Spoilerwarnung vorneweg:
Die Beschreibung ist allgemein gehalten, allerdings werden Fahrer*innen namentlich und andere nach ihrer Zugehörigkeit genannt und manche Ereignisse lassen sich aus den Erzählungen vielleicht rekonstruieren. Spezielle Ereignisse wurden hinter Spoilern versteckt.
Hallo miteinander,
ich habe "Donner und Sturm" 5 Sterne gegeben, allerdings nicht für das Abenteuer, sondern für das Potenzial, das darin steckt. In meiner Bewertung möchte ich drei Punkte ansprechen:
1) Meine Vorarbeiten und unsere "Gruppe"
2) Kritik - Warum das Abenteuer eigentlich nur 3 Sterne verdient hätte
3) Lob - Warum das Abenteuer sich lohnt, gespielt zu werden.
1) Vorarbeiten und unsere "Gruppe"
1.1) Die Heldinnen und ihre Verbindung zum Rennen
Unsere Gruppe bestand aus zwei SC's: einer Kriegerin und einer Amazone. Das Team insgesamt bestand aus einer weiteren Kriegerin (Rin) und dem Wagenlenker Reo Conchobair.
Voranschicken muss ich, dass das Donnersturm-Rennen für uns eine besondere Bedeutung hat, da ich das ursprüngliche Abenteuer bereits vor ca.25 Jahren gespielt und vor 15 Jahren geleitet habe. Eine der beiden Spielerinnen hat es vor 15 Jahren mit dem Vater ihrer derzeitigen Heldin gespielt und damals den 2. Platz gemacht. (Damals wie heute konnten die SC das Rennen auch verlieren.) Danke an dieser Stelle übrigens an Hadmar von Wieser für die Idee zu diesem Rennen!
Dementsprechend kannte eine Heldin manche Gestalten rund um den Donnersturm aus den Geschichten des Vaters und hatte eine besondere Beziehung zu anderen Rennfahrerkindern des Abenteuers.
Gleichzeitig haben wir früh entschieden, das Abenteuer spielen zu wollen. Das hatte einerseits zur Folge, dass wir einige Abenteuer aus "Wetterleuchten" spielten, insbesondere waren die Vorbereitungen aber auch Teil der Heldengeschichte beider Heldinnen. Die Kriegerin beispielsweise lernte den jungen Reo Chonchobair bereits mit 17 Jahren auf der Beerdigung seines Vaters kennen und sie formten bald ein Duo, das sich vornahm den Donnersturm zu erringen. Rin ist ihre beste Freundin seit dem gemeinsamen Absolvieren der Krieger*innenakademie in Eslamsgrund.
Damit war für diese Heldin das Rennen letztlich die Kulmination der Vorbereitungen von neun Jahren ingame und knapp 4 Jahren outgame.
Mit der Kriegerin und Reo spielten wir überdies einige Rennen aus: Das Wagenrennen des Frühlingsturniers von „Jahr des Feuers“, wo Reo den Wagen für das Rennen gewann, das Szenario "24 Stunden von Wagenhalt" wo bereits Boran, Gerborod und die Zwerge von mir eingeführt wurden. Zudem formte ich das Briefspielprojekt "1000 Meilen von Yaquiria" in ein Abenteuer um, an dem das Duo als Gastrennfahrer teilnahm. Dort knüpfte sich ein Band mit der Siegerin des Rennens.
Durch die Verbindung mit Reo war auch dessen Rivalität mit der Streiterin der Rondrakirche ein begleitendes Thema über Jahre, so dass dort eine weitere Mannschaft eine Rolle spielte. Das Abenteuer "Schwur des letzten Sultans" hatte eine enge Beziehung zu Baburien geschaffen, die Verwicklung im Krieg gegen Oron eine Verbindung zu Aranien insgesamt und eine Abneigung gegen die Gorier.
