Welches Maß an Plausibilität ist nötig?
Meiner Meinung nach sollte eine Fantasy-Welt sich maximal an der Realität messen.
Entscheidende Ereignisse in der Realität waren aber viel 'unrealistischer'.
Alexander hat das Perserreich besiegt, das ist als würde Nostria das Mittelreich erobern.
Sophie Auguste Frederike von Anhalt Zerbst hat sich zur Herrscherin des größten Reiches der Welt gemacht.
Das ist als würde eine SC Hofdame mit SO 8 Kaiserin.
Ein Herr Schabowski hatte vergessen sich ein Startdatum für eine Reiseregelungsänderung sagen zu lassen und dann fiel die Mauer. Das ist als wäre der Wall des Todes gefallen weil eini SC Schelm gefragt hat warum sie im Weg rum steht.
Geschichte ist eine Verkettung von Möglichkeiten von denen einige mehr und andere wenig wahrscheinlich wäre. Es wäre sehr unwahrscheinlich, wenn immer die wahrscheinlichste Möglichkeit zuträfe, so wie es unwahrscheinlich ist, dass jeder Bürger Frankfurts heute Pizza gegessen hat.
Meiner Meinung nach ist die Königsmacher völlig hinreichend realistisch. Ja früher habe ich auch weit mehr Plausibilitätsansprüche, aber wenn man einen Blick auf die Realität wirft sind solche Ansprüche unrealistisch.
Die Königsmacher ist eine interessante Kampagne.
Ich persönlich hatte zwei größere Probleme.
Zum einen gibt es viele interessante Hintergründe, die aber sehr sehr lange vor den SC verborgen bleiben. All das -- oder vieles -- von dem die SL hier schwärmen bleibt den Spielern lange verborgen. 'Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß' lautet ein Sprichwort. Das Sprichwort kann man allerdings auch so verstehen, dass es schwierig ist als Spieler von einem Hintergrund begeistert zu werden, den man nicht kennt.
Damit hängt auch zusammen, dass man einen SC am Spieltisch zu einem großen Kämpfer machen kann indem man AT/PA 30/30 auf seinen Charakterbogen schreibt. Man kann den SC aber nicht zum brillianten Intrigenspieler und Hintergründe-aufdecker machen indem man KL 20 auf den Bogen schreibt. [Ja man kann den Spieler eine Probe würfeln lassen und ihm dann Infos geben, aber das ist nicht sie coole Spielszene die man sich von interessanten Hintergründen erhofft.]
Ich habe als Spieler der Kampagne große Teile der Hintergründe bis kurz vor Ende der Kampagne nicht kapiert. Die Hintergründe gehen lange nicht ins Spiel ein und das kann dazu führen, dass man eine Kampagne spielt ohne deren wichtigste Teile zu erleben.
Jadorans Beitrag verdeutlicht das Problem der 'Erklärungen nur für den SL' ja ganz schön.
Der SL hat die Freude der differenzierten komplexen Erklärung und Jadoran hat den Frust des 'Es gibt einfach keine Erklärung'.
Ein zweites Problem sehe ich gerade in dem schönen grau-vs-grau Setting. Als SL liebe ich ein solches Setting in dem der Konflikt nicht so platt gut gegen böse ist. Die Kampagne bemüht sich die Seiten jeweils in ihren Grauschattierungen zu beleuchten. Dem Spielleiter und evtl. auch den Spielern bietet sich ein faszinierendes Bild. Ein wunderbares Gewebe.
Aber wenn gut und böse nicht klar verteilt sind, dann sind die Seiten ähnlich attraktiv. Das ergibt für den SL und die Gruppe interessante Entscheidungsoptionen, aber es hat auch den Nachteil das es keine so klare Motivation gibt.
Wieder irdisches Beispiel: Eine Schlagzeile 'Boko Haram entführt und versklavt 250 Mädchen' weckt doch den Wunsch jemand möge da hin gehen, das Böse besiegen und die Opfer retten. Eine 2 stündige Dokumentation über die Vielschichtigkeit eines aktuellen grau vs. grau Konfliktes kann durchaus zu etwas anderem als dem Wunsch führen sich da dringend einzummischen Stichwort Syrien: Assad, Al-Kaida, Al-Nusra, FSA, IS, Sunniten, Schiten, Aleviten, Christen, Kurden, Jesiden, Hisbola, Iran, Irak, Türkei, Russland, USA, Nato, EU, Frankreich, Saudi-Arabien, Katar, Israel
Ich fand es im Laufe der Königsmacherkampagne recht schwer aus Charaktersicht zu handeln. Gut die Abenteuer rücken die Haupthandlung 'Königsmacher' teils eher in den Hintergrund, aber gerade in Bezug auf die Haupthandlung wird die Positionierung des eigenen Charakters schwierig.
