das schwache Fleisch der Pilger gestürzt hätten, woraufhin sich diese in ihrem Wahn gegenseitig an die Gurgel gegangen seien. Die letzten hätten ihn gar angefleht, endlich sterben zu dürfen. Und tatsächlich können die Gefährten von den schattenhaften Wänden ein seltsames, zunehmend bedrohlicher werdendes Raunen und Flüstern vernehmen. Allein Amelthona habe widerstanden. Und dafür werde sie jetzt sterben. „Ihr seid kein Pilger“, stellt Boldrino voller Zorn und Abscheu fest, woraufhin Hesindian lächelt und sagt: „Oh doch, ich bin ein Pilger. Nur suche ich ein anderes Licht als ihr. Ein dunkleres, brennenderes, ein wahreres Licht. Ein Licht, das eure jämmerliche Funzel erlöschen wird wie die Nacht den Tag.“ Er blickt um sich. „Tretet vor den Altar des Bel Akharaz, geweiht in der Glut der schwarzen Lohe! Euer Opfer ist ihm ein Wohlgefallen, denn er ist ein nehmender Gott.“ Mit diesen Worten schneidet er Amelthona die Kehle durch. Während das Blut aus ihrer Kehle rinnt, stoßen plötzlich von den Wänden mit einem vielstimmigen Kreischen dunkle Schemen auf das Opfer herab, scheinen gierig das Blut zu trinken, das in roten Strömen auf den Altarstein rinnt. „Dein Licht ist nur ein Schatten an der Wand, Frevler! Eine schemenhafte Klaue, die dich in die Niederhöllen reißen wird“, ruft Lechdan. Doch Hesindian beachtet ihn nicht, spreizt seine Hände und ruft: „Dunkler Herr, sehender Sohn! Vernehme die Bitte deines ergebensten Dieners Tykrador von Yol-Ghurmak! Ich habe dir das Opfer dargebracht, das du verlangt hast. Im Blut der Gerechtigkeit bin ich getauft, im Blut der Gerechtigkeit empfange ich deine Gabe!“ Vor Entsetzen gebannt sehen die Gefährten zu, wie sich die Schatten vom Opferstein erheben und sich um seinen Hals schlingen. Immer schneller wird ihr Reigen, ein dunkles Glimmen geht von ihnen aus und taucht die Höhle in ein geisterhaftes Licht. Plötzlich scheinen sich die Schatten zu verfestigen und um den Hals des Frevlers schließt sich ein schmuckloser eiserner Kragen, der einer Halsberge nicht unähnlich ist. „Es ist vollbracht“, raunt der falsche Pilger wie zu sich selbst. Er wirkt erschöpft. Da streckt Vater Jesper voller Zorn dem Dämonenknecht seine Handfläche entgegen und ruft: „Bei Praios’ ewigem Glanz! Verblendet bist du, geblendet sollst du sein!“ Ein Blitz gleißenden Lichts fährt aus Jespers Hand und wirbelt graue Schemen auf, wo er auf Tykradors Gestalt trifft. Der dunkle Wirbel wird größer, scheint mit dem Licht zu kämpfen, um es schließlich zu verschlucken. Auch Tykrador ist nicht mehr zu sehen. Stattdessen leuchtet in der Finsternis ein Augenpaar auf. Im nächsten Augenblick ertönt ein Fauchen und myriadenfaches dumpfes Wispern hallt von den Wänden wider. Ein dunkler Schatten legt sich über die Seelen der Gefährten und verbreitet dort ein schweres, beklemmendes Gefühl.

Langsam schält sich aus der Dunkelheit ein Ungetüm aus schwarzen Federn. Auf dem ersten Blick gleicht es einem Greifen, nur hat es riesige, fledermausähnliche Schwingen, grotesk geschwungenen Hörner und eine pulsierende rote Glut, die den ganzen Körper zu durchziehen scheint. Die schiere Anwesenheit dieses niederhöllischen Wesens lässt selbst den blinden Jesper angsterfüllt zurückweichen. „Asqarath“, wispert er leise in die Dunkelheit hinein. Mit der Wut der Verzweiflung schleudert Darekh dem Wesen seinen Wurfspeer entgegen. Fauchend stürzt sich der Dämon als erstes auf den Ferkina und zermalmt ihn unter seinen Pranken. Im nächsten Augenblick wendet sich das niederhöllische Ungetüm zu Vater Jesper, der kniend in einer Ecke der Halle verharrt und immer wieder mit halblauter Stimme ein Gebet aufzusagen scheint. Doch Ghiberto und Boldrino stellen sich schützend vor den blinden Einsiedler. Mit bösartiger Präzision konzentriert der Asqarath alle seine Angriffe auf den im Kampfe unerfahrenen jungen Geweihten. Boldrino kann zunächst die Schnabel- und Prankenhiebe abwehren, wird jedoch schließlich zu Boden geschleudert. Die Schatten an den Wänden heulen gierig auf, als das Blut seine Robe befleckt. Boldrino kann sich im letzten Augenblick aufrichten und einen weiteren Prankenhieb abwehren, als Lechdan, der erkennt, dass sein Gefährte nicht mehr lange dem Dämon standhalten wird, ihn zur Seite reißt und sich stattdessen als Gegner anbietet. Sowohl er als auch Ghiberto erleiden beide starke Verletzungen, können jedoch den Asqarath davon abhalten, zu dem betenden Eremiten oder zu ihrem verletzten Gefährten durchzudringen. Die Lage scheint aussichtslos, denn die Waffen der Gefährten vermögen kaum, das Ungetüm zu verletzten. Und mit jedem Angriff des Dämonen schwindet ihre Kraft. Doch schließlich richtet sich Vater Jesper unvermittelt auf, tritt einen Schritt vor und breitet seine Arme aus. „Vergehe Kreatur!“ ruft er, als sich plötzlich aus seinem Inneren ein gleißendes Licht in die Finsternis der Tempelhalle ergießt, das die gesamte Halle in kürzester Zeit ausfüllt und die kreischenden Schatten an den Wänden verzehrt. Als es den Asqarath umschließt und sich mit atemberaubender Geschwindigkeit um ihn herum zusammenzieht und in ihn hinein dringt, vernehmen die Gefährten nur noch sein markerschütterndes Schreien und eine unsichtbare Wucht, die sie alle zu Boden reißt und Brocken flammender Glut durch die Halle wirft. Als sie kurz darauf wieder zu sich kommen, ist die unheilige Aura des Ortes verschwunden. Auch von dem Frevler, der den Schrecken des Tempels erst entfesselte, ist keine Spur zu finden. Nachdem sie sich vergewissert haben, dass Darekh noch lebt und alle trotz zum Teil schwerer Verletzungen wohlauf sind, begeben sie sich zurück zum Felsdorf der Ferkinas.
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Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM XI: KYRIOS ARAKOI – DER HERR DER FALKEN

Zu Füßen des Raschtulsturms, Efferd 1031 BF. Nach den Ereignissen in der alttulamidischen Tempelhöhle sind die Gefährten noch immer entsetzt und fassungslos. Anders als Bruder Lechdan, der die Zerstörung Gartens im Jahr des Feuers miterlebt hatte, haben Boldrino und Ghiberto noch nie einer Kreatur der Niederhöllen von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden. Lechdan hingegen fühlt sich innerlich gereift. Der ehemalige Mönch sagt, dass er bereits zweimal in seinem Leben vor entfesselter Dämonenmacht die Flucht ergriffen habe. Diesmal sei er zum ersten Mal in seinem Leben standhaft geblieben. Zum ersten Mal habe er gekämpft, zum ersten Mal habe er vor Praios Mut und Standhaftigkeit bewiesen.

Seit dem Wunder, das er gewirkt hat, befindet sich Vater Jesper in einem Zustand seliger Entrückung, der Boldrino an die Tage nach seiner Vision in der Drachenhöhle erinnert. Die Ferkinas behandeln ihn nun vollends wie einen Heiligen und sind überzeugt, dass er den Schrecken des unheiligen Ortes gemäß der Prophezeiung vernichtet habe. Boldrino und Lechdan erinnert das Wunder, das der Einsiedler wirkte, an die Liturgie des zerschmetternden Bannstrahls, doch war es viel mächtiger und auch hatte er nicht die Worte gesprochen, die gemäß des kirchlichen Ritus' dazu nötig seien. „Ich kann es schwer erklären“, stammelt Vater Jesper, als er daraufhin angesprochen wird: „Es kam aus meinem Inneren. Vor meinem geistigen Auge erblickte ich die goldenen Lettern aus meinem Traumgesicht und besann mich auf ihr Leuchten. Dann, mit einem Male, fühlte ich die Gnade des Götterfürsten auf eine Weise, wie ich sie nie zuvor gefühlt hatte. Es kam einfach so über mich. Es brach aus mir heraus.“ Dann setzt er hinzu: „Wir müssen bald zum Falkenkönig aufbrechen. Es gibt etwas, das ich wissen muss.“

Doch zunächst machen sich die Gefährten daran, die Leichen aus der Tempelhöhle zu Bergen und zu bestatten. Die Ferkinas fürchten, dass die Seelen der unglücklichen Pilger nach ihrem Tod als ruhelose Geister umgehen könnten und bestehen darauf, dass ihre sterblichen Hüllen den Geiern und Khoramsbestien zum Fraß vorgeworfen werden müssen, damit nichts von ihnen übrig bleibe, was ihre Seelen im Diesseits hielte. Man einigt sich schließlich auf eine Feuerbestattung, wie sie die Liturgie der Rondra-Kirche kennt, auf einem Gipfel des Raschtulsturms, so dass die im Rauch zum Himmel aufsteigenden Seelen ihre Wallfahrt abschließen und Frieden finden können.

Vier Tage nach den Ereignissen im Tempel sind die Gefährten wieder zu Kräften gekommen und wagen den Aufstieg zum traditionellen Opferplatz des Ferkinastammes, an dem sich der Falkenkönig hin und wieder zeigen soll. Der Häuptling führt mit einem Dutzend Krieger den Zug an, der sie zwei Tagesmärsche durch das Gebirge führen wird. Auf dem Weg erzählt er den Gefährten allerlei alten Sagen vom Raschtulsturm und weist sie darauf hin, eine passende Opfergabe für den Falkenkönig bereit zu halten. Von Ferne erblicken sie schließlich in schwindelerregender Höhe einen Gipfel mit einem Felsvorsprung, zu dem steinerne Stufen führen. Der Falkenkönig scheint sie bereits zu erwarten. Vater Jesper geht als erster die Stufen herauf und hält lange Zwiesprache mit dem hohen Wesen. Als er den Gefährten entgegen kommt, scheint er verändert zu sein. Er wisse nun, sagt er geheimnisvoll, was zu tun sei – und auch, setzt er in einem seltsamen Tonfall hinzu, wie er sterben werde.

Den Lichtsuchern ist es mulmig zumute, doch gemeinsam schreiten sie schließlich die steinerne Treppe empor, bis sie auf den Vorsprung gelangen, der einen majestätischen Blick über das gesamte Umland bietet. Das äußerste Ende des Vorsprungs wird von einem steinernen Altar gekrönt, von dem der Falkenkönig auf sie herabblickt. Da hinter ihm die Sonne steht, können sie nur die Umrisse seiner königlichen Gestalt mit seinen weit gespreizten Flügeln erblicken. Die erhabene Gestalt scheint ihnen zuzunicken. Zögern kommen sie näher. Als Opfergabe legen sie den Diamanten aus dem Bomeder Grab, den sie bei Amelthonas Leichnam gefunden hatten, auf den Altarstein und bekräftigen dadurch, dass sie ihrer vermessene Suche nach der Goldenen Stadt für immer entsagen. Der Falke nimmt die Gabe mit einem wohlwollenden Blick an.

Dann erklingt eine Stimme – gleichzeitig fremd und erhaben – in ihren Köpfen, ganz so wie schon der Drache Shafir zu ihnen gesprochen hatte: „Ich stieg empor und stürzte hernieder. Dies ist das Schicksal all jener, die sich nach dem verzehren, was nicht von dieser Welt ist. Wohl ist das Streben danach ist ein Bestandteil eures Weges, doch seht zu, dass es nicht euer Herz verzehrt. Macht es vielmehr frei und atmet die klare Luft der himmlischen Höhen, bevor ihr in die dunkle Nacht der Seele herabsteigt. Blickt in euch und erkennt: Löwengleich herrschte Sein Erstes Volk in einer goldenen Stadt im Lande Uthars. Adlergleich zogen sie über den Himmel, bis an die Küsten, wo Aves wandelt. Doch ihre Zeit endete. Ihr Urteil fiel. Ihr Licht erlosch. Auch sie stürzten herab. Auf ihren Spuren werdet ihr schreiten – doch nicht, wo ihr Weg begann, sondern dort, wo er endete. Seid euch der Mahnung bewusst und tragt die Bürde des Pilgers bis ans Ende. Denn erst, wenn ihr die Schrecken des Fallens erfahren habt, werdet ihr lernen, euch in die Höhen des Wahren und Ewigen emporzuschwingen.“

Mit diesen Worten erhebt er sich der Fürst der Gipfel in die Lüfte und fliegt mit kraftvollen Flügelschlägen davon. Direkt vor ihren Füßen entdecken die Gefährten schließlich drei kleine, goldene und erstaunlich ebenmäßig gewachsene Blumen, die im Sonnenschein aus sich selbst heraus zu leuchten scheinen. Der schiere Anblick dieser Blumen erfüllt die Herzen der Lichtsucher mit Zuversicht. Allein Lechdan kennt diese Pflanzen, da er sie auf seinen Reisen mit Goswyn von Wetterau schon einige Male erblicken durfte. Quanionen werden sie genannt, und man sagt, sie seien ein leuchtendes Zeichen für jene frommen Pilger, die sich mit reinem Herzen aufgemacht hätten, das Ewige Licht zu suchen. Als jeder von ihnen eine Blume an sich nimmt, kommt darunter ein weiterer Gegenstand zum Vorschein. Es handelt sich um einen flaches Plättchen aus Bernstein, das die Form eines Drachenvierecks hat und in das vier kleine runde Einschlüsse eingearbeitet sind, die durch feine Linie miteinander verbunden werden. Ghiberto erinnert daran, wie sie sich vor zwei Wochen angesichts eines alten Schreins am Wegesrand die Frage gestellt hatten, ob auch der Heilige Quanion einst zum Raschtulsturm gepilgert war. Hatte er seine Audienz bekommen und womöglich gar dem Falkenkönig diesen Bernstein zur Aufbewahrung gegeben, auf dass er es in ferner Zukunft Pilgern wie ihnen überreiche? Gleichsam verwirrt und eigentümlich berührt, nehmen sie die Bernsteinplatte an sich und steigen schließlich wieder die Stufen hinunter.

Während des Abstiegs reden die Gefährten wenig. Erst nach langem Zögern entschließt sich schließlich Bruder Lechdan, das Gespräch mit seinen Gefährten zu suchen. Die Legende von Nordek, die Bosparaner, die die Goldene Stadt suchten, das Schicksal des Zwerges Aurasch, der Tod Amelthonas, der Kampf mit dem Asqarath, die Prophezeiung des Falkenkönigs – all diese Dinge, so glaubt er, haben eines gemeinsam. Sie erzählen eine Geschichte des Hochmuts und des Falls: Der Nordeker Falke, der die Goldene Stadt finden sollte, jedoch in seiner Hybris zu nahe am glutheißen Auge Praios’ flog und mit brennendem Gefieder hernieder stürzte; Aurasch, dessen wahnhafte Gier nach der Goldenen Stadt ihm den Verstand und schließlich das Leben kostete, die Bosparaner, deren Suche nach einer Heimstatt des Götterfürsten auf Deren ihre Seelen zu steter Wanderschaft verurteilte, Amelthona, deren Eifer und Ehrgeiz sie dazu trieb, sich über die Gebote der Kirche hinwegzusetzen, und die schließlich den Machenschaften eines falschen Propheten zum Opfer fiel; und schließlich der Dämon, von dem die Offenbarung der Sonne kündet, dass die Asqarate einst Angehörige von Praios’ auserwähltem Volk gewesen seien, die man auch Aurischaner oder Gryphonen nennt. Doch gab es Frevler in ihren Reihen. Von Praios’ gerechtem Zorn niedergestreckt, stürzten sie aus der Schöpfung und fielen den Niederhöllen anheim. All diese Dinge hätten sie schließlich zum Falkenkönig geführt, dessen Weispruch mit den vielsagenden Worten begann: „Ich stieg empor und stürzte hernieder.“ War also der Falkenkönig eben jener Falke, der vom Himmlischen Richter ausgesandt wurde, um die Goldene Stadt zu finden, und schließlich an seinem eigenen Hochmut scheiterte? Und was bedeutete die Prophezeiung, die Bürde des Pilgers bis zum Ende zu tragen? Handelt es sich bei diesem ‚Ende’ um eine zeitliche Kategorie, einen realen Ort, das Scheitern oder gar den eigenen Tod? War die Erzählung von den Aurischanern nur als mahnendes Gleichnis gemeint oder sollten sie sich tatsächlich dorthin begeben, wo ihr Weg endete? Dies sei doch im Grunde das selbe Problem, fügt Boldrino hinzu, wie die Suche nach der Goldenen Stadt. Ist die Goldene Stadt ein tatsächlich existierender Ort, irgendwo da draußen in der sichtbaren und begehbaren Welt? Oder ist sie lediglich ein Bild, eine Metapher für das alveranische Paradies des Herrn, das wir hier auf Deren vergeblich suchen und nur im Glauben, das heißt in uns selbst, finden können?

Nach einigen Tagen, in denen die Lichtsucher in sich gegangen und untereinander immer wieder das Gespräch über die Bedeutung der Prophezeiung gesucht haben, ist der Moment des Abschieds gekommen. Vater Jesper eröffnet ihnen, dass er nicht mit ihnen zurück reisen werde. Der Götzentempel des Bel Akharaz müsse ein für alle Mal gereinigt und versiegelt werden. Der Falkenkönig habe ihn gelehrt, wie er dies bewerkstelligen könne. „Es ist wie ein inneres Licht, ein Funken des Götterfürsten in meinem Herzen.“ Dieses Licht sei es auch gewesen, das den Dämon niederstreckte. Und mit diesem Licht werde er auch die schwarzen Schrecknisse des Höhlentempels austreiben. Als sie sich verabschieden, raunt Vater Jesper ihnen zu: „Es mag sein, dass wir uns eines Tages wieder begegnen werden. Dann werde ich jedoch ein anderer sein. Trauert nicht um ich, denn meine Seele wird im Licht sein.“ Nachdem er diese geheimnisvollen und vielsagenden Worte ausgesprochen hat, wendet er sich ab, kniet nieder, neigt sein Antlitz zur glutheißen Sonne und spricht stumme Gebete. Der Krieger Darekh begleitet die Gefährten drei Tagesmärsche nach Norden, bis sie den Fluss Yrosa erreichen. Dann verabschiedet er sich von ihnen.

Vom Fluss Yrosa gelangen sie ohne weitere Zwischenfälle zum Yaquir, wo sie bereits aus der Ferne die prachtvolle Kaiserpfalz Cumrat erblicken. In der Halle des Himmelsfürsten erhalten die Gefährten Unterkunft und Verpflegung, nachdem die örtliche Lichthüterin mit staunenden Augen ihren Bericht gelauscht hat. Lieblich schimmert das Licht durch das Glas der Kirchenfenster und wirft einen bernsteinfarbenen Glanz auf den weißen Eternenmarmor der Tempelsäulen, als die Gefährten vor dem Seitenaltar des himmlischen Falken niederknien und – jeder für sich – ein inniges Gebet sprechen. Ghiberto lobt das weiß-goldene Mosaik und auserlesene Fensterwerk, dessen Prachtstück eine von einem rot-goldenen Strahlenkranz eingefasste Darstellung einer Greifenkrone ist. Später beratschlagen die Lichtsucher, wie es weiter gehen soll. Lechdan spricht sich dafür aus, nach Gareth zu reisen, um die Societas Quanionis Luminis, die Erkenntnisse von Pilgern aus ganz Aventurien sammelt, von der Prophezeiung des Falkenkönigs in Kenntnis zu setzen. Auch müsse die Kirche von Tykradors Machenschaften erfahren, auf dass die Heiligen Inquisition den Frevler finden und zur Rechenschaft ziehen könne. Ghiberto und Boldrino jedoch sprechen sich dafür aus, zunächst einmal zurück ins Liebliche Feld zu reisen, um dort dem Wahrer der Ordnung und den Geweihtenrat von Nordek von ihren Entdeckungen zu berichten. Mit dem Ziel, spätestens im Frühjahr wieder zusammen zu treffen, entscheidet sich Lechdan, sich einstweilen von seinen Mitstreitern zu trennen und nach Gareth zu reisen.

Nach einigen Tagen der Erholung in Cumrat macht sich Lechdan auf den Weg nach Gareth, während Boldrino und Ghiberto einen Flusskahn besteigen, der den Yaquir flussabwärts segelt, um Handelswaren von Punin nach Vinsalt zu bringen. Da die Pilger nach ihrer kräftezehrenden Reise über Berge und durch die Wüste kaum noch über Gold verfügen, kommt der hiesige Praios-Tempel für die Kosten der Schiffsfahrt auf. Auf dem Kahn lernen Boldrino und Ghiberto einen Praios-Geweihten namens Lumin Ehrwald kennen, der bereits in Punin an Bord gekommen war und sich auf dem Weg nach Kuslik befindet, wo er auf Einladung der Magisterin der Magister sprachhistorischen Studien über die frühesten Quellen des Aureliani nachgehen wolle. An den goldenen Blumen, die sie an ihre Gewandungen geknüpft haben und die wie durch ein Wunder seitdem nicht einmal annähernd welk geworden sind, erkennt er sie sofort als Pilger Sankt Quanions. Der aus Elenvina stammende Priester und Schriftgelehrte entpuppt sich bald ein etwas verschrobener und weltfremder Liebhaber der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts. Mit ihm führen die Gefährten während der Fahrt immer wieder geistig erbauliche Gespräche über die Vorzeit des Praios-Glaubens, das Wesen der Alveraniden und das Schicksal der Aurischaner. Gleichzeitig sind sie nach ihren Erfahrungen mit Tykrador von Yol-Ghurmak bedacht, nicht zu viel über ihre eigene Suche nach dem Ewigen Licht preiszugeben.

Nach neuntägiger Fahrt erreichen Ghiberto und Boldrino Vinsalt und verabschieden sich von Lumin Ehrwald. Noch am selben Tag erhalten sie eine Audienz des Wahrers der Ordnung. Staryun Loriano zeigt sich interessiert an ihren ihnen Berichten über die Ereignisse und Erkenntnisse der letzten Monate und erteilt den Lichtsuchern den Segen des Götterfürsten. Er sei glücklich und dankbar darüber, dass es Pilger wie sie gäbe, die Gefahren und Mühsal auf sich nähmen, um der göttlichen Wahrheit einen Schritt näher zu kommen. Er selbst, lässt er durchblicken, fühle sich zuweilen durch sein Amt geradezu gefesselt und wünsche im Grunde nichts sehnlicheres, als sich wie ein junger Quaestor Lumini einfach auf den Weg zu machen und dorthin zu gehen, wo der Herr ihn führe. Doch obwohl der größte Teil seiner Zeit von den Erfordernissen der Amtsführung und der theologischen Auseinandersetzung mit seinen kirchenpolitischen Gegnern bestimmt wird, sei er sich sicher, dass sich Praios in seiner unergründlichen Weisheit etwas dabei gedacht hat. Bald schon aber werde er das seinige tun und eine große Versammlung aller Geweihten des Ordo Bosporanis einberufen, um die Erkenntnisse und Fortschritte seiner Priester auf der Suche nach dem Ewigen Licht zu sammeln und zu ordnen. Dies sei das Mindeste, das er auf dem Weg zur Erneuerung der Kirche aus dem Geist der Demut, der Besinnung und des Glaubens, die der Götterfürst ihn aufgetragen habe, tun könne.
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM XII: VALLIS CREPUSCULI – DAS TAL DES ZWIELICHTS

Vinsalt im Phex 1031 BF. Nach den Ereignissen am Raschtulsturm vergehen einige ruhige Monate, bis eines Tages Bruder Lechdan Boldrino und Ghiberto ein aufgeregt klingendes Schreiben zukommen lässt, in dem er seine baldige Rückkehr ankündigt und sie zu einem Treffen bittet. Als sie einige Wochen später in der Halle des Gerechten Gottes zusammen kommen, berichtet Lechdan seinen Gefährten, dass er während seines Aufenthaltes in der Stadt des Lichts in der Halle der Heiligen Schriften nach hagiographischen Schriften über das Leben des Heiligen Quanions geforscht und damit begonnen habe, die verschiedenen Versionen der Heiligenlegende miteinander zu vergleichen. Dabei habe er festgestellt, dass die Lebensbeschreibungen erschreckend ungenau sind. Die meisten Viten stimmen allerdings darin überein, dass der Heilige, nachdem er das Ewige Licht empfangen und es zu den Menschen zurück gebracht hatte, in die Goldfelsen ging. Dort lebte er abgeschieden von der Welt als Einsiedler, bis er nach zwölf Jahren zurück nach Gareth berufen wurde und man ihm die heilige Tiara der Lichtboten aufs Haupt setzte. Doch wo sich Sankt Quanions Einsiedelei genau befand, blieb lange Zeit im Dunkel der Geschichte verborgen. Bei seinen Nachforschungen stieß Lechdan jedoch auf einen interessanten Pilgerbericht, aus dem man erschließen kann, dass die Lage der Einsiedelei noch bis in die Zeit der Priesterkaiser durchaus bekannt war, ja sogar ein beliebtes Pilgerziel darstellte.

Der tagebuchähnliche Reisebericht stammt aus der Feder eines frommen Garether Steinmetzes aus der Zeit Helus Praiodans I., der auf den Spuren Sankt Quanion bis in die Goldfelsen wanderte. Dort folgte er dem Pilgerweg bis zu einem Tal, das durch die Schatten der umliegenden Berge in ein seltsam anmutendes Zwielicht getaucht war. An einem kleinen Gebirgssee befand sich eine kleine Kapelle, an der Pilger aus dem ganzen Reich dem Andenken des Heiligen gedachten. Denn an eben diesem Ort lebte schon Sankt Quanion zwölf Jahre lang als Einsiedler und fand in der Einsamkeit der Berge die Nähe des Götterfürsten. Der Pilger erwähnt auch mehrere Steine in der Umgebung, die der Heilige einst mit dem Zeichen der Sonne versehen hatte. Der Sitte zufolge versenkten sich die Pilger mehrere Tage lang im Inneren der Kapelle ins Gebet, um daraufhin in einem Rundgang die einzelnen Steine abzugehen und vor einem jeden ein kurzes Gebet zu sprechen. Wenn es stimmt, dass die Kapelle am Ort von Sankt Quanions einstiger Einsiedelei errichtet wurde, folgert Lechdan, sei dieser Bericht die einzige noch existierende Quelle, von der man auf die genaue Lage des Ortes schließen könne, an dem sich der Heilige als Einsiedler niedergelassen hatte.

Mit dem Ziel, die Kapelle mit Hilfe des Pilgerberichts zu finden, machen sich die Gefährten auf den Weg nach Süden. Über Centano und Sibur gelange sie nach Marudret, wo sie der Verbrennung von fünf Häretikern durch Ordensleute der ‚Gemeinschaft des Heiligen Ageriyano della Turani zur Wahrung der Gerechtigkeit und Erkundung der Wahrheit’* beiwohnen. Den Blick starr zur untergehenden Abendsonne gerichtet, krächzen die Verurteilten noch im Augenblick ihres qualvollen Todes schaurige Litaneien hinaus. Lechdan, Boldrino und Ghiberto erfahren, dass die hingerichteten Ketzer einen Geweihten des Götterfürsten vor etwa einer Woche auf das Schlimmste gedemütigt, aus ihrem Dorf vertrieben und dabei fast zu Tode geprügelt hätten. Im Verhör gestanden sie, zu einer Gruppe von Fanatikern zu gehören, die sich selbst ‚Puristen’ nennt und die mit aller Macht die Lehre des Prinzipismus zugunsten der ‚reinen Lehre’ ablehnen. Die Welt betrachten sie als verderbten Ort endloser Qualen, die ihnen der Götterfürst als Buße auferlegt, um sie zu prüfen und nur jene, die reinen Herzens sind und sich mit ganzer Seele seiner Gnade anempfehlen, durch das Tor Melliador in die alveranischen Paradise schreiten zu lassen. Alle jene jedoch, die nicht in ihrem Herzen mit dem eitlen diesseitigen Streben zu brechen bereit sind, werden unweigerlich vom finsteren Schlund der Niederhöllen verschluckt werden. Eigentlich trieben die Puristen vor allem im Wilden Süden ihr Unwesen, doch häuften sich bereits seit einigem Monden auch nördlich der Tovalla die Berichte von ihren Ketzereien und Missetaten.

