Die verlorenen Lande und der Schattenmarschall sind ABs gewesen, die ich mit besonderem Interesse erwartet habe. Haffax, der alte Feind, der Verräter, das Genie der Strategen aus den vergangenen Tagen, hat sich seinen ganz eigenen Mythos geschaffen und war und ist einer der großen Antagonisten, dessen Gefährlichkeit und dessen Tat nicht in dem dämonischen Schrecken liegt, sondern in den Leistungen seines eigenen Verstandes.
Das ich daher mit ein bisschen zu hohen Anforderungen an das AB herangegangen bin, mag man mir an dieser Stelle nachsehen, denn immerhin sollen beide Abenteuer förmlich den Abschluss einer Ära begründen.
Bei dem Band "verlorene Lande" gelingt das leider nur bedingt. Wie Cifer bereits angekündigt hat, gibt es durchaus einige gute Szenarien, dafür aber auch ebenso viele, die eigentlich relativ wenig taugen bzw. sogar der Stimmung nicht förderlich sind.
Lobend hervorheben will ich die detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Armeen und ihrer Bestandteile. Man hat wirklich viel Arbeit investiert, um verschiedenste Truppenbestände zusammen zu ziehen und diese für das AB zu beschreiben, sowie eine interessante Differenzierung der Streitkräfte gefunden, wie sie im dreifaltigen Heerzug auftreten. Bedauerlich ist dabei der Umstand, dass genau diese differenzierte Aufstellung leider in weiten Teilen relativ unbedeutend ist, bzw. vom SL selbst genutzt werden muss, da das AB in Scharmützeln und anderen Situationen in denen es relevant werden könnte, nur sehr selektiv darauf eingeht, welche Truppen gerade eingebunden sind. Auch eine Gesamtübersicht über die Truppenstärke der jeweiligen Heere samt ihres Troßes und ihrer Verluste gibt es leider nicht. Da muss man als SL selbst nachhalten.
Das Anforderungsprofil für Helden mit mind. 10k AP klingt im ersten Moment sehr sportlich, erweist sich allerdings im Band selbst als reine Zahlenspielerei, da die meisten Situationen gamistisch nicht wirklich anspruchsvoll sind. Proben +4 bei denen man dann 7 TaP* übrig behalten sollte sind schon ziemlich das "knackigste" was das AB an Proben-Mechaniken zu bieten hat und leider differiert an sehr vielen Stellen das regeltechnisch mögliche mit dem für die Geschichte berücksichtigtem. Auch die Bannung potentiell unglaublich machtvoller Dämonen krankt daran, dass die Autoren des ABs schlicht regeltechnische Möglichkeiten übersehen oder ignorieren.
Die Kaiserin führt 150 Geweihte in die Schlacht, davon viele Priester des Praios, der Rondra, des Boron etc.. Nun weiß schon jeder Spieler dieser Charaktere, der mal über 5k AP hinausgekommen ist, das bereits ein einzelner dieser Personen durchaus mit seinen Mitteln eine ganze Schlacht kippen kann. Diese Trumpfkarte allerdings wird faktisch nie gespielt. Im Szenario Schatten über Burgheym greift eine illusionäre Bestie an, während sich im Hauptverband der Truppe die Vizespektabilität Perricums befindet, mitsamt einiger ihrer Zauberer. Allein dieser Trick wäre mit einem simplen Illusionen auflösen (im Zweifel im Verbund) zu knacken. Stattdessen wird überhaupt nicht auf diese Lösungsmöglichkeit eingegangen, sondern man geht davon aus, dass die Helden schön brav versuchen die Bestie zu "ignorieren" oder zu "bekämpfen". Das gleiche gilt für das Szenario "Die Nebel lichten sich", in dem die Helden die Amazonenburg Löwenstein von dem Dämonen Isyahadin befreien sollen, welcher von Borbarad selbst beschworen wurde. Jetzt ist dabei als das größte gamistische Problem die Eindämmung des Dämons und die Bannung beschrieben. Nur leider ist für eine erfahrene Exorzistin, wie die Vize-Spektabilität, eine Probe +21 nicht wirklich schwer (zumal, wenn man noch die SF Exorzist besitzt, die einfach nicht berücksichtigt wurde). So wird eigentlich das Szenario der Bannung sehr schnell zur reinen Farce, wenn man bedenkt, dass man ein halbes Dutzend Weißmagier vor Ort hat, eine mächtige Bundführerin und der wahre Name nun wirklich gar nicht gebraucht wird.
