So, wir haben vergangenes und dieses Wochenende die Szenariovorschlagsansatzskizze
"Chalwens Thron" gespielt. An Autoren und Bandredakteur: Bitte nichts persönlich nehmen.
(Edit: Und sorry für die Länge.
)
Das Abenteuer dreht sich darum, daß Darion Paligan den Schlaf der ruhenden Riesin Chalwen am Grunde des Golfes von Perricum stört, um die Kontrolle über sie zu erlangen oder ihren Einfluß auszuschalten, so daß die Blutige See sich (wieder) in den Golf ausdehnen kann. Die Helden müssen das verhindern. Dazu gehen sie, unterstützt von einem Hexenzirkel, auf Tauchgang. Sie finden die untergegangene Stadt der Sumurrer und einen Wächterzirkel aus Risso, die im Kampf gegen Paligans Schergen zu unterliegen drohen. Den Risso gelingt es mit Hilfe der Helden, die Riesin aus ihrem Schlaf zu erwecken und damit Darion Paligan zurückzuschlagen.
Soweit, so gut.
Der Anfang in Elburum ist mMn der mit großem Abstand schwächste Teil des gesamten Abenteuers (von einem Aussetzer später mal abgesehen). Er soll die Motivation für die Helden liefern - leider tut er das in keiner Weise. Die Helden empfangen Visionen von Chalwen, und sie bekommen mit, daß sich im Golf etwas tut: Seltsam entstellte Menschen werden an Land gespült. Nun sind wir hier unglücklicherweise im kürzlich befreiten Oron, am Rande der Blutigen See - seltsam fischig verwandelte Menschen lassen sich hervorragend erklären. Die gefundenen Leichen werden in die Schule der Schm... Heilung gebracht und dort weggeschlossen. (Ehrlich - die Idee, in der ehem. Akademie ein Hospital einzurichten, ist schon gewaltig schräg.
)
Gut. Was nun, fragen sich die Helden? Müssen wir hier was tun? Das Abenteuer sieht vor, daß die Helden heimlich in die Schule der Schm... Heilung eindringen und die Leichen untersuchen.
Nur warum sollten sie das tun? Weil sie Helden sind, jedes Problem zu ihrem Problem machen, sobald sie es von weitem sehen, und metaspielend merken, daß ohne ihre Initiative das Abenteuer nicht stattfindet?
Nach ihren Nachforschungen in der Schule der Schm... Heilung wissen die Helden immer noch nicht wirklich weiter; stattdessen haben sie sich sehr wahrscheinlich die Garde der streng geführten Stadt auf den Hals gehetzt. Außer "wir sind halt neugierig, da kam Chalwen vor, laßt uns mal nachgucken" gibt es wieder keinerlei Ansatz, weshalb die Helden weiter tätig werden sollten. Immerhin fragt eine grüne Efferdgeweihtenstellvertreterin noch nett an, ob sie sich nicht ein bißchen umhören könnten. Daher finden sie noch eine alte Hex', die sie in die Pampa schickt (da sie die Stadt eh verlassen sollten, schadet das nicht weiter).
Beim Hexenzirkel kriegen die Helden ein bißchen was mit, was los ist (aber nur in ganz groben Ansätzen). Die Hexen beschließen daraufhin, daß die Helden auf Tauchgang gehen und nachgucken.
Und hier fordert die vorherige Geheimniskrämerei ihre Opfer. Denn die Helden haben keine Ahnung, was los ist. Sie haben keine Ahnung, wie dringend oder nicht dringend ihr Auftrag ist. Sie wissen bestenfalls, daß unter dem Wasser irgendwelche Fischmenschen gegen andere Fischmenschen kämpfen, und daß die "guten" Fischmenschen Menschen in Fische verwandeln.
Stattdessen wird von ihnen erwartet, sich in Unkosten zu stürzen, in ein lebensfeindliches Gebiet vorzudringen, in dem Menschen verfischt werden, und das Ganze ohne einen blassen Schimmer von Ziel und Zweck der Mission.
Was aber das Allertollste ist:
Sie wissen nicht, wo sie suchen sollen.
Das Abenteuer geht allen Ernstes davon aus, daß die Helden auf einem Fischkutter auf den Golf von Perricum hinaussegeln und dort halt bissel suchen. Um das mal zu verdeutlichen:
Das ist ein Gebiet von der Größe Niedersachsens!!! So klein ist Aventurien nun auch wieder nicht.