Die Amazone hingegen war ursprünglich Teil des erweiterten Teams der Amazonen, wurde aber letztlich nicht für das Team berücksichtigt. Als Zureiterin und Pferdeexpertin war sie früh eine derjenigen, die in die Rennvorbereitungen eingebunden wurde. Sie und die Kriegerin hatten sich auch bereits vor einigen Jahren auf einer Außenmission der Amazone kennengelernt und zwei gemeinsame Abenteuer bestritten. Die Amazone stieß kurz vor Start zu Reos Team, da ein ursprüngliches Team-Mitglied kurzfristig "krank" wurde. Auch die Amazone hatte Beziehungen zu zwei Rennteams (Amazonen und Rondriga).
Das bedeutete, dass zu vielen der antretenden Personen bereits lose oder engere Bande bestanden, die Heldinnen von ihren Charakteren, ihren Werten und ihren Talentwerten sehr gut in das Rennen passten. Der Fahrer des Wagens war eng in das Team eingebunden und niemand musste mal nebenher "Fahrzeug lenken" hochziehen.
1.2) Direkte Vorbereitungen für das Abenteuer
Zwei wichtige Grundentscheidungen hatten wir getroffen: Erstens sollte es auch dieses Mal wieder möglich sein, das Rennen auch zu verlieren, also keinerlei Railroading zum Sieg! Zweitens entschieden wir uns jeden Tag die Rennleistung aller Rennteilnehmer*innen auszuwürfeln und Begegnungen mit anderen damit zufällig und nicht dem Plot folgend einzubauen. Daher wurden alle Angaben im Abenteuer ignoriert, die bestimmte Ereignisse an die Anwesenheit bestimmter Personen knüpfte. Damit sind ein paar Ereignisse einfach ausgefallen, andere sind den Rennteilnehmer*innen zugestoßen, die dazu passend vor Ort waren.
So wurden die Held*innen zwar von der Sultana aufgehalten, weil diese auf Sex mit einem Conchobair scharf war. Aber z.B. traf das Attentat in Punin den Emir von Chalukand und auch die Recherche in Punin samt Diebstahl wurde von Meisterpersonen bewältigt, da sie einfach vor den Held*innen dort waren. Die Sphinx wurde von den Held*innen nicht aufgesucht, da sie durch die Amazone im Team die Lage der Höhle schon kannten etc.
Praktisch habe ich dazu die Liste auf Seite 93 mit der durchschnittlichen Tagesleistung genommen und wir haben "gute Fee/böse Fee" gespielt und je einen W10-Wurf als Bonus und einen als Malus geworfen. Dadurch ergab sich die jeweilige Tagesleistung jedes einzelnen Teams, die also maximal 9 Meilen nach oben und unten abweichen konnte. Mit Hilfe von avespfade.de hatte ich mir die Entfernungen herausgeschrieben von Ortschaft zu Ortschaft, modifiziert mit der Straßenqualität. So hatte ich die "effektive Meilenzahl" für die gesamte Strecke und konnte immer sehen, wo sich die Teams gerade aufhielten, wer wen überholte etc.
Kämpfe zwischen NSC-Teams außerhalb der Sichtweite der Heldinnen habe ich mit zwei W20 Würfen abgehandelt um zu bestimmen, wer besser raus kommt aus dem Kampf.
Der Vorteil dieser recht aufwändigen Methode war ein unglaublich dynamisches Rennen, bei dem nicht alles um die Heldinnen kreiste, es spontane Bündnisse aber auch spontane Gefechte gab, je nach Rennverlauf. Die Arbeit hat sich definitiv gelohnt.
2. Kritik am Abenteuer
Meine Hauptkritik am Abenteuer ist das Plot orientierte Railroading. Wer das mag: perfekt. Für mich nimmt die Abenteuergestaltung dem Rennen jeglichen Renncharakter. Der*die Spielleiter*in wird dazu angeregt die SC dem Plot entsprechend im Rennen zu positionieren, an manchen Stellen funktionieren Plotelemente sogar nur auf bestimmten Positionen bzw. hinter bestimmten Teams. Damit wird jedoch Spieler*innen die Möglichkeit genommen das Renngeschehen zu beeinflussen. Daher sollte man sich sehr früh davon verabschieden, wenn man wirklich ein Rennen fahren möchte, bei dem rennbezogene Einfälle etwas bringen.