Dabei ist das Flair des ABs durchaus gut, nur die gesamte Umsetzung im Sinne des regeltechnischen lässt das Szenario schlicht nicht anspruchsvoll sein. Zumindest nicht für 10k AP Helden mit dieser Unterstützung.
Dies ist auch mMn eines der Kernprobleme des ABs. Es wird an keiner Stelle wirklich geschafft gamistische Optionen und simulationistische Vorlieben wirklich zu bedienen. Es wird eine große Geschichte erzählt, wie Mendena fallen wird und es wird heldenhafte Beteiligung suggeriert, in dem man Optionen schafft bei denen die Helden Einfluss üben können, in Form von mehr oder weniger gefallenen Soldaten (wobei die letztendliche Anzahl wieder relativ irrelevant ist), während der Gegner vor allem das Mittel der Dramaturgie auf seiner Seite weiß. Es kommt kaum auf Strategie und Taktik per se an, es wird auch nur in Auszügen dargestellt, dass diese wichtig für die Kriegsführung ist (vorrangig benutzen Haffax' Leute günstige Stellungen, um die schiere Übermacht des Heeres ein wenig zu reduzieren), aber am meisten helfen wirklich die unglaublich vielen Neukreationen, derer sich die haffax'schen Zauberkundigen bedienen können, während die Zauberer der Mittelreicher eher zurückhaltend bis untätig bleiben.
Haffax' Leute hingegen zaubern einen Blutsturm (Belhalhar-Äquvivalent zum Alptraumgewitter, wird aber regeltechnisch kaum beleuchtet), eine Minderglobule samt Golem-Lenk-Maschinerie, eine Golem-Armee, eine Daimoniden-Armee uvm. aus dem Hut, mit dem sie wieder und wieder auftrumpfen können. Das sorgt für den üblichen Eindruck "Bad guys get all the cool stuff", während die mittelreichische Armee sich eher einem Moloch der Übermacht gleich durch die Lande walzt und dadurch gewinnt, dass sie einfach genug Leute zum draufhauen haben. Das viele Kommando-Unternehmen, welche für Helden erdacht wurden, mittels der umfangreichen karmalen und magischen Unterstützung des Hauptheeres VIEL einfacher würden, wird eigentlich fast immer getrost ignoriert.
Haffax' großer Plan, den ihm Kor eingeflüstert hat, seine Seele in einen Karfunkel zu bannen, hat in gewisser Weise sogar Stil, ist allerdings für mein eigenes Aventurien relativ unbrauchbar, da ich ohnehin schon auf solche Dinge, wie den Asfaloth-Pakt zum Erhalt der Jugend verzichtet habe, sondern Borbarad ihm diese geschenkt hat (was ja dank Immortalis, Reversalis Last des Alters etc. problemlos geht). Auch Rondras Auftrag an Kor, Haffax' Seele zu bewahren, passt nicht so wirklich zu meiner Vorstellung der Götter. Allgemein hätte ich hier gerne eine viel menschlichere Konfliktführung gesehen, anstatt den Paktbruch 3.2 mit anschließender Seelenwanderung, jetzt in einen Karfunkel in Gareth, zu erleben.
Andere Elemente, wie der Schelm, der von Haffax' Agenten (von denen wirklich nur einer wirkliche Agentenfähigkeiten hat) zur Sabotage im Heerlager der Kaiserlichen angestiftet wird und dann mit Koboldruf und Nackedei die Kaiserei entblößt, treffen nicht wirklich meinen Stil (zumal auch hier wieder NICHT berücksichtigt wird, dass Rohaja dank Schutzartefakten auch einem Koboldzauber keineswegs hilflos gegenüber steht sondern man durchaus mit einem simplen Psychostabilis die MR auf 20+ hauen kann, was jeden offiziellen Zaubergnom ins Schwitzen bringt).