Marudret hinter sich lassend, verlassen die Reisenden den Goldfelser Steg und folgen dem Lauf des Mardiloflusses gen Südosten. Am Ende des sechsten Reisetags erreichen die Reisenden den Ort Balafûr an der Quelle des Mardilo. In der Ferne türmt sich vor ihren Blicken ein gewaltiges Gebirge auf, dessen schneebedeckte Gipfel mit dem Wolkenmeer des Himmels zu verschmelzen scheinen. In Balafûr beschließen sie, noch einen Tag zu rasten, bevor sie sich auf den beschwerlichen Weg in die Goldfelsen machen. Ein Hirte, der seine Ziegen regelmäßig in die Goldfelsen führt, warnt sie eindringlich vor den schwarzen Ruinen des Klosters Varsincero, in dem die Geister der Draconiter umhergingen, die während der Belagerung vor zwei Jahren ums Leben gekommen sind. Allein in den letzten Tagen seien in der Nähe der einstigen Abtei drei Menschen verschwunden und auch eine junge Geweihte des Götterfürsten, die sich daraufhin auf den Weg gemacht hatte, um das Geheimnis ihres Verschwindens aufzuklären, sei nicht mehr wiedergekommen. Schließlich erreichen die Reisenden einen reißendem Wasserfall, der auch im Pilgerbericht erwähnt wird und wähnen sich auf dem richten Weg. Im Folgenden lassen sie die dichten Wälder des aurelassischen Vorgebirges hinter sich und beginnen, dem Reisebericht des Pilgers folgend, über gewundene Gebirgspfade den schweren Aufstieg in die Berge.

Am Mittag des 10. Phex erreichen die Reisenden schließlich ein Tal, das von dem umliegenden Bergen vollständig in Schatten gehüllt wird. In der Ferne erblicken sie auf einem Gipfel die Ruinen des Klosters Varsincero, das hier einst majestätisch über das Tal thronte. Nachdem sie den Berg, auf dem sich die Ruine befindet, halb umrundet haben, entdecken sie zu seinen Füßen einen kleinen Gebirgssee, der ebenfalls im Pilgerbericht erwähnt wird. Unweit des Ufers stoßen sie schließlich auf die Überreste einer alten Kapelle. Mit Mühe befreien sie den Eingang von einer dichten Dornenhecke und betreten das Innere des Gemäuers. Das hölzerne Dach muss schon vor Jahrhunderten in sich zusammengefallen sein, eine Inschrift enthüllt, dass die Kapelle durch die Lichtbotin Mirya Praiosmin III., also mehr als ein halbes Jahrhundert nach Quanions Tod, gestiftet wurde. Das Herz des kleinen Gebäudes wird durch einen Altarstein gebildet, in den das Bild einer Sonne mit einem Auge eingemeißelt wurde. Der Pilgerbericht beschreibt den Stein als ‚Lapis Quanionis sancti’, als Stein des heiligen Quanions, und stellt die Behauptung auf, dass dieser persönlich durch die Hand des einstigen Beilunker Steinmetzes gefertigt wurde und als Segen spendende Reliquie im Zentrum der Pilgerandacht stand. Am Rand des Steins findet Ghiberto die bosparanische Zahl CXXXVII, die darauf schließen lässt, dass der Altarstein tatsächlich genau ein Jahr vor Sankt Quanions Berufung zum Heliodan gemeißelt wurde. Die Gefährten halten in der Kapelle eine kleine Andacht und schlagen neben dem Gebäude ihr Lager auf.

In der Nacht unter einem blauschwarzen Himmel hat Boldrino einen seltsamen Traum. In ihm sieht einen einsamen Wanderer in einer antiken Toga, der durch ein feindseliges Gebirge bis in ein Tal wandelt, das von den Schatten gewaltiger Berge verdunkelt wird. Schließlich tritt der Fremde in eine Höhle und findet darin eine mysteriöse Pforte, an der drei rötlich schimmernde Sonnen prangen. Dann leuchtet etwas auf. Das Licht wird schlagartig heller. Es brennt in den Augen und droht, sich durch seinen Leib zu fressen. Da erwacht Boldrino schreiend und schweißgebadet aus dem Schlaf. Von dem Alptraum noch immer ergriffen, beschließt Boldrino einige Schritte zu gehen und bemerkt dabei ein kleines Licht, das in der fernen Klosterruine zu flackern scheint. Als er seine Gefährten geweckt hat, ist das Licht jedoch bereits wieder erloschen.

Seit dieser Nacht leidet Boldrino unter plötzlichen Fieberschüben mit Schüttelfrost und diffusen Alpträumen. Die Gefährten sind kurz davor, ihre Rückreise nach Vinsalt anzutreten, als der in Pflanzenkundige bewanderte Lechdan auf der Suche nach Fieber lindernden Kräutern eine interessante Entdeckung macht. An den Südhängen des Tals findet er mehrere Höhleneingänge und einige zerfallene und von Dornenranken überwucherte Gemäuer, die schon seit Ewigkeiten nicht mehr bewohnt zu sein scheinen. Während der Dunklen Zeiten, klärt Ghiberto den Mönch auf, seien in schwer zugänglichen Tälern der Goldfelsen und Hohen Eternen immer wieder abgeschiedene Enklaven entstanden, in die sich geheime Mysterienkulte oder monastisch organisierte Glaubensgemeinschaften zurückgezogen hätten. Diese Höhlen scheinen Teil einer solchen Enklave gewesen zu sein. Am späten Nachmittag beschließt Ghiberto, zur Klosterruine von Varsincero hinaufzusteigen, um dem nächtlichen Lichtphänomen nachzugehen, das Boldrino beobachtet hatte. Während Lechdan bei Boldrino bleibt, folgt Ghiberto einen gewundenen Gebirgspfad zum ehemaligen Draconiterkloster. Als er durch den halb eingestürzten Torbogen schreitet, erblickt er zu seiner großen Überraschung im Klosterhof einen Ritter vom Heilig-Blut-Orden, der ihn verblüfft anschaut. „Horas zum Gruße! Ich bin überrascht, einen Bruder meines Ordens hier zu sehen“, sagt Ghiberto und stellt sich höflich vor. Der fremde Horas-Ritter mustert ihn mit misstrauischen Blicken. „Hat der Hexenmeister euch geschickt?“ sagt er schließlich. Eine lauernde Unsicherheit liegt in seiner Stimme. Ghiberto reagiert einige Augenblicke zu langsam, um seine Verblüffung über die Frage verbergen zu können. „Ihr wisst gar nicht, wovon ich spreche, nicht wahr?“ stellt der Ordensritter fest, um kurz darauf einige Schritte zurückzutreten und zu rufen: „Adlerklauen! Ergreift diesen Mann!“ Plötzlich erscheinen aus dem Gemäuer der nahe stehenden Gebäude vier Gestalten in schwarzen Umhängen, die Ghiberto an seine letzte Begegnung mit den Söhnen des Horas vor etwa einem Jahr erinnern. „Die geheime Bruderschaft“, faucht er wütend zu sich selbst, während in der Ferne eine ersterbende Sonne ihr letztes Licht in purpurroten Wogen über den Horizont ergießt.

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* zu den Turanitern siehe http://liebliches-feld.net/wiki/index.php/Turaniter
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Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM XIII: ANTE PORTA NOCTIS – VOR DEM TOR DER NACHT

Die Goldfelsen im Phex 1031 BF. Bis zum Abend wartet Lechdan an Boldrinos Lagerstatt auf Ghibertos Rückkehr. Nachdem bei seinem kranken Gefährten ein weiterer Fieberschub abgeklungen ist, macht sich der Mönch, von Sorge getrieben, auf die Suche nach Ghiberto. Vorsichtig erklimmt er den Berg und erspäht aus der Ferne zwei Gestalten in schwarzen Kapuzenumhängen, die auf den Mauerüberresten der Klosterruine stehen und mit ihren Blicken das Umland abzusuchen scheinen. Wer auch immer diese Männer seien, vermutet er, stehen sie doch sicher in einem Zusammenhang mit Ghibertos Verschwinden. Er versucht sich näher heranzuschleichen, als er plötzlich auf loses Geröll tritt und ein lärmendes Geräusch auslöst. Sofort wird er von den beiden Gestalten entdeckt, die daraufhin mit aufgeregten Rufen ihre Kameraden alarmieren. Einige Armbrustbolzen werden in seine Richtung abgeschossen, verfehlen jedoch in der Dunkelheit ihr Ziel. Lechdan rennt den Abhang herunter und sucht in einem nahen Waldstück Schutz vor den unheimlichen Fremden. Ein Blick zurück offenbart ihm, dass diese bereits die Verfolgung aufgenommen haben. Als sie ihn einzuholen drohen, gelingt es ihm, sich im letzten Augenblick hinter einem Findling zu verstecken. Ihm ist bewusst, dass er mit seinem feigen Verhalten gegen die praiotischen Prinzipien der Unbeugsamkeit und Offensichtlichkeit verstößt, doch wer sollte sich um den kranken Boldrino kümmern, wenn er sich seinen Häschern offenbaren und sich gefangen nehmen ließe? Als die Verfolger vorüber gegangen sind, fällt Bruder Lechdan auf, dass in den Felsstein dieselbe Sonne eingemeißelt ist, die auch auf dem Altarstein der Kapelle abgebildet ist. Es ist bereits dunkel, als er wieder bei Boldrino eintrifft, der zum ersten Mal seit dem Beginn des Fiebers wieder ansprechbar ist. Offenbar haben die Fremden ihn noch nicht entdeckt. Er setzt ihn auf sein Maultier und bringt ihn umgehend zu den Höhlen am Südhang des Tals, die er früher am Tage entdeckt hatte. Obwohl sie dort in Sicherheit zu sein scheinen, macht Lechdan kaum ein Auge zu und verbringt eine fast schlaflose Nacht an der Seite seines Gefährten.

Obwohl es Boldrino am nächsten Tag noch immer sehr schlecht geht, entscheidet sich Lechdan, rasch und möglichst unauffällig nach Balafûr zurückzukehren, um dort Hilfe zu holen. Die Männer von der Ruine scheinen nicht sehr zahlreich zu sein, denn sonst hätten sie schon längst versucht, das Tal abzuriegeln. Und so gelingt es Lechdan, Boldrino ohne Widrigkeiten aus dem düsteren Tal zu bringen. Einen Tagesmarsch von Balafûr entfernt werden Lechdan und Boldrino unversehens von einem halben Dutzend Heilig-Blut-Ritter umstellt. Der Anführer der Reiterschar ist jedoch niemand anderes als Teucras de Solstono, der sich erfreut zeigt, an diesem entlegenen Ort bekannte Gesichter zu sehen. Er sei auf der Suche nach seiner Nichte, einer jungen Praios-Geweihten namens Aleana de Solstono, die von Onjaro aus aufgebrochen war, um Gerüchten über Geister und verschwundene Menschen auf den Grund zu gehen. Da sie seither nicht wieder aufgetaucht ist, fürchtet Teucras, dass ihr womöglich etwas zugestoßen sei. Lechdan erzählt, dass sich Ghiberto vermutlich in der Gefangenschaft einer Gruppe bewaffneter Männer befindet, die sich in der Ruine des einstigen Draconiter-Klosters eingenistet hätten. Teucras verspricht ihm, alles in seiner Macht stehende zu tun, um Ghiberto aus den Klauen dieser Leute zu befreien, und überreicht ihm eine fieberlindernde Tinktur für Boldrino, bevor er seinen Leuten den eiligen Befehl zur Weiterreise gibt.

Während Lechdan und Boldrino Balafûr erreichen, harrt Ghiberto noch immer in dem Verlies unterhalb der Ruine aus, in das ihn die Söhne des Horas gesperrt hatten. Die letzten zwei Tage hatte er genutzt, um einen Stein aus der Wand herauszulösen. Als ihm einer seiner Kerkermeister Essen bringen will, stellt er sich bewusstlos und wartet, bis die Zellentür aufgeschlossen wird. Als sich der Mann über ihn beugt und leicht in die Seite tritt, kriegt Ghiberto seinen Fuß zu fassen, wirft ihn zu Boden und springt auf. Er ergreift den Stein und zertrümmert dem Verschwörer den Schädel. Etwas benommen und fast ein wenig erschreckt über die rohe Gewalt, zu der er fähig zu sein scheint, richtet er sich auf und öffnet mit dem Schlüsselbund des Toten die gegenüber liegende Zelle einer jungen und eingeschüchterten Praios-Geweihten, die sich ihm durch die Kerkergitter hindurch als Aleana vorgestellt hatte. Die Waffe des toten Wärters nimmt er eilig an sich. Kurz darauf stößt er auf einer unbeleuchteten Wendeltreppe mit einem weiteren Mitglied der geheimen Bruderschaft zusammen, das, von Geräuschen aufgeschreckt, nach dem Rechten sehen wollte. Geistesgegenwärtig sticht Ghiberto zu. Blut spritzt ihm entgegen und er vernimmt in der Finsternis nur das polternde Geräusch, mit dem sein Gegenüber zu Boden fällt und wenige Atemzüge später sein Leben aushaucht. Als er sich das Blut vom Gesicht wischt, stellt er verwundert fest, dass er anstelle von Reue eine seltsame Genugtuung empfindet.*

Oberhalb der Treppe gelangen sie in den Hort des einstigen Draconiterklosters, doch sind die Regale und Vitrinen, die wohl einst allerlei alte Schriften und okkulte Artefakte bargen, leer und verwaist. In einem weiteren Raum stellen sie fest, dass zwei hölzerne Regale zur Seite geworfen wurden und die Wand durchbrochen wurde. Die Söhne des Horas scheinen etwas in diesen Katakomben gesucht und womöglich auch gefunden haben. Ghiberto und Aleana steigen durch das Loch in der Wand und folgen einem langen Gang, der älter als das restliche Kloster zu sein scheint. Aus der Tiefe des Berges ertönen zunehmend lauter werdende Geräusche, denen Ghiberto und Aleana bis in eine größere Halle folgen, in der zwei Söhne des Horas dabei sind, ein gewaltiges metallenes Portal mit Spitzhacken zu bearbeiten. Unweigerlich kommt es zum Kampf. Ghiberto ruft seinem jungen Schützling zu, im Hintergrund zu bleiben, und nimmt es mit den beiden Gegnern auf. Obwohl diese zunächst den Vorteil ihrer Überzahl ausspielen und ihn in Bedrängnis bringen können, kann er schließlich das Blatt wenden. Einen der Männer verletzt er so stark, dass dieser zu Boden geht, den anderen wirft er in ein Stützgerüst, das laut krachend über ihn zusammenbricht. Erst dann können er und Aleana sich genauer in der Halle umsehen. An den Wänden erblicken sie Reste von Wandmalereien, die unter anderem eine Darstellung des Götterfürsten mit Falkenschwingen, Löwenkrallen und einer Aureole um das Haupt herum zeigen. Auffällig ist jedoch, dass der Gott zwei Gesichter zu haben scheint, von dem das eine jedoch mit einer Meißel unkenntlich gemacht wurde. Aleana weiss zu erzählen, dass im Tempel der Sonne zu Gareth eine Statue des zweigesichtigen Praios stehe, die aus der Zeit des alten Bosparanischen Reiches stammt. Gerade in den Dunklen Zeiten, in denen sich allerhand obskure Mischkulte und Irrlehren herausbildeten, seien Darstellungen des ‚Brajanos Bicephalos’ sehr beliebt gewesen.

Ungleich erstaunlicher ist jedoch das Tor, in dessen dunklen, massiven Metall die Spitzhacken der Söhne des Horas kaum eine Spur hinterlassen haben. Die gesamte Oberfläche ist von gegossenen Fratzen von ineinander verschlungenen und zum Teil schwer voneinander unterscheidbaren Himmel- und Höllengreifen übersät, die ihre gefiederten Hälse mal mit schmerzverzerrter Miene, mal bösartig funkelnd aus dem Metall recken. An drei Stellen befinden sich sternförmige, leicht rötlich glimmen Aussparungen, in Form von Sonnen. Was Ghiberto und Aleana auch unternehmen, es gelingt ihnen nicht, das Portal mit herkömmlichen Mitteln zu öffnen. Ratlos verharren sie eine Weile vor dem Tor, das sein Geheimnis schweigend vor ihnen verbirgt. Schließlich bleibt ihnen nichts anderes übrig, als umzukehren und einen Ausgang zu suchen. Als sie die Oberfläche erreichen, ist ein wilder Kampf im Gange. Im Gemenge entdeckt Ghiberto Teucras de Solstono, der mit weiteren Heilig-Blut-Rittern gegen die Söhne des Horas zu kämpfen scheint. Ghiberto gibt Aleana in die Obhut ihres Onkels und verfolgt den abtrünnigen Horas-Ritter, der ihn vor drei Tagen ins Verlies geworfen hatte, über Mauerstücke bis zum Dach eines ausgebrannten Wehrturms. Doch Ghiberto ist durch die Kerkerhaft und die vorangegangenen Kämpfe zu geschwächt, um gegen den Verschwörer bestehen zu können. Mit einem heftigen Streich fügt er seinem Gegenüber eine schwere Wunde zu, doch dieser beißt die Zähne zusammen und bedrängt Ghiberto mit schnellen Hieben. Schließlich wird der Heilig-Blut-Ritter von einem kräftigen Hieb getroffen. Benommen taumelt er zurück, seine linke Hand an die blutende Wunde gepresst. Da ergreift der Sohn des Horas einen schweren Schemel und schlägt ihn mit aller Kraft gegen den Verwundeten. Ghiberto fällt mehrere Schritt tief und landet krachend auf dem morschen Holzdach des einstigen Gesindehauses, das seinen Sturz auffängt.

Als Ghiberto wieder zu sich kommt, ist die Schlacht geschlagen. Die Horas-Ritter unter Teucras de Solstono haben gesiegt, doch der Anführer der Bruderschaft ist geflohen. Einige Söhne des Horas konnten gefangen genommen werden und sollen verhört werden. Offenbar scheint das mysteriöse Portal in den Kavernen unterhalb des Klosters der Grund für ihr Treiben hier zu sein, doch was sie sich von dem Fund erhofften, kann ihnen wohl nur der geflohene Anführer verraten. Teucras berichtet auch von seinem Treffen mit Bruder Lechdan und dem kranken Boldrino, die sich vermutlich zur Zeit noch in Balafûr aufhalten.

Ghiberto braucht drei Tage, um wieder zu Kräften zu können. Am selben Tage, an dem er sich zum ersten Mal von seiner Lagerstatt erhebt, erreicht auch Lechdan die Ruine. Boldrino leide zwar noch immer am Fieber, doch sei er bereits auf dem Weg der Besserung und befinde sich in guten Händen. Ghiberto führt den Hütermönch zu dem geheimnisvollen Portal, das Lechdan lange Zeit ungläubig anstarrt. So etwas habe er noch nie gesehen, sagt er und setzt hilflos hinzu, dass er auch in keine Schrift kenne, die ein solches Tor auch nur erwähnen würde. Ratlos verharren sie gemeinsam eine Weile vor dem Tor, das sein Geheimnis schweigend vor ihnen verbirgt, und fragen sich, ob der Heilige Quanion gar womöglich auch einst vor diesem Tor stand. Und auch die Draconiter, vermutet Ghiberto, hätten wohl ihr Kloster nicht rein zufällig auf diesem Berg errichtet. Vielleicht wüssten sie mehr über das Geheimnis dieses Ortes. Bruder Lechdan wirft auch die Frage auf, ob das Tor mit seinen Greifen- und Irrhalkendarstellungen möglicherweise in einem Bezug zur Prophezeiung des Falkenkönigs steht, in der vom mythischen Ersten Volk des Götterfürsten die Rede war: „Doch ihre Zeit endete. Ihr Urteil fiel. Ihr Licht erlosch. Auch sie stürzten herab. Auf ihren Spuren werdet ihr schreiten – doch nicht, wo ihr weg begann, sondern dort, wo er endete.“ Gemäß der Offenbarung der Sonne, deren Niederschrift durch den Alveraniar Urischar inspiriert wurde, wurde das Ende der Aurischaner durch ein Urteil des Götterfürsten beschlossen, in dem er jene, die eine reine Seele hatten, zu Greifen erhob und jene, die gegen ihn aufbegehrten, in die Dunkelheit der Niederhöllen verstieß, wo sie zu Irrhalken wurden. Es sei wohl kaum ein Zufall, dass die Gefährten durch die Spur des Heiligen Quanion an diesen geheimnisvollen Ort geführt wurden. Verbergen sich also hinter dem Tor womöglich Hinweise auf Praios’ Erstes Volk? Wenn dies der Fall ist, dann müsste man diesem Geheimnis auf die Spur kommen, bevor es die Söhne des Horas tun. Denn sie scheinen eigene Pläne zu verfolgen, die bestimmt nicht zum Wohle des Reiches und der Gemeinschaft des Lichts sind.

Inzwischen liegen die ersten Geständnisse der gefangen genommenen Sektierer vor. Viel wissen sie nicht zu berichten, nur dass sie den Auftrag hatten, unterhalb der Klosterruine nach einem verloren geglaubten Geheimnis zu suchen, das, wie ihnen gesagt wurde, die Jahrhunderte alten Lügengespinste, mit denen die Göttlichkeit des Horas von eifersüchtigen Kirchenprälaten geleugnet wurde, mit einem gewaltigen Streich vom Tisch fegen werde. Den Anführer der Expedition kennen sie nur unter der Bezeichnung ‚Ritter der Abendsonne’. Da die einfachen Mitglieder der Bruderschaft in von einander unabhängig operierenden Zirkel organisiert sind, können sie auch keine Angaben über weitere Verschwörer machen. Drei Hirten, die in der Ruine ihr Lager aufschlagen wollten, hatten sie in den vergangenen Wochen umgebracht, was schließlich die Geweihte Aleana auf den Plan gerufen hätte. Der Anführer hatte Skrupel, die Geweihte ebenfalls zu töten und sandte eine Nachricht an den sogenannten ‚Hexenmeister’ in Vinsalt, von dem er direkte Weisung erhält, um zu erfahren, wie mit der Frau zu verfahren sei.

Am nächsten Tag führt Lechdan Ghiberto zu dem Findling, den er während seiner Flucht entdeckt hatte, und ruft sich den Pilgerbericht ins Gedächtnis, der von einem Rundgang entlang mehrerer Steine mit einem Sonnenbild gesprochen hatte. Jeder Stein symbolisierte eine Station des Rundgangs, bei der die Pilger ein kurzes Gebet sprachen. Und tatsächlich finden sie bald weitere Steine, Säulen und Mauerreste mit eingemeißelten, zum Teil jedoch bereits sehr verwitterten Sonnensymbolen. Einige von ihnen sind umgestürzt, andere von Moos überwuchert, viele sind jedoch noch intakt. Auffällig ist, dass sie mit ihrer Anordnung einen geschlossenen Kreis bilden, der von der Kapelle einmal um den Berg mit der Ruine und auf der anderen Seite wieder zurück zur Kapelle führt. Wenn Lechdans Vermutung stimmt, dass es der Heilige Quanion selbst war, der die Sonnenbilder in die Steine eingemeißelt hatte, liegt der Verdacht nahe, dass der Pilgerrundgang in einem Zusammenhang mit den Kavernen unterhalb der Ruine in einem Zusammenhang steht. Möglicherweise wollte der Heilige mit den Steinen ein Zeichen setzen, dass der Ort unterhalb der Ruine unter der besonderen Aufmerksamkeit des Götterfürsten steht.

Gemeinsam mit den Heilig-Blut-Rittern kehren Ghiberto und Lechdan schließlich nach Balafûr zurück, wo sie ein mittlerweile wieder zu Kräften gekommener Boldrino empfängt. Als dieser von dem geheimnisvollen Portal unterhalb der Ruine erfährt, fühlt er sich an seinen Traum erinnert, in dem er einen einsamen Wanderer vor einer gewaltigen Pforte gesehen hatte, an der drei strahlende Sonnen prangten. Doch dieser Wanderer trug die Gewandung der alten Bosparaner. Wenn man dem Traumgesicht glauben wollte, dann fand schon lange vor dem Heiligen Quanion jemand das mysteriöse Greifentor. In den letzten Tagen des Phex erreichen die Gefährten gemeinsam mit Aleana, Teucras und den anderen Heilig-Blut-Rittern schließlich die Stadt Vinsalt. An der Seite von Teucras de Solstono treten sie vor Staryun Loriano und berichten ihm von ihrer Suche nach der Kapelle, dem unseligen Treiben der ketzerischen Horas-Bruderschaft und dem Fund des mysteriösen Portals. Der Luminifactus reagiert begeistert und besorgt zugleich: Einerseits habe der Heilige Quanion habe den Menschen einen Zeichen gesandt. Gewiss werde die Kapelle in Zukunft Scharen von Pilgern in die Lande des Horas locken, doch zunächst solle die Existenz des Tales vorsichtshalber geheim gehalten werden, bis man wisse, was es mit dem Portal und den Plänen der Söhne des Horas auf sich hat. Während er Teucras den Auftrag erteilt, weitreichende Untersuchungen innerhalb des Heilig-Blut-Ordens anzustellen, um nach weiteren Anhängern der häretischen Bruderschaft zu suchen und die Identität des geflohenen ‚Ritters der Abendsonne’ festzustellen, beauftragt er Ghiberto, Boldrino und Lechdan, alles daran zu setzen, um das Geheimnis des Portals zu lüften.

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* Ghibertos Verführungspunkte steigen um 1 auf insgesamt 4, wodurch sich seine schlechte Eigenschaft Rachsucht temporär auf einen Wert von 13 erhöht.

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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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INTERLUDIUM: COMITOR

Die Luft war stickig und feucht. Es tropfte von der Decke und irgendwo huschten zwei Ratten durch die Düsternis der Halle, die nur von einigen vereinzelten Kerzen erhellt wurde. Die Thermen des Olruk-Horas waren ein geheimer Ort, zu dem nur eine Handvoll Eingeweihter Zugang hatte. Hier, tief unter dem Kaiserkopf, jenem Hügel, von dem einst die prachtvolle Zitadelle der Horaskaiser auf das hundertürmige Bosparan herabblickte, konnte man sich treffen, ohne ungebetene Gäste oder die Anwesenheit heimlicher Lauscher fürchten zu müssen.

Eilige Schritte hallten durch das alte Gemäuer und kamen vor einem steinernen Thron, in dem eine Gestalt in dunklem Ornat und mit einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze saß, abrupt zum Stehen.

„Laudetur Horas!“

„In aeternum.“

Von den Seiten blickten die Standbilder der alten Horaskaiser aus ihren strengen Marmoraugen auf den Neuankömmling herab, der sich vor der Gestalt auf dem Thron verbeugte und den Ring an der Hand küsste, die ihm sein Gegenüber entgegenstreckte.

„Nun Urras, sicherlich fragst du dich, warum ich dich kommen ließ.“

„Ich nehme an, es geht um die Operation in den Goldfelsen.“

Sein Gegenüber schaute ihn belustigt an: „Du versucht nicht einmal, dein eigenmächtiges Handeln vor mir zu verbergen?“

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass dies Euren Blicken entgangen sein könnte, oh Feuerfalke.“

„Und weiter hast du mir nichts zu sagen? Du weißt, was mit jenen geschieht, die meinem Willen zuwider handeln. Ich schätze keine Hexenmeister, die ihre eigenen Süppchen kochen.“ Die Gestalt beugte sich vor und fixierte seinen Untergebenen mit zu Schlitzen verengten Augen. Seine Stimme nahm einen bedrohlichen Tonfall an. „Du bist meine Kreatur, Urras. Ich habe dich geschaffen und kann dich genauso gut wieder zurück in den Staub werfen. Deine Aktionen haben der Bruderschaft geschadet, mehr als du dir vielleicht vorstellen kannst. Durch deine Unachtsamkeit und Voreiligkeit haben wir viele Adlerklauen verloren. Loriano hat seinen Bluthund auf uns angesetzt und...“

„Und was?“

Urras’ Stimme hatte etwas unangemessen Bedrohliches, etwas beinahe Aufmüpfiges, das dem Feuerfalken – dem verhüllten Oberhaupt der Söhne des Horas – den Atem verschlug.