Und was schlägt das Abenteuer vor, um den Ort zu finden?
Man wird, man höre und staune, in den Randgebieten der Blutigen See von zwei Krakoniern überfallen. Daraufhin kommen die begleitenden Hexen zur Einsicht, das hier sei die richtige Stelle, und man solle einfach mal mit Tauchen anfangen (und die teuer gekauften Alchemika auf gut Glück mal bissel verbrauchen).
Da ich nicht mit höflichen Worten ausdrücken kann, was ich von dieser Stelle halte, lasse ich's lieber.
Sind die Helden hier angekommen, finden sie recht schnell die versunkene Stadt. Der Eröffnungskampf mit den Haien dürfte im Übrigen schnell klar machen, daß etwa 90% der Helden hier völlig fehl am Platze ist.
Ehrlich: Die Autoren schreiben am Anfang, daß "es gut wäre, wenn mindestens ein kampfstarker Held in der Gruppe ist". Das ist so eine hoffnungslose Untertreibung.
Wir haben das Abenteuer mit drei Helden mit über 20.000 AP gespielt, und hatten große Mühe, auch nur die im Abenteuer vorgesehenen Kämpfe zu überstehen, und dabei habe ich die ausführlichen Regeln zum Unterwasserkampf (die Positionsproben) schon weggelassen, was die Gegner nochmal *deutlich* bevorteilt hätte. Da am Anfang nichts reinzuschreiben, daß der erwähnte Kämpfer die SF "Unterwasserkampf" möglichst beherrschen sollte, auf jeden Fall aber, daß er mit Speeren umgehen können
muß, grenzt an kriminelle Unterlassung.
Für eine Gruppe, die nicht auf Unterwasserkampf ausgelegt ist (was, wie gesagt, die überwältigende Mehrheit sein dürfte), ist das Abenteuer eins der kämpferisch anspruchsvollsten - und man kann den Schwierigkeitsgrad ohne Problem deutlich nach oben schrauben, aber mMn nur sehr schwer spürbar senken.
Anmerkung zum Kampfsystem, auch wenn das nicht die Schuld des Abenteuers ist:
Beim Unterwasserkampf ist mMn das Positionssystem kaum einsetzbar. Ich mag die 3W20-Proben sehr, aber daß
jeder Kampfteilnehmer am Anfang
jeder KR eine Probe würfelt, die dann auch noch verglichen wird und zu jedes Mal verschiedenen Wertemodifikationen führt (die sich auch noch innerhalb der KR ändern, wenn man sich einem anderen Gegner zuwendet), ist ein derart unpraktikabler Overkill, das ist unspielbar. Die Idee ist ja vielleicht gut, und für ein Computerspiel auch brauchbar, aber nicht für den Tisch.
Man kann ein bißchen in der Stadt herumschwimmen, ein bissel gucken - das ist alles ganz okay. Dann stößt man auf die Risso (der vorgesehene Begrüßungskampf hat mir nicht gefallen, das wurde geändert). Von da an nimmt das Abenteuer deutlich Fahrt auf: Man erfährt, worum es geht, man hat ein Ziel, man weiß, was zu tun ist, und man hat einen Zeitrahmen. Das ist aber viel, viel zu spät.
Dieser zweite Teil unter Wasser ist deutlich besser als der erste. Das Abenteuer hat hier einen deutlich erkennbaren Handlungsstrang, dem zu folgen eine durchaus logische Entscheidung ist, und die Freiheit wird durch den Zeitdruck effektiv begrenzt, so daß man auch mit den eher knappen Informationen gut spielen kann.
Die Geschichte um Zaphira lief bei uns anders (da die Helden keine Lust hatten, sie zu babysitten, und auf die Perlenbeschaffungsmission einfach nicht mitgenommen haben). Auch das ließ sich gut deichseln. (Klassiker: Die Überschrift "Der Verrat der Hexe".
)
Am Ende steht ein ziemlich heftiger Kampf. Die Gegner verfügen übrigens zu diesem Zeitpunkt über mindestens dreißig Krakonier (!), darunter ein CPT-Paktierer, und eine nicht näher spezifizierte Anzahl an Unterstützung wie Haien und dgl., die den Helden im Wasser im Normalfall haushoch überlegen sind. Viel Spaß beim Sterben...
Zum Fazit: Zwei Punkte, was schon gnädig ist.