Das erfordert jedoch viel Vorbereitungsarbeit.
Eine weitere Kritik ist die Grundidee eines eigenen Teams. Kaum eine Heldentruppe wird spielen wie wir. Ein Abenteuer wie Donner und Sturm, das so sehr auf eine bestimmte exotische Fähigkeit (Streitwagenfahren) ausgelegt ist und mit Wetterleuchten einen eigenen Vorband bekommen hat, hätte darin (oder im eigentlichen Abenteuer) auch die Verbindung zu einem der Rennteilnehmer*innen schaffen können. Da hätte es mehr Vorarbeit in diese Richtung gebraucht.
Zudem wurden meiner Meinung nach die Streitwagen-Regeln und Handouts für Rennstrecken völlig am Bedarf vorbei entwickelt. Sie passen zu einem kurzen, vielleicht sogar in einem Stadtkurs stattfindendem Rennen, bei dem es ständig Rennsituationen gibt. Ich habe sie z.B. für das Stadtkursrennen in Kuslik bei "1000 Meilen von Yaquiria" genutzt, sonst nie. Meine Heldinnen fanden es völlig sinnfrei am Start eines einmonatigen Rennens zu kämpfen oder zwischendurch mal gegen ein anderes Team zu einer Brücke zu sprinten o.ä. Außerdem sind die Kästchen an fehlendem Flair kaum zu überbieten.
Darüber hinaus würde ich empfehlen viele der Begegnungen auf dem Weg in die Zufallstabelle zu integrieren (wenn man so etwas mag). Gerade auf dem letzten Rennabschnitt sind die Begegnungen fast schon lächerlich, wenn man sich vorstellt, was die Held*innen da gerade versuchen.
Mal ehrlich: Du hetzt Bösewichtern hinterher, die eines der mächtigsten Artefakte der Welt verderben wollen und dir einen Monat entwischt sind, und dann sollst Du Dich auf den letzten Metern mit Brückentrollen und Bienenschwarmattacken auseinandersetzen??
Ich habe die Begegnungen teilweise an NSCs ausgelassen, insbesondere, wenn diese vor den Heldinnen fuhren.
Letzte Kritik:
Die Interaktion zwischen Held*innen und Rennteilnehmer*innen aber auch zwischen den anderen Teams an sich wird mir zu sehr von einzelnen Konfrontationen bestimmt. Bei uns hat sich das Rennen so entwickelt, dass sehr oft verhandelt wurde, es haben sich Allianzen gebildet und die rondrianischeren Teams sind recht schnell näher zusammengerückt. Die Heldinnen, aber auch manche NSC, haben zusammengearbeitet, um Nachteile auszugleichen.
Zum Beispiel wurde nach der Zerstörung des Bodenmosaiks in Fasar die entsprechende Information für weitere Rennteilnehmer*innen in Praios- und Phextempel hinterlassen. Borans Seitenklau wurde ebenfalls kompensiert, indem alle Nachkommenden direkt nach Bactrim geschickt wurden. Der Emir, der bei mir Opfer des Attentats in Punin wurde, hat von sich aus die Obrigkeit in Ragath von den Anschlagsplänen unterrichtet, so dass die auf Zack waren.
Bei mir hatten sich auch alle mittelreichischen Teams auf Anregen von Frau Grünewange darauf verständigt, sich bis Brig-Lo nicht zu attackieren, sondern nur ein Rennen zu fahren. Die Heldinnen hatten sich dem angeschlossen. Hintergrund: Sie wollten den Donnersturm in Händen wissen, die dann den Krieg im Osten priorisieren. Natürlich wollte Frau Grünewange hauptsächlich ihr Team schützen.
Hier hätte ich mir mehr Zuarbeit des Abenteuers erhofft, um mir nicht die Beziehungen unter den Rennteilnehmer*innen selbst herleiten zu müssen. Punktuell wurde das gemacht, indem einzelne Rivalitäten angesprochen wurden. Dafür, dass man die NSC jedoch über einen Monat mitführt, war es zu wenig.
