Meine Bewertung erfasst die tatsächliche Umsetzung der eigentlichen Intention der Spielhilfe. Ziel des Regelwerks ist es, Spielercharakteren mit karmalen Fähigkeiten zu ermöglichen sowie ausreichend Hintergrundmaterial zur Darstellung dieser bereitzustellen.
- Huldigung:
- Der Band ist klar gegliedert und übersichtlich aufgebaut, was ihn klar von WdZ oder WdS abhebt.
- Die enthaltenen Regeln zu den Geweihten sind sehr kompakt gehalten, ermöglichen jedoch einen sinnvollen und abwechslungsreichen Einsatz karmaler Fähigkeiten seitens der Spielercharaktere. Darüber hinaus ist dennoch ein zügiger Spielfluss (anders als z.B. Beschwörungen) gewährleistet.
- Gerade die zwölfgöttlichen (Haupt-)Kirchen sind ausführlich beschrieben, ohne sich in einzelnen Details zu verlieren.
- Häme:
- Bei einigen wichtigen Mirakeln (angesprochene At/Pa) oder Liturgien bestehen Unklarheiten.
- Die Beschreibungen der Kirchen und deren Einfluss decken sich zum Teil nichtmal ansatzweise mit dem aventurischen Hintergrund. Das entwertet das Buch massiv.
- Bei der Auswahl und Gestaltung vieler Liturgien wird eindeutig zu wenig Wert auf die Nutzbarkeit von Spielerseite gelegt. Sehr viele Fähigkeiten haben selbst in einem gemäßigten Heldenleben keinerlei Relevanz, was dementsprechend wenig Anreiz gibt, einen Geweihten abseits der üblichen Verdächtigen zu spielen. Im Gegenzug hierzu bieten einige Kulte eine fast schon absurde Bandbreite an unglaublich nützlichen Liturgien.
- Ähnliches gilt für die Beschreibung der Kulte an sich: hier lesen sich die Texte zumeist als Alltagsbeschreibungen, welche zwar einen schönen, wenn auch etwas diffusen Eindruck vom aventurischen Glaubensleben bieten, den Leser allerdings bei wichtigen Fragen alleine lassen, wenn es z.B. um Konfrontationen von reisenden Geweihten/Akoluthen mit dem Alltag oder Extremsituationen geht.
Ärgerlicherweise wird bei den verschiedenen Kulten meist ausschließlich die Hauptlinie beschrieben. Die für Spieler oftmals viel interessanteren Strömungen werden bestenfalls als Randnotiz aufgeführt. Hierzu werde ich mich Fazit noch ein wenig ausführlicher äußern.
Fazit:
Der Band erfüllt eigentlich viele Kriterien um als "gutes" Regelwerk bewertet zu werden. Allerdings wird sämtliches, darüber hinausgehendes Potential des Buches so leichtfertig verschenkt, dass ich wirklich über einen Punktabzug nachdenke, da man die gebotene Vielfalt an Geweihten schlicht und einfach kaum nutzen kann, sieht von ausgewählten Einzelabenteuern oder aufwendig gestalteten Themengruppen einmal ab. Grund hierfür dürfte vor allem eine falsche Gewichtung der Beschreibungen und Angaben sein:
Als Praiot interessieren mich weniger die weinerlichen und weltfremden Barniborier, die in ihren zertrümmerten Tempeln sitzen, sondern die "volksnahen" Greifenfurter Praioten (incl. Bannstrahl, aber der ist ja ein Thema für sich)- Hinweise, wie die Geweihten den Spagat zwischen idealisiertem Moralkodex und der wohl eher von Pragmatismus geprägten Realität der Gegend meistern, wären eine gute Richtlinie für SC Geweihte, die von den hohen moralischen Ansprüchen überfordert sind.
Die güldenländisch inspirierten Harmonisten der Rahjakirche sind von der Welt weitestgehend isolierte Individualisten- als Spielercharakter generell eher untauglich. Der pragmatische Kult des Nordens sowie die ekstatisch-kämpferische Kirche der Roten Schwester erscheinen mir in jeder hinsicht deutlich geeigneter, die charakteristischen Eigenheiten der jeweiligen Kirche mit dem notwendigen Pragmatismus eines Spielercharakters zu verbinden. Allerdings beantwortet das WdG keinerlei Fragen zu diesen Strömungen. Das gilt in dieser oder ähnlicher Form eigentlich für zu viele Kirchen.
Die vertanen Gelegenheiten, moralisch eigentlich zu anspruchsvolle (Bsp. 1), oder, von ihrer Gestaltung her, verkorkste Kulte (Bsp. 2) sinnvoll ins Heldenleben/Spiel zu integrieren, sind einfach zu ärgerlich, als dass die
Mindestanforderung an ein einheitliches Layout oder durchdachte Regeln dies wirklich aufwiegen können.
Drei, wenn auch starke, Punkte.