Das Abenteuer mag eine gute Idee haben. Dabei bleibt's dann aber auch. Für ein Anthologieabenteuer ist es
hoffnungslos überdimensioniert. Gerade der Einstieg ist völlig mißlungen; dabei ließe sich hier auf mehr Platz richtig viel herausholen. Der Unterwasserteil ist besser, aber eigentlich für spezialisierte Helden oder eine kleine Armee gedacht. Als ausführlich ausgearbeitetes Abenteuer könnte das gut werden. So, wie es gedruckt ist, ist es miserabel.
Bei der "Letzten Wacht" oder neuerdings bei "Wolfserwachen" hat man doch auch gemerkt, daß sie für eine Anthologie ungeeignet sind. Warum hier nicht? Und wenn die Kapazitäten nicht gereicht haben für eine alleinstehendes Abenteuer: Dann lieber nicht publiziert und gewartet, bis ein Autor Zeit hat, als eine gute Idee derart in den Meeressand zu setzen.
Noch ein paar Gedanken:
- Beim Einstieg ließe sich viel mehr herausholen. Wir haben einen Elburumer Hesindetempel, der sich mit Chalwen beschäftigt hat. Dessen Hochgeweihte wurde kürzlich von Haffax entführt. Wir haben Paligan, der an Chalwen interessiert ist. Und wir haben die Hexen. Daraus kann man eine nette Suche nach den fehlenden Schnipseln machen, die Helden z.B. im Auftrag der Elburumer Hesinde- und Efferdgeweihten, wobei sie sich der anderen Interessenten erwehren müssen und ein paar exotische Informationen in alten, bei Plünderung und Befreiung Elburums verschütt gegangenen Schinken ausbuddeln. Dann hätte man auch das Problem mit der unsäglichen Fahrt ins Blaue nicht, sondern könnte den Helden genauere Angaben über die Lage von Chalwens Thron in die Hände spielen. Wie gesagt, das Abenteuer könnte, ordentlich ausgearbeitet, toll sein.
- Ich habe den Helden
das (PDF) als Handout gegeben und dann den Hinweis, daß sich an Chalwens Thron zwei Kraftlinien kreuzten (steht ja auch so im Abenteuer). Damit konnten sie die Stelle des Throns zwischen Efferdstränen und Ilderasch finden.
- Bitte - wenn man schon eine fremde, untergegangene Kultur beschreibt, dann wäre es nett, wenn die Zeugnisse dieser Kultur auch irgendwie
fremdartig wirkten, und nicht so eine naturalistische Allerweltsdarstellung wie das Chalwen-Bild im Abenteuer (das ja wohl ein sumurrisches Mosaik sein soll...)
- Eine Karte der Stadt gab's natürlich nicht; ich habe mir
die hier aus dem Internet geklaut (einzige Änderung: die von Paligan durchbrochene Bannkreismauer ist die innere, nicht die äußere). Der Thron ist dann rechts außerhalb der Karte.
- Nur mal so, was die Kämpfe angeht:
Krakonier - zumal erfahrene - haben einen RS von 6 (mit Rüstung). Damit isses zwar nett, daß Dolche vollen Schaden machen, aber wirklich praktikabel sind sie nicht. Speere sind gut (vorausgesetzt, man kann sie bedienen), Fechtwaffen grenzwertig. Bei allen dreien ist es der Gezielte Stich, der sie effektiv macht.
Alle anderen Waffen kann man getrost vergessen, da Wuchtschläge nicht möglich sind. Mit halbiertem Schaden muß man 13 TP anrichten, um die Krakonier verletzen zu können; die Waffe braucht also einen Grundschaden von W6+7, um bei einer gewürfelten 6 einen einzigen SP anzurichten.
Dazu kommt, daß die Wasserbewohner den Helden in ihrem Element natürlich fast immer überlegen sein werden. Die Haie z.B. verwenden als Tiere ihren INI-Wert zur Positionsermittlung - der liegt bei 14-19. Das müssen die Helden mit einer Schwimmenprobe übertreffen! Wenn nicht, können die Haie jedes Mal diverse Punkte auf AT, PA, TP oder Sonstiges verteilen. Ähnliches gilt für die Krakonier, die dann halt noch besser werden.
Das mag ja alles in Ordnung sein, aber sowas sollte man vorher wissen. Mit dem im Abenteuertext geforderten allgemein "kämpferisch veranlagten" Helden kommt man jedenfalls nicht weit, schon gar nicht gegen 10, 20 oder auch mal 30 Krakonier.