„Du!“ Er rang nach Worten. „Ich glaube, es mangelt dir an Respekt.“

„Ich glaube“, entgegnete Urras mit unbewegter Miene, „dass die Bruderschaft viel zu lange durch die Fesseln eurer Ängstlichkeit gelähmt wurde. Seit Jahrzehnten spielt Ihr ein Spiel der Schatten, verkriecht Euch in der Dunkelheit, während unsere Feinde im hellen Licht des Tages ihre Triumphe feiern. Euer Mangel an Tatkraft und Entschlossenheit ist Verrat am Willen des göttlichen Horas – und seinen geheimen Lehren. Doch der Wind hat sich gedreht. Es wird Zeit, dass die Söhne wieder die Initiative übernehmen und die Ketzer und Zweifler zurück in ihre Schranken verweisen.“

„Offene Worte, wie tapfer! Du sprichst wie ein zum Tode Verurteilter, der nichts mehr zu verlieren hat, weil er bereits die Schlinge des Galgens um seinen Halse spürt. Aber nun sage mir, wenn du schon wie ein bissiger Köter gegen mich aufbegehrst, wie willst du die Söhne aus den Schatten führen, ohne uns alle der harten Hand der Obrigkeit preiszugeben?“

„Nicht ich werde die Bruderschaft aus den Schatten führen“, antwortete Urras.

Der Feuerfalke blickte ihn fragend an. „Wer dann?“

Urras drehte sich zur Seite und gab den Blick frei auf eine weitere Gestalt, die die gesamte Zeit unbemerkt im Schatten gewartet hatte.

„Ich“, sagte eine Stimme, die fremd und rau klang.

Der Feuerfalke kniff abermals die Augen zusammen. Langsam glitt das Antlitz des Fremden aus der Finsternis, die es verborgen hatte, hinein in das flackernde Licht der Kerzen. Nach und nach tauchten aus dem Meer des Schattens die Gesichtszüge eines Unbekannten empor: Ein Paar schillernd grüne Augen, buschige Augenbrauen, hohe Wangenknochen, eine stolze Adlernase, wie man sie von alten Kaiserbüsten kennt. Und vom Kinn bis hin zum rechten Ohr zog sich eine schmale, rote Narbe.

„Wer bist du?“ Die Stimme des Feuerfalken überschlug sich.

„Nun, wenn wir uns schon duzen, dann nenn mich doch einfach Comitor.“

„Comitor, Comitor“, wiederholte der Feuerfalke mit nachdenklicher Stimme. Und seine ratlose Miene erfror zu einer Maske des Schreckens, als er plötzlich des Stabes gewahr wurde, den der Unbekannte in seinen Händen hielt. „Comitor von Belhanka?“

„Ebendieser.“

Die beiden starrten sich für einen Augenblick an, dann erhob der Fremde unvermittelt seinen Stab und rief in einer unbekannten, kehlig und kratzig klingenden Sprache die Macht seines unheiligen Gottes an. Mit dem Stab deutete er auf den Boden zwischen sich und dem Feuerfalken. Und wie der Stab den Boden berührte, drangen aus allen dunklen Ecken und Winkeln der alten Halle Scharen von Ratten. Hundertfach krochen sie auf ihr Opfer zu, dessen ganze Gestalt sich vor Schrecken in den ehernen Thron zu verkriechen schien.

„Warum?“ stöhnte er mit aufgerissenen Augen und schlaff herunterhängendem Kiefer, als sich die ersten Scheidezähne in sein Fleisch bohrten. Doch der Archon von Naaghot-Shaar blieb ihm die Antwort schuldig.
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Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM XIV: LEGATUM ANNI – DAS VERMÄCHTNIS DER JAHRE

Vinsalt im Peraine 1031 BF. Trotz aller Bemühungen verlaufen zunächst alle Nachforschungen über die Hintergründe des geheimnisvollen Portals, auf das die Lichtsucher in den Goldfelsen gestoßen waren, im Sande. In den zahlreichen Vinsalter Bibliotheken scheint es kein einziges Dokument zu geben, das einen solchen Ort auch nur erwähnen würde. Auch zu den Darstellungen des zweigesichtigen Praios bleiben die Hinweise eher dünn. Die Gefährten können lediglich herausfinden, dass die Statue im Tempel des Lichts zu Gareth zu Zeiten des Priesterkaisers Noralec Praiowar I. aus einem alten bosparanischen Tempel unbekannter Lage geborgen und nach Gareth gebracht wurde. Der offiziellen Deutung zufolge handelt es sich um eine Darstellung des Gottes als Himmlischer Richter, der Licht von Dunkelheit scheidet: Ein Gesicht zum Licht gewandt, wo er den Frommen und Seeligen seine Gnade schenkt, das andere zur Finsternis, wo sein brennender Zorn die Frevler und Dämonen trifft.

Auch im Hesinde-Tempel könne die Gefährten kaum etwas in Erfahrung bringen. Entweder wussten die Draconiter nichts von der Existenz des Portals oder sie wussten ihre Kenntnisse gut zu verbergen. Allerdings teilt ihnen ein Hesinde-Geweihter mit, dass das Klostergebäude schon existierte, bevor es von den Draconitern bezogen wurde. Der obskure Mönchsorden der Daradoriten, von dem es heißt, dass seine Mitglieder verzweifelt nach Mitteln forschte, um Madas Frevel vom Antlitz der Welt zu bannen, besaß dort bis weit ins 9. Jahrhundert hinein eine Abtei. Doch im Jahre 874 nach Bosparans Fall wurde die Abtei nach einem folgenschweren, jedoch in den Chroniken nicht näher beschriebenen Vorfall verlassen. Einigen wenig glaubwürdigen Berichten zufolge seien die Mönche von den Dämonen der Niederhöllen heimgesucht worden und hätten sich im Wahn selbst umgebracht. Fast hunderfünfzig Jahre später wurde schließlich auch das letzte noch verbliebene Kloster des Darador-Ordens bei Onjaro von einem wütenden Lindwurm vollständig zerstört. Seither gilt die Gemeinschaft als ausgelöscht. Als der hesindegefällige Draconiter-Orden im Jahre 1011 nach Bosparans Fall gegründet wurde, bestand unter seinen Mitgliedern ein erhebliches Interesse daran, die Vermächtnisse untergegangener Drachenorden aufzuspüren. Infolgedessen bezogen die Draconiter schließlich die leerstehende Klosterruine in den Goldfelsen, bauten sie aus und tauften den neuen Ordenssitz Varsincero.

Ende Peraine machen die Gefährten in einer weiteren Chronik des 9. Jahrhunderts eine interessante Entdeckung. Offenbar hatte sich vor etwa 150 Jahren schon einmal jemand für die Kapelle des Heiligen Quanion interessiert. Niemand geringeres als Belforano di Vianeï, ein Vorfahre Ghibertos und umstrittener Wahrer der Ordnung und Großsiegelbewahrer zur Zeit Salman des Blutigen*, soll damals fieberhaft nach ungewöhnlichen Vorkommnissen und Erscheinungen in den Goldfelsen gesucht und den Orden der Daradoriten im Jahre 873, also kurz vor der Aufgabe ihres Klosters, mit umfassenden Nachforschungen beauftragt haben. Gemeinsam rätseln sie, warum gerade die Goldfelsen in das Blickfeld des Luminifactus geraten waren, und vermuten, auf eine womöglich entscheidende Spur zur Lösung des Rätsels gestoßen zu sein. Ghiberto weiß zu berichten, dass die Nachwelt seinem Ahnen allerhand düstere Verbrechen nachsagt und ihm vorwirft, sein geistiges Amt mit dem Machtverständnis eines weltlichen Fürsten ausgeübt und dabei nicht einmal vor Mord zurückgeschreckt zu haben. Doch waren die Zeiten damals andere als heute, und vieles, was man Belforano anlastet, so habe ihm sein Onkel Adaon immer wieder erzählt, ließe sich leicht auf das Lügennetz seiner zahlreichen Feinde zurückführen, die er sich durch seine unpopulären Maßnahmen zugezogen hatte. Und für sein eigenes Geschlecht, das stehe unzweifelhaft fest, habe er viel getan: Indem er seine Verwandten mit umfangreichen Ländereien begünstigte, die er im Zuge der Urbasischen Fehde der Landherrin Rahjada von Urbet abgerungen hatte, seien die Vianeï schließlich zu einer der vornehmsten Familie Siburs aufgestiegen.

Während Ghiberto durch seine Pflichten in Vinsalt gebunden sieht, begeben sich Bruder Lechdan und Boldrino Anfang Ingerimm nach Sibur, um Adaon di Vianeï von ihrer Entdeckung zu unterrichten. Dieser gewährt ihnen bereitwillig Zugang zu der Bibliothek des Palazzo Vianeï, wo sie nach weiteren Anhaltspunkten suchen, die ihnen Aufschluss über die Hintergründe von Belforanos Interesse an der Kapelle geben könnten. Bei der Durchsicht alter Briefe finden sie schließlich ein Schreiben von Belforanos Neffen an seine Schwester, in dem es um die Aufteilung der Erbschaft nach dem Tod des Wahrers der Ordnung geht. Darin argwöhnt der Neffe, dass Belforano einen Teil seines gescheffelten Vermögens an den Orden der Daradoriten vermacht habe. Einige Monate vor seinem Tod sei eine vollbepackte Kutsche gen Onjaro aufgebrochen, und mit ihr womöglich gewaltige Reichtümer. In einem Antwortschreiben versucht ihn die Schwester zu beschwichtigen und schreibt, dass die Wagenladung lediglich aus einigen Büchern, persönlichen Notizen und einem alten Andachtsbild bestanden habe, sich jedoch nichts von großem Wert darunter befunden habe. Ihrem Onkel sei es lediglich darum gegangen, diese Gegenstände nicht in die Händen seiner Gegner innerhalb der Kirche fallen zu lassen. Da er die Daradoriten immer sehr großzügig gefördert hatte, besäße er viele Freunde in den Reihen des Ordens und habe ihm deshalb seine ‚geistige Hinterlassenschaft’ anvertraut. Da alle Spuren nach Onjaro verweisen, machen sich schließlich Boldrino und Lechdan ins südliche Aurelat auf, um den Hinweisen nachzugehen.

Am 12. Ingerimm erreichen Boldrino und Lechdan das beschauliche Städtchen am Onjet, wo sie in den nahen Ruinen Klosters Sanct Darador, das vor Jahren durch das Feuer eines in der ganzen Baronie wütenden Lindwurms mitsamt seinen Bewohnern zerstört wurde, nach weiteren Hinweisen suchen wollen. Doch die rußgeschwärzten Gemäuer des Klosters haben ihr Geheimniss mit ins Grab genommen. Ein Bauernjunge, der im Schatten der einstigen Abtei seine Schafe hirtet, gibt Boldrino und Lechdan den Hinweis, dass die Turaniter sicher mehr wüssten. Denn die dienstbeflissenen Mönche, so seine Worte, wüssten schließlich alles, was sich diesseits und jenseits der Wolkendecke zutrage. Zwei Tage später Lechdan und Boldrino treffen im Kloster des Heiligen Ageriyano della Turani ein und bitten um die Gastfreundschaft des Ordens sowie, unter Berufung auf Adaon di Vianeï, um Einblick in das Ordensarchiv. Der griesgrämige Archivar, Frater Broderico, zeigt sich über ihre Ankunft wenig erfreut, weil er seit einigen Wochen damit beschäftigt ist, Ordnung in das klösterlich Schriftgut zu bringen.

Zum ersten Mal seit dem erschütternden Selbstmord Anselmo Cortanis und dem Kampf gegen den Höllengreifen spürt Boldrino wieder so etwas wie Friede in seinem Herzen. Auch Lechdan lässt das karge, aber auch beschauliche Klosterleben innerlich zur Ruhe kommen. Doch eines Nachts endet jäh der besinnliche Klosterfrieden, als Boldrino und Lechdan durch laute Rufe aus dem Schlaf gerissen werden. Gemeinsam mit den anderen aus ihren Wohnzellen eilenden Ordensleuten folgen sie dem Lärm bis zum Innenhof der Abtei, wo sie im Schein der Laternen den Leichnam des jungen Mönchs Lessandero erblicken. Mehr als einmal war ihnen der freundliche Ordensbruder bei ihren Nachforschungen in der Bibliothek behilflich gewesen und nun liegt er mit durchgeschnittener Kehle auf dem kalten Stein des Klosterhofs. Als sich die Aufregung allmählich legt und einige herbeigeeilte Knechte den Leichnam wegschaffen, um ihn zu waschen und für die Totenmesse vorzubereiten, treffen sich für einen Moment die Blicke Lechdans und Brodericos. Der Hüter glaubt aus der wenig überraschten Miene des Archivars so etwas wie Genugtuung herauslesen zu können und weiht Boldrino in seinen Verdacht ein, der sich ebenfalls vornimmt, den Archivar im Auge zu behalten.

Nachdem die versammelte Ordensgemeinschaft während der Morgenmesse des verstorbenen Ordensbruders gedacht hat, beauftragt die greisenhafte Äbtissin Baldura Aralzin, eine Base der vor zehn Jahren verstorbenen Gräfin Udora, Frater Ucurian di Tolfiano, der dem inquisitorischen Zweig des Ordens angehört, mit der Ermittlung des Mordfalls. Umgehend beginnt Ucurian mit einer eingehenden Befragung aller Klosterbewohner einschließlich Boldrinos und Lechdans. Als Lechdan zu spätere Stunde einen Blick auf den in der Krypta aufgebahrten Toten werfen will, begegnet er einem Mönch namens Curthan, den er in den Tagen zuvor oft in Begleitung Lessanderos gesehen hatte und der nun für ihn Totenwache hält.

Während Lessanderos Totenmesse sorgt das verspätete Erscheinen des Archivars für Raunen in den Reihen der einfachen Ordensleute sowie für strenge, missmutige Blicke auf der Miene der Äbtissin. Lechdan fällt jedoch auf, das auch jemand ganz anderes fehlt: Bruder Curthan, den er nirgendwo erblicken kann, obwohl dieser doch die ganze Nacht dem Toten keinen Schritt von der Seite gewichen ist. Kaum ist der Gottesdienst vorbei, suchen er und Boldrino in dem ganzen Kloster vergeblich nach dem Turaniter und finden erst nach stundenlanger Suche seinen zerschmetterten Leib im Klostergraben. Die Aufruhr ist groß, als sich die Nachricht von einem weiteren Toten im Kloster herumspricht. Umgehend und vor der versammelten Gemeinschaft knüpft sich Ucurian Frater Broderico vor, da sich dieser durch sein verspätetes Erscheinen bei der Totenmesse verdächtig gemacht habe. Mit kalten Augen und unbewegter Miene tadelt jedoch Broderico den jugendlichen Leichtsinn des Inquisitors tadelt und erklärt, dass er schon lange vermutet habe, dass Lessandero und Curthan eine geheime Liebschaft miteinander führten. Von grässlicher Leidenschaft und lasterhafter Fleischeslust spricht der Archivar, durch die sich die beiden Mönche von ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Orden und dem Herrn des Lichts zu dienen, schon vor langer Zeit entfernt hätten. Offenbar habe es Eifersüchteleien gegeben, vielleicht hatte sich Lessandero einen anderen, hübscheren Gespielen geholt, mit dem der zwanzig Jahre ältere Curthan nicht mehr mithalten konnte. Vielleicht plagte den Mörder auch das schlechte Gewissen vor Praios, das ihn zu der blutigen Tat getrieben habe. Um dem auf den Grund zu gehen, hatte sich Broderico in der letzten Nacht Zugang zu Lessanderos ehemaliger Wohnzelle verschafft und hatte Curthans in unzähligen Briefen festgehaltene Liebesschwüre sichergestellt. Kurz vor der Totenmesse habe er den Mönch schließlich mit den Briefen konfrontiert. Darauf sei dieser schlagartig blass geworden. Zuerst habe er Broderico verflucht, dann angefleht, zwischendurch wie ein Irrer gelacht und schließlich wieder beschimpft. Broderico habe Curthan bis zum Ende der Totenmesse Zeit gegeben, vor der Äbtissin ein Geständnis über den Mord an seinem Liebhaber abzulegen. Offenbar habe er jedoch einen anderen Ausweg gefunden, schließt der Archivar mit hämischer Miene seinen Bericht. Nach einer eingehenden Vernehmung unter Ausschluss der Klostergemeinschaft erklärt Ucurian den Fall für erledigt. Er hatte Curthan bereits verdächtigt, weil dieser für die mutmaßliche Tatzeit kein Alibi vorweisen konnte. Lessanderos Mörder habe sich, niedergedrückt von der Schuld seiner Tat, offenbar selbst gerichtet und damit Praios’ Urteil vorweggenommen.

Während der nächsten Tage geraten Lechdan und Boldrino bei ihren weiteren Nachforschungen in der Klosterbibliothek immer wieder mit Broderico aneinander. Fast scheint es, als versuche der Archivar fieberhaft einen Vorwand zu kreieren, mit dem er die Äbtissin dazu bringen könne, die beiden aus dem Kloster zu werfen. Auch scheinen die Turaniter bereits nach kurzer Zeit die beiden Todesfälle schon fast wieder vergessen zu haben. Während der gemeinsamen Mahlzeiten im Refektorium fällt Boldrino auf, dass allein schon die bloße Erwähnung der Toten bei den Brüdern und Schwestern des Ordens nichts als kaltes Schweigen und missmutige Blicke hervorruft. Im Klostergarten werden Boldrino und Lechdan schließlich von einem fettleibigen Mönch namens Aurimo angesprochen, der sich bitterlich über das Schweigen seiner Klosterbrüder beklagt. Auch könne er der Geschichte des Archivars keinen Glauben schenken, selbst wenn die Briefe belegen, dass die beiden Toten in Liebe einander zugewandt waren. Curthan habe nicht einmal einer Fliege etwas zu leide tun können, wie hätte er dann seinen Geliebten ermorden können? Auch teilt Aurimo den beiden Geweihten mit, dass Broderico vor vierzehn Jahren in das Kloster eintrat und von der Äbtissin sofort die Stelle eines Hüters des Inquisitionsarchivs und klösterlichen Schriftguts erhielt, wobei es sich um eine sehr ungewöhnliche Berufung gehandelt habe. Seither habe er niemandem auch nur eine Einzelheit aus seinem früheren Leben erzählt. Nach ihrer Begegnung mit Frater Aurimo versuchen Lechdan und Boldrino näheres über die Beziehung zwischen Curthan und Lessandero herauszufinden. Dabei können sie in Erfahrung bringen, dass Lessandero einige Tage vor seinem Tod an einer Abschrift der Offenbarung der Sonne des Heiligen Arras de Mott gearbeitet hatte. Allerdings verschwand die angefangene Abschrift von Lessanderos Arbeitsplatz im Scriptorium und wurde erst später unter den persönlichen Hinterlassenschaften des toten Curthan gefunden. Aus irgendeinem Grund, so schließen sie, müssen sich die beiden kurz vor ihrem Tod über die Schrift ausgetauscht haben.

Am nächsten Tag wirkt Bruder Aurimo seltsam verstört und scheint, Lechdan und Boldrino absichtlich aus dem Weg gehen zu wollen. Als Lechdan ihn nach der Abendandacht ansprechen will, wiegelt er ab und eilt mit schnellen Schritten in Richtung seiner Wohnzelle. Erst in der Nacht erhalten sie ein Zeichen des Mönchs, als ein Zettel unter ihrer Tür hindurchgeschoben wird, auf dem steht: „Ich habe eine Spur gefunden. Wartet morgen nach der ersten Andacht in den Stallungen auf mich. Doch bedenkt, dass wir alle in großer Gefahr sind! Aurimo.“ Während der Morgenandacht fällt Boldrino und Lechdan auf, dass Aurimo nicht zum Gottesdienst erschienen ist. Sie ahnen böses, als sie kurz darauf die Stallungen aufsuchen. In einem Futtertrog finden sie ihn schließlich. Seine Pulsadern wurden aufgeschnitten, mit weit aufgerissenen Augen badet der Unglückliche in seinem eigenen Blut. Obwohl augenscheinlich alles auf einen Selbstmord hinzudeuten scheint, glauben Lechdan und Boldrino fest daran, dass der Mönch ermordet wurde. Den Beweis dafür finden sie am Hinterkopf des Toten, wo sie eine Platzwunde entdecken. Offenbar hatte der Mörder sein Opfer von hinten bewusstlos geschlagen, in den Trog gelegt, die Innenseiten der Arme aufgeschlitzt und ein Messer hinzugelegt, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Lechdan beharrt darauf, die Leiche zu untersuchen, bevor die anderen Ordensleute von dem Tod erfahren, und findet schließlich zwischen Aurimos verkrampften Fingern eine kleine Notiz, die ihm ein Rätsel aufzugeben scheint: „AM CI.“ Während sich der scheinbare Selbstmord des Mönchs blitzschnell herumspricht, kommt Lechdan auf eine Idee: Das Kürzel AM könnte für den Heiligen Arras de Mott, die bosparanische Zahl CI für eine Seitenangabe stehen. In der Nacht schleicht er sich in die leere Wohnzelle des toten Curthan und entwendet die Abschrift der Offenbarung der Sonne, die Lessandero angefertigt hatte. Zurück bei Boldrino schlägt er sie bei Seite 101 auf. Nachdem er dort jedoch nichts Auffälliges findet, vergleicht er die Seite mit seiner eigenen Ausgabe der Offenbarung der Sonne und stellt fest, dass die beiden Versionen in einzelnen, über die ganze Seite verteilten Wörtern voneinander abweichen. Lessandero musste bei der Abschrift auf diese Ungereimtheiten gestoßen sein und sich darüber mit Curthan ausgetauscht haben. Deshalb gab er ihm seine eigene Abschrift zum Lesen. Sogleich notiert sich Lechdan die abweichenden Wörter, die aneinandergereiht eine versteckte Botschaft ergeben: „Sie wollen, dass Vergessenes vergessen bleibt. Doch wem nutzen eingemauerte Geheimnisse? Hinter dem Antlitz des knienden Herrschers ist verborgen, was der Alte so eifersüchtig hütet. Herbald“ Boldrino und Lechdan können sich erinnern, dass im obersten Stock des Bibliotheksarchivs ein Wandteppich hängt, das den Kaiser Silem-Horas in kniender Gebetshaltung zeigt, und nehmen sich vor, in der nächsten Nacht in das Gebäude einzudringen, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Nachdem den ganzen Tag über das Praiosmal von schweren, grauen Wolken verdeckt war, zieht zum Abend hin ein schweres Unwetter auf und entlädt sich in Regen, Blitz und Donner. Boldrino und Lechdan können im Gespräch mit einigen Turanitern herausfinden, dass Herbald der Name eines Ordensbruders aus Phecadien ist, der vor etwa zehn Jahren auf unerklärliche Weise ums Leben gekommen war. Nach der Abendandacht fällt Boldrino auf, dass Bruder Broderico aufgeregt auf Ucurian einredet und dabei immer wieder verstohlen in seine und Lechdans Richtung blickt. Ungeachtet dessen schleichen sie Nachts über den Klosterhof zum Scriptorium, wo sich auch das Archiv befindet. Sie passen den Moment ab, in dem ein lautes Donnergrollen aufzieht, um mit einer Spitzhacke, die sie zuvor im Klostergarten gefunden hatten, das Butzenglasfenster einzuschlagen und sich dadurch Zugang zum Gebäude zu verschaffen. In der Bibliothek angekommen, lüften sie bald darauf den Silem-Horas-Wandteppich und entdecken dahinter eine mit Putz, Mörtel und Steinen verschlossene Wandnische.

Nachdem sie begonnen haben, die Steine zu lösen, vernehmen sie plötzlich schlurfende Geräusche, die vom Erdgeschoss herkommen. Offenbar hat jemand den Einbruch bemerkt. Kurz darauf stoßen sie auf mehrere verstaubte Folianten und ein Gemälde, das mit einem schmutzigen Tuch bedeckt ist. Doch noch während sie ihren Fund begutachten, erscheint hinter ihnen Bruder Broderico mit einem wuchtigen, brennenden Kandelaber in der Hand. Das Licht der Kerzen hüllt sein Gesicht in ein bösartig flackerndes rotes Licht, als irgendwo in der Ferne ein Blitz niederfährt. Sie hätten ein verbotenes Siegel gebrochen, faucht er mit funkelnden Augen, das Siegel eines dunklen Geheimnisses, das er zu hüten geschworen habe. Ein Donnergrollen ertönt und scheint die Worte des Archivars zu unterstreichen. Als sich Lechdan und Boldrino weigern, ihren Fund preiszugeben, entzündet er mit dem Kandelaber mehrere Schriftrollen, die augenblicklich Feuer fangen, und ruft zornig, dass er dann eben sein Geheimnis mit in die Niederhöllen nehmen werde. Während die Flammen um sich schlagen, geht der Mönch langsam und höhnisch lachend mit dem massiven Kerzenleuchter auf sie zu. Lechdan versucht ihn aufzuhalten, doch Broderico scheint mit einem Male geradezu übermenschliche Kräfte zu entwickeln. Der Kandelaber trifft ihn mit voller Wucht und schleudert ihn gegen eines der Bücherregale.

Als Lechdan nach einem kurzen Augenblick der Besinnungslosigkeit wieder zu sich kommt, stehen die Regale um ihn herum bereits in hellen Flammen. Im Qualm des Feuers kann er vage Boldrinos Gestalt erkennen, die ängstlich die Bücher und das Gemälde umklammert hält, während Broderico durch irgendetwas zurück geschreckt zu werden scheint. Tatsächlich leuchtet direkt vor Boldrino ein seltsames Licht auf, das den wahnsinnigen Archivar davon abzuhalten scheint, sich ihm zu nähern. Mit letzten Kräften schafft es Lechdan sich aufzurichten. Sein ganzer Körper schmerzt, als er sich seinen Weg durch den beißenden Rauch bahnt. Mit dem Mut der Verzweiflung drückt er sich gegen eines der brennenden Bücherregale, das mit großer Wucht auf Broderico niedersaust und ihn unter sich begräbt. Lechdan und Boldrino verlieren keine Zeit und retten sich mit den Resten ihres Fundes durch das Flammenmeer ins Freie. Dort haben sich bereits mehre Klosterbrüder versammelt, die das Feuer zu löschen und zumindest die Schriften der unteren Stockwerke zu retten versuchen. Dank des Regens kann sich der Brand nicht auf die anderen Klostergebäude ausbreiten, doch aus dem brennenden Bibliotheksturm kann schließlich nur etwa ein Drittel aller Schriften gerettet werden. Boldrino umklammert mit zittrigen Händen und mit Tränen in den Augen die geretteten Folianten, als allmählich die Morgendämmerung einsetzt und ein Ende des Wahnsinns zu versprechen scheint.

Boldrino und Lechdan werden vor das Ordenskapitel zitiert, um ihren nächtlichen Einbruch in das Archiv zu rechtfertigen und zu berichten, wie es zum Ausbruch des Feuers gekommen war. Das Licht, das Lechdan gesehen zu haben glaubt, gibt allen Versammelten Rätsel auf: Sollte es sich um ein wundersames Eingreifen des Götterfürsten gehandelt haben, so sei es doch durch keine bekannte Liturgie hervorgerufen worden. Und auch Boldrino kann sich kaum an etwas erinnern. Die gefundenen Folianten stellen sich nach einer gemeinsamen Prüfung als kirchliche wie auch profane Schriften aus dem Besitz des Belforano di Vianeï heraus, die allesamt mit persönlichen Anmerkungen des Wahrers versehen sind. Viele Seiten sind jedoch derart vom Feuer versengt worden, dass sie kaum noch lesbar sind. Das Gemälde zeigt den Heiligen Quanion, wie er am Ufer eines See kniend ins Gebet versunken ist. Um ihn herum golden im Sonnenschein glänzende Blumen, im Hintergrund mächtige Gebirgsgipfel und eine blutrote Sonne, von der sich nicht sagen lässt, ob sie gerade auf- oder untergeht. Ucurian di Tolfiano tritt vor und berichtet, dass er und seine Helfer in den Trümmern keine sterblichen Überreste des Archivars finden konnten. Man müsse davon ausgehen, dass er entweder vollständig verbrannt wurde oder bei lebendigem Leib in die Niederhöllen gefahren ist. Die Äbtissin Baldura seufzt, spricht ein kurzes Gebet und lüftet schließlich das Geheimnis Bruder Brodericos, der im Winter des Jahres 1016 BF an die Tür des Klosters gepocht und um eine persönliche Audienz bei ihr gebeten hatte. Er stellte sich vor als der einzige Überlebender der von Drachenmacht zerstörten Abtei Sanct Darador bei Onjaro und bat um Unterschlupf für sich und das Vermächtnis des Wahrers der Ordnung Belforano di Vianeï, das die Daradoriten einst zu hüten geschworen hatten. So teilte ihm die Äbtissin den Posten eines Klosterarchivars zu und erlaubte ihm, sein Geheimnis innerhalb der Klostermauern zu bewahren. Dass er jedoch zu Mord fähig wäre, habe sie niemals für möglich gehalten. Das geistige Vermächtnis des Wahrers soll, wenn es Adaon di Vianeï wünsche, wieder in den Besitz seiner Familie übergehen. Innerhalb der nächsten Tage überführen Lechdan und Boldrino die Hinterlassenschaft nach Sibur, wo Adaon mit Freude und großem Erstaunen über die Entdeckung reagiert. Umgehend macht er sich gemeinsam mit den beiden Lichtsuchern an die Auswertung des Materials, von dem jedoch ein Teil den Flammen zum Opfer gefallen ist.