Ach ja zum Abenteuerende:
Ich habe alles nach dem Sieg des Rennens weggelassen und bin direkt zum Ende gesprungen. Kein Kampf mit dem seltsamen Wagen, keine Infiltration von Warunk. Rennsieg und dann gib‘s dem Dämon, Ende!
3) Lob
Das Abenteuer verlangt meiner Meinung nach sehr viel Vorbereitung auch vor dem eigentlichen Abenteuer. Doch der Plot ist es wert. Ja, die Begegnungen sind eher mittelmäßig und auch die Ausgestaltung, aber die NSC haben unglaublich viel Potenzial. In kaum einem Einzelabenteuer gibt es darüber hinaus so ein großes Potenzial zwischen Gegner*innen, Kontrahent*innen, Feind*innen und Erzfeind*innen zu unterscheiden. Es gibt die Möglichkeit Kameradschaften zu schaffen, wenn aus Gegner*innen und sogar Kontrahent*innen Verbündete werden, weil Feinde auftauchen. Die verschiedenen Ideale Rondras lassen sich gut herausarbeiten.
Wir hatten Situationen, wo Heldinnen kurz ihre Ideale vergaßen, weil der Renncharakter Oberhand gewann und dann von anderen gezügelt werden mussten. Das Abenteuer hatte früh eine Ahnung wachgerufen, dass es eben um mehr geht als nur ein Rennen und dass selbst Feindschaften ruhen müssen im Angesicht mancher Bedrohungen. Es gibt zudem den Spielleiter*innen die Möglichkeit, die unterschiedlichen Facetten und Intensitäten von "böse" zu differenzieren.
Zudem hat das Rennen einen guten (potenziellen) Spannungsbogen, genug epische Momente, passende NSC dazu und führt einen tief in den Mythos rund um den Donnersturm ein. Mit der richtigen Held*innengruppe bietet es also alles für ein episches, emotionales Abenteuer.
Wir haben es in einer "Spielewoche" gespielt, das heißt wir haben Urlaub genommen und innerhalb von 8 Tagen haben wir 5 Tage komplett DSA gezockt. Das Abenteuer war uns das wert und hat uns mit viel Spannung, Grusel, hehren Momenten und viel Immersion belohnt.
Mein persönlicher Höhepunkt:
Der Kampf gegen die Kultisten war bei uns ein Kampf von Gerborod, den Held*innen und der Truppe von Arkos, die im Rennverlauf zusammengeschweißt worden waren. Ich hatte ihn auch auf einen Tag hinter Gareth verlegt. Ein harter Kampf entbrennt und als die Held*innen und der König langsam die Oberhand gewinnen, kommt es zur beschriebenen Szene rund um Gerborod. Nur, dass meine Spieler*innen das völlig missdeutet haben. Dadurch, dass Gerborod auch für die Spielerin der Kriegerin bereits seit 15 Jahren eine Legende ist, dachte sie, dass die Ereignisse, Donnerschläge, die herausspringende Klinge Rondras letzte Ehre für den alten Mann seien.
Nach dem Tod des Paktierers geht sie zu diesem hin, macht die Gürtelschnalle ab, geht zu Gerborod und legt ihm diese mit den Worten um: "Die habt Ihr Euch verdient, es ist nun die Eure." Gerborod, sich seiner ja jetzt bewusst, sagt nur "Wieder". Die Amazonenspielerin reißt schon die Augen auf, während die Kriegerin das überhört und nur meint "So jetzt aber auf Männer, das Rennen muss fertig gefahren werden, der Emir ist uns wahrscheinlich auf den Fersen!" Erst als Gerborod zu Arkos und Reo sagte: "Das macht Ihr unter Euch aus. Ich habe dieses Rennen einst gewonnen, jetzt ist es an Euch" ist es der Spielerin wie Schuppen von den Augen gefallen.
Ich hoffe zukünftigen Spielleiter*innen ist der Bericht (trotz der Länge) eine Hilfe bei der Entscheidung für oder wider "Donner und Sturm".
Alles Gute
Brynjar