Solche Dinge wie die Hinderlichkeit der Praioten (in fast jedem Szenario, in dem sie keine Magie zulassen wollen, aber auch nichts aktiv selbst tun, sondern hauptsächlich beten), die Verführung eines hochrangigen Rondrianers gerade DURCH die Einflussnahme der Göttin (sie greift direkt in Visionen ein, um ihn zu warnen und treibt ihn dadurch in die Arme Belhalhar, ja, that worked well, Rondra, vielleicht das nächste Mal wieder Kor die subtile Einflussnahme übergeben
) sind dann weitere Punkte, bei denen ich eindeutig wenig Gefallen daran finde, was teilweise an der Umsetzung (Verführung Rondrianer), teilweise am generellen Leitbild (Praioten) liegt.
Die Teaser zum Heldenzeitalter und die Glorifizierung der NSC (Heldenkaiserin Rohaja, DER MARSCHALL Alrik vom Blautann, Titel des Ritterkönigs usw.) treffen nicht wirklich meinen Geschmack, sind allerdings wirklich reine Geschmackssache. Die Grauzeichnung der Charaktere, die vorher da war (die schwierige Beziehung von Rohaja und Rondrigan, der Skeptizismus der Kaiserin gegenüber den Göttern, welche durch das Jahr des Feuers und die Wildermark-Konflikte getriggert wurden, der Problemkampf mit den Machthabern und Fürsten, die ihr keine absolutistische Macht zusprechen wollen, die Diskrepanz zwischen Glauben und Politik, die ein weites Feld an internen Konflikten ermöglichte etc.) scheint jetzt komplett gebrochen zu werden und abgeschafft zugunsten eines heroischeren Bildes.
Zu den Scharmützel-Regeln, die hier als Kurzregeln präsentiert werden und dann 6 DIN-A4-Seiten brauchen mitsamt vieler Tabellen etc., will ich gar nicht viel sagen. Aber mit diesen Regeln, die hauptsächlich wirklich auf Kriegskunst aufbauen, einen Reichserzmarschall wie Alrik vom Blautann zu benennen, der mit Kriegskunst 10 auftritt ist... keine gute Idee.
Es gibt eine Vielzahl von handwerklichen Fehlern, auf die ich jetzt aber nicht im Details eingehen möchte und die auch keinen wirklichen Abzug an Punkten für mich bedeuten, da es eben Nebensächlichkeiten sind (sowas wie die Benennung der zweiten Hofmagierin obwohl dieser Posten für SC gedacht ist, dann formale Fehler wie Xindra von Sumus Kate als Anführerin der Druiden Tobriens zu Borbarads Rückkehr zu erklären, wir erinnern uns an den alten Fyrnenbart, oder diese ständigen Paktierer, deren Seelen als Geister umgehen, anstatt in die Niederhöllen zu fahren, sehr seltsam...). Es wurde viel Platz für Nebenschauplätze aufgewandt (Szenarien wo man rittrliche Streitigkeiten klären soll z.B.), während die Details der Schlachten, die Zeitabläufe von großen Konfrontationen etc. und auch solche Kernpunkte die wie Eroberung Mendenas generell sehr verkürzt skizzenhaft geblieben sind. Weder gibt es stilvolle Fließtexte, um die Flair einer Schlacht zu fangen, noch gibt es gamistische Leitlinien, mit denen man SC ganz aktiv in den Schlachtrahmen mitbringen kann und die Planer und Strategen unter den Spielern bedienen könnte. Es ist eben eine große Geschichte, nur leider eine, der die großen Worte dann fehlen.
Als Ideensteinbruch für eine eigene Kampagne ist der Band auf jeden Fall brauchbar, als Abenteuer für Helden in meinem Aventurien nicht. Einige Szenarien bieten einen tollen Flair, den ich gerne aufgreifen werde (Das Szenario um Löwenstein, die Einbindung der Feilscher, generell die Sabotage-Akte innerhalb des Heeres, wenn auch nicht exakt diese, die Gruppierung der Haffax-Getreuen, die an einen neue Weltordnung glauben, der Konflikt zwischen Arngrimm und Bernfried von Ehrenstein) und auch viele Dinge, die ich nicht erwähnen werde, in meinem Aventurien.
Insgesamt komme ich damit zu einem Urteil von
2 Punkten. Es wurden ein paar schöne Ideen eingebracht, aber es wurde auch unglaublich viel Platz und unglaublich viel Potential verschenkt, gerade auch dadurch, dass man sich mal wieder nicht dazu bekannt hat, hier ein wirkliches Kriegs- und Feldzug-Abenteuer zu bauen.