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* Salman_von_Radoleth
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Gueldenlaender
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CAPITULUM XV: INFANS BOSPARANUS – DAS BOSPARANISCHE KIND

Sibur im Rahja 1031 BF. Während ihrer Beschäftigung mit der Hinterlassenschaft Belforano di Vianeïs können Adaon, Lechdan und Boldrino in Erfahrung bringen, dass der einstige Wahrer der Ordnung in seinen Notizen beschreibt, wie ihn die Beschäftigung mit einem Mysterienkult aus den Dunklen Zeiten auf die Spur eines geheimnisvollen Portals gebracht hatte, dessen Lage er irgendwo in den Goldfelsen vermutete. Dieser Mysterienkult nannte sich Speculum ater, was auf Bosparano soviel wie ‚dunkler Spiegel’ bedeutet. Die Gemeinschaft entstand einige Jahrzehnte nach dem Tod Fran-Horas’ und verehrte den Götterfürsten unter einem nicht näher bekannten, möglicherweise sinisteren Aspekt, was schließlich dazu führte, das er im ersten Jahrhundert vor Bosparans Fall von Silem-Horas persönlich verfolgt und ausgemerzt wurde. Einem kleineren Teil des Kultes gelang es jedoch, in einigen von der Zivilisation abgeschnittenen Rückzugsorten der Verfolgung zu entgehen. Nach Bosparans Fall, so Belforanos Vermutung, scheint der Mysterienkult jedoch entweder vollständig untergegangen oder, dies sei jedoch eine gewagte These, im Orden der göttlichen Kraft aufgegangen zu sein. Mehrere Notizseiten widmen sich der Vermutung, dass Anselmo Praiotin I., Begrüner dieses geheimnisumwitterten Ordens und vierter der Lichtboten nach Bosparans Fall, während seiner Priesterausbildung mit den Ideen des Speculum ater in Kontakt kam.

Ein anderes Dokument aus Belforanos Hinterlassenschaft erzählt eine volkstümliche Legende aus der Zeit nach dem Fall Fran-Horas'. Dieser Geschichte zufolge wurde kurz nach dem Tode des Dämonenkaisers auf den Stufen des Bosparaner Ucuri-Tempels ein in scharlachroten Tüchern gewickeltes Kind ausgesetzt, in das mit goldenen Fäden der Name des Kindes eingenäht war: Erymaos. Der Prior des Tempels sah in dem Kind eine Gabe des himmlischen Falken und nahm es in seine Obhut. Erymaos, der zu einem tugendhaften jungen Mann heranwuchs und sich schließlich in das Noviziat des Ucuri-Kultes begab, machte bald durch wundersame Ereignisse, die sich in seiner Nähe zutrugen, von sich reden. Wegen seiner geheimnisvollen Vergangenheit wurde er bald in der Stadt als Infans Bosparanus bekannt, und nicht wenige vermuteten, dass es sich bei dem Jungen in Wahrheit um den letzten Sohn des Fran-Horas handelte, den dieser mit seiner ‚Ziehtochter’ Menkirdes von Cuslicum gezeugt haben sollte. Die Berater Olruk-Horas’ rieten dem Kaiser, den Jungen verschwinden zu lassen, bevor im Reich die ersten Aufstände gegen seine Herrschaft ausbrechen würden. Doch Olruk-Horas war ein frommer Mann und konnte sich nicht dazu durchringen, einen unschuldigen Novizen töten zu lassen. Eryamos wurde vielmehr zum Hofgeweihten ernannt, durfte jedoch als Gefangener in einem goldenen Käfig den Horas-Palast zu Bosparan nie wieder verlassen. Als schließlich doch die ersten Aufstände ausbrachen und die Rebellen Erymaos zum legitimen Thronfolger ausriefen, befahl Olruk den Tod des Sacerdos. Doch dieser war – von immer eindringlicher werdenden Visionen geleitet – bereits in der Nacht zuvor auf geheimem Wege aus dem Palast geflüchtet. Ucuri hatte ihm befohlen, dorthin zu gehen, wo finsterste Nacht herrsche, um dort ein Licht zu entzünden. So ging er fort und ward nie mehr gesehen. Einen Anhaltspunkt auf die Wahrheit hinter der Legende, so vermutet Belforano in einer Randnotiz, könne der antike Ucuri-Tempel zu Bosparan bergen. Der Luminifactus stellte in seinen Schriften mehrere Theorien auf, wo sich der Tempel befunden haben könne, kam jedoch nie dazu, ihnen nachzugehen, weil er sich im Jahre 878 nach Bosparans Fall durch verschiedenste politische Fallstricke den Zorn des Regenten zuzog und schließlich unter dem Beifall einer tobenden Menge auf dem Schafott enthauptet wurde.

Während des Studiums der Dokumente bereitet Bruder Lechdan ein Satz, der in Belforanos privaten Notizen immer wieder auftaucht, großes Kopfzerbrechen: Nihil est ut videtur – ‚Nichts ist so, wie es scheint’. Und als sein Blick eines Tages wie zufällig auf das Andachtsbild des Heiligen Quanion fällt, das er mit Boldrino aus dem Turaniterkloster geborgen hatte, fällt ihm auf, dass um den Kopf des Heiligen zwar eine goldene Aureole erstrahlt, aber auf dessen Spiegelbild in der Wasseroberfläche des Sees, an dem er kniet, die Aureole nicht zu sehen ist. Während das Gesicht des Heiligen Stärke und Festigkeit im Glauben ausstrahlt, scheint das Spiegelbild im Wasser einen einfachen, fast unsicher wirkenden, alten Mann zu zeigen. „Nichts ist so, wie es scheint“, wiederholt er in seinen Gedanken, als ihn das Gefühl beschleicht, dass es sich hierbei nicht um einen künstlerischen Fehler, sondern um einen bewusst als Spur gelegten Hinweis des Malers handeln könnte. Und genauso wie sich im Spiegelbild des Wassers eine andere Realität offenbart, so könnte es doch sein, dass sich unter der Oberfläche der Leinwand eine zweite, versteckte Wahrheit befindet. Unwillkürlich muss er an den Wandteppich im Turaniterkloster denken, der ebenfalls unter sich ein Geheimnis verbarg, und macht sich daran, die bemalte Leinenoberfläche vom Rest der Leinwand zu lösen. Und tatsächlich findet er eine in den Rahmen eingefasste tönerne Tafel, die bereits durch einen Sprung in drei Teile geteilt wurde. Darauf befindet sich die Skizze eines weiteren Bildes, das eine antike Stadtlandschaft mit einem Tempel zeigt, dessen Tympanon das Relief eines Falken vor einem leuchtenden Strahlenkranz zeigt. Durch die aufgerissen Wolken dringt ein Lichtstrahl, der geradezu auf die Stufen des Tempels fällt, wo ein Bündel liegt, das offenbar einen Säugling birgt. Darunter in imperialen Zeichen das Aureliani-Wort ΕIΔΩ, das gleichzeitig 'ich sehe' und 'ich weiß' bedeutet. Lechdan zeigt seine Entdeckung Adaon und Boldrino, die in dem Säugling eine Darstellung des Infans Bosparanus, vermuten, das der Legende zufolge auf den Stufen des Ucuri-Tempels von Bosparan gefunden wurde.

Zum Ende des Monats treffen Boldrino und Lechdanin Vinsalt ein und präsentieren dem Wahrer der Ordnung ihre Entdeckung. Der am Studium der Antike lebhaft interessierte Luminifactus zeigt sich hellauf begeistert. Ein Glücksfall sei dies, ja geradezu ein göttlicher Fingerzeig in Hinblick auf das Konzil des Ordo Bosparanis, das in wenigen Tagen beginnen werde. Neben dem ucurigefälligen Motiv fasziniert ihn jedoch insbesondere die zeichnerische Gestaltung des städtischen Raums, welche die vor einigen Jahren unter Malern und Historikern aufgekommene Hypothese beweise, dass die alten Bosparaner die Technik der Zentralperspektive meisterlich beherrschten. Ohne lange zu fackeln, ruft er den Gelehrten Avesso Pragante herbei, der nach kurzer Prüfung der Zeichnung im Hintergrund der Stadtlandschaft einzelne Gebäude, wie etwa das alte Hippodrom und den Tempel des Aves auf dem Hügel Avestan, identifizieren kann. Mit Hilfe dieser Landschaftsmerkmale und der akkuraten, realitätsgetreuen Wiedergabe des Raums, so der Gelehrte, sei es möglich, die genaue Lage des einstigen Ucuri-Tempels zu ermitteln. In den nächsten Tagen lässt Pragante auf Geheiß des Wahrers der Ordnung am Vinsalter Vorort Haldurias eine Gelände abstecken, auf dem er nach Überbleibseln des Tempels suchen wolle.

Während der letzten Tage des alten Jahres begibt sich Adaon di Vianeï mit nur wenigen Begleitern in die Goldfelsen, wo er das geheimnisvolle Portal unterhalb des Draconiterklosters aufsucht, das schon seinen Vorfahren in seinen Bann geschlagen hatte. Vor Ort erhofft sich der Custos Lumini eine göttliche Eingebung und versenkt sich in mehrtägige kontemplative Gebetsübungen, um sich in seinem Inneren zu sammeln und den Willen des Götterfürsten zu ergründen. Doch angesichts der geheimnisvollen Aura des Portals fühlt er einen dunklen Schatten auf sich lasten, ein fremdartiges Wispern, das in seine Gebete eindringt und ihn zugleich erschreckt und fasziniert. Da allmählich die Namenlosen Tage anbrechen, begibt er sich schließlich auf eine Visionssuche, um seine Seele gegen die Gefahr zu rüsten, den Willen seines Herrn zu ergründen und seine Nähe wieder spüren zu können. Doch dort, wo er sich Praios’ sonnige Wärme erhofft, stößt er nur Fremdheit und fühlt den kalten Schmerz der Abwesenheit des Göttlichen in seiner Seele. In seiner Verzweiflung über dieses Gefühl der Gottesferne entstehen vor seinem inneren Auge bedrohliche Bilder von geifernden Dämonenmäulern, die nach ihm schnappen, und finsteren, nicht enden wollenden Abgründen, die ihn zu verschlucken drohen. Als er wieder zu sich kommt, fühlt er sich in seinem Innersten wie zernichtet. Er deutet die Bilder des Grauens als Prüfung und als Warnung des Götterfürsten – jedoch nicht in Bezug auf sein eigenes Seelenheil, sondern in Bezug auf das Heil der Kirche, das er schon seit längerem durch die Ränke der Diener des Namenlosen, der Puristen, der Hesinde-Kirche und nicht zuletzt auch durch die Machtgier der Traditionalisten in Elenvina bedroht sieht. In seiner Hybris glaubt er, vom Götterfürsten auserkoren zu sein, um die Kirche vor den Gefahren von innen und von außen zu bewahren. Das Geheimnis jenseits des Portals, so hofft er, werde dafür der Schlüssel sein. Zu Beginn des nächsten Jahres kehrt er schließlich nach Sibur zurück. Vor dem Altar des Praios, der einst von den Nandus-Jüngern entweiht wurde, schwört er, dass er alles dafür tun werde, um die Kirche von Inneren heraus wieder rein und stark zu machen. Sie solle eine uneinnehmbare Festung werden, an deren Mauern die Feinde der Ordnung kläglich zerschellen werden.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM XVI: ET FALCO LACRIMAVA – UND DER FALKE WEINTE

Vinsalt im Praios 1032 BF. Am Vorabend des Konzils treffen aus dem gesamten Reich treffen Geweihte, Ordensleute, Horas-Ritter, Gelehrte und fromme Pilger in der Kaiserstadt ein. Unter den Ankömmlingen sind die Gesandtschaften des Turaniter- und des Aldigonenserordens, Adilgunde von Westenende, die Illuminata aus Methumis, Gylduria von Firdayon-Bethana, die Praetorin des Kusliker Tempels, in Begleitung des Legaten Ariosto ya Galetta und der Marschallin des Ordens des Goldenen Falken, Falconia von Eslamsroden, sowie Geweihte aus den Zyklopeninseln und dem Wilden Süden und schließlich, aus dem Kloster Mantrash’Mor, die Geweihte Soleria Aurealis als Beobachterin vom Bund des Wahren Glaubens. Auch der den Gefährten bereits bekannte Kirchgelehrte Lumin Ehrwald befindet sich unter den geladenen Gästen. Ghiberto hat derweil alle Hände voll zu tun, liegt es doch seinem Aufgabenbereich, mit den ihm unterstellten Ordensbrüdern den Schutz der geladenen Gäste sicher zu stellen.

Einige Tage später als erwartet kommt Adaon di Vianeï in Vinsalt an. Ghiberto bemerkt, dass sein Onkel etwas blass ist und sich auch sonst irgendwie verändert zu haben scheint. Darauf angesprochen verheimlicht Adaon jedoch seinem Neffen seine Reise in die Goldfelsen und entgegnet, dass er nur etwas von der Kutschfahrt erschöpft sei. Auf dem Weg zum Tempelberg fällt Ghiberto und Adaon ein Straßenprediger auf, der auf einem hölzernen Podest stehend mit seinen Worten die umstehenden Menschen in seinen Bann zu ziehen scheint. Der Heilig-Blut-Ritter und der Geweihte nähern sich dem in ein einfaches weißes Gewand gekleideten Mann, um den sich eine große Zahl ergriffen lauschender Bürger geschart hat. Von einem der Zuhörer erfahren sie, dass der Prediger Fra Gyldetto genannt wird. Mit begnadeter Eloquenz und als sei seine Zunge von einer höheren Macht gelenkt, führt der Prediger seinen gebannten Zuhörern die Pracht und Glückseligkeit der alveranischen Gefilde vor Augen. Die Hofscharen der illuminierten Seelen malt er in einer solchen Herrlichkeit aus, dass selbst Ghiberto für einen kurzen Augenblick vermeint, tief in seinem Herzen den lange schon vergessenen, einfältigen, jedoch reinen und tiefen Glauben seiner Kindheit wieder erspüren zu können. Und für einen kurzen Augenblick glaubt er, er selbst in den Augenwinkeln seines sonst immer so gefassten Onkels eine sanft im Mittagslicht schimmernde Träne zu erkennen.

Am Tage von Horas’ Erscheinen führen Heilig-Blut-Ritter an der Seite kaiserlicher Regimenter Paraden und Prozessionen durch die Stadt, während die Priester der Zwölfgötter Almosen in den ärmeren Stadtvierteln verteilen. Der Vinsalter Tempelberg badet in einem Meer aus Rot, Gold und Weiß, als im Tempel des Gerechten Gottes die Geladenen des Kirchenkonzils zu einem gemeinsamen Gottesdienst zusammenkommen. Bereits in seiner Eröffnungspredigt, drückt der Wahrer der Ordnung dem Konzil seinen Stempel auf, indem er den von ihm eingeschlagenen Weg der Rückkehr zu den Ursprüngen des Glaubens erklärt und rechtfertigt. Dabei beschwört er noch einmal die Katastrophe von Gareth, das Verschwinden des Ewigen Lichts und schließlich die Verkündigung durch hundert Zungen herauf, in der sich Praios’ Gnade in dieser Zeit der Finsternis wie ein Leuchtfeuer am Horizont offenbart habe, das die Gläubigen innehalten lassen und ihnen den Weg in einen neuen Morgen weisen würde. Daraufhin kommt er ausführlich auf eine Vision zu sprechen, die ihn vor drei Jahren ereilte. In dieser Vision sah er sich selbst aus dem Tempel des Gerechten Gottes schreiten. Sein Blick fiel über die Stadt bis hin zum Berg Kaiserkopf, auf dem sich in alten Tagen der Sitz der Horaskaiser befand. Wind erfasste sein Haar und zerrte an seinem Gewand. Dieser Wind kam gleichzeitig von vorne und von hinten, er stand für Fortschritt und Rückbesinnung. Dann erst merkte er, dass es dunkel war. Doch hoch droben am nächtlichen Himmelszelt leuchteten hell die Sterne Ucuri und Horas. Von irgendwoher erklangen geistliche Gesänge, die so hell und klar waren, als stammten die Stimmen von den Illuminierten in Praios’ alveranischen Gefilden. Dann erblickte er ein gleißendes Licht, das vor ihm auf der Plattform des Tempelbergs erstrahlte und sich mit rasender Geschwindigkeit in alle Richtungen ausbreitete und wie ein Blitz den gesamten Horizont erhellte, wo sich in der Ferne die Goldfelsen auftürmten. Und er war sich gewiss, dass das Ewige Licht zurückkehren werde in den Schoße dieser heiligen Stadt, die es einst hütete. Vinsalt sei dazu auserkoren, die dritte Kapitale der Menschheit zu sein, Heimstatt der Verehrung des Götterfürsten und Angelpunkt des Ordo aeternus, der ewigwährenden göttlichen Ordnung auf Deren.

Daraufhin beschwört Loriano die Tugenden der ersten Siedler und das Andenken an den Heiligen Horas herauf, um von dort aus eine Brücke über die düsteren Jahrhunderte nach Bosparans Fall zu schlagen, in denen die Lichtboten zu Gareth so manche bewährte Glaubenswahrheit des erleuchteten Altertums den Flammen oder dem Vergessen preisgegeben hatten. Es besteht kein Zweifel daran, bekräftigt der Wahrer, dass Hela-Horas großes Unglück über die Welt gebracht habe. Der Richtspruch der Götter traf sie zurecht und strafte sie für ihre Vergehen. Doch auch in den Zorn der Garether, die das stolze Bosparan herfielen und seine Tempel und heilige Stätten in Brand setzen, hatte sich der Frevel eingeschlichen. In ihrer Zerstörungswut wandten sie sich gegen die ehernen Werke des Heiligen Horas, des Gesandten Praios’ zu den Menschen, stiegen herab in die Dunkelheit ihrer Seelen und vernichteten die Werke von Generationen von gerechten Herrschern, die vom Wirken des Göttlichen erleuchtet waren. Für die Communio Luminis konnte Gareth nie das sein, was Bosparan einst war und mit der Gnade des Himmlischen Richters bald wieder sein könne. Auch die Zeit der Lichtboten kannte ihre Licht- und Schattenseiten. Nicht alles, was heilig genannt wurde, war auch tatsächlich vom Licht des Herrn erleuchtet. So wurde etwa die Verehrung des Horas zunächst verboten und erst unter den Priesterkaisern wieder eingeführt. Doch Menschen sind schwach und nicht frei von Fehl' - und so wurde vieles, was einst war, vergessen, zerstört und verbrannt. Und jedes Mal, wenn heute aus den Schatten des Vergessens ein Tempelstein aus alten Zeiten geborgen und zurück ins Licht des Götterfürsten gezerrt wird, offenbart sich Praios’ Wille von neuem, sich auf das Wort zurück zu besinnen, das sein heiliger Gesandter vor mehr als 2.500 Jahren den Menschen brachte und das ewig ist. Und so sei es auch der Wille des Himmlischen Richters, dass nach tausend Jahren das Ewige Licht des Horas wieder am Yaquir, dem Mittelpunkt der Welt, erstrahlen solle. Denn auf den „Trümmern der alten Ordnung“, so ließ es der Herr der Herrlichkeit durch die Zungen seiner treusten Diener verkünden, werde „eine neue erstehen“ und eine neue Sonne werde erstrahlen, dort „wo sie war, bevor sie war, wo sie ist“ – nämlich über den sechs Hügeln Bosparans, wo einst der Gottgesandte seine Stadt bauen ließ, um die Menschen durch die Dunkelheit ins Licht zu führen.

Nach dem Gottesdienst treten mehrere Dutzend Anwärter vor, um in die Reihen des Heilig-Blut-Ordens aufgenommen zu werden. In seiner Eigenschaft als Wahrer des Heiligen Blutes nimmt Loriano ihnen den Treueid ab und erteilt ihnen den triadischen Segen des Götterfürsten, des himmlischen Falken und des Heiligen Horas. Schließlich verkündet er, dass der Orden des Heiligen Blutes nach mehr als zweijähriger Vakanz einen neuen Großkomtur erhalten werde. Ein Raunen geht durch die Menge der Ordensbrüder- und schwestern, und viele Blicke richten sich auf den Vinsalter Komtur Urras Ariosto von Radoleth, der bereits seit längerem als Nachfolger gehandelt wird. Doch groß ist die Verwunderung als der Luminifactus schließlich den Namen des Teucras Irian Dorgando Schwarzenstamm de Solstono verkündet, eines erst kürzlich dem Orden beigetretenen Kriegsveteranen zweifelhaften Rufs, der jedoch Lorianos unbedingtes Vertrauen zu genießen scheint. Ghibertos Blick wandert zu Urras von Radoleth, auf dessen Miene sich für einige wenige Augenblicke eine rasche Abfolge von Verwunderung, Zorn und Enttäuschung abzeichnet, bevor der Komtur seine Leidenschaften wieder zügelt und sich demütig der Entscheidung des Luminifactus zu beugen scheint. Teucras selbst scheint der einzige unter den Versammelten zu sein, der keine Überraschung zeigt. Auf Lorianos Wink tritt er hervor und kniet vor dem Wahrer des Heiligen Blutes nieder, der seinen Schwur empfängt, ihn mit dem Sonnenszepter segnet, und ihm durch zwei herbeieilende Pagen das kostbare, rot-gold bestickte Ornat eines Großkomturs vom Heiligen Blute anlegen lässt, während der Chor einen altbosparanischen Gesang auf den Göttergesandten Horas anstimmt.

In den ersten Tagen des Konzils lässt Staryun Loriano nacheinander jene Brüder und Schwestern hervortreten, durch die der Götterfürst die Verkündung der hundert Zungen gewirkt hatte, und sie vor der versammelten Geweihtenschaft, die sich im Kapitelsaal des Praios-Tempels eingefunden hat, ihre Geschichten erzählen. Auch Boldrino tritt vor das Konzil und berichtet von jenem Tag, an dem es Praios gefiel, ihn zum Werkzeug seiner göttlichen Verkündung zu machen. Insgeheim versteht er noch immer nicht, warum der Götterfürst gerade ihn auswählte, und hadert damit, dass er dem Bild eines Priesters des Sonnenfürsten nicht gerecht werden kann. Danach halten Gelehrte wie Ariosto ya Galetta von der Halle der Antimagie zu Kuslik, Usebia da Pontrecco von der Universalschule zu Methumis und Lumin Ehrwald aus Elenvina Vorträge über den Wortlaut der Prophezeiung, die Bedeutung des Wortes ‚Sumyrdalun’, das Leben des Heiligen Quanion und der Geschichte des Praios-Kultes zu Zeiten des hunderttürmigen Bosparan. Die Gefährten berichten von ihrer Suche nach der Goldenen Stadt und der Audienz beim Falkenkönig. Die Ereignisse um das Kloster Varsincero übergehen sie jedoch stillschweigend. Für großes Gehör sorgt ein Mitglied der jüngst zurückgekehrten Güldenland-Expedition, das von seinen Gesprächen mit einem Optimaten namens Braganos berichtet, der ihm einen Einblick in die Lehren des güldenländischen Brajanskults ermöglicht habe. Die Einwohner des Imperiums jenseits des Meeres stellten Brajan als dreiäugigen Gott dar. Zwei Augen symbolisierten die Prinzipien der Ordnung und der Herrschaft, wie sie auch in Aventurien dem Götterfürsten zugeschrieben werden, das dritte Auge jedoch, das sich auf der Stirn befindet, stehe für die Magie, als deren Schutzgott Brajan auch verehrt werde. „Hört, hört!“ rufen da einige unter den überzeugtesten Prinzipisten. Neben tugendhaften Herrschern aus der Vorzeit wie den Königen Kerastos oder Veratus, schrieben die Güldenländer dem Gott Brajan darüberhinaus eine Schar himmlischer Diener zu, die sich nur zum Teil mit der hiesigen Kirchenlehre decken: Ucurius den Lichtgeschwinden, den die Aventurier als falkengestaltigen Vater des Horas verehren, Sindarius den Gleißenden, Aurisha die Sonnenbotin, Schelacha die Hüterin des Gesetzes und schließlich Arcansin, den dunklen Schatten des Brajan, dessen Verehrung mittlerweile jedoch verboten sei. Auch habe man Hinweise dafür gefunden, dass sich das Ewige Licht tatsächlich einst im Güldenland befunden habe, bevor es dem Götterfürsten gefiel, es den Bosparanern zum Geschenk zu machen.

Am sechsten Tag des Konzils trifft verspätet eine Gesandtschaft aus Elenvina ein, die während des Konzils den Heliodan als Beobachterin vertritt. Ghiberto, der die Priester zu ihren Unterkünften führt, fällt auf, dass die Gesandtschaft fast nur aus Nordmärkern und Vertretern der traditionalistischen Strömung besteht. Jorgast von Bollharsch-Schleifenröchte, argwöhnt Adaon später, habe seine Bluthunde gut platziert. Und tatsächlich nutzt der Anführer der Gesandtschaft, der Luminifer Croenar Griffhardt von Widdernhall, der auch ein Mitglied der Heiligen Inquisition ist, seinen ersten Redebeitrag zu einer flammenden Abrechnung mit dem Prinzipismus. In Elenvina hege man große Sorge, dass Lorianos reformistische Ansinnen den unheiligen Weg des Schismas beschreiten und eine Form der Hochmut offenbaren würden, die den Ordo Aeternus erschüttern und noch die ganze Gemeinschaft des Lichtes in ihren Abgrund ziehen könne. Da erhebt sich Adaon di Vianeï und hält eine ebenso hitzige Gegenrede. Die Lehren des Prinzipismus strebten mitnichten eine Reform der Kirche, sondern vielmehr eine Rückkehr zu einer Ursprünglichkeit und Reinheit im Glauben an, von der sich die Cummunio Luminis in tausend Jahren Kirchengeschichte immer mehr entfernt habe. Durch die zunehmende Säkularisierung, welche die Verästelung der Stadt des Lichtes mit den Strukturen des Neuen Reiches mit sich brachte, habe die Kirche zusehends den Blick für das Wesentliche verloren. Praios’ Wille sei es, den Gläubigen wieder die Augen zu öffnen für das Licht in ihren Seelen, auf dass es einst wieder so klar und hell leuchte wie zu den Zeiten Bosparans. Adaons Gegenrede eröffnet einen leidenschaftlich geführten Disput zwischen horasischen Prinzipisten und nordmärkischen Traditionalisten, in dessen Verlauf Croenar Griffhardt von Widdernhall unter anderem auf die zweite Offenbarung der Heiligen Yppodamea von Baltrea verweist, in der verkündet wurde, dass vom Lande am Yaquir einst ein Unheil ausging, das noch immer unter der Oberfläche lauere, und in der Madas Frevel ganz klar als Ursache allen Übels benannt werde.*

Die gemäßigten Geister versuchen vermittelnd einzugreifen, indem sie immer wieder anmahnen, dass die Suche nach dem Licht eine gänzlich spirituelle Suche sein muss, in der kirchenpolitische Fragen nur den Blick auf das Wesentliche verschleiern würden. Schließlich ergreift Gylduria von Firdayon-Bethana das Wort, die zu der Fraktion der Mystiker gerechnet wird. Sie bezeichnet Adaon di Vianeï und Croenar Griffhardt von Widdernhall gleichermaßen als ihre Brüder im Glauben und bekräftigt, dass sie die Argumente beider Seiten vernommen habe. Beide hätten Recht und doch unrecht: recht, insofern ihre jeweiligen Reden in sich schlüssig und richtig seien und somit einen Teil der Wahrheit wiederspiegelten; unrecht, weil sie diesen Anteil an der Wahrheit für die Wahrheit selbst hielten. Doch die göttliche, die reine und ewige Wahrheit sei nicht teilbar. Der Weg zur wahren Erkenntnis, das habe sie durch die Prüfung in Shafirs Höhle gelehrt, könne nur dort beginnen, wo die Selbstsucht des eigenen Standpunktes freiwillig dem die Gegensätze umarmenden Blick auf die lichtdurchflutete Weite des himmlischen Ganzen weiche. An die Adresse des Croenar Griffhardt von Widdernhall gerichtet, sagt sie schließlich lächelnd: "Und Ihr, geliebter Bruder vor Praios, müsst schon vollständig zitieren. Denn heißt es nicht auch in der Prophezeiung der Heiligen: Wenn nicht zusammen stehen all jene, die noch verehren die Zwölfe, werden Frevel und Unheiligkeit verhüllen das Licht für die Augen der Sterblichen?"