Ich finde es deutlich leichter für einen Gjalskerländer Barbaren / Novadi in der G7 die Charaktermotivation für dessen Positionierung gegen Borbi zu klären als für einen Horasier in der Königsmacher. Und das obwohl Gjalskerländer Barbar oder Novadi für die G7 eher weniger geeignete Charaktere sind. In der G7 lässt sich in letzter Konsequenz immer ein 'Wir müssen jetzt gemeinsam dagegenstehen sonst ist es irgendwann auch für meine Heimat zu spät' finden.
In der Königsmacher gibt es keine so klare Motivation. Wenn du verstehtst, dass alle gute Gründe für ihre Taten haben, dann kann man sich nicht nur mehr schwer einreden ein Krieg wäre gerecht und die eigene Seite hätte sicher recht. In mir weckt so ein Setting eher den Wunsch für einen Frieden zu sorgen oder zumindest irgendwie neutral zu bleiben und das schlug dann irgendwie auch auf den SC durch. Weder der Wunsch neutral zu bleiben noch der Frieden zu stiften verträgt sich aber sonderlich mit dem weiteren Verlauf des größten Teils der Kampagne.
Weiterhin ist es für die Spieler sehr schwierig den Überblick über die NSCs zu behalten. Man bedenke als SL verbringt man mehr Zeit mit dem Abenteuer als die Spieler. Vor der Kampagne dacht ich ich kenne mich gut aus. Nachher war das nicht mehr der Fall.
Da sieht man wie unterschiedlich so die Geschmäcker sind. Ich sehe Götter und Geweihte völlig anders. Ich möchte von Götter und Geweihten Mystik erleben. Ich möchte Entrückung sehen und Spiritualität. Ich möchte Offenbarungen erleben und alten Legenden nachgehen. Ich möcht die Götter und Geweihte der Welt etwas entrückt sehen. Und ich will Götter die Anbetungswürdig sind.Rimaldo hat geschrieben: Auf dem Vinsalt Forum gibt es z.B. ein AAR, wo die Helden als Begleiter einiger Gesandter der Rahjakirche - ohne es zu wissen - die Eroberung Kusliks erst ermöglichten. Dort war die oberste Rahja Geweihte mit den Galahans verbandelt. Keine Ahnung ob das in der offiziellen Setzung so ist, aber allein die Idee fand ich großartig.
Griechische Götter ('Du hast mir mein Spielzeug weggenommen. Da jetzt ist deine Stadt putt') mag ich genauso wenig wie Priester der Marke 'Borgia', 'Richelieu' oder 'Tetzel/Albrecht von Brandenburg'.
Geweihte müssen nicht gut sein. Sie müssen auch nicht auf der Seite der Helden stehen.
Aber so eine Profanisierung der Götter und Kirchen wie von Rimaldo geschrieben ... .
Gerade bei Rahja ... . Was für ein Stich ins Herz.
Bei der Göttin! Hätte ich einen Rahjageweihten oder einen stark rahjagläubigen Charakter gespielt und miterleben müssen wie die Metropolitin meines Glaubens, von der ich dacht sie stünde der Göttin so nahe -- die ja von der Göttin erwählt ist -- ihre Kirche so verrät und ihren Glauben der familiären Klein-Klein unterordnet, ich wüsste nicht was ein solcher Charakter getan hätte.
Am eigenen Glauben verzweifeln? Die Kirche der Frevlerin zu entreißen versuchen? Sich auf die Suche nach einem Ort machen an dem der Glaube noch etwas zählt? Auf jeden Fall kaum einfach so weiter machen und dem nächsten horasischen Geweihten das übliche Vorschussvertrauen entgegenbringen.
Wenn die Welt bei Dir so voll von Egoisten ist, dann doch bitte die Kampagne auch nur mit abgebrühten 'Mein Schwert gehört dem der am besten (im Vorraus) zahlt'-Charakteren. Da kann man dann auch nicht von den NSCs enttäuscht und reingelegt werden. Aber eigentlich bietet die Kampagne für so eine Motivation über weite Teile zu wenig 'Beute'.
Aber wahrscheinlich bin ich auch eher jemand für die alten Elfenstädte.
Gruß Robak
tldr: Hintergründe können von Spielern lange nicht erspielt werden und solange auch nicht deren Spielspaß speisen. Grau vs. grau der Rahmenhandlung problematisch für Motivation bei Charakterspielern (Was will mein Charakter jetzt tun?-Perspektive ).