Wenige Wochen nach Beginn der Ausgrabungen stößt derweil Avesso Pragante auf eine Metope, die das kunstvolle und noch gut erhaltene Relief eines Falken zeigt, der von der Sonne verbrannt zu Boden stürzt. Der Gelehrte wähnt sich auf der richtigen Fährte und lässt seine Arbeiter weiter graben, wodurch bald ein Mosaik freigelegt werden kann, das wohl einst den Boden des Ucuri-Tempels zierte. Staryun Loriano lässt die Metope, nicht ohne Stolz, im Zentrum der Konzilshalle ausstellen, wo sie von den versammelten Geweihten bestaunt wird.

Urras Ariosto von Radoleth erfährt von einem Prediger, den das Volk liebevoll Fra Gyldetto nennt und um den sich bereits eine größere Anzahl von Anhängern zusammengefunden hat. War an den Predigten des Mannes noch zu Beginn des Jahres nichts auszusetzen, seien sie spätestens seit Beginn des Konzils düsterer geworden. Immer häufiger predigt Gyldetto vom kommenden Weltgericht, ereifert sich über die verhärteten Seelen der Menschen, die nur noch in der Lage seien, eitlen Prunk anzuhäufen, und ruft seine Zuhörer von der Läuterung ihrer Seele von allem sündhaften Tun auf. Was den Komtur jedoch besorgt, ist, dass seine Predigten auch zunehmend mit persönlichen Angriffen auf den Luminifactus gespickt sind. Fra Gyldetto geißelt Stayrun Lorianos weltlichen Lebenswandel, seine politischen Winkelzüge, seine eitle Vorliebe für die vermoderten Überbleibsel lasterhafter Kaiser, die sich dem Götzendienst verschrieben hatten, und schließlich die drohende Abkehr von den Lehren und Dogmen der Lichtboten seit Bosparans Fall, in der er die Einheit zerbrechen sieht. Da auch Loriano während des Konzils keine Ärgernisse wünscht, lässt der Komtur anordnen, dass man den Prediger aus Vinsalt ausweise. Nach lautstarken Protesten seiner Anhänger gibt Gyldetto schließlich nach und führt seine Anhänger zum Kaiserkopf, dem Hügel Horathin, wo sich bald weitere Menschen um ihn scharen. Durch Gespräche mit Anhängern des Bußpredigers erfährt Ghiberto, dass Gyldetto aus dem Methumischen Patriziergeschlecht der della Pallyo stammt und vor neun Jahren an dem Aufstand unter Fra Praionor teilgenommen hatte. Bis vor etwa einem Götterlauf habe er sich in Gareth aufgehalten, wo er Zeuge der Zerstörungen der Stadt des Lichts geworden war, die seither ein beständiges Thema seiner Predigten darstellen.

Am 20. Praios kommt es in der Konzilshalle zu einem weiteren heftigen Streit, als der traditionalistische Inquisitor Croenar Griffhardt von Widdernhall sich lobend über Fra Gyldetto äußert und sich schließlich dazu hinreißen lässt, eine von dessen aufrührerischen Predigten laut zu verlesen. Einige Prinzipisten versuchen ihn niederzubrüllen und verspotten die rezitierte Predigt als traurigen Offenbarungseid eines elenden Puristen. Kurz darauf ist jede praiosgefällige Ordnung vergessen. Die zornigen Rufe der Priester steigern sich zu einer ohrenbetäubenden Kakophonie, die den heiligsten Grundsätzen der Kirche zu spotten scheint. Allein Staryun Loriano steht unbewegt inmitten der tobenden Menge – und zittert. „Schweigt!“ ruft er schließlich. „Schweigt allesamt!“ Schweißperlen sind auf dem Antlitz des Wahrers zu sehen, als er mit bebender Hand auf die Metope im Zentrum der Halle zeigt. Schlagartig verstimmt das laute Gezänk und ein jeder blickt auf das Abbild des Falken, aus dessen marmornen Augen wundersame Tränen herabfließen. „Ein Wunder!“ rufen viele. „Eine Mahnung“, flüstern manche.

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* Siehe Aventurischer Bote Nr. 62. Die Prophezeiung im Wortlaut: Höret: Einst wurden Dämonen zum Kampfe gegen Gareths Recken, und wehe! Bald wird eine Stimme sie rufen, gleich und doch nicht gleich. / Höret: Vom Lande am Yaquir ging Unheil einst aus, und nicht konnt es für immer bezwungen werden vor vielen Menschenleben.
 / Höret: Was vertrieben durch mächtigen Spruch, ist nun zurückgekehrt, um alte Macht erneut zu ergreifen. / 
Höret: Kind der Götter begehrt es zu sein, doch der Siebten ist’s näher denn der Fünften. 
/ Höret: Auf östlichstem Eiland zeigt sich neue Tücke, und zu erneuern den einstigen Krieg werden geflochten finsterste Bande. 
/ Höret: Wahrlich, hier wurde den Sphären gezeigt, was die Kenntnis der Zauberei kann bringen an Elend über die Sterblichen.
 / Höret: Wenn nicht zusammen stehen all jene, die noch verehren die Zwölfe, werden Frevel und Unheiligkeit verhüllen das Licht für die Augen der Sterblichen.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

Ungelesener Beitrag von Gueldenlaender »

CAPITULUM XVII: CUM LUMEN EXTINGUERET – ALS DAS LICHT ERLOSCH

Vinsalt im Praios 1032 BF. Ergriffen von dem wundersamen Ereignis in der Konzilshalle, stimmen mehrere Geweihte einen lauten Lobgesang an, während andere niederknien und stumm im Gebet verharren. Einige Stunden lang herrscht in der Konzilshalle der Frieden des Götterfürsten. Doch am frühen Abend erreicht eine Nachricht den Tempelberg: ein Mitglied des Ordens des Goldenen Falken sei nur wenige Meilen vor Vinsalt tot aufgefunden worden. Neben der Leiche seien deutliche Spuren eines Kampfes gefunden worden und doch seien am Körper der Toten keine Zeichen einer äußeren Gewalteinwirkung zu erkennen. Die versammelte Geweihtenschaft reagiert mit großer Bestürzung auf den Mord an der sakrosankten Person des Ucuriaten. Das Wunder des weinenden Falkens erscheint nun vielen in einem völlig neuen Licht und einige Geweihte treffen bereits Vorbereitungen für ihre Rückreise, weil sie sich in Vinsalt ob der dunklen Omen nicht mehr sicher fühlen.

Gemeinsam mit zwei Brüdern vom Orden des Goldenen Falken, die von Marschallin Falconia von Eslamsroden ausgesandt werden, wird Ghiberto di Vianeï wird mit der Aufklärung des Mordes beauftragt. Noch am selben Tag treffen die Ermittler im Castell Arreth nordöstlich von Vinsalt ein, in dessen Nähe die Ucuriatin ermordet wurde. Dort angekommen, lassen sie sich vom Kastellan der Festung zum Leichnam der Toten führen. Nicht ohne Schrecken stellt Ghiberto fest, dass es sich bei der Toten um Lamea Aurandis handelt, die ihm vor einem Jahr in Nordek mit helfender Hand zur Seite gestanden hatte, als er mit seinen Gefährten nach Hinweisen auf die sagenumwobene Goldene Stadt gesucht hatte. Eine rasche Untersuchung ergibt, dass das vergoldete Ornat und die wertvollen Rangabzeichen der Toten nicht entwendet wurden. Auch die Börse blieb unangetastet. Dafür schienen die Mörder etwas aus dem silbernen, von einem goldenen Falken gekrönten Schriftrollenbehälter, den ein jeder Ucuriat an seinem Gürtel trägt, entwendet zu haben. Ghiberto fällt auf, dass sich der Leichnam trotz des warmen Sommerwetters ungewöhnlich kalt anfühlt. An dem Körper sind keine äußeren Wunden zu erkennen, dafür sind die Lippen bläulich verfärbt und die Haut ist blass. Fast erscheint es ihm, als sei die Tote von innen heraus erfroren.

Mit Grausen erinnert sich Ghiberto an jenen Tag des Travia 1029 nach Bosparans Fall, an dem seine Heimatstadt Sibur durch das vereinte Heer der Gebrüder Marvinko bestürmt wurde: Die Belagerer sammelten sich zu einem letzten großen Angriff auf die Mauern, überall in der Stadt brachen durch den Belagerungsbeschuss verheerende Brände aus. Am Vortrag hatte Iridias Cornamusa Ghibertos Vater als Verräter der Republik hängen lassen, nun wollte er in seinem Wahn die übrigen Magistratsmitglieder vor das Tribunal der Wahrheit schleifen lassen – obwohl doch nun alles verloren war. Auf den Straßen regierte der Schrecken der Alicorne, seiner Handlanger, die mittlerweile wahllos Häuser plünderten und Widerstand leistende Bewohner erschlugen, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, fliehende Kämpfer zurück zur Stadtmauer zu prügeln. Mit seinen Gefährten floh Ghiberto, nachdem er auf der Straße erkannt wurde, in den Rondra-Tempel und bat um Schutz. Kurz darauf erreichte sie die Nachricht vom Durchbruch des Grafen am Sikramer Tor. Gemeinsam mit den Rondrianern und einigen anderen Gesinnungsgenossen gelang es ihnen, im allgemeinen Tumult die verurteilten Magistratsmitglieder noch rechtzeitig vom Galgen zu holen. Die ersten Bürger wandten sich daraufhin gegen die Alicorne unter Iridias Cornamusa. In die Enge getrieben sammelte dieser seine letzten Getreuen um sich und zog mit Fackeln und Schwertern zum Rondra-Tempel, um den Verrat der Geweihten zu rächen und das Haus der Göttin im Fegefeuer zu reinigen.

Todesmutig und von namenlosen Rachegefühlen getrieben hatte sich Ghiberto als einer der ersten in die brennende Halle gewagt. Durch die Reihen der Mordbuben und Alicorne hatte er sich bis zum Mörder seines Vaters vorgekämpft, in dessen Augen das Feuer das Wahnsinns loderte. Gerade hatte er ihm eine blutige Wunde zugefügt, als Iridias einen Schritt zurückwich und in einer unnatürlich tiefen Stimme die Macht des namenlosen Gottes anrief. Schlagartig kroch in Ghibertos Gliedern eine grässliche Kälte empor, die seine Glieder lähmte und seinen Leib zu Boden drückte. Mit einem bösartigen Lächeln verschwand Iridias in den Flammen, die er zuvor gelegt hatte, und obwohl überall um Ghiberto das Feuer loderte, so spürte er doch nur eisige Kälte. Seine Finger wurden blass, blaue Adern traten hervor, seine Lippen fühlten sich hart und spröde an. Wenig später, nachdem er aus dem flammenden Inferno gerettet wurde und wieder zu sich kam, sagte man ihm, dass seine Lippen ganz blau seien, wie bei jemandem, der kurz vor dem Erfrieren sei. Ghiberto verscheucht die Erinnerung und blickt Lamea Aurandis an. Auch sie hat blaue Lippen, die sich spröde und kalt anfühlen.

Am nächsten Morgen befragt Ghiberto den Kastellan, dem er aufgrund der Begebenheiten vom Rahja 1030 BF kaum für einen vertrauenswürdigen Menschen hält. Der Kastellan erklärt, dass eine Gruppe Holzfäller die Leiche im nahen Wald entdeckt und auf die Burg gebracht hatten. Er selbst, dies können mehrere Zeugen bestätigen, habe in den letzten Tagen das Kastell nicht verlassen. Schließlich lassen sich der Horas-Ritter und die beiden Ucuriaten die Stelle zeigen, an der Lameas Leichnam entdeckt wurde. Tatsächlich sind dort offensichtliche Spuren eines Kampfes zu sehen. Die Fußabdrücke eines einzelnen Menschen führen tiefer in den Wald hinein, wo die Spur jedoch bald jäh endet – ganz so als sei der Täter von den Niederhöllen verschluckt. Was könnte die Ucuriatin veranlasst haben, den sicheren Pfad zu verlassen und in den Wald zu gehen, fragt sich Ghiberto, als sich die Gruppe auf den Weg nach Nordek macht, wo man sich weitere Antworten zu finden erhofft.

In dem kleinen Pilgerort an den Ausläufern der Goldfelsen angekommen, reagieren die Geweihten mit großer Bestürzung auf die Nachricht vom Tod der Ucuriatin, die von der gesamten Ordensgemeinschaft hoch geschätzt wurde. Die Ermittler können in Erfahrung bringen, dass Lamea Aurandis eine gewisse Unruhe an den Tag gelegt hatte, als sie vor wenigen Wochen von den Ausgrabungen des Ucuri-Tempels in Haldurias gehört hatte. Sie habe sich Tage lang in der Bibliothek des Tempels eingeschlossen und eine Schrift studiert, die sie im Gespräch mit dem Bibliothekar als Palimpsest bezeichnet hatte. Als Ghiberto fragt, was ein Palimpsest sei, kramt der Bibliothekar eine Schriftrolle hervor, hält sie ihm unter die Nase und fragt ihn, was dort stehe. Der Heilig-Blut-Ritter studiert kurz den Text und erklärt, dass es sich wohl um die Abschrift einer Predigt des Anselmo Praiotin I. handelt, der von 33 bis 63 nach Bosparans Fall Bote des Lichts zu Gareth war. „Schaut genauer hin“, fordert ihn der verknöcherte Bibliothekar auf, und tatsächlich kann Ghiberto schließlich auf dem Pergament zwischen den Buchstaben verblasste Rückstände von Tinte erkennen. Ein Palimpsest, führt der Bibliothekar aus, sei ein Dokuent, deren ursprünglicher Text abgeschabt und neu beschrieben wurde. So wurden etwa nach Bosparans Fall viele Schriften, die nun der neuen Kirchenführung zu Gareth als ketzerisch galten, vernichtet. Da Pergament ein kostbares Gut war, wurden die Schriftrollen jedoch wiederverwendet. In den letzten Jahren sei es einigen, von der Renascientia begeisterten Gelehrtengelungen, Palimpseste zu identifizieren und mit Hilfe alchemistischer Substanzen die ursprünglichen, überschriebenen Inhalte zu rekonstruieren. "Nihil est ut videtur", murmelt Ghiberto.

Der Bibliothekar versichert, dass er nicht genau wüsste, was Lamea Aurandis in dem Palimpsest entdeckt zu haben glaubt, ist sich jedoch sicher, dass es in irgendeiner Verbindung zu den Ausgrabungen in Haldurias steht. Denn kurz vor ihrem Tod war sie mit dem erklärten Ziel nach Vinsalt aufgebrochen, Staryun Loriano das Dokument zu präsentieren. Daraus schließt Ghiberto, dass jemand muss von ihrer Entdeckung erfahren und daraufhin den Entschluss gefasst haben, sie auf ihrem Weg nach Vinsalt zu töten, um das Dokument abzufangen. Was auch immer die Ucuriatin entdeckt hatte, es befindet sich nun in der Hand von Menschen, die der Kirche mit großer Sicherheit feindlich gegenüber stehen und nicht einmal vor dem Mord an einer sakrosankten Person zurückschrecken. Mit leeren Händen und kalter Wut im Herzen kehrt Ghiberto schließlich nach Vinsalt zurück.

Am achtzehnten Sitzungstag des Konzils wird gerade die Frage diskutiert, ob das Ewige Licht in der äußeren, sichtbaren Welt zu suchen sei oder sich nur dem wahrhaft Suchenden im Innersten der Seele offenbaren werde, als plötzlich zwei Heilig-Blut-Ritter im Kapitelsaal erscheinen und eine wüst zeternde und um sich schlagende Frau hereinführen, die sich am Brunnen des Tempelberges zu schaffen gemacht haben soll. In einem Schlauch habe sie Gift bei sich getragen, mit dem sie wohl die gesamte Führung des Ordo Bosparanis mit einem Schlag ausschalten wollte. Nachdem die Sitzung für den Rest des Tages für beendet erklärt wurde, vertraut sich Lumin Ehrwald Boldrino an, der daraufhin mit ihm den Wahrer der Ordnung aufsucht. Ehrwald erklärt, dass er die Frau schon einmal gesehen habe. Auf seinem Weg von Gareth nach Vinsalt sei er ihr dreimal begegnet. Das erste Mal dachte er sich nichts dabei, doch beim zweiten Mal übernachtete sie in der gleichen Herberge wie er. Noch in der gleichen Nacht stand das Gasthaus lichterloh in Flammen, und er habe selbst sich nur mit Mühe retten können. In den Straßen Punins sah er sie schließlich ein drittes Mal. Dabei hatte er das Gefühl, dass sie ihn aus der Ferne beobachtete und ihm sogar heimlich zu folgen schien. Um sie abzuschütteln, bestieg er schleunigst einen Flusssegler, der kurz darauf ablegte. Bis zum heutigen Tag sei er ihr seither nicht mehr begegnet, doch offensichtlich hatte sie von seiner Teilnahme am Konzil erfahren.

Staryun Loriano kann nach eingehender Prüfung feststellen, dass im Herzen der Frau ein dunkler Funke glimmt, der das Licht ihrer Seele und ihres Geistes verdüstere. In ihren wenigen klaren Momenten erzählt sie, dass sie Travine heißt, eine einfache Wäscherin aus Gareth sei und Lumin Ehrwald für ihren untreuen Ehegatten halte. Dann wieder schlägt sie wild um sich und krächzt bösartige Verwünschungen, während ihr blutiger Geifer aus den Mundwinkeln rinnt. Loriano ordnet an, sie in eine Gebetszelle zu sperren, um sie zu einem späteren Zeitpunkt einer genauen Untersuchung und, falls dies nötig werde, einer Austreibung unterziehen zu lassen. Auch beauftragt er Ghiberto, für den besonderen Schutz Lumin Ehrwalds Sorge zu tragen.

Am Tag nach dem Tumult um die nur durch großes Glück abgewendete Vergiftung des Brunnenwassers führt Adaon di Vianeï eine private Unterredung mit Staryun Loriano. Angesichts der Besorgnis erregenden Bedrohungen von Geweihten und heiligen Stätten des Götterfürsten, von der Entweihung des Siburer Tempels durch einen Geweihten des Namenlosen über die Geschehnisse im Turaniterkloster bis hin zu dem noch immer unaufgeklärten Tod der Ucuriatin und dem jüngsten Mordanschlag auf die Mitglieder des Konzils, der nur knapp verhindert werden konnte, sei große Vorsicht angebracht. Adaon beschwört den Wahrer der Ordnung, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und ein geheimes Kapitel zu gründen, das mit dem Schutz der Kirche des Ordo Bosparanis beauftragt werden solle. Diesem sollten alle auch noch so unmoralischen Mittel zur Verfügung stehen, wenn dies nötig sei. Denn in Zeiten, in denen sich finstere Kulte gegen die Praios-Kirche verschwören, sollte sich die Kirche in die Lage versetzen, dieser Bedrohung begegnen zu können. Doch Loriano ist nicht geheuer bei dem Gedanken, seine Zustimmung zu einer solchen Geheiminstitution zu geben, die in seinem Namen Schandtaten vollbringen könnte. Denn er weiß, dass jeder Tropfen zu unrecht vergossenes Blut, der an seinen Händen klebt, seinen Gegnern in Elenvina und Hôt-Alem helfen wird, den Heliodan zu Gareth gegen ihn aufzubringen. Er vertraut lieber auf seine bereits vorhandenen Instrumente und gibt Teucras de Solstono umfassende Vollmachten, um den Heilig-Blut-Orden von verschwörerischen und ketzerischen Elementen zu säubern.

Nachdem zuvor bereits mehrere Geweihte abgereist waren, weil sie sich aufgrund des Mordanschlages in Vinsalt nicht mehr sicher fühlen, erklärt Staryun Loriano am 30. Praios die Versammlung nach etwas mehr als drei Wochen für beendet. Neben einer Erklärung für eine stärkere Zusammenarbeit mit den horasischen Magierakademien, die von Lorianos Vertrauten Ariosto ya Galetta koordiniert werden soll, gelingt es den Geweihten auch, den seit zwei Jahren schwelenden Streit mit der Hesinde-Kirche beizulegen. Zwar geht man in Bezug auf die Quanionsqueste ohne ein greifbares Ergebnis auseinander, doch hat das Konzil entscheidend dazu beigetragen, den Ordo Bosparanis in seinem Inneren zu stärken und seinen Geweihten neue Zuversicht beim Beschreiten des nicht unumstrittenen Wegs des Prinzipismus zu geben. Was bleibt, ist jedoch auch eine Verunsicherung über die Sicherheit der Tempel und ihrer Diener angesichts der jüngsten Bedrohungen. Niemand weiß, wer die Feinde des Glaubens sind und wo sie als nächstes zuschlagen werden. Nur mit geringer Erleichterung wird daher die Nachricht aus Gareth aufgenommen, der zufolge der Bote des Lichts die Praios-Geweihte Lechmin von Hartsteen aus ihrer inneren Klausur in der Ruine des Klosters Arras de Mott gerufen und als Legatin der Kirche ausgesandt habe, um die Tempel auf dem gesamten Kontinent persönlich in Augenschein zu nehmen und ihren Schutz sicherzustellen.

Anfang Rondra bricht auf dem Tempelberg abermals großer Aufruhr aus, als plötzlich die Wäscherin Travine unter unerklärlichen Umständen aus ihrer Kerker verschwindet. Ihre beiden Wächter werden tot aufgefunden, doch ob sie sich selbst befreite oder durch Hilfe von außen entkam, ist ungewiss. Die Heilig-Blut-Ritter suchen den gesamten Tempelberg ab, finden jedoch keine Spur der Entflohenen. Die Gefährten erfahren, dass eine Untersuchung der Inhaftierten durch einen Inquisitor ergeben hätte, dass womöglich ein Dämon von der Frau Besitz ergriffen hat. Dieser sei von seiner Natur her der Inquisition jedoch völlig unbekannt gewesen.

Kurz darauf kommt es zu einem weiteren folgenschweren Ereignis: Womöglich zeitgleich zum Verschwinden der besessenen Travine, nutzten unbekannter Täter den Tumult, um die Wachen an der Ausgrabungsstätte des Ucuri-Tempels in Haldurias zu ermorden. Das Bodenmosaik, das während der letzten Wochen freigelegt worden war, wurde aufgebrochen. Als Ghiberto, Boldrino und Lechdan an dem Tatort erscheinen, erblicken sie an der Stelle des Mosaiks einen Treppengang, der hinab in ein unterirdisches Gewölbe führt. „Dafür musste also Lamea sterben“, knirscht Ghiberto. Die Gefährten blicken sich vielsagend an, als sie mit dem Abstieg das unterirdische Gewölbe beginnen und ihnen der Geruch von modrigem Weihrauch entgegen schlägt.

Die Treppe führt sie in eine leer geräumte Sakristei, an die sich eine lang gezogenes Gewölbe mit Wandmalereien anschließt, die – wie schon in den Kavernen unterhalb des Klosters Varsincero – Darstellung des zweigesichtigen Götterfürsten zeigen. Ein weiterer, allerdings mittlerweile vermauerter Durchgang muss wohl die unterirdische Halle mit der alten bosparanischen Kanalisation verbunden haben. Offenbar diente das Gewölbe als geheimer Versammlungsort, der über die unterirdischen Abwasserkanäle ungesehen aufgesucht werden konnte. Möglicherweise traf sich hier sogar ein geheimer Mysterienkult, der in aller Verschwiegenheit seine Zeremonien abhalten konnte. Bruder Lechdan wirft ein, dass eine antike Legende von einem Greifen erzählt, der unterhalb des Tempels gehaust haben soll. Diese Legende sei ein Hinweis darauf, dass der Ucuri-Tempel schon damals mythenumrankt war, doch scheint wohl diese Halle das eigentliche Geheimnis des Tempelbaus gewesen zu sein.

An der Stirnseite des Gewölbes befindet sich ein Podest, auf dem die Überrest eines brokatenen Kissens zu sehen sind. Staubspuren verraten, dass sich hier bis vor kurzem ein runder, vielleicht auch eher stern- oder sonnenförmiger Gegenstand von der Größe eines Tellers befunden habe. Mit großer Sicherheit, so vermuten die Gefährten, sei dieses Artefakt von jenen, die in das Gewölbe eingebrochen sind, entwendet worden. Auf der Wand hinter dem Podest erhebt sich ein fein gearbeitetes Marmorrelief, auf dem sie die Zeichnung auf der Tonscheibe wiedererkennen, die Lechdan entdeckt hatte. Doch das Bild, das den Säugling vor den Stufen des Tempels zeigt, ist nur ein Teil eines größeren zusammenhängenden Wandreliefs, das in verschiedenen Episoden das Leben und Wirken eines Ucuri-Priesters beschreibt. Der hinzugeilte Avesso Pragante erläutert, dass der Tempel auf die Zeit der Friedenskaiser zurückgeht, während das unterirdische Gewölbe anscheinend nachträglich gegraben wurde. Das Relief stamme aus den frühen Dunklen Zeiten, vermutlich noch aus der Regierungszeit der Olrukiden.

Die Szenen zeigen den Lebensweg eines frommen Mannes, in dem die Gefährten sofort die Legende des Infans Bosparanus wiedererkennen. In einem ersten Bild wird Eryamos als Findelkind vor den Stufen des Tempels ausgesetzt. Daneben sieht man das Bild eines älteren Prätoren in der antiken Robe eines Falkenpriesters, der den Sonnenlegionären des Olruk-Horas Einlass in den Tempel verwehrt. In einer weiteren Szene wird Eryamos als junger Mann in den Gewändern des bosparanischen Ucuri-Kultes dargestellt, der einen Blinden durch Handauflegen heilt. Es folgen die Szenen der gewaltsamen Festnahme Eryamos’ und einer Vision von einem leuchtenden Falken, die Eryamos einen Weg aufzeigt, aus der Zitadelle des Horas zu fliehen. Auf weiteren Bildern sieht man Eryamos auf Wanderschaft durch das Bosparanische Reich, Wind umtost auf einer uralten Treppe stehend, die ins Meer reicht, und schließlich auf einem Schiff, das gerade die Säulen des Himmels unweit der Zyklopeninsel Mylamas passiert. Doch die letzten Episoden der Legende sind am interessantesten: Eine von leuchtenden Steinen erhellte Grotte, in der Eryamos mit gezogenem Kurzschwert einem grässlichen Wesen gegenüber tritt, dessen Haare zischenden und sich windenden Schlangen gleichen – dann Eryamos, der von Rachegeistern geplagt ein Gebirge besteigt und schließlich aus den Pranken eines Greifen drei golden strahlende Sonnen erhält, vor deren Glanz die Rachegeister zurück in die Dunkelheit fliehen – und schließlich abermals Eryamos mit leuchtender Stirn vor einem gewaltigen Portal, das jenem, das die Gefährten in den Goldfelsen erblickt haben, sehr ähnlich sieht. Nur dort, wo sich die Aussparungen befunden hatten, prangen auf der Abbildung drei golden leuchtende Sonnen. Könnten diese Sonnen vielleicht der Schlüssel sein, der das Portal öffnet? Barg das Podest eine dieser Sonnenscheiben, bis sie von jenen, die eingebrochen waren, entwendet wurde?

Beim Anblick des Reliefs fühlt sich Boldrino an seinen Traum zurück erinnert, den er in der Kapelle des Heiligen Quanion gehabt hatte: Ein Wanderer, der in eine altertümliche Toga gewandet war, schritt durch ein Tal, das durch die Schatten der umliegenden Berge verdunkelt wurde. Er trat vor eine Pforte, auf der drei rötlich schimmernde Sonnen prangten. Dann leuchtete etwas auf, doch das Licht kam nicht vom Portal, sondern von etwas, dass direkt vor ihm war und ihm schlagartig die Sicht nahm. Etwas schmerzte zwischen seinen Augen. Von dort aus breitete sich ein brennendes Gefühl breitete auf den gesamten Leib aus, und Boldrino erwachte mit einem Gefühl von Übelkeit, fiebriger Hitze und entsetzlichen Kopfschmerzen.

Währenddessen glaubt Lechdan, in dem Bild der drei Sonnen ein Motiv aus der Prophezeiung durch hundert Zungen wiederzuerkennen, die besagte: „Eine neue Sonne wird das Firmament überstrahlen, sie wird sein, wie sie war, bevor sie war, wo sie ist. Dreifach ist ihre Herrlichkeit, und dreifach wird sie den Menschen wieder erscheinen.“ Doch auch die unheilverkündende Prophezeiung der Myriana Sarostes hallt in seinen Erinnerungen wider: „Tris heloi este, omos ô skotos êkatos phaos katanaliskei“ – Drei Sonnen seid ihr, doch die Finsternis frisst jedes Licht.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM XVIII: LACRIMAE NULLAE – KEINE TRÄNEN

Vinsalt im Rondra 1032 BF. Direkt nach dem Einbruch in die unterirdische Sakristei des antiken Ucuri-Tempels wird die Ausgrabungsstätte vor Haldurias durch Heilig-Blut-Ritter großräumig abgeschirmt. Ghiberto stößt unweit des Mosaiks auf frische Fußspuren, die in Richtung Norden weisen, sich aber kurz vor dem Alten Bosparaner Tor, das den Südzugang zum Stadtteil Alt-Bosparan markiert, wieder verlieren. Die vier Gardisten, die am Tor Wache schoben, werden umgehend vom Dienst suspendiert. Eine Befragung ergibt, dass ihnen offenbar ein Teil der Erinnerung an die Stunde des Einbruchs fehlen scheint.

Am nächsten Morgen befragt Ghiberto im Auftrag Urras Ariosto von Radoleths, des Vinsalter Komturs des Heilig-Blut-Ordens, die Bewohner von Haldurias. Dabei kann er in Erfahrung bringen, dass drei Gestalten in dunklen Mänteln dabei gesehen worden sind, wie sie die Ausgrabungsstätte verlassen haben und schnellen Schrittes in Richtung Alt-Bosparan gelaufen sind. Dort wurden sie von zwei weiteren Gestalten empfangen, während die Torwachen nirgendwo zu sehen waren. Staryun Loriano befiehlt Teucras de Solstono und Urras von Radoleth, mit den Horas-Rittern Alt-Bosparan zu durchkämmen und sowohl nach der gestohlenen Reliquie als auch nach der besessenen Travine zu suchen. Während Ghiberto eine dieser Suchmannschaften, denen wiederum Stadtgardisten und jeweils ein Inspectore der Connetablia Criminalis Capitale zur Seite gestellt werden, durch die schmutzigen Gassen Alt-Bosparans führt, begeben sich Boldrino und Lechdan zum Anatomischen Institut. In den Leichenhallen des Instituts werden die leblosen Körper der Wachen untersucht. Sowohl an den Leibern der ermordeten Wächter Travines als auch der Wachen der Ausgrabungsstätte sind Verwundungen zu gesehen, die jedoch zum Teil nicht so stark gewsen sind, dass sie als alleinige Todesursache auszumachen seien. Vielmehr scheinen die Mörder ein Waffengift verwendet zu haben, das sich in Spuren an allen Leichen wiederfinden lässt. Dies bestätigt den Verdacht, dass die Befreiung Travines und der Einbruch in die Ausgrabungsstätte von denselben Leuten geplant und durchgeführt wurden. Da sie aber fast zeitgleich zuschlugen, vermutet Bruder Lechdan, dass die Befreiung Travines möglicherweise nur eine Ablenkung war. In dem dadurch entstandenen Tumult, wurde eine große Zahl an Gardisten und Heilig-Blut-Rittern auf das Gebiet Vinsalts und des Tempelberges konzentriert, während die Diebe relativ ungestört in der abgelegenen Ausgrabungsstätte zuschlagen konnten.

Auch nach Tagen der Suche haben die Suchmannschaften kein nennenswertes Ergebnis erzielt. Lechdan und Boldrino konnten jedoch herausfinden, dass einer der Schreiber des Luminifactus direkt nach der Entführung Travines im Palazzo Custodiale gesehen wurde. Es handelt sich um den jungen Thalion, dem Ghiberto vor etwas über einem Jahr eine Position in Staryun Lorianos Amstuben verschafft hatte.* Er schwört felsenfest, dass niemand geringes als Teucras de Solstono ihn kurz vor der Entführung augesucht und genötigt habe, ihm die Schlüssel zu dem Trakt des Palazzo Custodiale zu beschaffen, in dem die Wäscherin Travine festgehalten werde. Als dies der Wahrer der Ordnung erfährt, erteilt er Urras Ariosto von Radoleth den Befehl, Teucras de Solstono festzusetzen und zu ihm zu bringen. Mit einem genüsslichen Lächeln auf den Lippen nimmt der Komtur den Befehl entgegen. Teucras lässt sich ohne Gegenwehr abführen und wird bald darauf vor Staryun Loriano geführt. In einem – zum Leidwesen Urras von Radoleths – sehr freundlich verlaufenden Gespräch mit dem Wahrer der Ordnung weist Teucras de Solstono die Anschuldigungen von sich und verweist darauf, dass er mit seiner Nichte, der jungen Praios-Geweihte Aleana, den Abend verbracht hätte. Die daraufhin eilig herbeigerufene Aleana de Solstono kann die Aussage des Großkomturs bestätigen. Darüber kommt Staryun Loriano ins Grübeln und entschließt sich schließlich, die liturgische Ermahnung zur Wahrheit zu sprechen. Dazu fordert er Teucras auf, vor ihm niederzuknien. Daraufhin tritt er auf Teucras zu, schlägt über dessen Stirn das Zeichen der Segnenden Sonnenscheibe und spricht: „Im Namen des Herren Praios! Der ist verloren, der sich im Angesicht des Götterfürsten der Schande der Lüge zuwendet. Sprich die Wahrheit oder sei verdammt!“ Hierauf wiederholt Teucras mit klaren Worten und geradezu seelenruhig seine Aussage, woraufhin der Wahrer der Ordnung die Unschuld des Verdächtigten anerkennen muss.

Staryun Loriano gibt zu bedenken, dass die Erneuerung des Arcanum Interdictum dieses Jahr ausgesetzt wurde. Seit mehreren Jahrzehnten schon werde die Liturgie nicht nur auf den Praios-Tempel, sondern auch auf den Palazzo Custodiale angewandt. Da aber Staryun Loriano eine antike Skulptur aus magisch leuchtenden Gwen-Petryl-Gestein, die bei Ausgrabungen auf der Insel Baltrea gefunden wurde, in der Antikensammlung seines Amtssitzes ausstellen wollte, hatte er am 1. Praios dieses Jahres verfügt, den Reinigungsritus des Arcanum Interdictum fortan nur noch im Tempel zu vollführen. Es sei also davon auszugehen, dass ein Magier mit Hilfe einer Zauberformel das Aussehen Teucras de Solstonos angenommen habe, um Travine aus ihrer Zelle zu befreien.

Nachdem Mitte Rondra noch immer keine substantiellen Erkenntnisse gewonnen wurden, entsinnt sich Ghiberto seines Zusammentreffens mit der Unterweltkönigin Niam von Bosparan vor drei Jahren. Damals befand er sich mit seinen damaligen Gefährten im Auftrag Staryun Lorianos auf der Suche nach einem Giftmischer namens Dolomenes da Crabro und erregte dabei das Interesse der ‚Königin von Alt-Bosparan’, die ihnen daraufhin einen entscheidenden Hinweis gab. Möglicherweise sei sie auch in dieser Angelegenheit gewillt, ihm zu helfen, denkt er sich, als er seinen Kürass ablegt und seine rotgoldene Robe gegen ein unauffälliges Alltagsgewand austauscht. Darüber zieht er einen dunklen Kapuzenmantel und macht sich auf den Weg nach Alt-Bosparan. Zunächst steuert er die Schenke ‚Heldenkeller’ an, um nach dem buckligen Scherenschleifer Beno zu suchen, der im Hofstaat der Königin als eine Art Herold auftritt. Es dauert eine Weile bis Beno die Schenke betritt. Ghiberto lässt sich nichts anmerken und wartet mehrere Stunden, bis der Scherenschleifer den Heldenkeller wieder verlässt. Der Horas-Ritter steht auf und folgt ihm unauffällig. Als er ihm wenig später in eine dunkle Gasse folgt, verliert er auf einmal dessen Spur. Ghiberto blickt sich hastig um, doch der Scherenschleifer ist nirgendwo zu sehen. Im nächsten Augenblick spürt er eine Klinge an seinem Rücken. „Was willst du Horas-Ritter? Raus mit der Sprache, bevor ich deine Eingeweide aus diesem hübschen Körper schneide und den Kötern der Königin zum Fraß vorwerfe!“ Ghiberto versucht den buckeligen Beno zu beschwichtigen und trägt schließlich seine Bitte um eine Audienz bei Niam von Bosparan vor. Er werde es ihr ausrichten, antwortet Beno, während er seinen Dolch wieder einsteckt, könne aber nichts versprechen. Ghiberto nickt ihm dankbar zu und wieder geht seiner Wege.

Eine ganze Woche vergeht, bis Ghiberto Nachricht von der Königin bekommt. Ghiberto erscheint ohne seine Gefährten zum verabredeten Treffpunkt und wird dort von Beno und einer Handvoll mürrisch dreinblickenden Halsabschneidern in Empfang genommen. Sie verbinden ihm die Augen und führen ihn durch die nahe Kellertür. Für eine schier endlos erscheinende Zeit geht es durch feuchte, stickige Gänge. Als das Geräusch fließenden Wasser an Ghibertos Ohren dringt und ihm der Gestank von Kloake in die Nase steigt, ist er sich sicher, sich in Kanalisation unterhalb der Stadt zu befinden. Irgendwann nimmt die Intensität des Geruchs wieder ab. Ghiberto wird steinerne Treppen empor geführt, schließlich steigen sie durch eine Luke. Irgendwo in der Ferne erklingt bald gedämpfte Flötenmusik. Es geht durch weitere Türen und Gänge, bis schließlich eine größere Flügeltür aufgestoßen wird. Die Musik ist jetzt ganz nahe und eine wohlige Wärme umfängt den Horas-Ritter. Als Ghiberto die Augenbinde heruntergerissen wird, muss er blinzeln – so hell strahlt das Licht von dutzenden Kandelabern und kristallenen Lüstern. Im intensiven Gegenlicht kann er im ersten Augenblick nur undeutlich die schlanke Gestalt wahrnehmen, die sich mit langsamen, anmutigen Bewegungen auf ihn zubewegt.

„Und so sehen wir uns wieder! Seid willkommen, Signor Ghiberto di Vianeï. Seid willkommen, in meiner kleinen bescheidenen Zuflucht.“ Wenige Augenblicke später haben sich Ghibertos Augen an die Helligkeit gewöhnt und deutlich sieht er sie nun vor sich, ihre dunklen, geheimnisvollen Augen ebenso schön und ebenso schrecklich, wie er sie in Erinnerung hatte: Niam von Bosparan. Mit einer höfischen Geste verbeugt er sich und erbietet ihr seinen ergebensten Gruß. Auf einen Wink der Königin eilt ein Diener herbei und schenkt ihm Wein in einen silbernen Pokal ein. „Geht mit mir“, sagt Niam. Sie hakt sich bei ihm ein und führt ihn – sanft aber bestimmt – durch eine lange Zimmerflucht hindurch, bis sie eine reich ausgestatteten Halle betreten, deren Deckengewölbe mit Fresken geschmückt sind, die Szenen aus der Historie des alten bosparanischen Reiches zeigen. „Wie ich vernommen habe, habt Ihr Euch verändert, seit wir uns das letzte Mal trafen“, spricht sie lächelnd. „Man sagt, Ihr seid nun ein frommer Mann?“ „Ich habe mich der Suche nach dem Ewigen Licht verschrieben, holde Dame.“ „Welch ehrenwerte Queste!“ antwortet sie ihm in einem ungezwungen Plauderton, hinter dessen freundlicher Fassade Ghiberto bei jedem Schritt versteckte Fallen und doppelte Böden vermutet. „Für Kirche und Glauben, Wahrhaftigkeit, Mut und Hoffnung! Doch eigentlich“, fährt sie mit kaum verhohlenem Spott fort, „langweilt mich die Tugend. Ich erinnere mich, dass es eine Zeit gab, in der Ihr verwegen ward. Eine Zeit, in der Ihr furchtlos auf das Schlachtfeld rittet. Eine Zeit, in der Ihr, ohne mit der Wimper zu zucken, versuchtet, eine rechtmäßige Königin zu entführen und einen unrechtmäßigen Kaiser mit Eurem Leben zu verteidigen.“ „Der Krieg der Drachen ist vorbei“, antwortet Ghiberto, „ein guter und gerechter Herrscher hat den Adlerthron bestiegen. Ucuris Segen liegt auf ihm, und heute gilt es für mich, andere Schlachten zu schlagen.“

Die beiden kommen schließlich vor einer Marmorstatue zum Stehen, die einen wohlgestalteten bosparanischen Feldherren mit langen Haaren und wallendem Vollbart zeigt. „Halmar Valgardson, was war er nicht für ein Halunke!“ ruft Niam, während sie ihre Hand über die steinernen Muskeln der Statue fahren lässt. „Krieger, Kaiser, Liebhaber. Nur neun Jahre herrschte er über Bosparan, aber in dieser knapp bemessenen Zeit wuchs er über sich selbst hinaus. Ist es nicht die wahre Tugend, das zu nehmen, das einem zusteht? Das zu ergreifen, nach dem man verlangt? Aufs Größte hin zu leben und zu herrschen, und sei es auch nur für kurze Zeit? Ist es nicht besser, einen einzigen Tag in Glorie zu leben und zu vergehen im Feuer der Leidenschaft, als abertausende zu verbringen in Trägheit und in Starre?“ Während des Gesprächs nimmt Ghiberto wahr, das Niam immer näher zu kommen scheint. Schon kann er ihren warmen Atem an seinem Hals spüren. „Ich habe eine Leidenschaft“, gesteht Ghiberto zu Niam gewandt: „Rache. Ich möchte Rache nehmen am Tod meines Vaters, jenen sterben sehen, der ihn einst zu morden befahl. Ich möchte dieselbe Qual in seinen Augen sehen, die ich in denen meines Vaters sah, als er am Galgen baumelte.“ Lange schauen sich die beiden an. Die Augen der Königin scheinen, gleichsam Wohlwollen und Abstand auszudrücken, doch was sich wirklich hinter dieser Maske verbirgt, bleibt für Ghiberto ein Geheimnis. Unvermittelt tritt sie einen Schritt zurück. „Ich könnte noch lange mit euch plaudern, doch ist es nun an der Zeit, Euch jemanden vorzustellen!“ ruft sie ihm in einem schlagartig veränderten Tonfall zu. „Jemanden, der Eure Leidenschaft teilt. Jemanden, der Euren Eifer und Eure Tatkraft teilt. Nun, ich muss anfügen, dass Ihr ihn eigentlich schon kennt. Man könnte fast sagen, dass es sich gar um einen gemeinsamen Freund handelt.“ Und dann ergreift sie den Arm der Halmar-Horas-Statue und drückt ihn hinunter. Ein mechanisches Geräusch ertönt und plötzlich öffnet sich eine Tür in der nahen Wand, die Ghiberto zuvor nicht wahrgenommen hatte.

Der Durchgang gibt den Blick frei auf ein Kabinett, in dem ein geschmackvoll gekleideter Edelmann steht. „Mein Prinz!“ ruft Ghiberto überrascht und kniet nieder, als er in ihm wohlbekannte grüne Augen blickt und seinen einstigen Ordensgroßmeister und Kaiser wiedererkennt: Timor Firdayon. „Steht auf, mein Freund, und lasst die Höflichkeit“, ruft ihm der Prinz zu, während er auf ihn zugeht und ihm aufhilft. „Wie lange ist es her? Fast auf den Tag genau zwei Jahre, nicht wahr?“ „Wir sahen uns kurz nach dem Friedenschluss zu Arivor das letzte Mal, Eure Majestät, ich meine: ‚Eure Durchlaucht’.“ „Zwei Jahre! Nun ich selbst bin seither kein bisschen weiser geworden. Nur, wie Ihr sehen könnt“, sagt Timor mit einem galanten Seitenblick zu Niam von Bosparan, „findet man mich heute nur noch in der allervorzüglichsten Gesellschaft.“ Schlagartig gefriert sein Lächeln, und er fährt mit ernstem Tonfall fort: „Treuer Freund, es ist mir zu Ohren gekommen, dass Ihr fieberhaft nach jenen sucht, die eine Reliquie aus den Ruinen des Falkentempels stahlen. Ich muss Euch warnen: Ihr wisst nicht, worauf Ihr Euch einlasst.“ „Wisst Ihr denn, mein Prinz, wo ich diese Reliquie finden könnte?“ Timor seufzt: „Wir können davon ausgehen, dass die Reliquie schon längst aus der Stadt geschafft wurde. Bis auf die Täter selbst kann niemand wissen, wo sie sich zur Zeit befindet. Und noch eine Sache: Ich glaube nicht, dass der Diebstahl das Werk der Söhne des Horas gewesen ist.“ „Das habe ich auch vermutet“, antwortet Ghiberto und berichtet von den seltsamen Umständen um den Tod der Ucuriatin Lamea Aurandis.

Timor erzählt ihm daraufhin, dass er die Jünger des namenlosen Gottes im Verdacht habe, die bereits seit Jahrhunderten hinter den Kulissen von Kirche und Politik ihr Unwesen treiben. Er wisse nicht, warum die Anhänger des Namenlosen nach den Reliquien suche, doch beschwört er Ghiberto ihnen zuvor zu kommen. Zwei der drei Sonnenschlüssel, die das mysteriöse Portal in den Goldfelsen zu öffnen vermögen, seien noch irgendwo da draußen. Ghiberto müsse sie um jeden Preis finden, bevor sie den Feinden der Götter in die Hände fallen. Wo sich die anderen beiden Sonnen befinden, könne er ihm nicht mit Gewissheit sagen; allerdings händigt er Ghiberto eine alte Schriftrolle aus, die einen Bericht von Silem-Horas’ Feldzug in die Goldfelsen enthält. Nachdem er dort den Mysterienkult Speculum ater zerschlug, erbeutete er drei sonnenförmige Artefakte und brachte sie nach Bosparan. Er erkannte in ihrer Dreizahl eine Huldigung an das heilige Band zwischen Praios, Ucuri und Horas und vermachte jeweils eine Sonne an die Gotteshäuser des Praios, des Ucuri und des Horas, welche die Reliquien fortan hüten sollten. Timor sagt auch, dass er sich mit seiner Schwester Aldare über die Sonnenschlüssel ausgetauscht habe. Sie habe daraufhin eigenständig nachgeforscht und vermutet, dass die beiden übrigen Sonnen womöglich während der Zerstörung Bosparans von den siegreichen Garethern entwendet wurden. Am Ende des Gesprächs warnt er Ghiberto noch einmal eindringlich vor den Dienern des Namenlosen: „Ich kam nicht umhin, Eurem Gespräch mit der Königin zu lauschen und weiß von Eurem tief sitzenden Hass auf den Mörder Eures Vaters. Doch kann ich Euch nur raten: Zügelt Euren Wunsch nach Rache! Lasst nicht zu, dass der Hass Eure Seele befleckt. Wenn Ihr Eurem Feind gegenübertretet, sollte Eure Seele rein sein, ansonsten wird er ein leichtes Spiel mit Euch haben. Die Masken des Namenlosen sind zahlreich und ebenso zahlreich sind seine Listen und Schliche. Seid Euch der Gefahr bewusst, wisst aber auch, dass die gerechten Götter mit jenen sind, die alles in die Waagschale zu werfen bereit sind. Mit Euch die Götter!“ „Ich danke Euch für diese Worte, mein Prinz“, antwortet Ghiberto mit ernster Stimme und verbeugt sich. Timor fügt hinzu, dass er nun schon viel zu viel gesagt habe und sich jetzt verabschieden müsse. Auch Niam von Bosparan hat dem nichts mehr hinzuzufügen. Sie sieht ihre Schuldigkeit getan, sagt noch einige nette Worte, begleitet Ghiberto zurück und hält ihm schließlich huldvoll die Hand zum Abschied entgegen. Ghiberto verbeugt sich auch vor ihr, ergreift ihre Hand und küsst sie. Von Ferne hört er bereits die schlurfenden Schritte von Beno den Scherenschleifer, der an ihn herantritt und ihm abermals eine Augenbinde umwickelt, bevor er ihn durch einige rohe Spießgesellen aus dem Anwesen der Königin bringen lässt.

Am nächsten Tag erstattet Ghiberto Staryun Loriano und Teucras de Solstono Bericht über sein Gespräch mit Prinz Timor Firdayon. Während der Großkomtur darüber die Stirn runzelt, reagiert der Wahrer der Ordnung kaum überrascht über die Verbindungen des Prinzen zur Unterweltkönigin. Nachdem alle weiteren Bemühungen, die Diebe der Sonnenreliquie ausfindig zu machen, im Sande verlaufen, werden die Ermittlungen zum Monatsende hin eingestellt. Ghiberto, Lechdan und Boldrino verstärken derweil ihre Anstrengungen in den Archiven und Bibliotheken, wo sie gezielt nach Informationen über die Zerstörung Bosparans durch die Garether forschen. Es dauert mehrere Wochen, bis die Gefährten schließlich auf ein altes Dokument aus dem ersten Jahrzehnt nach Bosparans Fall stoßen. Es handelt sich um eine elegische Versdichtung mit dem Titel Habeo lacrimas nullas, in der eine alte Priesterin auf ihrem Sterbebett über die Gräueltaten der Gefolgsmänner Rauls von Gareth klagt. Als sie in Bosparan einfielen, plünderten sie die Stadt und zerstörten sie bis auf die Grundmauern. Nicht einmal vor den Tempeln machten sie halt. Ausgerechnet ein fanatischer Praios-Jünger namens Astagius Graianus, so behauptet das Klagegedicht, stürmte mit einer Schar Soldaten den Horas-Tempel der kaiserlichen Zitadelle und stahl sein Schätze, bevor er ihn niederbrennen ließ. Unter den geraubten Schätzen, soll sich auch eine höchst wertvolle Reliquie in Form einer leuchtenden Sonne befunden haben, die von den Priestern offenbar besonders verbissen verteidigt wurde. Die Gefährten atmen auf, als sie nach Wochen fruchtloser Suche endlich eine Spur gefunden haben – ein Glücksfall, den sie willkommen heißen wie einen flüchtigen Lichtschein in dunkler Nacht.

___________________________________________
* Siehe Kapitel 5.

Gueldenlaender
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Re: Spielbericht Quanionsqueste (Spoiler!)

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CAPITULUM XIX: IRA FURIAE – DER ZORN DER FURIE

Vinsalt im Efferd 1032 BF. Staryun Loriano lässt Ghiberto, Boldrino und Lechdan zu sich bitten. Er ruft ihnen in Erinnerung, dass der ihnen bekannte Praios-Geweihte Lumin Ehrwald in den vergangenen Monaten in Kuslik und Vinsalt sprachhistorische Forschungen zu Ursprung und Bedeutung des Wortes Sumyrdalun nachgegangen sei, die möglicherweise von entscheidender Bedeutung für die Quanionsqueste seien. Einen kleinen Einblick in seine Forschungen hatten die Gefährten bereits während des Konzils vor einigen Wochen erhalten können, wo Ehrwald einen Vortrag über die Prophezeiung durch hundert Zungen gehalten hatte. Dass diese Forschungen überhaupt zu einem Abschluss gebracht werden konnten, sei nicht zuletzt auch ein Erfolg der auf dem Konzil beschlossenen Aussöhnung mit der Hesinde-Kirche, die ihm Werke aus der Halle der Weisheit zugänglich machte, die üblicherweise für Außenstehende verschlossen sind. So wurde ihm unter anderem ein Einblick in die Berichte der Lamea-Expedition gewährt. Der Gelehrte habe inzwischen seine Forschungen in Kuslik abgeschlossen und werde nun sehr bald nach Elenvina aufbrechen, das seit der Zerstörung der Stadt des Lichts der Sitz der Kirchenverwaltung ist. Dort werde er das Traktat dem Collegium der Kirchenakadamie zur Disputation vorlegen.

Da sich die Garether Wäscherin Trawine, die offenbar schon einmal versucht hatte, den Geweihten zu ermorden, wieder auf freiem Fuß befindet, sei Lumin Ehrwalds Sicherheit noch immer in höchstem Maße gefährdet. Zum Prüfungsfest der Hesinde-Kirche, das in wenigen Tagen beginnt, werden zudem Ströme von Pilgern in der Hafenstadt erwartet. Eine so unauffällige Person wie Trawine könnte den allgemeinen Trubel und die dichten Menschenmengen nutzen, um ungesehen zu Lumin Ehrwald vorzudringen. Auch sei ihm zu Ohren gekommen, dass es vor wenigen Wochen zu seltsamen Mordfällen und unheimlichen Vorkommnissen in Kuslik gekommen sei. Zwar sei Lumin Ehrwald von diesen Vorfällen nicht unmittelbar betroffen gewesen, doch seien diese Nachricht dennoch zutiefst beunruhigend. Daher trägt Staryun Loriano den Gefährten auf, den Geweihten nach Elenvina zu begleiten und um seinen Schutz zu sorgen. Für die Zeit, in der sie sich aber in Elenvina aufhalten, habe er einen weiteren Auftrag für sie, über den sie aber mit niemandem sprechen dürften: Wenn der Wortlaut der Elegie, die die Gefährten vor einigen Wochen gefunden haben, der Wahrheit entspricht und ein Mann namens Astagius Graianus tatsächlich die Schätze des Horas-Tempels raubte und aus Bosparan brachte, wäre es möglich, dass sie vielleicht noch immer in irgendeiner Kammer in Elenvina, Punin, Gareth oder Beilunk versteckt sein könnten. Die Gefährten sollten nun herausfinden, ob es in Elenvina Hinweise auf die Plünderung Bosparans und den Verbleib seiner Reliquien und liturgischen Gegenstände gebe. Da nach dem Jahr des Feuers ein Großteil der Archive der Praios-Kirche in die nordmärkische Herzogenstadt transferiert wurde, könnte man dort womöglich fündig werden.

Pünktlich zum Prüfungsfest am letzten Tag des Efferd-Mondes erreichen die Gefährten die Stadt Kuslik am Yaquirmund. Ein heftiger Schauerregen prasselt auf die Dächer nieder, die Straßen und Plätze der Innenstadt sind heillos überfüllt. Scharen von Pilgern mit Schlangelinien auf der Stirn oder grünen und gelben Wimpeln an den Wanderstäben, aber auch allerhand Gardisten Schausteller und aufdringliche Geschäftemacher bestimmen das Bild der Stadt. Auf dem Argelionplatz im Stadtteil Brigonis treffen die Gefährten schließlich auf Lumin Ehrwald, der gerade in Begleitung einiger Draconiter auf dem Weg in die Halle der Weisheit ist. Freudig begrüßt sie der Geweihte und gibt zu verstehen, dass er bereits durch einen Brief des Luminifactus auf ihr Kommen vorbereitet wurde. Als Gelehrter sei ihm die besondere Ehre zuteil geworden, an der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Zeremonie zu Ehren der Allweisen teilzunehmen, und lädt die Gefährten ein, ihn dabei zu begleiten. Eingedenk ihrer Leistungen bei der Auffindung der Maske des Amazeroth im Jahre 1030 BF und der Fürsprache Lumin Ehrwalds werden sie von den Tempelwachen ohne viel Federlesens durchgewunken. In dem prächtig ausgeschmückten Schlangensaal, der das Herzstück der Halle der Weisheit bildet, treffen sie die Custora Lumini Gylduria von Firdayon-Bethana, die aufgrund ihrer Bemühungen, die praiotische Wahrheitssuche mit der hesindianischen Weisheitsliebe zu verbinden, im Zirkel des Wissens ein allseits geschätzter und gern gesehener Gast ist.

Nachdem sich alle Geweihten, Draconiter und geladenen Gäste in der Halle eingefunden haben, erklingen fünf Gongschläge. Der Zeremonienmeister der Halle der Weisheit erscheint mit dem Schlangenbanner Sankt Algenions. Hinter ihm erhält die Magisterin der Magister Aldare Firdayon mit würdevoller Miene Einzug in den Saal und schreitet zum Hochaltar mit dem aus Gold und Jade geschaffenen Standbild der Hesinde mit dem Menschenschüler. Die traditionellen Segensworte des Prüfungsfests leiten die Andacht ein, in deren Verlauf die heiligen Reliquien der Kirche nacheinander auf prachtvollen Laden von Draconitern in den Saal gebracht und von der Erhabenen gesegnet werden. Boldrino wird von einem blassen jungen Draconiter angerempelt, der sich mit zittrigen Beinen seinen Weg nach draußen bahnt, während Lumin Ehrwald Bruder Lechdan zuflüstert, dass es scheint, als würde man dieses Jahr den Umbilicus nicht präsentieren. Gerüchten zufolge hätten sich im Vorfeld des Prüfungsfests allerhand merkwürdige Dinge ereignet, die möglicherweise in einem Zusammenhang mit dem Fehlen des Talismans stehen könnten, aber letzten Endes, sagt Ehrwald mit einem verschmitzten Augenzwinkern, sei der Umbilicus doch nur ein Stein.*

Nach der feierlichen Zeremonie schlendern die Gefährten mit Lumin Ehrwald über den Argelionsplatz. Der Gelehrte eröffnet ihnen, dass er gerade dabei ist, die letzten Vorbereitungen seiner Abreise zu treffen und voraussichtlich in einigen Tagen so weit sei, nach Elenvina aufzubrechen. Stolz erzählt er ihnen von seiner Abhandlung ‚De natura et origine verbi Sumyrdalun‘, die er gleichermaßen dem Boten des Lichts und der Magisterin der Magister gewidmet habe. Im allgemeinen Menschengewimmel bemerken die Gefährten, wie ihr Schützling mit einem Mal erstarrt und mit aufgerissenen Augen flüstert: „Dort ist sie.“ Lumin Ehrwald glaubt, im Gewühl der Menschenmenge die Wäscherin Trawine gesehen zu haben, die ihm aus unbekannten Gründen seit Gareth zu folgen scheint. Doch als die Gefährten versuchen, sie unter all den Gesichtern ausfindig zu machen, ist sie schon wieder weg. Lumin grübelt noch, ob er nicht vielleicht einer einfachen Verwechslung oder gar seiner Einbildungen zum Opfer gefallen ist, als er plötzlich mitten im Satz aufschreit. Ein schmutziges, langhaariges Wesen wirft sich von hinten auf ihn. Es ist Trawine. Sie muss hinter einem der Straßenstände hervorgesprungen sein. In ihrer Hand hält sie einen Dolch, den sie ohne zu Zögern in Lumins Knie rammt.

Geistesgegenwärtig schwingt Bruder Lechdan seinen Wanderstab und trifft die Wahnsinnige mit voller Wucht. Sie taumelt nach hinten, woraufhin sich Lumin von ihr los machen kann. Mit schmerzerfüllter Miene versucht er sich aufzurichten und zieht den Dolch aus der Wunde. Ein Schwall von Blut ergießt sich über das Hosenbein. Trawine, zwei Schritte von Lumin entfernt, faucht wütend, als ihr gewahr wird, dass sie keine Waffe mehr in ihren Händen hält. Lechdan und Boldrino stellen sich schützend vor Lumin, Ghiberto zieht sein Schwert und geht auf die Frau zu. Mit einer kraftvollen Bewegung, die man ihrem zarten Körper niemals zugetraut hätte, wirft sie einen kompletten Händlerstand um, der zu einem unüberwindbaren Hindernis zwischen ihr und Ghiberto wird, und verschwindet in der Menge. Ghiberto versucht, ihr nachzusetzen, muss sich aber bald eingestehen, dass er sie verloren hat. Mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck kehrt er zu seinen Gefährten zurück, die sich gerade um Lumins Verletzung kümmern. Ein Medicus wird bald hinzugerufen, der den Gelehrten von der Straße schaffen lässt und die Wunde verarztet. Als die Gefährten Lumin nach Hause geleitet, sagt er mit einem gequälten Grinsen, dass er nun doch lieber so bald als möglich abreisen wolle.

Gemeinsam mit dem humpelnden Lumin, der sich auf Lechdans Wanderstab stützen muss, besteigen die Gefährten Anfang Travia einen Segler, der sie nach Grangor bringt. Sie halten sich nicht lange in der Lagunenstadt auf, sondern machen sich alsbald auf den Weg zu einem kleinen Vorort namens Sicheln, wo sie Erkundigungen über den weiteren Weg nach Elenvina einziehen. Dabei erfahren sie, dass der vor vier Jahren begonnene Ausbau des Phecadistiegs, der alten Heerstraße des bosparanischen Soldatenkaisers Jel-Horas, vor wenigen Wochen vollendet wurde. Erst kürzlich hatte die junge Gemahlin des Herzogs Cusimo Garlischgrötz das letzte Teilstück bei Venga feierlich eingeweiht. Es gäbe zwar vereinzelte Berichte von Raubüberfällen, doch würden es selbst die verzweifeltsten Wegelagerer wohl sicher nicht wagen, Geweihte des Götterfürsten zu überfallen. Tatsächlich erweist sich der Phecadistieg als häufig befahrene Handelsstraße, auf der die Gefährten gut vorankommen. Um sein verwundetes Knie zu schonen, reitet Lumin auf einem Esel, während seine Begleiter gemütlichen Schrittes nebenher wandern. Nachdem sie die Ortschaften Venga und die geschichtsträchtige Grenzfestung Eslamsberge passiert haben, erreichen sie am dritten Reisetag das Städtchen Imdal.

Einige Meilen nördlich von Imdal verlässt die Handelsstraße den Verlauf des Flusses und durchquert ein dichtes Waldgebiet, in dem die Gefährten immer wieder besorgt nach Räubern und möglichen Häschern Ausschau halten. Doch entgegen ihrer Befürchtungen erreichen sie am Abend wohlbehalten den beschaulichen Weiler Fuchswalden. Die Bewohner zeigen sich hoch erfreut über den hohen Besuch. Das Ehepaar Gräuwang, dem am Tag zuvor ein Sohn geboren wurde, bittet die Geweihten um eine Segnung ihres Neugeborenen. In seiner Funktion als ältester anwesender Geweihte hält Lumin Ehrwald eine kleine Predigt und leitet die traditionelle Zeremonie an, in der er die Segensworte spricht: „Herr Praios, segne dieses Kind, ein Geschenk der ewigjungen Tsa! Bitte behüte es, denn es ist unschuldig und schutzlos gegen das Böse. Leite und segne es, auf dass es den Weg zu Dir und Deinen Geschwistern finde.“ Auf den Gottesdienst folgt ein fröhliches Fest der Dorfgemeinschaft. Als die Gefährten am Abend erschöpft in ihre Betten fallen, ertönt aus Lumins Zimmer ein aufgeregter Schrei. Ghiberto, Boldrino und Lechdan eilen herbei und stellen erleichtert fest, dass es Lumin gut geht. Doch das Manuskript seines Traktats sei gestohlen worden, klagt er. Das Fenster ist noch offen, jemand muss während der Feierlichkeiten von außen eingestiegen sein.

Unterhalb des Fensters finden sie Fußspuren, die aus dem Dorf hinaus zum nahen Fluss führen. Der Phecadi bahnt sich hier in reißenden Strömen und tosenden Wasserfällen seinen Weg durch das zerklüftete Hochland, bis er wenige Meilen im Osten mit dem Farinquir zusammenfließt. In der Ferne, auf einer Klippe, die sich über einen tosenden Wasserfall erhebt, erkennen sie eine schmale, weibliche Gestalt. Offenbar hat es die Diebin darauf angelegt, die Gefährten hierher zu locken. „Trawine!“ ruft Lumin überrascht. Und kurz darauf erkennen auch die anderen das ausgemergelte Antlitz der Besessenen, die in ihrer Hand Lumins Manuskriptmappe umfasst hält. Der Gelehrte ahnt, dass sie seine Schrift jeden Augenblick in den tosenden Abgrund werfen kann, und bittet seine Gefährten, im Hintergrund zu bleiben. Er wolle allein mit ihr reden, womöglich könne er ja ihren Zorn besänftigen. Doch kaum hat er sich ihr genähert, geschieht das unvermeidliche. Die Besessene lässt das Manuskript in den Abgrund fallen und fällt mit einem lauten, zeternden Geschrei über den überraschten Geweihten her. Mit eiligen Schritten nähert sich die Gefährten sogleich Trawine, doch sie können nicht verhindern, dass Lumin von der Besessenen niedergerungen und zu Boden gestoßen wird. Ein Dolch blitzt auf und fährt herab. Abermals wird er in die Höhe gestreckt, doch diesmal ist er mit Blut befleckt. Ein zweites Mal sticht sie zu, blutige Spritzer bedecken Trawines Gesicht. Die Frau scheint den Anblick sichtlich zu genießen. Doch sie zögert einen Augenblick zu lange. Obwohl er schwer verwundet ist, gelingt es Lumin, die Angreiferin von sich zu stoßen und sich aufzurichten. Ein kurzer Kampf entbrennt, in dem es Trawine gelingt, die Verteidigung des Gelehrten zu umgehen und ihren Dolch in die nur ungenügend verheilte Kniewunde zu rammen.

Während Lumin vor Schmerz aufschreit, eilen die Gefährten heran und stellen sich schützend vor den Gelehrten. Ghibertos Schwert trifft sie in die Seite. Lechdan zielt mit seinem Wanderstab auf ihre Beine, um sie vom Boden zu fegen, doch Trawine bleibt standhaft. Die wild um sich schlagende Frau scheint übermenschliche Kräfte zu entwickeln, und so braucht es das gesamten Kampfgeschick der Gefährten, um ihrem Wüten Einhalt zu gebieten. Nach einiger Zeit blutet sie aus vielen Wunden, die jeden gewöhnlichen Menschen längst getötet hätten. Lumin liegt kampfunfähig im Gras, während Ghiberto, Boldrino und Lechdan die Wahnsinnige Schritt für Schritt zum Rand der Klippe drängen. Gegen die schiere Überzahl ihrer Gegner ist Trawine nicht gewachsen. Von einem Schlag von Boldrinos Sonnenzepter getroffen, taumelt sie schließlich zurück und kommt dem Abgrund der Klippe gefährlich nahe. Plötzlich hält sie für einen Augenblick lang sie inne. Ihr Blick wandert zu Lumin, der sich noch immer vor Schmerzen krümmt. "Mein Geliebter", flüstert sie mit Verwunderung in ihrer Stimme. Doch als sie einen weiteren Schritt zurück taumelt, gibt unter ihr der Boden nach und reißt sie hinunter in die gähnende Tiefe der Schlucht. Ein gellender Schrei entfährt ihrer Kehle und mündet in das ohrenbetäubende Tosen des Wasserfalls, bevor er einige Augenblicke später abrupt abbricht. Ghiberto und Lechdan versuchen, sich um den schwer blutenden Lumin zu kümmern, der aufgeregt atmend immer wieder nach seinem Traktat fragt.

Während Bruder Lechdan zum Bach hinunter eilt, um das Manuskript womöglich doch noch zu bergen, beginnen Ghiberto und Boldrino damit, Lumin notdürftig zu verarzten. Boldrino fordert den verwundeten Geweihten auf, mit ihm zu beten, und gemeinsam sprechen sie die heilige Worte des Heilungssegens. Wie durch ein Wunder gelingt es Lechdan in der Zwischenzeit, den überwiegenden Teil des Traktats wiederzufinden. Zurück im Dorf sichtet Lumin das Manuskript und stellt erleichtert fest, das die wichtigsten Passagen nicht verloren gegangen sind. Die nächsten Tage, in denen er wohl oder übel das Bett hüten muss, wolle er nutzen, um mit Praios’ Hilfe das Traktat aus seiner Erinnerung wiederherzustellen. Glücklicherweise hätten ihn die Götter mit einem vollendeten Gedächtnis gesegnet, so dass ihm dies nicht allzu schwer fallen dürfe. Die Familie Gräuwang zeigt sich erfreut, die hohen Herrschaften noch einige weitere Tage bei sich zu Gast zu haben.

Anderthalb Wochen später hat Lumin Ehrwald die Rekonstruktion der fehlenden Seiten seines Traktats erfolgreich zu einem Ende gebracht. Während dieser Zeit ist ihm vor allem Bruder Lechdan hilfreich zur Hand gegangen und hat dadurch einen guten Einblick in die Forschungen des Gelehrten gewinnen können, deren Ergebnisse auch unter den Gefährten lebhaft diskutiert werden. Da auch Lumins Wunden mittlerweile wieder größtenteils verheilt ist, kann die Reisegruppe ihren Weg nach Elenvina bald fortsetzen.
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* Siehe Der Kreis der Sechs

Gueldenlaender
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CAPITULUM XX: BENE ABDITUM GERMEN EST – WOHLVERBORGEN IST DER KEIM

Elenvina im Travia 1032 BF. An einem wolkenverhangenen Nachmittag erreichen die Reisenden das Ziel ihrer Reise. Am Tor der altehrwürdigen Herzogenstadt am Großen Fluss werden sie von den Wachen freundlich begrüßt, allein Ghiberto erntet aufgrund des Ornats seines Ordens und seiner liebfeldischen Mundart misstrauische Blicke. Kaum in der Stadt angelangt, steuert schon Lumin Ehrwald den beeindruckenden Tempelbau der Wehrhalle des Praios an, wo gerade eine große Menschenmenge zusammengekommen ist, um der Purgation eines jungen Magiers aus Gareth beizuwohnen. Die greisenhafte und doch rüstige Illuminatus Jorgast von Bollharsch-Schleifenröchte, von dem die Lichtsucher schon so viel gehört haben, leitet mit würdevoller Strenge die aufwendige, sich insgesamt über drei Tage erstreckende Zeremonie, in deren Verlauf der Zauberer unter dem erhabenen Gesang Gurvanischer Choräle seine Sünden bekennt, immer wieder öffentlich von Madas Frevel abschwört und sich geißelt, bis der Leinen seines reinweißen Büßergewandes beinahe gänzlich von den Abdrücken blutiger Striemen übersät ist.

Nach einer kurzen Andacht bittet Lumin Ehrwald um ein Gespräch mit der Praetorin der Wehrhalle Praluciata von Luring-Zwillenforst. Vor dem Lichtaltar der Heiligen Lechmin von Weiseprein tritt die Custora Lumini den Neuankömmlingen entgegen. Sie kennt Lumin Ehrwald bereits seit vielen Jahren und ist auch über sein Vorhaben im Bilde, ein sprachwissenschaftliches Traktat über die Bedeutung des Wortes Sumyrdalun zu verfassen. Dankend nimmt sie das Schriftwerk entgegen und verspricht, sich für den Gelehrten einzusetzen. Als sich Boldrino überrascht erkundigt, was dies zu bedeuten habe, erklärt sie, dass die Inquisition das Traktat erst prüfen müsse, bevor man sich überhaupt über die Möglichkeit einer Veröffentlichung unterhalten könne. Bis dahin seien sie selbstverständlich eingeladen, als Gäste in Elenvina zu verweilen. Doch sollten sie wissen, fügt Praluciata mit ernster Miene hinzu, dass es zur Zeit um die Heilige Inquisition nicht zum Besten stehe. Vor mehreren Wochen sei der Großinquisitor Amando Laconda da Vanya mit den Elenviner Bannstrahlern zu einem Sonnenzug in die Grafschaft Ferdok aufgebrochen, um dort das Treiben finsterer Hexenkulte zu vereiteln. Doch vor wenigen Wochen ist die Mehrzahl der Bannstrahler ohne ihren Großinquisitor zurückgekehrt. Andere würden weiterhin die Gegend um den Koscher Düsterwald absuchen, doch scheint es, als sei da Vanya tot oder zumindest verschollen. Die gesamte Leitung der Inquisition sei nun in großem Aufruhr. Und sollte sich das Verschwinden des Großinquisitors bewahrheiten, werden wohl sicher bald die ersten internen Machtkämpfe um seine Nachfolge entbrennen. Sie hoffe nur, gibt die Geweihte zu verstehen, dass die Examination des Traktats nicht unnötig darunter leiden werde.

Im streng traditionalistisch geprägten Elenvina müssen die Gefährten bald erfahren, dass ihnen das Leumundsschreiben Staryun Lorianos mehr Türen verschließt als öffnet. Der Zugang zu den geheimen Archiven der Heiligen Inquisition, die nach der Zerstörung der Stadt des Lichts mitsamt eines großen Teils der Kirchenverwaltung nach Elenvina gebracht wurden, bleibt ihnen verwehrt. Lediglich den allgemein zugänglichen Bibliotheks- und Archivbereichen des Praios-Tempels können sie nutzen. Nach etwa einer Woche gelingt es ihnen auch, auf diese Weise zumindest eine kleine Entdeckung zu machen. In einer Zusammenstellung von Kommentaren zu historischen Anklage- und Verteidigungsreden, taucht der Name des Astagius Graianus im Zusammenhang mit einer juristischen Aufarbeitung von Tempelschändungen während der Plünderung Bosparans nach dem Sturz Hela-Horas’ auf. In einem Prozess unter dem Vorsitz des Lichtboten Yarum Praiofold I. soll sich Graianus mit vielen rhetorischen Kniffen seinen Freispruch erkämpft haben, indem er darlegte, dass der Horas-Tempel, den er mit seinen Gefolgsmännern zerstörte, der ketzerischen Verehrung Hela-Horas’ gedient haben. Der Angeklagte, der den Dokumenten zufolge überraschenderweise selbst ein Geweihter des Götterfürsten war, wurde daraufhin nicht nur freigesprochen, sondern nach einigen Jahren sogar zum Custos Lumini des Beilunker Praios-Tempels erhoben.

Während die Lichtsucher ihren Nachforschungen im Tempel-Archiv nachgehen, verbringt Lumin Ehrwald die nächsten Tage in gespannter Erwartung auf das Urteil der Inquisitoren. Mehrere Male wird er vor das Gremium zitiert, dem - in Vertretung des verschollenen geglaubten Großinquisitors - ausgerechnet der den Gefährten aus Vinsalt bekannte Inquisitionsrat Croenar Griffhardt von Widdernhall* vorsteht. Auf Nachfrage erfahren die Gefährten, dass seit dem plötzlichen Verschwinden des Großinquisitors und dem Tod vieler seiner Wegbegleiter während des jüngsten Zugs der Sonne große Lücken in den Reihen der Inquisition klaffen, die dazu führen, dass viele Prozesse deutlich langsamer abliefen, als sonst. Den Lichtsuchern ist dies recht, können sie doch die Zeit nutzen, um in der Bibliothek des Tempels nach weiteren Dokumenten aus der Zeit von Bosparans Fall zu suchen. So gehen die Tage ins Land, bis Praluciata von Luring-Zwillenforst, die an fast allen Sitzungen des Inquisitionsgremiums teilnimmt, gegenüber Lumin Ehrwald durchblicken lässt, dass es für eine Genehmigung des Traktats durch die Inquisition nicht gut aussehe. Offenbar nutzt der Illuminatus von Elenvina, Jorgast von Bollharsch-Schleiffenröchte, seinen erheblichen Einfluss, um eine Veröffentlichung zu verhindern. Die Wahrheit solle wohl ans Licht, habe er gesagt, doch sehe er in Lumins Traktat ein Konglomerat reiner Mutmaßungen, das geeignet sei, Zweifel und Wirrnis in die Köpfe des einfachen Volkes zu säen. Lumin Ehrwald zeigt sich am Boden zerstört, weiß er doch aus eigener Erfahrung, dass es fast unmöglich ist, dem Starrsinn des alten Illuminatus mit Argumenten zu begegnen. Boldrino, Ghiberto und Lechdan bieten ihm ihre Fürsprache vor dem Gremium an, doch der Gelehrte winkt dankend ab. In dieser Situation, sagt er, würden zwei Prinzipisten und ein ehemaliger Mönch mit braniborischen Tendenzen seinem Ansinnen wohl eher schaden als nützen. Seine Hoffnung liege ganz auf dem Luminifactus Pagol Greifax von Gratenfels, der als einziger in der Lage sei, sich über das Wort des Illuminatus hinwegzusetzen. Ihn gelte es zu überzeugen.

Kurz darauf beobachten die Gefährten, wie auf dem Sonnenplatz vor der Wehrhalle des Praios Croenar Griffhardt von Widdernhall und Jorgast von Bollharsch-Schleiffenröchte aufgeregt auf eine wohlhabend gekleideten Dame einreden. Die beiden Geweihten scheinen sich über etwas zu ereifern und im Vorübergehen glauben die Lichtsucher, die Worte Ehrwald, Praionor und Häresie der Prinzipisten fallen zu hören. Im Laufe des Tages findet Ghiberto heraus, dass es sich bei der Dame um die Gemahlin des Wahrers der Ordnung, Lucrezia di Balligur, handelt. Diese ist wiederum ebenfalls die Schwester Praionor di Balligurs, des Luminifactus der Ordnung Sonnenlande, der ein erklärter Gegener des horasischen Prinzipismus ist. Offenbar, so seine Schlussfolgerung, versuchen der Illuminatus und der Inquisitionsrat über Lucrezia di Balligur Einfluss auf die Entscheidung des Wahrers der Ordnung bei dem bevorstehenden Urteil zu nehmen, indem sie Lumin Ehrwalds Traktat in eine gewisse Nähe zum liebfeldischen Prinzipismus bringen wollen. Wohl wissend, dass Lucrezia aufgrund ihrer Loyalität zu ihrem Bruder in Hôt-Alem diese angeblichen prinzipistischen Winkelzüge nicht gut heißen könne, scheinen sie wohl darauf zu setzen, dass Lucrezia versuchen würde, Pagol Greifax von Gratenfels gegen eine Veröffentlichung des Traktats einzunehmen.

Drei Tage später bestellt Praluciata von Luring-Zwillenforst Lumin Ehrwald gemeinsam mit seinen Gefährten zu einem Gespräch in ihre Amtsstube. Die Praetorin bekräftigt noch einmal ihre Vermutung, dass die Aussichten für eine Veröffentlichung des Traktats mehr als schlecht stünden. Irgendwie sei es wohl den Gegnern der Veröffentlichung um Jorgast von Bollharsch-Schleiffenröchte gelungen, Pagol Greifax von Gratenfels auf ihre Seite zu ziehen. Zudem würde sich infolge des Verschwindens des Großinquisitors hinter den Kulissen ein unwürdiges Machtgerangel und Postengeschacher innerhalb der Inquisition abspielen. Dies wiederum führe dazu, dass sich Croenar Griffhardt von Widdernhall, der insgeheim auf einen Aufstieg in der Rangleiter hofft, gegenwärtig als Scharfmacher geriert, um sich gegen seine moderater auftretenden Konkurrenten durchzusetzen. Die Gefährten berichten, wie sie kürzlich ein Gespräch mit Lucrezia di Balligur überhört hätten, und vermuten, dass ihr Einfluss wohl den Meinungsumschwung des Wahrers der Ordnung verursacht habe. Praluciata wird nachdenklich und sagt schließlich, dass sie nur einen Menschen kenne, der einen ähnlichen Einfluss auf den Wahrer habe wie dessen Gemahlin: den Hohen Lehrmeister des Hüterordens, Regiardon de Mott, den Pagol Greifax sehr schätze. Dieser ist zwar nicht im Gremium vertreten, zeichnet sich jedoch durch seinen großen Sachverstand in Bezug auf theologische Textauslegungen aus und besitze zudem als wichtiger Ratgeber des Heliodans eine in Kirchenkreisen gewichtige Stimme. Wie es der Zufall will, hat Regiardon de Mott derweil den Vorsitz des Collegiums der Kirchenakadamie inne und befindet sich daher zur Zeit in Elenvina. Auch weiß sie zu berichten, dass der Ordensmeister des Ordo custodis sancti regelmäßig im Stadtpark lustwandelt und einer erbaulichen Lektüre – sie deutet mit einem verschwörerischen Blick auf die auf ihrem Lesepult liegende Ausgabe des Traktats – bestimmt nicht abgeneigt wäre.

Am nächsten Tag begibt sich Bruder Lechdan auf einen Spaziergang im Stadtpark und lässt sich schließlich mit Lumin Ehrwalds Traktat mit dem Titel De natura et orgine verbi Sumyrdalun in einem kleinen, abgeschiedenen und mit hesindegefälligen Motiven ausgeschmückten Pavillon nieder. Nach einiger Zeit erscheint der Hohe Lehrmeister Regiardon de Mott, den Lechdan noch aus glücklicheren Tagen kennt, in denen der Ordensmeister Botanicus des Klosters Arras de Mott war, und mit dem er – damals noch ein junger Novize – so manches Gespräch über die Heilkraft verschiedener Kräutern geführt hatte. Lechdan wird mulmig zu mute, als er sich den prüfenden Blicken des Hohen Lehrmeisters ausgesetzt fühlt. Nach einigen Momenten des Schweigens tritt Regiardon vor Lechdan und sagt mit beinahe lauerndem Tonfall: „Ich kenne euch.“ Und Bruder Lechdan bleibt nichts anderes übrig, als sich zu offenbaren. Regiardon ist von der Erzählung des abtrünnigen Mönches nicht angetan und tadelt mit scharfen Worten dessen Verfehlungen. Dann jedoch wird seine Stimme plötzlich milder und fast wie zu sich selbst murmelt er, dass sich der Herr bei alledem schon etwas gedacht haben wird und dass es ihm nicht zustehe, über einen Sünder zu richten, der guten Willens sei und sein Leben der Suche nach Praios’ ewigem Licht geweiht habe. Bei diesen Worten fühlt Lechdan, wie ihm ein schwerer Schatten von der Seele fällt. Unumwunden kommt der Hohe Hüter auf die Schrift zu sprechen, die Lechdan in Händen hält. „Dies ist also das Traktat von dem alle reden“, sagt er und bittet Lechdan, ihm daraus vorzulesen.

Lechdan blättert eine Weile in der Abhandlung, wählt mit Bedacht eine Passage, die ihm interessant erscheint, und liest laut vor: „Ein wichtiges Ergebnis scheint zu sein, dass der Begriff wohl keine konkrete Person, keinen bestimmten Ort bezeichnet. Die Hoffnung auf einen so deutlichen Hinweis war verfrüht, die Wahrheit liegt tiefer: In den Wörtern im Innern des Wortes, wohl verborgen wie ein Keim, wie Samen in einer Frucht…“ „Dass ich nicht selber darauf gekommen bin!“, unterbricht Regiardon aufgeregt: „Samen in einer Frucht… eine Saat gar, die mit dem klaren Wasser des Verstandes gegossen werden muss? Ist es am Ende gar wahr, dass dieser Ehrwald ein besser Botanicus ist als ich? Wohl verborgen wie ein Keim, Wörter im Innern des Wortes! Ein Keim, der sich entfaltet, der sprießt und gedeiht, ein lebendiges, aus sich selbst heraus entstehendes Ganzes, schön und vollkommen wie eine Blume aus den alveranischen Paradiesen. Lies weiter, mein Sohn, lies weiter!“ Lechdan liest daraufhin eine weitere Passage zu verschiedenen etymologischen Spekulationen über einzelne Silben des Wortes Sumyrdalun, die der Autor als Wörter im Inneren des Wortes auffasst, und springt schließlich zum Schluss des Traktats: „So ergeben sich nun zwei grundlegende Ansätze: An den Regeln des Aureliani festhaltend, wie es in der Liturgie noch heute von Bedeutung ist, scheint das Wort des Heiligen Orakels uns zu sagen: Die Welt wird durch den Stern vom Bösen erlöst. Sehen wir in den Silben des Wortes jedoch einen Pfad, der vom ältesten Aureliani bis zum jüngsten Bosparano, vom Ursprung unserer Sprache bis fast in heutige Zungen führt, so hören wir: Aus dem Urfunken (dem Licht der Welt) wird das Licht zurückgebracht. Wenn wir für das Ende der Deutung bereits Regeln der garethischen Grammatik anlegten - und so den ‚Pfad‘ tatsächlich bis in unsere Zeit ausdehnten - würde daraus sogar: …bringen sie das Licht zurück.“ „Welch bestechende Conclusio!“ entfährt es Regiardon, als Lechdan geendet hat. „Natürlich: Der Götterfürst hat zu uns durch viele Zungen gesprochen. Die Vielfalt wird zu einem Symbol der Einheit. Und so durchfährt Praios’ heiliges Wort auch wie ein Blitz alle Sedimentschichten unserer Sprache und entfaltet seinen Sinn wie ein Keim der, wenn er wächst und gedeiht, sich in unzählige Verästelungen aufspaltet. Nicht ein einzelner Zweig sagt uns die Wahrheit, sondern die Gesamtheit aller Verzweigungen! Denn Praios ist das Eine, in das das Viele aufgeht und sich verdichtet. Mein Sohn, mir ist es völlig unbegreiflich, warum die Inquisition dieses Werk nicht öffentlich machen will. Gefährliches Wissen muss verschlossen bleiben, wie es Urischar dem Heiligen Arras de Mott auftrug. Doch dieses Wissen hier, mein Sohn, dient den Menschen auf ihrer Suche nach Licht und Wahrheit.“

Am Tag des Heiligen Gilborn von Punin ziehen Geißlerzüge durch die Straßen Elenvinas. Unter ihnen erblicken die Gefährten auch den geläuterten Magier, der sich vor wenigen Wochen noch einer liturgischen Purgation unterzog und nun mit Stolz und Ehrfurcht eine Monstranz mit einer Reliquie des almadanischen Märtyrers dem Zug voran trägt. Später am Tag wird Lumin Ehrwald zur Verkündigung der Entscheidung in den Versammlungssaal der Inquisition gebeten. Dank Praluciatas Zusprache wird es Ghiberto, Boldrino und Lechdan gestattet, den Gelehrten zu begleiten und auf den hinteren Sitzen Platz zu nehmen. Vor den Mitgliedern des Gremiums trägt der Inquistionsrat Croenar Griffhardt von Widdernhall das Ergebnis seiner Examinatio vor. Unumwunden wirft er dem Verfasser des Traktats die Sünde des Hochmuts vor, weil dieser glaube, mit den Mitteln des beschränkten menschlichen Verstandes den Willen des Götterfürsten ergründen zu wollen. Allein Praios entscheide, wann und wie er sich offenbare. Und in der Offenbarung durch hundert Zungen habe sich die heilige Wahrheit nunmal als dunkles Zeichen gleichsam ent- und verhüllt: als heiliges Mysterium, das die Gläubigen demütig empfangen sollten, anstatt voller Anmaßung hinter das Geheimnis schauen zu wollen. Das Traktat, sagt er schließlich, stecke voller Vermutungen, die im schwachen Menschengeist nur Verwirrung stiften würden. Gerade weil der Verfasser in seiner Conclusio unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten des Wortes Sumyrdalun gleichberechtigt nebeneinander stelle, ohne sich für eine finale Interpretation zu entscheiden, würde er bewusst Zweifel, Irrlehren und der Wirrnis disparater Privatmeinungen Vorschub leisten.

Dies erkläre auch, warum Lumin Ehrwalds Ausführungen vor dem Vinsalter Konzils zu Beginn des Jahres von der Fraktion der Prinzipisten so eifrig beklatscht wurden. Tatsächlich stößt sich der Inquistionsrat vor allem an der Übersetzung des Wortes Sumyrdalun als Stern, der die Welt vom Bösen erlöst, und an dem damit verbundenen Verweis auf das Ea’Myr, den Griffhardt als Ausdruck frevlerischen güldenländischen Aberglauben abtut. Diese Deutung trage eindeutig die Handschrift der prinzipistischen Häretiker, die Ehrwald mit Kalkül ins Horasreich gelockt hätten, um durch das Traktat hindurch ihre Ideen gleich vergifteten Klingen ins Herz der Kirche zu treiben. Durch ihre Einladung des Gelehrten nach Kuslik, wo ihm Zugang zu dem gefährlichen Wissen der jüngsten Güldenlandexpedition gewährt wurde, hätten sie ihn förmlich dazu gedrängt, das obskure Theorem von einem sagenhaften Stern der Alten - in Wirklichkeit ein Schandmal der frevlerischen Mada, das die Prinzipisten mit dem Kaiserheil der bosparanischen Kaiser gleichsetzen - in sein Traktat mit einfließen zu lassen. Mit einem flammenden Appell, den Irrlehren Staryun Lorianos, der die Reinheit der Kirchenlehre mit güldenländischen Hirngespinsten verwässert, Einhalt zu gebieten, beschließt der Inquisitor schließlich seine Anklage.

Praluciata von Luring-Zwillenforst hält eine energisch vorgetragene Verteidigungs- und Lobrede auf das Traktat, kann jedoch die anderen Gremiumsmitglieder nicht mit ihrer Leidenschaft anstecken. Immer wieder wirft Lechdan verstohlene Blicke zu Regiardon hinüber, in der Erwartung, dass dieser bald sein Wort zugunsten Lumin Ehrwalds erhebe. Doch der Hohe Lehrmeister, der der Versammlung ebenfalls nur als Beobachter beisitzt, schweigt. Erst nachdem der Inquisitionsrat mit ausdrücklicher Billigung der Mehrheit des Gremiums - inklusive des Wahrers der Ordnung Pagol Greifax von Gratenfels - den Entschluss verkündet hat, dass eine Veröffentlichung des Traktats keinesfalls im Interesse der Kirche liege, erhebt sich Regiardon de Mott und lobt mit verschmitztem Lächeln die tiefe Weisheit des Inquisitionsurteils, nur um daraufhin zu bedenken zu geben, dass es nun seinem Orden obliegt, die Schrift sicher hinter schweigenden Klostermauern zu verwahren, auf dass sie keine schwachen Geister verwirren könnten. Daher sollte sie auf schnellstem Wege in die Abtei des Hüterordens am Greifenpass gebracht werden. Die Gefährten fragen sich verwirrt, was der Hohe Hüter wohl im Sinn hat, als das Gremium dem Vorschlag einstimmig stattgibt. Erst im Laufe des Abends klärt Lumin seine Gefährten auf. Regiardon de Mott sei ein wichtiger Ratgeber des Boten des Lichts. Der Hohe Lehrmeister werde sich in kommenden Tagen mitsamt der Abschrift seines Traktats, die er von Lechdan erhalten hatte, persönlich auf den Weg nach Gareth machen und sie dem Heliodan höchstselbst vorgelegen. Durch seinen Vorschlag, die vorhandenen Kopien des Traktats in ein Hüterkloster zu bringen, habe er das Werk außer Reichweite der Inquisition gebracht. Gleichzeitig gewinnt er dadurch die Zeit, die er braucht, um den Lichtboten höchstselbst von der Richtigkeit einer Veröffentlichung zu überzeugen. Alles in allem zeigt sich Lumin Ehrwald mit diesem Ausgang zufrieden, war es doch schon seit einigen Tagen abzusehen, dass das Inquisitionsgericht mehrheitlich gegen ihn stimmen würde. Regiardons Plan sei zwar eine Notlösung, jedoch nicht die schlechteste. „Wenn Praios will“, setzt er hinzu, „und die Menschen die göttliche Wahrheit in die engen Kammern ihres Geistes hineinlassen, wird die Saat der Erkenntnis aufgehen und das Licht wieder erstrahlen. Dessen bin ich mir gewiss.“
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* Siehe Kapitel 16.
Zuletzt geändert von Gueldenlaender am 09.01.2015 18:28, insgesamt 1-mal geändert.

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CAPITULUM XXI: AMARITAS – BITTERNIS

Elenvina im Travia 1032 BF. Am letzten Tage jenes spätherbstlichen Mondes, der der Göttin des wärmenden Herdfeuers geweiht ist, strömt das gemeine Volk auf den Greifenplatz. Dort wurde in den frühen Morgenstunden ein Schafott errichtet, das die Reichsverräterin und ehemalige Kronverweserin von Albernia Isora Ulaman von Elenvina besteigen sollte. Die Nachfahrin des altvorderen albernischen Fürstenhauses wurde durch das Reichsgericht des Hochverrats überführt, nachdem sie im vergangenen Sommer den Friedenszug der reuigen Invher ni Bennain, der unter dem Schutz der Götter und der Kaiserin stand, durch gedungene Schergen angreifen ließ und dadurch die friedliche Rückkehr der albernischen Krone in das Kaiserreich vom Greifenthron zu Gareth zu hintertreiben versuchte.

Mit stummer Würde und ungebrochenem Stolz schreitet die Verurteilte, von herzöglichen Soldaten geführt, durch die gaffende Volksmenge hindurch. Vor den Stufen des Schafotts angelangt, misst sie das Blutgerüst mit hochmütigen Blicken. Doch als sie schließlich vor den Richtblock tritt, neben dem bereits ein schwarz maskierter Scharfrichter und Priester des Götterfürsten auf sie warten, ist jede Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. Schwer atmend und mit zittrigen Händen löst sie ihren Mantel, nimmt ihre Haube ab und übergibt beides ihrer Zofe, die den Stoff schluchzend und mit tränenüberströmtem Antlitz entgegen nimmt. Mit keinem Blick würdigt sie die gegenüberliegende Tribüne, von der aus Herzog Jast Gorsam vom Großen Fluß, der Reichskronanwalt Alrik Custodias von Gratenfels, der Illuminatus Jorgast von Bollharsch-Schleifenröchte und weitere Würdenträger das Geschehen betrachten. Flüsternd wechselt sie einige Worte mit dem Geweihten und erbittet die Vergebung ihrer Sünden. Sie kniet nieder und spricht mit ausgebreiteten Händen ihr Schuldbekenntnis. Im ergriffenen Schweigen der Menge ist ihre Stimme laut und deutlich zu hören: „Praios, Richter der Götter, Fürst der Zwölfe! Im Licht der Sonne, vor deinem allsehenden Auge, bekenne ich meine Schuld. Ich habe gefehlt wider deine Ordnung, gesündigt wider dein Gesetz. Mein Geist war schwach und müßig, ich habe gefehlt in Wort und Tat, ich habe den leichten Weg gewählt und den Schatten der Sünde in mein Herz gelassen. Ich brach den Heiligen Frieden der guten Götter und das eherne Gesetz des Kaiserthrons. Ich habe getäuscht und gelogen, ich habe mir mit Münze die Treue von Männern erkauft, deren blutiges Handwerk den Göttern ein Gräuel ist. Ich tat es für das stolze albernische Volk, das ich liebe, wie eine Mutter ihre Söhne und Töchter liebt. Das ich zu schützen trachtete wie ein Vater seine Kinder. Meine Taten waren falsch, doch meine Absichten waren gerecht. Du allein kennst sie, denn nur du allein weißt, in mein Innerstes zu schauen. Herr der Sonne, blicke auf mich, auf dass dein gleißendes Auge meine Schuld verbrenne! Nimm mich zu dir und verstoße mich nicht, wenn meine Seele diese jammervolle Welt verlässt und all ihr eitles Treiben hinter sich lässt. Ich bin bereit, in dein Licht zu treten.“

Der Geweihte nickt und segnet die zum Tode Verurteilte mit den Worten der Absolution: „Herr Praios schenke dieser armen Sünderin Gnade und Frieden. Möge er die Schuld von deiner Seele nehmen, auf dass sie aufsteige in die lichten Gefilde von Alveran! So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen Praios', des Gerechten, des Herrn des Lichts. Es sei.“ Daraufhin tritt der Priester zurück. Ein letztes Mal lässt Isora Ulaman von Elenvina ihren Blick über Menge schweifen und hebt ihn schließlich empor zur Sonne, die gerade zwischen den Wolken hervor scheint und die Dinge der Welt in ein warmes Licht taucht. Der Henker führt sie zum Richtblock, steckt ihr das Haar zurecht und verbindet ihr die Augen. Vor dem Richtblock kniet sie nieder und legt ihr Haupt auf das harte Holz. Dutzende Menschen halten den Atem an. Tauben fliegen auf, als das Beil des Scharfrichters niedersaust und den Kopf vom Körper trennt. Frauen und Kinder halten sich vor Schreck die Hände vor den Mund oder stoßen erstickte Schreie auf, als der Henker das bluttropfende Haupt an den Haaren ergreift und für alle sichtbar in die Höhe streckt. „So vergeht der Glanz der Welt“, murmelt Lumin Ehrwald gedankenverloren. Er steht unweit der Tribüne neben Boldrino, Ghiberto und Bruder Lechdan. Die vier haben stumm das grausige Schauspiel betrachtet und zeigen sich tief gerührt ob der Friedlichkeit und Ergebenheit, mit der die Verurteilte aus dieser Welt geschieden ist.

Einige Tage später verabschieden sich die Gefährten von Lumin Ehrwald und Praluciata von Luring-Zwillenforst. Die Praetorin des Praios-Tempels von Elenvina übergibt Lechdan ein kleines Brevier, das sie vor einigen Jahren gemeinsam mit dem Collegium der Kirchenakademie verfasst hatte und von dem sie hofft, das es dem einstigen Mönch Orientierung gibt in Zeiten wie diesen, in denen alte Gewissheiten zu zerbrechen drohen und Zweifel und Unsicherheit in den Herzen der Menschen für Aufruhr sorgen. Mit herzlichen Worten sagt ihnen auch Lumin Ehrwald Lebewohl. Er werde bald an der Seite des Hohen Lehrmeisters Regiardon de Mott gen Gareth aufbrechen und hoffe sehr, sie dort im Frühling wiederzusehen. Schließlich verlassen die Lichtsucher Elenvina und besteigen ein Flussschiff, dass sie den Großen Fluss entlang bis zur Mündung der Galebra bringt. Von dort wollen sie auf dem Landweg weiter nach Gratenfels und schließlich über den Greifenpass reisen. Mit sich tragen sie mehrere Ausgaben von Lumins Traktat ‚De natura et orgine verbi Sumyrdalun’, das sie in das Hüterkloster im Koschgebirge bringen wollen. Als Dank für ihren Dienst hat ihnen Regiardon de Mott eine Vollmacht für den Zugang zur Bibliothek des Klosters ausgestellt, wo sich die grösste Sammlung von Schriften aus der Zeit der Kusliker Kaiser nördlich des Eisenwaldes befinden soll. In der entlegenen Abtei des Hüterordens erhoffen sie sich, weitere Hinweise über den Mysterienkult namens Speculum ater zu finden, auf dessen Spuren sie in den Goldfelsen gestoßen waren. Sollten sie dort nicht fündig werden, wollen sie weiter nach Gareth und dort ihre Suche fortsetzen.

Als die Lichtsucher nach zweiwöchiger Reise am 20. Boron endlich die beschauliche Grafenstadt Gratenfels erreichen, hat der Winter bereits seine weiße Decke über das Land gebreitet. In der Stadt stoßen die Gefährten recht schnell auf die übertrieben wirkende Sparsamkeit von Bürgern, Graf und Stadtverwaltung, die aus den gewaltigen Schulden resultiert, die der vormalige Graf Baldur Greifax von Gratenfels in seinem Wahnsinn angehäuft hatte. Am nächsten Tag schlendern sie durch die Stadt, begutachten die Baustelle des neuen Rathauses und sprechen ihr Gebet in der mit farbenfroh bemalten Holzverzierungen geschmückten Halle des Götterfürsten. Auf dem Platz vor dem Praios-Tempel treffen die Reisenden schließlich auf eine Gruppe Mönche vom Orden des Heiligen Hüters, die gerade mit missmutigen Blicken dabei sind, Getreidesäcke auf Packesel heben. Auf die Begrüßung der Gefährten reagieren die Ordensbrüder einsilbig und ausweichend. Erst nach wiederholtem Nachfragen erzählen sie, dass sie, da in ihrem Kloster während der feuchten Herbsttage große Mengen Nahrung verfault sind, in Gratenfels neue Wintervorräte eingekauft hätten und diese nun zurück in ihr Kloster in den Koschbergen bringen wollen, solange der Greifenpass noch passierbar sei. Da sie das gleiche Ziel haben, schließen sich Ghiberto, Boldrino und Lechdan kurz entschlossen den schweigsamen Mönchen an. Gerade als sich der Zug in Bewegung setzt, reitet durch das Havener Tor eine Schar Bannstrahler hindurch in die Stadt ein. Unter den Reitern erkennen die Gefährten den ihnen mittlerweile verhassten Inquisitionsrat Croenar Griffhardt von Widdernhall. Verwundert fragen sie sich, was wohl der Inquisitor gerade zu dieser Zeit in Gratenfels wolle, und Lechdan äußert mit einem etwas ängstlichen Tonfall die Vermutung, dass er womöglich hinter Regiardons Schliche gekommen sei und ihnen wieder das Traktat abjagen wolle. Doch bevor sie irgendetwas in Erfahrung bringen können, drängen auch schon die Mönche zum Aufbruch. Die Sonne steht hoch am Himmel, als die Reisenden langsam die Stadtmauern hinter sich lassen und sich vor ihren Augen das gewaltige Koschgebirge über den gesamten Horizont ausbreitet.

Am Fuße der Koschberge nächtigen die Gefährten gemeinsam mit den Mönchen in einer Herberge im Schatten einer alten Burgruine aus den Tagen des Schwurbundes von Wengenholm, die einst in den Magierkriegen zerstört wurde. Im Schein des flackernden Herdfeuer werden die Mönche gesprächiger und erzählen den Gefährten Koscher Heiligenlegenden wie etwa die Sage von Sankt Kupperus, eines geläuterten Zauberers, der als Schutzpatron gegen Hexerei und schwarze Magie verehrt wird, oder die Legende des Heiligen Aldiran, der sich einst im Gebirge verlief und dem ein rotgoldener Sonnenstrahl den Weg nach Hause wies. Am nächsten Tag brechen die Reisenden bereits früh auf. Während des beschwerlichen Weges durch den verschneiten Gebirgspass fallen den Gefährten immer wieder kleine Schreine und Bildstöcke auf, deren liebevoll gefertigtes Schnitzwerk Greifenmotive und praiosgefällige Heiligenlegenden zeigt. Am Abend erreichen sie den heiligen Greifenfelsen, eine gewaltige Gesteinsformation, die vage an einen hockenden Greifen erinnert und zu dessen Füßen mehrere Dutzend heruntergebrannter Kerzen stehen, die fromme Pilger hier entzündet hatten. Gemeinsam mit den Hütern sprechen die Gefährten ein Gebet, entzünden eine Kerze und wandern weiter, bis sie in einem beschaulichen Bergdorf namens Dunkelhain Rast machen. In der kleinen Travia-Kapelle des Ortes gewährt ihnen der Geweihte Torben Fürchtegott bereitwillig Speis und Obdach für die Nacht.

Von Dunkelhain aus gelangen die Reisenden am nächsten Tag zu einer Schlucht abseits des Greifenpasses, über die sich die Abtei des Hüterordens im morgendlichen Nebel wie riesiger grauer Schatten erhebt. Lechdan ist mulmig zu Mute, als sie durch das Klostertor schreiten, erinnert ihn doch vieles an seine Zeit auf Arras de Mott. Bei dem Kloster handelt es sich um eine ehemalige Bergfeste, die durch einige hölzerne Anbauten mitsamt eines kleinen, von Neuschnee bedeckten Wandelgartens erweitert wurde. Gemeinsam mit den Mönchen treten die Neuankömmlinge durch das Tor und werden von Hüter Melcher, dem Stellvertreter des Abtes, der gerade am Koscher Fürstenhof weilt, willkommen geheißen. Ihm überreichen sie auch die Ausgaben von Lumin Ehrwalds Traktat sowie das Schreiben des Ordensmeisters, das ihnen Zugang zum Klosterarchiv gestattet. Nachdem der Hüter das Schreiben gelesen hat, nickt er zustimmend und erläutert seinen Gästen die Ordensregel, an die sie sich während ihres Aufenthaltes auf dem Kloster zu halten hätten. Dann blickt er Lechdan an und bemerkt mit einem Hinweis auf dessen braunrote Kutte, dass ihm die Regularien wohl bekannt seien. Lechdan antwortet ausweichend, kommt jedoch schließlich nicht daran herum, zu gestehen, dass er einst ein Mitglied des Ordens gewesen sei, das vor entfesselter schwarzer Magie aus dem Hauptkloster des Ordens im Finsterkamm geflohen war und seither die Kutte als sichtbares Zeichen seiner Buße trage. Melcher reagiert mit kühler Miene auf das Geständnis und Lechdan bleibt nicht verborgen, dass er das Misstrauen des Hüters geweckt hat.

Die nächsten Tage vergehen ohne besondere Vorkommnisse. Die Gefährten nehmen am Ordensleben mit seinen streng regulierten Andachten und lernen nach und nach einen Teil der Klosterbewohner kennen. Gerade für Ghiberto, der das bunte Treiben Vinsalts gewohnt ist, sind die kargen Mahlzeiten und die kalten Nächte eine große Umstellung. Lechdan jedoch spürt, wie sehr ihm dieses Leben gefehlt hat und wie ihm das Kloster mit seinen wortkargen Mönchen und düsteren Chorälen dabei hilft, nach all den Ereignissen der letzten Jahre wieder zu sich selber zu kommen. Zwei Wochen nach ihrer Ankunft auf dem Kloster tragen ihre Nachforschungen erste Früchte. Im Bibliotheksarchiv stößt Boldrino auf eine vergilbte Pergamentseite, die mit dem Wort „ΕIΔΩ“ beginnt – eben jenem Wort, dass sie bereits Ende des letzten Jahres auf der alten bosparanischen Tontafel entdeckt hatten.*

Rasch fertigt der junge Geweihte gemeinsam mit Bruder Lechdan eine Übersetzung des antiken Schriftstücks: „Ich wollte sehen und ich wollte wissen. Und schließlich sagte man mir, dass ich bereit sei. Man verband mir die Augen und führte mich in die Finsternis, in der mich der Mystagoge erwartete. Mit seinem Fingern aus Bronze segnete er mich und strafte mich mit der Rute der Läuterung. Blind tastete ich mich durch die Gänge und folgte seiner Stimme. Erst in der Halle der zwei Gesichter nahm man mir die Augenbinde ab und eröffnete mir, dass ich nun sehen werde. Die Sonnen des Tages erstrahlten dreifach im purpurnen Feuer der Wahrheit, als sich das Tor der klagenden Nacht vor mir öffnete. Ich schritt durch die Pforte und gleichwohl meine Augen weit geöffnet waren, sah ich nichts. Und wusste nichts, denn das Licht verbrannte meinen Verstand. Doch dann erklang in mir das lockende Flüstern der Verheißung und mit einem Erschaudern spürte ich das Dunkel im Licht und das Licht im Dunkel. So schritt ich durch den Gang, bis ich in das Heiligste gelangte, in dem der Spiegel des Zwielichts auf mich wartete. Ein dunkles Feuer gloste in seinem Inneren und schnürte mir den Atem zu. Man ließ mich zwischen die schreienden Siegel der Jahre treten und vom schweigenden Kelch der Reinheit kosten. Vor mir erhob sich der Custos ater im Ornat des schwarzen Falken und musterte mich aus starren, goldenen Bernsteinaugen. Auf seinem Befehl kniete ich in die glühenden Kohlen der Schmerzen, und als mich die verhüllten Mystagogen mit ihren Silberfingern entkleideten und meine Stirn mit den Tränen der Heiligen salbten, spürte ich, wie tief am Grunde meiner Seele mein Innerstes zum Spiegel des Spiegels wurde. Und wie sich der Taufmeister vor meinen geschlossenen Augen langsam in einen aschenen Löwenfalken verwandelte, da trank ich den Trunk der Erleuchtung bis zum letzten Tropfen. Ich fühlte, wie ich in mich selbst herab stürzte und die Luft einer anderen Zeit einsog. Ich sah Spinnen und Adlermenschen und Feuer und Tod und Verrat. Und ich spürte den Zorn und die Verachtung im Spiegel des purpurfeuernen Fürsten. Da sprach ich, wie von selbst und gleichwohl mir sie niemand gesagt hatte, die geheimen Worte des Wissenden und erhielt darauf das Signum des Sehenden aus den goldenen Fingern des dunklen Hüters. Als es mir mit flüssigem Eisen auf den Nacken gegossen wurde, ertrug ich die Mater, meine Weihe, stumm und gefasst.“

Lange unterhalten sich die Gefährten über dieses erstaunliche Zeugnis und seiner seltsamen, nur schwer zugänglichen allegorischen Sprache. Ghiberto ist der erste, dem Parallelen zwischen dem Text und den Kavernen unterhalb des Klosters Varsincero auffallen: die „Halle der zwei Gesichter“ erinnere ihn an die Kaverne unterhalb der Klosterruine, in denen sie Darstellungen des Brajanos bicephalos gefunden hatten, und das Wort vom „Tor der klagenden Nacht“ gäbe ziemlich genau den Eindruck wieder, den auch er vor dem Portal der Himmels- und Höllengreifen gehabt hatte.** Lechdan ist unwohl zumute und für einen Augenblick denkt er darüber nach, ob es nicht vielleicht besser sei, dem Geheimnis, dem sie auf der Spur sind, nicht weiter nachzugehen. Denn das Wort vom aschenen Löwenfalken, sagt er, erinnere ihn an die niederhöllische Kreatur, der sie im Raschtulsturm gegenüber getreten sind. Beim Motiv des Spiegels schließlich, habe er unweigerlich an das unheilvolle Orakel der Myriana Sarostes denken müssen, das von einem „esoptron kelainôphaon“, einem Spiegel des Zwielichts warnte. Was es auch immer sei, was hinter diesem geheimnisvollen Portal versteckt ist, es sei sicher nichts Gutes. Ghiberto hält dagegen, dass doch der Heilige Quanion selbst diesen Ort aufsuchte und gar dafür Sorge trug, dass er wieder gefunden werden konnte. Selbst, wenn Lechdan mit seinen Befürchtungen recht haben sollte, so heiße es doch in der heiligen Prophezeiung: „Doch erst müsst ihr hinabsteigen in die dunkle Nacht der Seele, auf dass in eurem Innerem Raum sei für ein Leuchten.“ Außerdem sollte man dafür Sorge tragen, dass das Portal nicht von den Feindes des Glaubens geöffnet würde. Ghibertos Neugier ist jedenfalls mit dem Fund geweckt und nach langen Gesprächen vereinbaren die Lichtsucher schließlich, ihre Nachforschungen trotz aller Bedenken fortzuführen.

Nur wenige Tage nach der Entdeckung des Fragments erreicht ein weiterer Reisender, von Kälte und Schnee fast erfroren, und mit einem hilflos bibbernden Maultier an seiner Seite die Abtei. Bruder Lechdan staunt nicht schlecht, als er in dem Reisenden, der die unscheinbare und abgenutzte Gewandung eines Wanderpredigers trägt, einen alten Weggefährten aus Greifenfurt wiedererkennt. „Bruder Sonnlieb!“ ruft er erfreut und fällt dem Neuankömmling um den Hals. Lechdan geleitet den Laienprediger, der ein beim Volke sehr beliebter Wortführer der Gemeinschaft der Bekenner ist, wenig später in seine Wohnzelle, die er von nun an mit ihm teilt. Als sie schließlich unter sich sind, fragt Bruder Sonnlieb Lechdan danach, wie seine Suche nach dem Ewigen Licht verlaufen sei. Doch als Lechdan auf den Höllengreifen zu sprechen kommt, den sie in den Bergen des Raschtulsturm gegenüber treten mussten, wird Sonnlieb mit einem Schlag ernst und nachdenklich. „Mein alter Freund“, sagt er mit besorgter Miene, während er sich auf das knarrende Bett legt, „die Zeiten sind finster geworden und es ist nicht reine Wanderlust, die mich an diesen Ort geführt hat. Seit mehr als vier Jahren schon suchen die Gläubigen bereits nach dem Ewigen Licht und wandelt doch sonnentrunken durch eine Welt voller Finsternisse. Bitter sind die Herzen der Menschen geworden. Die Blüten des Glaubens öffnen sich nicht mehr, aus den goldenen Blättern der Gerechtigkeit ist die Farbe gewichen und die Äste der Wahrheit neigen sich kraftlos zur Erde hin. Denn die Wurzel ist faul geworden und sie nährt nicht mehr, was sie nähren soll. Schon seit einiger Zeit spüre ich, wie aus den Augen der Menschen die Hoffnung schwindet und sich Risse auftun in der von den Göttern gefügten Ordnung dieser Welt. Ich habe ihn im Traum gesehen, mein guter Lechdan, den Schwarzen Mann, den dreifach verfluchten Meister der Seelenmühle. In einer Bewegung streckte er nach meinem Herzen seine Klauen aus und träufelte mit der Stimme einer Dirne Worte in mein Ohr, die süß waren wie klebriger Honig. Doch ich blieb standhaft und ließ mich nicht verführen. Ich rief dem Dämon zu, dass mir Praios’ Wahrheit das Licht der Erkenntnis gibt, um seine schmutzige Hinterlist zu durchschauen. Er fauchte und heulte und lachte und säuselte und bettelte – alles zur gleichen Zeit. Doch ich ließ mich nicht beirren und betete immer wieder das Gebet vom Licht des Herrn und gab mich ganz der Gnade Praios’ hin. Und obgleich es finsterste Nacht war, spürte ich, wie sich in meinem Inneren ein wärmendes Licht ausbreitete, in das meine Seele eintauchte, wie in ein klares Wasser. Und als ich wieder auftauchte, war es bereits Tag und die Schrecken der Nacht waren von mir gewichen. Doch obgleich ich mir der Gnade und des Schutzes des Herrn des Lichts sicher war, spürte ich meine Schwäche und Elend.“

Lechdan blickt ihn fragend an: „Und deswegen bist du in diese Abtei gekommen, um dich zu sammeln und Frieden zu finden?“ „Frieden?“ Sonnlieb lacht verächtlich. „Meine Seele befindet sich im Krieg mit sich selbst“. Dann streckt er seine von der Reise erschöpften Glieder aus und schließt die Augen. „Die Zeiten sind finster geworden, mein Freund, und unsere Augen haben sich zu sehr an das Dunkel gewöhnt“, murmelt er noch leise, bevor er sanft und ohne ein weiteres Wort zu sprechen in den Schlaf hinübergleitet. Doch die Worte des Predigers haben Lechdan beunruhigt. Und so gelingt es ihm in dieser Nacht auch kaum ein Auge zuzumachen. Von einer düsteren Vorahnung und gleichzeitig von alten Erinnerung geplagt, wälzt er sich unruhig im Bett hin und her, bis irgendwann der Hahn kräht und das matte Licht der Morgendämmerung durch die Spalten der Fensterläden dringt, sich langsam in der Klosterzelle ausbreitet.
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* Siehe Kapitel 15.
** Siehe Kapitel 13.

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